Pierre Restany (*24. Juni1930 inAmélie-les-Bains,Département Pyrénées-Orientales; †29. Mai2003 inParis) war ein international bekannterfranzösischerKunstkritiker,Kulturphilosoph und Namensgeber der GruppeNouveaux Réalistes.
Pierre Restany, geboren imDépartement Pyrénées-Orientales, wuchs inCasablanca auf, zog 1949 nachFrankreich, besuchte in Paris dasLycée Henri IV und erhielt seine wissenschaftliche Ausbildung in Frankreich,Irland undItalien. In Paris bekam er Kontakt zur Kunstwelt. Seine ersten Schriften verfasste er seit 1952 für die ZeitschriftCimaise. Er setzte sich für den MalerJean Fautrier ein, lernte 1955Yves Klein kennen und befasste sich mit derLyrischen Abstraktion in seiner VeröffentlichungLyrisme et abstraction, 1958.[1]
Im Oktober 1955 lernte Pierre Restany den jungen Maler Yves Klein kennen, der seineMonochromes in der Editions Lacoste in Paris erstmals ausstellte. Restany entwickelte zu dieser idealistischen Künstlerpersönlichkeit eine spontane Zuneigung und fand zu dessen Ideen einen emotionalen Zugang. Klein, obgleich utopischer Träumer, hatte eine klare künstlerische Haltung, war aber als „[…] ein Seiltänzer zwischen Genie und Scharlatan […]“[2] bei der Verbreitung seiner Konzeption auf Kunstkritiker angewiesen. Der Künstler fand in Restany einen kongenialen Interpreten, der seinen künstlerischen Ansatz intuitiv verstand, eine Fähigkeit, die Klein als „direkte Kommunikation“ bezeichnete. Restany wurde nicht nur engster Vertrauter des Künstlers, er wurde dessen vehementester Fürsprecher und formulierte fortan die literarischen und theoretischen Grundlagen zu Kleins künstlerischen Positionen.[3]
Bereits bei ihrer ersten Begegnung bei Lacoste verabredeten sie, dass Restany für den AusstellungskatalogYves – Propositions monochromes (monochrome Vorschläge) der Galerie Colette Allendy das Vorwort schreiben solle. Die Ausstellung eröffnete Restany im Februar 1956 mit einer Rede, die mit den Worten „La minute de vérité. A tous les intoxiqués de la mashine et de la grande ville, les fénétiques du rhythme et les masturbés du réel, YVES propose une très enrichissante cure de silence asthénique […]“ („Die Minute der Wahrheit. Allen von der Maschinerie und der Großstadt berauschten, den frenetischen Anhängern des Rhythmus und den Realitätsmasturbierern schlägt YVES eine sehr bereichernde Kur des asthenischen Schweigens vor […]“)[4] begann.
Die AusstellungYves – Propositions monochrome wurde anschließend in der Galerie Apollinaire in Mailand, ab 31. Mai 1957 in Zusammenarbeit mit der Pariser GalerieIris Clert beiAlfred Schmela in Düsseldorf[5] und im gleichen Jahr in der Galerie One in London gezeigt. Im April 1958 stellte die Galerie Iris Clert diePerformanceLe Vide (Die Leere) von Yves Klein vor, die legendär wurde und zu deren Eröffnung allein 3000 Besucher kamen. Auf der Einladungskarte lud Restany die Kunstfreunde ein, der „Manifestation einer Wahrnehmungssynthese“ beizuwohnen, die Kleins „[…] malerische Suche nach einer ekstatischen und unmittelbar mitteilbaren Emotion […]“ rechtfertigte.[6] Restany formulierte während der Ausstellung den TitelDie Leere in das für treffender befundene „Die Spezialisierung der Sensibilität im Urzustand als dauerhafte malerische Sensibilität“ um. In der Ausstellung waren keine Kunstwerke zu sehen, die makellos weißen, von Neonröhren beleuchteten Wände der Galerieräume waren völlig leer.
Nach der AusstellungMonochrome Malerei 1960 in derStädtischen Galerie Leverkusen gründeten Klein und Restany mit Freunden dasInternational Klein Bureau, das auch die Patentierung des legendärenI.K.B (International Klein Blue), Kleins bevorzugtem Malgrund, vorantrieb.
In den 1960er Jahren begann Restany, über die aktuelle Kunst, denNouveau Réalisme, zu publizieren. Er wurde der theoretische Kopf der Gruppe, die im Stil so uneinheitlich war wie dieSurrealisten und die amerikanischePop Art. Am 16. April 1960 fand eine erste Ausstellung,Les Nouveaux Réalistes, in der Galerie Apollinaire inMailand statt, der den Namen der Gruppe prägte. Das ersteManifest mit dem TitelManifeste des Nouveaux Réalistes wurde am 27. Oktober 1960 von neun Künstlern in Yves Kleins Atelier unterschrieben. Zu der neuen losen Künstlervereinigung gehörten als Unterzeichner neben Restany Yves Klein,Arman,Jean Tinguely,Daniel Spoerri,Martial Raysse,Raymond Hains,Jacques de la Villeglé undFrançois Dufrêne, später folgtenCésar,Mimmo Rotella,Gérard Deschamps,Niki de Saint Phalle undChristo.[7] Was sie einte, war die Vorstellung vom Verhältnis zwischen Kunst und Realität.[8] Restanys Philosophie lautete:
Zwischen 1961 und 1967 wurde dieGalerie J in Paris, betrieben von seiner zweiten Frau Jeannine de Goldschmidt-Rothschild, zu einem wichtigen Ort für Restanys Philosophie.Au 40° (Quarante degrés) au dessus de Dada(Vierzig Grad überDada), das zweite Manifest, war zugleich der Titel der ersten Ausstellung der Galerie J im Mai 1961.[10][11] Die Galerie zeigte in den folgenden Jahren Künstler wieCy Twombly,Jasper Johns undRobert Rauschenberg. Seit 1963 arbeitete Restany mit dem Kunst- und ArchitekturmagazinDomus zusammen und verfasste vierteljährlich erscheinende Rezensionen im MagazinArs.[12] Die Gruppe der Nouveaux Réalistes löste sich im Jahr 1970 auf. 1974 veröffentlichte Pierre Restany die ersteMonographie über Yves Klein beiHachette in Paris, der 1982 eine zweite Publikation mit dem TitelYves Klein folgte, die zum Standardwerk über den Künstler wurde.[13]
Seit den 1960er Jahren reiste Pierre Restany durch Europa, Asien und den amerikanischen Kontinent. Im Sommer 1978 unternahm er gemeinsam mit den Künstlern Sepp Baendereck undFrans Krajcberg eine Bootsreise auf dem Amazonas. Das Reiseerlebnis reflektierte er in „Le Manifeste du Río Negro“, das er im Urwald niederschrieb.[14] 1988 hielt Restany im Rahmen einer Ausstellung vonGünther Uecker in derTretjakow-Galerie inMoskau eine Reihe von Vorträgen zum Stand der westlichen Kunst. Im Januar 1989 traf er in MailandDmitri Lichatschow, Mitglied derSowjetischen Akademie der Wissenschaften und erster Präsident der Russischen Stiftung für Kultur, der zur Eröffnung einer Ausstellung über dieRussische Avantgarde angereist war. Seit 1999 widmete er sich beimPalais de Tokyo in Paris der Förderung junger zeitgenössischer Künstler. Im Frühjahr 2002 nahm Pierre Restany an der von Sarah Wilson kuratierten AusstellungParis. Capital of the Arts 1900–1968 derRoyal Academy inLondon teil.[15]
Kurz vor seinem 73. Geburtstag starb Restany am 29. Mai 2003 in Paris; seine Grabstelle befindet sich auf demCimetière Montparnasse.
Im Jahr 2000 veröffentlichtenLes éditions Jacqueline Chambon inNîmes eineAnthologie der theoretischen Schriften Pierre Restanys unter demprogrammatischen Titel „Avec le Nouveau Réalisme, sur l'autre face de l'art“.[16]
Personendaten | |
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NAME | Restany, Pierre |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Kunsthistoriker |
GEBURTSDATUM | 24. Juni 1930 |
GEBURTSORT | Amélie-les-Bains |
STERBEDATUM | 29. Mai 2003 |
STERBEORT | Paris, Frankreich |