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Ossip K. Flechtheim

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Ossip Kurt Flechtheim (geboren5. März1909 inNikolajew; gestorben am4. März1998 inBerlin) war eindeutscherHochschullehrer undAutor. DerJurist undPolitikwissenschaftler war einer der Begründer derFuturologie in Deutschland.

Leben

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Ossip K. Flechtheim war Sohn des Buchhändlers Hermann Flechtheim (1880–1960)[1] aus der Brakeler UnternehmerfamilieFlechtheim, der als Geschäftsführer des GetreidegroßhandelsunternehmensM. Flechtheim & Comp. inRussland tätig war, und seiner Frau Olga, geborene Farber (1884–1964).[2] Im Jahr 1910 zog die Familie wieder ins westfälischeMünster, die Heimat des Vaters, und später nachDüsseldorf. Beide Eltern waren Mitglieder derjüdischen Gemeinde. Ossip Flechtheim war gleichwohl nicht religiös interessiert. Als konfessionsloserHumanist trat er nach demZweiten Weltkrieg demDeutschen Freidenker-Verband bei. Sein OnkelAlfred Flechtheim war ein bekannter Kunsthändler.

Nach dem Abitur an der Hindenburgschule (heuteHumboldt-Gymnasium Düsseldorf), das er im Jahr 1927 ablegte, zog es ihn in dieKPD. Aufgrund der ideologischen Enge dieser Partei trat er im Jahr 1931 nach fünf Jahren und einerMoskau-Reise wieder aus. Flechtheim studierte Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten inFreiburg im Breisgau,Paris,Heidelberg,Berlin und schließlichKöln. In den Jahren 1931 bis 1933 absolvierte er sein juristisches Referendariat beimOberlandesgericht Düsseldorf. Er konnte noch im Jahr 1934 in Köln beiCarl Schmitt mit der ArbeitHegels Strafrechttheorie zum Dr. jur. promovieren. Die notwendige Buchausgabe konnte nur noch im Ausland (Rohrer-Verlag,Brünn 1936) erscheinen.

Verfolgung und Emigration

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Nach derMachtergreifung derNationalsozialisten wurde er 1933 wegen seiner Mitgliedschaft in derWiderstandsgruppeNeu Beginnen und seiner jüdischen Abstammung aus dem Öffentlichen Dienst entlassen. Im Jahr 1935 war er insgesamt 22 Tage inhaftiert, nur knapp konnte er denNationalsozialisten entkommen. Er ging überBelgien in dieSchweiz, wo er dank eines Stipendiums seine wissenschaftlichen Studien amInstitut Universitaire des Hautes Etudes Internationales, das derUniversität Genf angeschlossen ist, fortsetzen konnte und diese 1939 mit dem Diplom abschloss. Weil Flechtheim während dieser Zeitausgebürgert worden war, entzog ihm die Universität zu Köln auch den Dr.-Grad (protokolliert für den 14. April 1938).

Im Jahr 1939emigrierte er in dieUSA und arbeitete dort zunächst anHorkheimersInstitut für Sozialforschung derColumbia University inNew York City. Dort lernte er u. a.Erich Fromm,Herbert Marcuse undIsaac Asimov kennen. Später war er als Dozent und schließlich als Professor an verschiedenen Hochschulen tätig. Im Dezember 1942 heiratete er Lili Therese Faktor, die Tochter des ehemaligen Chefredakteurs desBerliner BörsencuriersEmil Faktor. Ihre Tochter Marion Ruth wurde am 26. September 1946 geboren.[3]

Bis 1943 lehrte er an derUniversität von Atlanta. Als viele seiner schwarzen Studenten zum Kriegsdienst eingezogen wurden, wechselte er an das Colby College und als Assistant Professor an dasBates College (Maine).

Im Verlauf desZweiten Weltkriegs trat er in die US-amerikanische Armee ein. Im Jahr 1946 kehrte er alsLieutenant colonel für einige Monate als Sektions- und Bürochef[4] beimAmt des US-Hauptanklägers für Kriegsverbrechen in Berlin nach Deutschland zurück. In den Jahren 1947 bis 1951 führte er seinen Beruf als Hochschullehrer in den Vereinigten Staaten fort. Im Jahr 1948 erschien sein Werk überDie KPD in der Weimarer Republik, mit dem er 1947 an der Universität Heidelberg zum Dr. phil. promoviert wurde. Seinen Antrag auf Erneuerung des Kölner juristischen Dr.-Diploms bewilligte die Fakultät laut Protokoll am 10. April 1947.[5]

Tätigkeit als Hochschullehrer in Berlin

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Von 1952 bis 1959 war er ordentlicher Professor an derDeutschen Hochschule für Politik inWest-Berlin. Durch die Integration der Einrichtung in dieFreie Universität Berlin 1959 erhielt er eine C4-Professur fürPolitikwissenschaft am dortigenOtto-Suhr-Institut, welche er bis zu seinerEmeritierung im Jahre 1974 ausfüllte.

Prägung der Futurologie

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Grabstätte auf demFriedhof Dahlem

Flechtheim prägte den Begriff der „Futurologie“ als systematische und kritische Behandlung von Zukunftsfragen bereits 1943 in den USA. 1968 erschien in derNeuen Rundschau ein Aufsatz mit dem später wiederholt verbreiteten TitelFuturologie – Möglichkeiten und Grenzen, in dem er Vordenker wieKarl Marx und Zeitgenossen wieLeszek Kołakowski,Robert Jungk undHerbert Marcuse diskutierte.[6] 1970 veröffentlichte er schließlich sein WerkFuturologie: Der Kampf um die Zukunft. Darin kritisierte er sowohl die Zukunftsforschung im Westen als auch die Prognostik in denrealsozialistischen Staaten als technokratisch und setzte dagegen ein Modell der „Befreiung der Zukunft“. Die Repräsentation von Zukunft sei in der staatlichen Planung am Objektivitätsideal der Naturwissenschaften orientiert und setze dementsprechend exklusiv auf eben jene Expertise. In der kritischen Gegenbewegung sei dagegen die „Entfaltung, Internationalisierung und Demokratisierung der Futurologie“ die Voraussetzung für eine Demokratisierung der Gesellschaft.

Politisches Engagement

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Flechtheim gehörte dem Kuratorium der 1957 gegründetenDeutsch-Israelischen Studiengruppe an der Freien Universität Berlin an.[7] Die studentische Vereinigung setzte sich für die NS-Aufarbeitung, gegen den Antisemitismus und für die Annäherung mit Israel ein.

Er war Mitgründer des linksliberalenRepublikanischen Clubs in Berlin, war zehn Jahre lang Mitglied derSPD (bis 1962) und ab 1981 derGrünen. Er publizierte eine Vielzahl von Büchern und Zeitungsartikeln (u. a. in derFrankfurter Rundschau und inDie Zeit), war Gründungsmitglied und Vizepräsident derInternationalen Liga für Menschenrechte, Mitglied desPEN-Clubs, im Konzil derFriedensforscher und im Kuratorium derDeutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung. Aktiv unterstützte derPazifist O.K. Flechtheim dieInternationale der Kriegsdienstgegner.[8] Am 9. August 1985 antwortete er in derFrankfurter Allgemeinen Zeitung auf die Frage, was er am meisten verabscheue: „die Unmenschlichkeit“ und den Krieg der Menschen gegeneinander.

Er starb am Vorabend seines 89. Geburtstages in seiner Wahlheimat Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem BerlinerFriedhof Dahlem im Feld 002-91.

Preise und Ehrungen

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Im Jahr 1979 lehnte er die Annahme des GroßenBundesverdienstkreuzes in einem Brief an den damaligen BundespräsidentenWalter Scheel mit der Begründung ab, dieses hätten zu viele Nazis bekommen.[9] Im Jahr 1981 übernahm Flechtheim den Ehrenvorsitz des BerlinerInstituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung. Dieses unabhängige und gemeinnützige Forschungsinstitut war 1981 gegründet worden, um die wissenschaftlicheZukunftsforschung in Deutschland zu etablieren.

Im Mai 1986 wurde er von derHumanistischen Union mit demFritz-Bauer-Preis ausgezeichnet. 1989 wurde er von der Freien Universität Berlin mit einer Ehrendoktorwürde und vom Berliner Senat mit derErnst-Reuter-Plakette geehrt.

Flechtheim war langjähriges Mitglied desHumanistischen Verbandes Deutschlands (HVD). Der HVD hat im Jahr 2003 zu seinen Ehren denOssip K. Flechtheim-Preis ins Leben gerufen. Der Preis wird alle zwei Jahre für herausragendes Engagement zur Förderung von Aufklärung, Toleranz und Selbstbestimmung in unserer Gesellschaft vergeben und ist mit 2.500 Euro dotiert. Der 100. Geburtstag von O. K. Flechtheim wurde vom Humanistischen Verband Deutschlands[10] und der ZeitschriftGraswurzelrevolution gewürdigt.[11]

Schriften

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Bücher

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  • Hegels Strafrechtstheorie. Rohrer, Brünn 1936.
    • 2. Auflage (um ein Nachwort erweiterter Nachdruck der 1936 erschienenen 1. Auflage) bei Duncker & Humblot, Berlin 2019,ISBN 978-3-428-43396-4.
  • Die Kommunistische Partei Deutschlands in der Weimarer Republik. Bollwerk-Verlag Karl Drott, Offenbach 1948. Neuauflage mit einer Einleitung vonHermann Weber, EVA, Frankfurt 1969.
  • Eine Welt oder keine? Beiträge zur Politik, Politologie und Philosophie. (Sammlung Res novae. Bd. 32),Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1964.
  • Weltkommunismus im Wandel. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1965.
  • Bolschewismus 1917–1967. Von der Weltrevolution zum Sowjetimperium. Europa-Verlag, Wien 1967.
  • Futurologie. Der Kampf um die Zukunft. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1970.
  • Zeitgeschichte und Zukunftspolitik.Hoffmann und Campe, Hamburg 1974,ISBN 3-455-09108-3.
  • mitRudzio,Vilmar,Wilke:Der Marsch der DKP durch die Institutionen. Sowjetmarxistische Einflußstrategien und Ideologien. Fischer-TB, Frankfurt am Main 1980,ISBN 3-596-24223-1.
  • Karl Liebknecht zur Einführung. (SOAK-Einführungen, 19). Junius, Hamburg 1985,ISBN 3-88506-819-2.
  • Ist die Zukunft noch zu retten? Die Megakrise unserer Zeit und ihre sieben Herausforderungen. Campe 1987. Heyne 1989,ISBN 3-453-03750-2.
  • mit Egbert Joos:Ausschau halten nach einer besseren Welt. Biographie, Interview, Artikel. Dietz, Berlin 1991,ISBN 3-320-01622-9.

Aufsätze

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  • Moskau 1931 – Moskau 1964. In: H. Bethke, W. Jaspert (Hrsg.):Moskau, Leningrad heute: Berichte und Impressionen von einer Reise. Stimme-Verlag, Frankfurt 1965, S. 34.
  • Einleitung zu:Karl Liebknecht: Gedanke und Tat. Schriften, Reden, Briefe zur Theorie und Praxis der Politik. Hrsg. von O. K. Flechtheim. Ullstein, 1976,ISBN 3-548-03282-6.
  • Von Hegel zu Kelsen. Rechtstheoretische Aufsätze. Duncker & Humblot, Berlin 1963 (Aufsatzsammlung).

Herausgeberschaft

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Literatur

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  • Christian Fenner,Bernhard Blanke (Hrsg.):Systemwandel und Demokratisierung. Festschrift für Ossip K. Flechtheim. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1975,ISBN 3-434-00257-X.
  • Andreas W. Mytze (Hrsg.):Ossip K. Flechtheim zum 80. Geburtstag (=Europäische Ideen. H. 69,ISSN 0344-2888). Arani-Verlag, Berlin 1989.
  • Wolfram Beyer (Hrsg.):Kriegsdienste verweigern, Pazifismus heute. Hommage an Ossip K. Flechtheim. Humanistischer Verband, Berlin-Kreuzberg 2000,ISBN 3-924041-18-0.
  • Mario Keßler:Ossip K. Flechtheim. Politischer Wissenschaftler und Zukunftsdenker, 1909–1998 (=Zeithistorische Studien. Bd. 41). Böhlau, Köln u. a. 2007,ISBN 978-3-412-14206-3.
  • Wolfram Beyer:Ossip K. Flechtheim – für eine andere Politik. In: Wolfram Beyer (Hrsg.):Internationale der Kriegsdienstgegner*innen – 1947–2017, Beiträge zur Geschichte. Verlag Edition AV Lich 2017, S. 79–88.

Weblinks

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Einzelnachweise

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  1. Eberhard Fromm:Vater der Futurologie – Ossip K. Flechtheim. In:Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 3, 1999, ISSN 0944-5560, S. 50–57.
  2. Mario Kessler:Between History and Futurology. Ossip K. Flechtheim. In: Axel Fair-Schulz, Mario Kessler (Hrsg.):German Scholars in Exile. New Studies in Intellectual History. Lexington Books, Lanham MD u. a. 2011,ISBN 978-0-7391-5023-8, S. 173–211, hier S. 174.
  3. Vgl.: Mario Keßler:Ossip K. Flechtheim. Politischer Wissenschaftler und Zukunftsdenker (1909–1998). 2007, S. 74.
  4. beim „Office of the US Chief of Counsel for War Crimes (OCCWC)“ in der „Dokumentenzentrale Berlin“, sieheDas Urteil im Wilhelmstrassen-Prozess. Der amtliche Wortlaut der Entscheidung im Fall Nr. 11 des Nürnberger Militärtribunals gegen von Weizsäcker und andere, mit abweichender Urteilsbegründung, Berichtigungsbeschlüssen, den grundlegenden Gesetzesbestimmungen, einem Verzeichnis der Gerichtspersonen und Zeugen. Mit Einführungen vonRobert M. W. Kempner undCarl Haensel. Herausgegeben unter Mitwirkung von C. H. Tuerck. Bürger Verlag, Schwäbisch Gmünd 1950, S. XIX.
  5. Alle Ergänzungen und Korrekturen (31. Dezember 2012) nach: Elke Kochann, Kerstin Theis:Dr.jur 'Ossip K. Flechtheim. In:Margit Szöllösi-Janze, Andreas Freitäger:„Doktorgrad entzogen!“ Aberkennungen akademischer Titel an der Universität Köln 1933 bis 1945. Kirsch, Nümbrecht 2005,ISBN 3-933586-42-9, S. 78–83.
  6. Ossip K. Flechtheim:Futurologie – Möglichkeiten und Grenzen. In:Neue Rundschau, Heft 2/1968, S. 294–315.
  7. Jonas Hahn:Die Deutsch-Israelischen Studiengruppen und die frühen studentischen Kontakte mit Israel 1948–1972, Göttingen 2025, S. 89.
  8. Wolfram Beyer:Ossip K. Flechtheim – für eine andere Politik, in: W. Beyer (Hrsg.):Internationale der Kriegsdienstgegner*innen – 1947–2017, Beiträge zur Geschichte.Verlag Edition AV Lich 2017, S. 79–88 Hier werden konkrete IDK-Aktivitäten von Flechtheim benannt.
  9. Brief vom 19. Juni 1979 siehe Mario Kessler:Between History and Futurology. Ossip K. Flechtheim. In: Axel Fair-Schulz, Mario Kessler (Hrsg.):German Scholars in Exile. New Studies in Intellectual History. Lexington Books, Lanham MD u. a. 2011,ISBN 978-0-7391-5023-8, S. 173–211, hier S. 194 + Anmerkung 174Google Books (Memento vom 19. Dezember 2014 imInternet Archive).
  10. Siegfried Heimann (Hrsg.):Ossip K. Flechtheim. 100 Jahre. Humanistischer Verband Deutschlands – Landesverband Berlin, Berlin 2009,ISBN 978-3-924041-29-8.
  11. Wolfram Beyer:100 Jahre Ossip K. Flechtheim, Erinnerungen an einen freiheitlichen Sozialisten. In:Graswurzelrevolution. Nr. 341, September 2009, S. 17.
Personendaten
NAMEFlechtheim, Ossip K.
ALTERNATIVNAMENFlechtheim, Ossip Kurt
KURZBESCHREIBUNGdeutscher Jurist, Politikwissenschaftler und Begründer der Futurologie in Deutschland
GEBURTSDATUM5. März 1909
GEBURTSORTMykolajiw,Ukraine
STERBEDATUM4. März 1998
STERBEORTBerlin
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