Rafael Seligmann

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springenZur Suche springen
Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zum gleichnamigen Autor in jiddischer Sprache sieheRafael Seligmann (Autor, 1875) (1875–1943).
Rafael Seligmann (2010)

Rafael Seligmann (geboren13. Oktober1947 inTel Aviv) ist ein deutscherSchriftsteller,Publizist,Politologe undZeithistoriker.

Inhaltsverzeichnis

Familie

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Rafael Seligmann ist der Sohn von Ludwig Seligmann, der 1934 ausIchenhausen (Bayern) nach Tel Aviv emigrierte. Er selbst hat drei Kinder.[1]

Leben

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Seligmann wanderte 1957 mit seinen Eltern aus Israel nach Westdeutschland ein. Nach einer Lehre[1] studierte er Politikwissenschaft und Geschichte in München und Tel Aviv. Er promovierte 1982 über „Israels Sicherheitspolitik“.

Seit 1978 schreibt Seligmann Essays, Kommentare und Kolumnen unter anderem für denSpiegel,B.Z., dieBILD,Die Welt, dieFAZ, dieFrankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, dietaz und dieJüdische Allgemeine.

1981/82 war er außenpolitischer Berater in derCDU-Bundesgeschäftsstelle in Bonn, von 1985 bis 1991 Dozent für Internationale Beziehungen an der Universität zu München. 1985 gründete Seligmann dieJüdische Zeitung und blieb zwei Jahre deren Chefredakteur.

Seligmann lebt als freier Journalist, Publizist und Autor in Berlin. Von Oktober 2004 bis 2009 war er Chefredakteur der in Deutschland und in den USA erscheinenden englischsprachigen MonatszeitungThe Atlantic Times. Von 2012 bis 2019 gab er die vier Mal im Jahr erscheinende englischsprachige ZeitschriftJewish Voice from Germany heraus.

2008 bis 2012 befragte Seligmann im Rahmen des „Talk im Elysée“ im Hamburger Hotel „Grand Elysée“ jeweils eine Person des öffentlichen Lebens zu persönlichen und politischen Themen. Gäste waren unter anderemMaybrit Illner,Huub Stevens,Hildegard Müller,Michel Friedman,Mario Adorf undGuido Westerwelle.

Seligmann kritisierte, dass im Streit um dieMohammed-Karikaturen die Pressefreiheit von Europa nicht offensiver verteidigt wurde. Stattdessen fänden Entschuldigungen bei Islamisten statt. Gleiches habe für ein den Islam herabwürdigendes Zitat in einer Papstrede gegolten, das sich der Papst nie zu eigen gemacht habe. Durch diese Unterwerfung seien die europäischen Werte der Freiheit auf Dauer gefährdet und der radikale Islamismus gewinne.

Seligmann ist Vorstandsmitglied des Vereins „GesichtZeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“, gegen Rassismus und Antisemitismus.[2]

Grundtendenzen des Werkes

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

In seinen Romanen und Sachbüchern schreibt Seligmann provokant und schonungslos über das deutsch-jüdische Verhältnis. Dieses Verhältnis sei „seine Lebensmelodie, Aufklärung, seine Mission“. Für ihn bedeutet das: Kritik in alle Richtungen. Seine Hauptintention ist „Mehr Normalität“ im Zusammenleben von Deutschen und Juden. Dafür lohne es sich, bis an die Schmerzgrenze zu gehen.

ImSpiegel-EssayDie Juden leben bemerkt Seligmann: „Die ‚Freunde‘ rauben den Juden den seelischen Atem.“[3]

„NachAuschwitz sind bei den Überlebenden, den Angehörigen und Nachkommen der Opfer und Täter tiefe seelische Verletzungen zurückgeblieben. Diese lassen sich nicht allein durch akademische Debatten heilen. Da braucht es viel Verständnis, aber auch Streit – Streit wie in derJudenschule“, schrieb er in derRheinischen Post.

Sein Werk und Schaffen polarisieren – ebenso wie seine Person: Den einen gilt er als „Nestbeschmutzer“ (Jüdische Allgemeine), den anderen als „Aufklärer“ (Zeit). Seligmann selbst sieht sich als „deutschen Juden“.

Prosaliteratur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Mit seinem RomandebütRubinsteins Versteigerung (1988) schrieb er das erste Werk der GegenwartsliteraturdeutscherJuden, dem noch weitere folgten. Es wurde mit großer Begeisterung, aber auch Ablehnung aufgenommen. In dem 1997 erschienenenRomanDer Musterjude persifliert Seligmann die Medienwelt und die schwierigen deutsch-jüdischen Beziehungen, indem er den Karriereweg eines jüdischen Jeansverkäufers zum gefeierten, tabubrechenden Starjournalisten in absurde Höhen treibt.

Ende 2006 erschien „Die Kohle-Saga“, eine Familiensaga um eine polnische Einwandererfamilie, in deren Schicksal sich über die Jahrzehnte hinweg die Geschichte des deutschen Steinkohlebergbaus spiegelt. DieRuhrkohle AG hat jedem Konzernmitarbeiter eine Ausgabe des Buches zukommen lassen.

2017 erschien der RomanDeutsch Meschugge, eine Satire über die Auswirkungen desPopulismus in der deutschen Politik.

Seligmanns Hauptwerk ist die Familien-TrilogieLauf Ludwig, lauf (2019),Hannah und Ludwig (2020) undRafi, Judenbub (2022). Es ist die literarisch erzählte Geschichte der Eltern des Autors von 1907, dem Geburtsjahr des Vaters, bis zum Todesjahr der Mutter, 1990. Im letzten Band erzählt der Autor seine eigene Geschichte, den Aufstieg vom Lehrling zum Akademischen Rat an der Universität München.[4] „Wie die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts Familiengeschichten bestimmt, hat der Historiker und Schriftsteller Rafael Seligmann auf einzigartige Weise sichtbar gemacht“, bewerteteMarie Wildermann imDeutschlandfunk die Trilogie.

Sachliteratur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Seligmanns Dissertation aus dem Jahr 1982 mit dem TitelIsraels Sicherheitspolitik. Zwischen Selbstbehauptung und Präventivschlag – Eine Fallstudie über Grundlagen und Motive behandelt denSechstagekrieg zwischen arabischen Staaten und Israel im Jahr 1967. Der Autor betrachtet darin die Vorgeschichte des Konflikts, analysiert wichtige Determinanten der israelischen Sicherheitspolitik und durchleuchtet das vielfältige Spektrum des politischen und militärischen Systems des Staates Israel in den beiden ersten Jahrzehnten seines Bestehens. Das Werk zeichnet den Entscheidungsprozess auf israelischer Seite während der einzelnen Krisen- und Kriegsphasen im Mai/Juni 1967 minutiös nach. Der Autor untersucht im Rahmen der Thematik die Rationalität der israelischen Sicherheitspolitik mit dem Instrument der politisch-strategischen Lehren vonCarl von Clausewitz.

In seinemSachbuchMit beschränkter Hoffnung setzte er sich 1991, kurz nach der deutschen Wiedervereinigung, mit der Situation der deutschen Juden und der Juden in Deutschland auseinander.

Im Frühjahr 2004 erschien der EssayHitler. Die Deutschen und ihr Führer. Das Buch behandelt dabei die Frage, warum die Deutschen so lange absolut loyal zuHitler standen. Kernthese Seligmanns darin ist, dass Hitler die unter Deutschen verbreitete Angst und Aversion vor derModerne, als deren Vertreter die Juden galten, teilte. Seligmanns Antwort, dass diese Loyalität in der „Angst vor der Moderne“ begründet gewesen sei, wurde heftig diskutiert. In derFAZ z. B. wurde dies als „bloßes Psychologisieren bei erheblich gestörten Bezügen zur historischen Realität“ bezeichnet. Der grundsätzliche Tenor der Rezension lautete, dass es ein leicht lesbares Buch mit „viel Effekthascherei“, aber wenig neuen Erkenntnissen sei.

Seligmanns Sachbücher gaben Anlass zu Diskussionen; zum einen über die politischen Intentionen und zum anderen über die geschichtlichen Interpretationen.

Seligmann schrieb das Drehbuch für den zweiteiligen FernsehfilmShalom Deutschland (Erstausstrahlung: Frühjahr 1998,ARD).

Jewish Voice from Germany

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Anfang 2012 gründete Seligmann die ZeitungJewish Voice from Germany – Die englischsprachige Brücke zwischen Deutschland und den Juden in aller Welt. Die Zeitung bestand bis 2019 und richtete sich vorwiegend an ein amerikanisches, später auch deutsches Publikum. Die Zeitung wurde allen Abgeordneten desU.S. Congress, der israelischenKnesset sowie dem kanadischen und australischen Parlament zugestellt. Die Zeitung informierte über das jüdische Leben in Deutschland. Sie erschien vierteljährlich in englischer Sprache und wurde überwiegend durch Werbung finanziert. Seligmann war der Herausgeber; Redakteure waren Hartmut Bomhoff,Michael S. Cullen, Sabine Dultz, Siegfried Guterman, Susanne Mauss (†) und Elisabeth Neu. Zu den Autoren zählen unter anderemMoshe Zimmermann,Heribert Prantl,Uwe-Karsten Heye undHeiko Maas. Die Startauflage betrug 50.000 Exemplare, davon wurden 7.000 in Deutschland verteilt. Später betrug die Gesamtauflage mehr als 100.000 Exemplare.[5] Die erste Ausgabe erschien am 2. Januar 2012.[6][7] Ab 2015 erschien parallel zur englischen Edition eine deutsche Ausgabe. Sie war Teil der TageszeitungDie Welt.

Ehrungen

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Am 7. Mai 2021 erfolgte die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande an Seligmann, zusammen mit seiner Frau Elisabeth, neben vier weiteren Personen, unter anderemDjango Heinrich Reinhardt, für seinen Beitrag zur Erinnerungsarbeit sowie die Gründung und Leitung der ZeitungJewish Voice from Germany.[8][9]

Werke

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Autograph

Literatur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  • Helene Schruff, Hans-Joachim Hahn:Seligmann, Rafael. In:Andreas B. Kilcher (Hrsg.):Metzler Lexikon der deutsch-jüdischen Literatur. Jüdische Autorinnen und Autoren deutscher Sprache von der Aufklärung bis zur Gegenwart. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2012,ISBN 978-3-476-02457-2, S. 461–463.

Weblinks

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Commons: Rafael Seligmann – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. abRafael Seligmann:Deutschland wird dir gefallen: Autobiographie. 1. Auflage. Aufbau Verlag, Berlin 2010,ISBN 978-3-351-02721-6. 
  2. Gesicht Zeigen! | Für ein weltoffenes Deutschland. Abgerufen am 6. März 2022. 
  3. Die Juden leben. In:Der Spiegel. 15. November 1992,ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 6. März 2022]). 
  4. Rafael Seligmann:Rafi, Judenbub Der Wiederaufstieg der Seligmanns. 1. Auflage. München 2022,ISBN 978-3-7844-3622-7. 
  5. About Us. In: Jewish Voice From Germany. Abgerufen am 6. März 2022 (amerikanisches Englisch). 
  6. Seligmann bringt neue Zeitung heraus. In: BZ. Axel Springer, 1. Januar 2012, abgerufen am 7. März 2022. 
  7. Sonja Pohlmann:Neue Zeitung über jüdisches Leben. Jenseits des Holocaust. In: Tagesspiegel. 12. Dezember 2011. Abgerufen am 3. Januar 2012.
  8. Ordensverleihung "Gemeinsam den Frieden stärken". In: bundespraesident.de. 7. Mai 2021, abgerufen am 20. März 2025. 
  9. Meldung auf ZDF.de. Abgerufen am 7. Mai 2021.
Personendaten
NAMESeligmann, Rafael
KURZBESCHREIBUNGdeutsch-israelischer Schriftsteller
GEBURTSDATUM13. Oktober 1947
GEBURTSORTTel Aviv-Jaffa
Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rafael_Seligmann&oldid=254393394
Kategorien: