Panevėžys (anhörenⓘ/?;deutschPonewiesch;polnischPoniewieżⓘ/?;jiddischפּאָנעװעזש, wobei dieTranskription hiervonPonevezsh lautet) ist eineStadt im NordenLitauens mit 88.000 Einwohnern[1], jeweils rund 130 Kilometer von den beiden HauptstädtenRiga (Lettland) undVilnius (Litauen) entfernt. Panevėžys ist die Hauptstadt des gleichnamigenBezirk Panevėžys, einem Verwaltungsbezirk im Nordosten Litauens, der zur historischen LandschaftOberlitauen gehört. Sie hat den Status einerStadtgemeinde, hat also einen gewählten Bürgermeister und Stadtrat. Sie wird von derRajongemeinde Panevėžys umgeben, deren Verwaltungssitz sie ist. Panevėžys ist die fünftgrößte Stadt des Landes und Sitz desBistums Panevėžys. Der Name Panevėžys bedeutet „am Ufer des FlussesNevėžis gelegen“.[2]
Am 7. September 1503 wird Panevėžys in einem Brief von GroßfürstAlexander von Litauen an den Bischof von Ramgyla erstmals urkundlich erwähnt.[3] Mit diesem Schreiben machte derGroßfürst den Geistlichen zum Eigentümer derLändereien rund um das zwischen den Flüssen Nevėžis undLėvuo gelegene Gut Panevėžys. Bedingung hierfür war die Errichtung einer Kirche, wobei dieseHolzkirche mittlerweile zerstört ist. Zum 500. Geburtstag der Stadt Panevėžys im Jahre 2003 wurde ein Denkmal für den Großfürsten Alexander errichtet. Eine Besiedlung der Gegend durch Gruppen vonPolen undKaräern[4] bestand bereits im 14. Jahrhundert.
Unweit des Gutes Panevėžys wurde im 16. Jahrhundert die Siedlung Mikolajevas gegründet und auf der anderen Flussseite entstand die Ortschaft Naujasis (Neu-)Panevėžys. Im 19. Jahrhundert wurden diese drei Orte zur Stadt Panevėžys vereint. Im Jahre 1813 wurden Panevėžys die Stadtrechte verliehen. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren nahezu alle Gebäude der Stadt in Holzbauweise errichtet, wobei diese Gebäude imErsten Weltkrieg, als nahezu die gesamte Stadt abbrannte, zerstört wurden. Im Zeitalter zunehmenderIndustrialisierung gewann Panevėžys auch als Banken- und Handelsplatz an Bedeutung. Im Jahre 1927 wurde die Stadt zudem Sitz desBistums Panevėžys.
Am 15. Juni 1940 übernahmen russische Militärs im Zuge der erzwungenen Eingliederung von Litauen in dieSowjetunion die Kontrolle der Stadt. In der Zeit der russischen Besatzung wurde eine große Zahl von Litauern als politische Gefangenen verhaftet und in der Nähe der Zuckerfabrik ermordet. Eine noch erheblich größere Zahl von Bürgern wurde entweder nachSibirien deportiert oder auf andere Weise verfolgt und drangsaliert.
Nach dem deutschenAngriff auf die Sowjetunion wurde Panevėžys wie schon im Ersten Weltkrieg von deutschen Truppen besetzt und wurde zu einemGebietskommissariat innerhalb desReichskommissariats Ostland. Während der Besatzungszeit durch die deutschen Truppen wurde die jüdische Bevölkerung der Stadt nahezu vollständig ermordet: bereits im Juli und August 1941 über 10.000 Menschen. Dabei fielen dem „Einsatzkommando 3“ unter FührungKarl Jägers (Einsatzgruppe A) allein am 23. August 1941 1312 jüdische Männer, 4602 Frauen und 1609 Kinder zum Opfer.[5] Beim Rückzug der deutschen Truppen wurde die Stadt zusätzlich stark zerstört. Nach Kriegsende setzte die sowjetische Führung auf die zunehmende Industrialisierung der Stadt. Insbesondere in den 1960er und 1980er Jahren wurden viele große Unternehmen gegründet. Durch die verkehrsgünstige Lage und den Bau der Eisenbahn entwickelte sich Panevėžys immer mehr zu einem Industriezentrum. Aufgrund des steigenden Wohnungsbedarfs bei Arbeitern wurden insbesondere in den 1960er Jahren vielePlattenbauten errichtet.
Panevėžys ist seit 1995 eineStadtgemeinde (lit.Panevėžio miesto savivaldybė). Das Vertretungsorgan ist der Rat der Stadtgemeinde, der aus 31 Mitgliedern besteht. Die ausführende Gewalt wird von der Verwaltung der Stadtgemeinde Panevėžys (Panevėžio miesto savivaldybės administracija) ausgeübt.
Das Gerichtsarchiv von 1614Christ-König-Kathedrale PanevėžysSt.-Peter-und-PaulskircheEvangelisch-Lutherische Kirche Panevėžys
Im Gegensatz zu anderen litauischen Innenstädten wie z. B. Vilnius und Kaunas, wo mittelalterliche oder barocke Bauten dominieren, prägt in Panevėžys Architektur aus dem 19. und 20. Jahrhundert das Stadtbild.[6] Beispiele hierfür sind das Gymnasium, in dem 1915 als erstes landesweit in litauischer Sprache unterrichtet wurde, und eine der ältesten Buchhandlungen Litauens aus dem Jahre 1905.
Im Zentrum der Stadt liegt in unmittelbarer Nähe desBusbahnhofs Panevėžys der Freiheitsplatz (Laisvės aikštė), um den sich einige Geschäfte und Cafés gruppieren. Hier liegen auch das Rathaus und das J. Miltinis Theater. Nördlich des Freiheitsplatzes befindet sich das alte Flussbett, das zu einem großen Teich mit Fontäne und Inselchen aufgestaut wurde. Entlang des neuen Flussbetts wurden Uferpromenaden gebaut, auf denen einige Skulpturen stehen.
Die Geschichte der St. Peter- und Paulskirche geht auf die ursprünglich vom Bischof von Ramgyla zur Stadtgründung erbaute Holzkirche zurück. Über die Jahrhunderte wurde der Standort verlegt und es wurden mehrmals Neubauten errichtet.[7] Das heutige Gebäude ist ein im Jahre 1804 fertiggestellter Bau im Barockstil.
Die bischöflicheChrist-König-Kathedrale wurde in den Jahren 1908–1929 in neobarockem Stil erbaut und von Maironis geweiht. Über dem Altar befindet sich ein sehr großes Gemälde, das ein siegreiches litauisches Heer im Mittelalter zeigt.[8]
Die evangelisch-lutherische Holzkirche Panevėžys wurde zwischen 1845 und 1850 erbaut.
Zu den größten Industriebetrieben am Ort gehörteEkranas, ein Hersteller von Fernsehröhren und Flachbildschirmen mit ehemals 4200 Beschäftigten[9] ebenso wie die BrauereiKalnapilio-Tauro grupė, die zur dänischenRoyal Unibrew Brauereigruppe gehört.
Weitere wichtige Unternehmen sind „Techasas Trade“, „Linas“ (ein Hersteller von Leinenerzeugnissen) und die Baufirma „Panevėžio statybos trestas“.
„Ekranas“ wurde in der Sowjetzeit gegründet und 1994 privatisiert. Das Unternehmen wurde zurAkcinė bendrovė (Aktiengesellschaft). Haupttätigkeit war die Herstellung elektronischer Geräte. Das Unternehmen war an der Börse Vilnius notiert.
Das Forstamt Panevėžys(Panevėžio miškų urėdija) ist ein staatliches Unternehmen (Valstybės įmonė). Es ist in derWaldwirtschaft und beimWaldschutz tätig.[11]
Panevėžys ist durch dieVia Baltica mitKaunas undRiga verbunden. NachVilnius führt eine Autobahn. In West-Ost-Richtung verläuft die Fernverkehrsstraße Palanga-Šiauliai-Kupiškis nachDaugavpils inLettland. In der gleichen Richtung verläuft die Bahnverbindung vonKaliningrad viaKlaipėda nach Panevėžys. Von hier aus führt die Strecke weiter viaRokiškis und Daugavpils in RichtungMoskau. Eine direkte Bahnverbindung nach Vilnius gibt es nicht – vielmehr ist ein Umstieg inRadviliškis erforderlich. Darüber hinaus gibt es die Oberlitauische Schmalspurbahn (Aukštaitijos siaurasis geležinkelis) mit einer Spurweite von 750 mm, die seit 1899 besteht. Sie verkehrt heute nicht mehr regulär, wird aber noch touristisch genutzt. Sie verbindet auf einer Strecke von 69 km Länge denBahnhof Panevėžys überAnykščiai mitRubikiai. Der weitere Streckenverlauf bisUtena ist stillgelegt.
Sechs Kilometer östlich von Panevėžys liegt der frühereMilitärflugplatz Panevėžys, der auch unter dem Namen Pajuostis (ICAO: EYPP) bekannt ist.[12]
Für Radfahrer unternahm die Stadt Panevėžys den Versuch, einen Radweg in Ost-West-Richtung quer durch die Stadt auszuweisen.
Innerstädtisch verfügt Panevėžys über 13 Buslinien, wobei das gesamte Streckennetz eine Länge von 136,8 Kilometern hat und 223 Haltestellen aufweist (siehePanevėžio autobusų parkas).
Das Landeskundemuseum beherbergt archäologische Funde sowie eine Sammlung von 5000 Schmetterlingen.
Die Fotogalerie veranstaltet ca. 30 Ausstellungen pro Jahr.
Auch die Kunstgalerie bietet ca. 25 Ausstellungen jährlich an.
Im Gerichtsarchiv, dem ältesten erhaltenen Gebäude der Stadt aus dem Jahre 1614, befindet sich eine Ausstellung, die Gemälde, historische Urkunden und Holzskulpturen zeigt.[13]
Im Sportmuseum werden Exponate zur Geschichte des Sports in der Region Panevėžys gezeigt.
Panevėžys, in: Guy Miron (Hrsg.):The Yad Vashem encyclopedia of the ghettos during the Holocaust. Yad Vashem, Jerusalem 2009,ISBN 978-965-308-345-5, S. 573f.
↑Soweit nicht anders angegeben, beruht die Darstellung der Geschichte und der Sehenswürdigkeiten auf: Claudia Marrenbach, Gaby Coldewey, Sybille Heeg, Gertrud Ranner: Baltische Länder, Lettland, Litauen, Estland, Michael Müller Verlag, Erlangen, 5. Auflage, 2008, S. 181 ff.,ISBN 3-89953-380-1 und Günther Schäfer: Litauen mit Kaliningrad, Reise Know-How Verlag Peter Rump GmbH, Bielefeld, 4. Auflage, 2003, S. 337 ff.,ISBN 3-8317-1152-6.