Parteitag

EinParteitag ist einsatzungs- undparteienrechtlich vorgesehenesKollegialorgan vonFunktionären undMitgliedern einerpolitischen Partei, das die sachliche, finanzielle und personellePolitik der Partei diskutiert und festlegt. Auch die Wahl desParteichefs, seiner Stellvertreter und desPräsidiums findet auf Parteitagen statt. Ein Parteitag istvereinsrechtlich eine Sonderform einerMitgliederversammlung. Er ist in Deutschland in§ 9 und§ 13Parteiengesetz geregelt.
Struktureller Hintergrund
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Auf den meisten Parteitagen sind nicht alle Parteimitglieder, sondern aus organisatorischen Gründen nur eine festgelegte Anzahl vonDelegierten anwesend. Auf welcher Ebene diese gewählt werden, ist von der Größe des Parteitages und der Partei abhängig. So delegieren in Deutschland bei einem Kreis- bzw. Unterbezirksparteitag meist dieOrtsvereine, während auf einem Bundesparteitag bei den mitgliederstarken Parteien für gewöhnlich die Landesverbände oder Bezirke Delegierte entsenden, bei mitgliederschwächeren Parteien dagegen dieKreisverbände. In vielen Parteien sind zudem Vorstandsmitgliederqua Amt delegiert. Auch eine Delegation nach Art derMitgliedschaft ist möglich (aber unüblich); beibürgerlichen Parteien z. B. nach Arbeitssparten wieArbeitnehmer,Unternehmer,Landwirt,Jugend,Senioren usw.
In denUSA werden die Delegierten zu denNominierungsparteitagen vor denPräsidentschaftswahlen dagegen in den sogenanntenPrimaries (Vorwahlen) direkt durch das Volk gewählt.
In den großen deutschenVolksparteien sind auch auf Kreisebene häufig noch Delegiertenparteitage üblich. Um mehr Mitglieder in die grundlegenden Entscheidungen der Kreispartei einzubinden, werden jedoch immer mehr Kreisparteitage in Form von Mitgliederparteitagen durchgeführt, bei denen alle Mitgliederstimmberechtigt sind. Manche Landesverbände schreiben über die Satzung gar vor, dass Kreisparteitage als Mitgliederparteitage durchzuführen sind. Gegen die Einführung von Mitgliederparteitagen wird oft eingewandt, dass sie den Einfluss der Ortsverbände schwächen und Manipulationen (zum Beispiel durch die Wahl des Tagungsortes in der Nähe des eigenen Ortsverbandes und entfernt von einem konkurrierenden Ortsverband) begünstigen.
Da Parteien gleichzeitigVereine sind, ist auf sie in Deutschland analog dasdeutsche Vereinsrecht anzuwenden. Ein Parteitag ist somit dasselbe wie eineJahreshauptversammlung – und wird gemäߧ 9 Abs. 1 PartG auf Gebietsverbänden der untersten Stufe auch als solche bezeichnet.
Einem Parteitag steht in der Regel ein Präsidium vor, welches die Versammlung leitet. Auch gibt es häufig eine sogenannteAntragskommission, die Anträge von Einzelpersonen oder Gruppen im Vorfeld bearbeitet, um einen reibungslosen Ablauf des Parteitags zu gewährleisten, sowie eineZählkommission, die für die Auszählung der Stimmen bei schriftlichen Abstimmung oder Wahlen zuständig ist.
Arten von Parteitagen in Deutschland
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ordentlicher Parteitag
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]EinOrdentlicher Parteitag soll ein satzungsgemäßes Funktionieren derinnerparteilichen Demokratie gewährleisten. Auf diesen Parteitagen, die in regelmäßigen Abständen stattfinden, werden z. B. Parteiämter vergeben. In der Regel hat jede größere Partei alle ein bis zwei[1] Jahre einen ordentlichen Parteitag, um denParteivorstand zu wählen. VorWahlen wird oft auch einWahlprogramm auf Parteitagenbeschlossen.
Außerordentlicher Parteitag
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]EinAußerordentlicher Parteitag wird außerhalb der regelmäßig stattfindenden Parteitage veranstaltet. Dies geschieht für gewöhnlich aus wichtigem Anlass, der nicht aufgeschoben werden sollte, etwa wenn es aufgrund unvorhergesehener Ereignisse einer parteirechtlichen Legitimation bedarf, z. B. Wahl eines neuenParteivorsitzenden (bzw. Gebietsvorsitzenden) oder der Sachentscheidung in einerKoalitions- bzw.Regierungskrise. Ein Beispiel lieferte dieSPD 2004, als der damaligeBundeskanzlerGerhard Schröder denParteivorsitz an den FraktionsvorsitzendenFranz Müntefering abgab. Ein Außerordentlicher Parteitag wird auch häufig genutzt, um einenKoalitionsvertrag zu bestätigen.
Umgangssprachlich und in den Medien wird dafür auch oft der BegriffSonderparteitag verwendet.
Bundesparteitag
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DerBundesparteitag ist nach der Satzung der meisten Parteien das höchste Entscheidungsgremium aufBundesebene. Nach demdeutschen Parteiengesetz ist dies vorgeschrieben. Bei der ParteiBündnis 90/Die Grünen wird der BundesparteitagBundesversammlung bzw. (inoffiziell)Bundesdelegiertenkonferenz genannt.[2]
Teilnehmer des Parteitags sind in der Regel Delegierte der unteren Ebenen, z. B. Landesverbände, Bezirksverbände oder Kreisverbände. AuchBasisparteitage, bei denen alle Mitglieder direkt teilnehmen können, sind möglich. Die Zahl der Delegierten richtet sich dabei meistens nach der Zahl der Mitglieder einer Partei im entsprechenden Regionalverband. Alternativ kann die Aufteilung auch teilweise gemäß der Stimmenzahl bei öffentlichen Wahlen der Partei im Gebiet des Unterverbandes erfolgen. Nach§ 13 des Parteiengesetzes muss jedoch mindestens die Hälfte der Delegiertenrechte nach der Mitgliederzahl berechnet werden. Details regelt die Satzung der jeweiligen Partei.
Der Bundesparteitag beschließt etwa dasGrundsatzprogramm, wählt den Bundesvorstand, nominiert denKanzlerkandidaten, trifft Entscheidungen überKoalitionen mit anderen Parteien zum Zwecke der Regierungsbildung und kann weiterhin Entscheidungen zu jedem Thema treffen, das die Partei betrifft. Einige Parteien unterscheiden zwischen "großen" und "kleinen" Parteitagen (bei Bündnis 90/Die Grünen wäre letzteres derLänderrat). Letztere sind jedoch formal keine Parteitage im engeren Sinne des Parteiengesetzes, sondern sogenannteParteiausschüsse nach§ 12 PartG.
Besondere Bundesparteitage sind solche, bei denen die Kandidaten zurEuropawahl aufgestellt werden, da dies die einzige Wahl in Deutschland ist, bei der bundesweite Parteilisten existieren. Sie werden häufigEuropaparteitag genannt.
Listen von Bundesparteitagen deutscher Parteien
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Liste der CDU-Parteitage
- Liste der SPD-Parteitage
- Liste der FDP-Bundesparteitage
- Liste der Bundesversammlungen von Bündnis 90/Die Grünen
- Liste der CSU-Parteitage
- Liste der AfD-Parteitage
- Liste der Parteitage der Partei Die Linke
Landesparteitag
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DerLandesparteitag ist das höchste Gremium einer politischenPartei auf Ebene desBundeslandes. Er besteht im Regelfall aus der Landesmitgliederversammlung oder denDelegierten derKreisverbände, die von derenMitgliederversammlungen (teils auch Delegiertenversammlungen mit Delegierten derOrtsvereine) gewählt werden.
Er wählt denLandesvorstand der Partei und bestimmt über ihrGrundsatzprogramm undWahlprogramme auf Landesebene.
Vertreterversammlung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Parteitage, die dieKandidaten undListen für eine öffentliche Wahl aufstellen, werden häufig auchVertreterversammlungen genannt. Für sie gelten etwa beiBundestagswahlen die besonderen Bestimmungen der§§ 21-28BWahlG.
Vereinigungsparteitag
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]EinVereinigungsparteitag ist eine Parteiversammlung, auf der sich zwei (oder mehr) Parteien zu einer zusammenschließen.
Beispiele:
- ADAV undSDAP schlossen sich zwischen dem 22. und 27. Mai1875 inGotha zurSAP zusammen.
- Im Dezember1920 bildete der linke Parteiflügel derUSPD zusammen mit derKPD dieVKPD.
- Am 21. und 22. April1946 wurdenSPD undKPD in dersowjetischen Besatzungszone zurSEDzwangsvereinigt.
- Auf einemVereinigungsparteitag am 11./12. August 1990 vereinigt sich dieFDP mit demBund Freier Demokraten, derDeutschen Forumpartei und derF.D.P. der DDR.
- Am 26./27. September1990 ging dieSozialdemokratische Partei in der DDR (SDP) in derSPD auf.
- Die Grünen undBündnis 90 vereinigten sich imJanuar 1993 zuBündnis 90/Die Grünen.
- Linkspartei.PDS undWASG vereinigten sich am 16. Juni 2007 zur ParteiDie Linke.
In anderen Ländern
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DieUS-amerikanischen Parteien spielen außerhalb der Wahlen im politischen Alltag nur eine geringe Rolle. Zwischen den oben genannten, normalerweise nur alle vier Jahren stattfindendenNominierungsparteitagen werden sie von (mit kleinen Parteitagen vergleichbaren) sogenanntenNational Committees geleitet, die jedoch hauptsächlich administrative Aufgaben wahrnehmen (sieheDNC undRNC). Die politische Repräsentation obliegt denParteiführern im Senat und Repräsentantenhaus, sowie (falls er der Partei angehört) demPräsidenten.[3]
Vereinigtes Königreich
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Jedes Jahr zwischen September und Oktober (in der Sitzungspause desHouse of Commons) tagen die Kongresse der britischen Parteien. Auch sie haben aber im Vergleich zu deutschen Parteien weniger Einfluss; in den meisten Parteien werden die Parteiführer in denParlamentsfraktionen gewählt.[4]
Kommunistische Länder
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Inrealsozialistischen Ländern, in denen üblicherweise eineEinparteiendiktatur herrscht, versammelt sich dieKommunistische Partei normalerweise alle paar Jahre zum Parteitag, dem höchsten Parteiorgan. Diese ausParteikadern zusammengesetzten Gremien sind jedoch nicht mit demokratischen Parteitagen vergleichbar, da keine Debatte stattfindet und Beschlüsse desPolitbüros stets einstimmig abgesegnet werden. Beispiele dafür sind derParteitag der Kommunistischen Partei Chinas oder der ehemaligeParteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Auf Parteitagen in kommunistischen Staaten kann es zu Festnahmen auch von hochrangigen Parteimitgliedern kommen.[5]
Online-Parteitage und -Mitgliederversammlungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Vor dem Eintritt desInformationszeitalters galt es als eine Selbstverständlichkeit, dass Mitgliederversammlungen, also auch Parteitage, als „Präsenzversammlungen“ durchgeführt werden mussten, d. h. einRede- und Stimmrecht hatten nur physisch Anwesende. Dem Wortlaut des Parteienrechts kann man entnehmen, dass den Gesetzesautoren das damit verbundene Problem noch nicht bewusst war.
Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg haben im Jahr 2000 einen experimentellen „Virtuellen Parteitag“ durchgeführt[6] und dieses Organ danach in der Satzung des Landesverbands verankert, aber nicht erneut einberufen.
Bis heute hat sich die juristische Fachliteratur noch kaum des Themas „Online-Mitgliederversammlung oder -Parteitag bei politischen Parteien“ angenommen.§ 32 desBürgerlichen Gesetzbuches statuiert zunächst in seinem Abs. 1, dass Angelegenheiten des Vereins grundsätzlich durch Beschlussfassung im Rahmen einer Mitgliederversammlung zu regeln sind; Abs. 2 desselben Paragraphen regelt demgegenüber eine gesetzliche Ausnahme vom Erfordernis der physischen Präsenz bei auf Beschlussfassung ausgerichteten Versammlungen und öffnet damit das Tor für die Möglichkeit von Online-Versammlungen. Der Verein genießt darüber hinaus gem.§ 40 BGB weitgehende Freiheit, was die Ausgestaltung seiner inneren Organisationsstruktur in der Vereinssatzung anbelangt. Er darf mithin die Mitgliederversammlung, die von § 32 BGB als essentielles Instrument der Meinungsbildung im Verein zwingend vorgeschrieben ist, zwar nicht abschaffen, jedoch kann er regeln, wie sich die Willensbildung innerhalb des Organs der Mitgliederversammlung vollziehen soll. Bei der Online-Versammlung handelt es sich um eine derartigeModalität der in § 32 Abs. 1 BGB angeordneten Versammlung.[7]
Ein praktisches Problem bei Online-Mitgliederversammlungen und -Parteitagen stellt das Gebot des§ 15 Abs. 2 des deutschen Parteiengesetzes dar, demzufolge Wahlen in Parteien grundsätzlich geheim durchgeführt werden müssen. Wegen derdamit verbundenen Schwierigkeiten hat dasBundesverfassungsgericht am 3. März 2009 den Einsatz vonWahlautomaten verboten. Auch der Wahlrechtsgrundsatz „allgemeiner“ Wahlen nachArt. 38 GG, der analog auch für Wahlen innerhalb von Parteien gilt, stellt ein Problem dar, solange es das Phänomen derdigitalen Spaltung gibt.
Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hält Abstimmungen im Rahmen einer „virtuellen Mitgliederversammlung“, bei denen Klarnamen benutzt werden und bei denen leicht ermittelt werden kann, welches Votum ein Abstimmender abgegeben hat, für rechtswidrig: „Der demokratische Willensbildungsprozess einer Partei setzt verfassungsrechtlich nämlich keineswegs eine generelle Kenntnis des Abstimmungsverhaltens der Mitglieder voraus; im Gegenteil ist gerade die Möglichkeit geheimer Abstimmungen eine Minderheiten schützende demokratische Vorkehrung. Wenn durch das Klarnamenprinzip imLQFB also Abstimmungen generell namentlich nachvollziehbar werden sollen, läuft das den verfassungsrechtlichen Vorgaben einer demokratischen Parteistruktur zuwider.“[8]
Aufgrund derCOVID-19-Pandemie haben viele Parteien ihre Parteitage 2020 und 2021 digital bzw. teilweise digital gehalten.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Urwahl
- Geschäftsordnung
- Antragskommission
- Parteitagsbeschluss
- Innerparteiliche Demokratie
- Gesetz über die politischen Parteien(Parteiengesetz)
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Deutschlandkarte 20/2017 „Parteitage“ des ZEITmagazins, 22. Mai 2017
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Obergrenze laut §9 Abs. 5 PartG
- ↑Heinrich-Böll-Stiftung:Eine Chronologie der Bundesparteitage von Bündnis 90/Die Grünen. Dort heißt es u. a.: „Die Begriffe „Bundesversammlung“ oder „Bundesdelegiertenkonferenz“ sind synonym zum Begriff „Bundesparteitag“. Die Satzung von Bündnis 90/Die Grünen führt den Begriff „Bundesversammlung“, im Sprachgebrauch ist der Terminus „Bundesdelegiertenkonferenz“ (BDK) üblich.“ (Memento desOriginals vom 27. Mai 2022 imInternet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.boell.de.
- ↑What Is a Political Convention? In: ABC News. 29. August 2012, abgerufen am 22. Mai 2015.
- ↑ What happens at party conferences? In:BBC, 13. September 2007. Abgerufen am 22. Mai 2015
- ↑Saalordner führen Chinas Ex-Präsidenten Hu ab – abgerufen am 2. April 2023
- ↑Till Westermayer:Politische Online-Kommunikation unter Wirklichkeitsverdacht: Der Virtuelle Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg (Memento vom 19. Juli 2011 imInternet Archive) (PDF; 166 kB), Kommunikation@Gesellschaft, 2003.
- ↑Patrizia Robbe/Alexandra Tsesis:Patrizia Robbe:Online-Parteitage (Memento vom 3. Januar 2013 imInternet Archive). Deutscher Bundestag / Wissenschaftliche Dienste, 29. November 2011, S. 5f.
- ↑Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit:Schreiben an die Piratenpartei Deutschland Berlin (PDF; 82 kB). 2. Oktober 2012, abgerufen am 10. Februar 2013.