Angelo Onofrio Melchiorre Natale Giovanni Antonio Braschi, Sohn einer alten Adelsfamilie, studierte am Jesuitenkolleg in Cesena und wurde schon als Achtzehnjähriger Doktor der Rechtswissenschaften. Während desKonklaves von 1740 war er Sekretär des neugewähltenKardinaldekansTommaso Ruffo, für den er während des Konklaves dieDiözeseOstia-Velletri verwaltete.
Nach dem Tod von Kardinal Ruffo wurde Braschi im Jahr 1753 Kammerdiener von PapstBenedikt XIV. Nachdem er im Jahr 1758 diePriesterweihe empfangen hatte, ernannte ihn der Papst zu seinem Hausprälaten. Am 14. September desselben Jahres wurde Braschi Referent amApostolischen Gericht. Danach wurde er Sekretär und Auditor von KardinalCarlo Rezzonico, dem er von dessen Onkel PapstClemens XIII. empfohlen worden war. Im September 1766 folgte seine Berufung zum Schatzmeister der Apostolischen Kammer. PapstClemens XIV. ernannte Braschi am 26. April 1773 schließlich zum Kardinal. Er hielt sich aus den kirchlichen Konflikten mit den europäischen Großmächten weitgehend heraus, weswegen er als Kompromisskandidat dann auch zum Papstgewählt wurde.
Pius VI., um 1780Wappen Pius VI. an der Decke derLateranbasilika
In einem fast fünf Monate dauerndenKonklave wurde der Kirchenjurist und Kardinal Graf Braschi am 15. Februar 1775 zum Nachfolger von PapstClemens XIV. gewählt. Bei seiner Wahl musste er zusagen, dasJesuitenverbot nicht anzutasten. Die Wiederzulassung des im Jahr 1773 aufgehobenenJesuitenordens betrieb 1814 sein NachfolgerPius VII.
Mit seiner Namenswahl wollte Pius VI. an den von 1566 bis 1572 amtierenden PapstPius V. anknüpfen, der seinerzeit die Beschlüsse desKonzils von Trient mit großem Eifer durchsetzen ließ und Architekt der Heiligen Liga war, die in derSeeschlacht von Lepanto die Osmanen besiegte.
Am 7. Januar 1799 überholte erHadrian I., dessen Amtszeit 772–795 mit knapp 24 Jahren bisher die längste Amtszeit eines Papstes war. Sein Rekord wurde erst 1870 vonPius IX. übertroffen, der ihn heute noch hält.
Zu den ersten legislativen Akten seiner Amtszeit zählt die Unterzeichnung desEditto sopra gli Ebrei („Edikt über die Juden“), eine Zusammenfassung allerkirchenstaatlichen Judengesetze, die seit der vonPaul IV. im Jahr 1555 erlassenen BulleCum nimis absurdum hinzugekommen waren. Pius VI. praktizierte auch denNepotismus wieder stärker als seine Vorgänger, was ihm Kritik einbrachte. So ernannte er seinen NeffenRomoaldo Braschi-Onesti, seinen OnkelGiovanni Carlo Bandi sowie seinen späteren Nachfolger Luigi Barnaba Chiaramonti (Pius VII.), mit dem er mütterlicherseits verwandt war, zu Kardinälen.
Während seinesPontifikats sah sich die Kirche in verschiedenen Ländern starken staatlichen Eingriffen ausgesetzt, besonders imjosephinistischenHabsburgerreich. KaiserJoseph II. wollte in Österreich das Prinzip derStaatskirche einführen, womit erhebliche Beschränkungen des päpstlichen Einflusses verbunden gewesen wären, selbst in geistlichen Fragen. Deshalb unternahm der Papst im Jahr 1782 eine Reise nachWien und versuchte erfolglos, den Kaiser zum Einlenken zu bewegen. Am Ostersonntag, den 31. März 1782, erteilte Papst Pius VI. den SegenUrbi et Orbi vom Balkon der Wiener KircheAm Hof und besuchte am 16. April 1782 diePeregrini-Kapelle, deren PatronPeregrinus Laziosi er bis zu seinem Lebensende sehr verehrte.[2] Anlässlich seines Besuches in Wien wurde einTe Deum des Komponisten Johann Habegger († 1795) gesungen.[3] Auf der Rückreise kam er auch durch Mittelschwaben; im OrtLamerdingen erinnert eineSäule an die Erteilung des apostolischen Segens dort am 6. Mai 1782.[4]
Diese Konflikte traten mit dem Ausbruch derFranzösischen Revolution im Jahr 1789 in den Hintergrund. In Frankreich wurde das gesamte Kirchengut säkularisiert, die Orden wurden aufgelöst, die Zahl der Bistümer wurde im Zuge derEntchristianisierung stark begrenzt. Bischöfe und Priester wurden von nun an von staatlichen Stellen ernannt und mussten einen Eid auf die Verfassung ablegen.
Der Inhalt der „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ stieß bei Papst Pius VI. auf entschiedene Ablehnung. Sein Befremden über die Forderungen der Erklärung drückte er in einemBreveQuod Aliquantum am 10. März 1791 mit den Worten aus: „Kann man etwas Unsinnigeres ausdenken als eine derartige Gleichheit und Freiheit für alle zu dekretieren?“
Eine normative Egalität zu konstituieren, die sich über die „natürliche Wahrnehmung“ in der Gesellschaft hinwegsetzte – dieser neuartige Gedanke erschien ihm widersinnig. Die Absage an Menschenrechte und Volkssouveränität entsprang einem Menschenbild, dessen Skepsis gegen bürgerliche und persönliche Freiheiten der Menschen in schärfstem Widerspruch zum Optimismus stand, wie er sich im Geist der Französischen Revolution niederschlug. Wesentlichen Einfluss auf dieses Breve hatte derKardinal Giuseppe Garampi, der sich für eine organisatorische und wesensmäßige Trennung von Kirche und Politik einsetzte. Die Praxis desAblasses verteidigte er.
Pius VI. schloss sich mit Österreich und Neapel der Koalition gegen das revolutionäre Frankreich an und musste die Folgen der Niederlage imErsten Koalitionskrieg mittragen. Teile desKirchenstaates wurden im Jahr 1796 im Zuge desItalienfeldzugsNapoleon Bonapartes von französischen Truppen besetzt. Bonaparte erzwang denFrieden von Tolentino (19. Februar 1797), mit dem er vom militärisch unterlegenen Kirchenstaat Gebietsabtretungen an Frankreich, die Zahlung einer erheblichen Geldsumme und die Übergabe wertvoller Kunstwerke erreichte. Nach neuerlichen militärischen Interventionen besetzten die Franzosen Anfang 1798Rom und riefen am 15. Februar 1798 dieRömische Republik aus. Der Papst wurde für abgesetzt erklärt und zunächst nachSiena, dann nachFlorenz verbannt. Bereits schwerkrank, wurde er ab Ende März 1799 auf Geheiß Napoleons überParma undTurin nach Frankreich verschleppt. Vergebens bat der achtzigjährige Papst, man möge ihn in Rom sterben lassen: „Sterben können Sie überall“, wurde ihm zur Antwort gegeben. Nach einmonatiger Haft in der Zitadelle von Valence verstarb er dort im Sommer 1799. Papst Pius VI. wurde zunächst im Garten der Zitadelle begraben; erst nach Abschluss desKonkordats mit Bonaparte durfte er umgebettet werden. Am 24. Dezember 1801 wurde der Sarg Pius’ VI. ausgegraben, mit einem Gespann von vier Pferden nachMarseille gebracht und nachGenua verschifft. Von dort kam er über Lerici, Massa, Pisa und Siena nach Rom, wo er am 18. Februar 1802 imPetersdom (Vatikanische Grotten) bestattet wurde.
Im folgenden Winter 1799/1800 traten die Kardinäle unter österreichischem Schutz zumKonklave in Venedig zusammen, aus dem im März 1800Pius VII. hervorging.
Pius VI. In: Reinhard Barth:Alle Päpste. Naumann & Göbel, Köln 2008,ISBN 978-3-625-12035-3, S. 252–253.
Marina Caffiero: Pio VI. In: Massimo Bray (Hrsg.):Enciclopedia dei Papi. Band 3: Innocenzo VIII, Giovanni Paolo II. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2000 (treccani.it)..