Durch denPanamakanal, der denPazifik mit demAtlantik verbindet, bildet die Region ein wichtiges strategisches Interessengebiet der Vereinigten Staaten. In denKanalverträgen[4] von 1977 wurde die Rückgabe des Kanals an Panama auf 1999 festgelegt, allerdings mit der Bedingung, dass der Kanal für amerikanische Schiffe weiterhin offen bleibt. Nach Unterzeichnung der Verträge verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den USA und Panama jedoch. Auch zeigte Panama zunehmend Tendenzen, sich dem US-amerikanischen Einfluss zu entziehen: die Genehmigung zum Betrieb des militärischen Trainingscamp derWHISC sollte nicht verlängert werden. Außerdem sollte der Panamakanal durch japanischeInvestoren und Baufirmen ausgebaut werden, was die Interessen der US-BaufirmaBechtel Corporation tangierte.
Panama war eine Drehscheibe desDrogenhandels und derGeldwäsche, wobei der Oberbefehlshaber der panamaischenNationalgarde undDiktator,Manuel Noriega, darin eine zentrale Rolle spielte. 1986 enthüllten US-Medien, dass Noriega seit mindestens zehn Jahren auf der Gehaltsliste derCIA stand. So wurde Noriegas Wahlkampf über die US-Regierung finanziert, die ihn auch weiterhin politisch deckte. Da die USA Waffen über Panama an dieContra-Rebellen inNicaragua lieferten, die die linksgerichtetenSandinisten stürzen sollten, verschloss die CIA im Gegenzug die Augen davor, dass Noriega Geschäfte mit demMedellín-Kartell machte. Noriega beeinflusste die Politik der von ihm abhängigen Regierung nachhaltig und war von 1980 bis 1989de facto Staatspräsident, jedoch nie offizieller Inhaber dieses Amtes.[3]
Im April 1988 beschloss PräsidentReagan eine Änderung seiner Politik gegenüber Noriega. Er erließ eine Verordnung, in der alle Konten und Geldtransfers der Regierung Panamas auf US-amerikanischen Banken gesperrt wurden.[5]
Im Mai 1989 kam es zu Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Panama. Hier besiegte eine Koalition aus Anti-Noriega Parteien, dieAlianza Democrática de Oposición Civilista (ADOC), mit einer klaren Mehrheit die Pro-Noriega-Koalition,Coalición Liberal Nacional (COLINA). Der Führer der Allianz,Guillermo Endara Galimany, wurde zum Präsidenten gewählt. Noriega jedoch erkannte das Ergebnis nicht an und erklärte es für null und nichtig, was ihn viel Unterstützung aus dem Ausland kostete. Als Reaktion auf die ansteigenden Spannungen innerhalb Panamas wurden im Mai 1989 eine Brigade der7. US-Infanteriedivision sowie ein Bataillon der5. US-Infanteriedivision in diePanamakanalzone verlegt. Die OperationNimrod Dancer hatte das Ziel, US-amerikanische Bürger in Panama zu schützen und eine aktive Militärpräsenz in Panama zu zeigen. Durch denHay-Bunau-Varilla-Vertrag hatten dieUS-Streitkräfte volle Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, was sie dazu nutzten, dieStreitkräfte Panamas auszuspähen.[6]
Am 3. Oktober 1989 gab es einen Militärputsch gegen Noriegas Regime, welcher scheiterte. Noriega nahm dies zum Anlass, seine Gegner innerhalb der Streitkräfte auszuschalten. Dieser erfolglose Staatsstreich, zusammen mit Vorwürfen der Untätigkeit an die Bush-Regierung, wurde von US-Seite schließlich als Begründung zur Invasion herangezogen.[3]
Als Rechtfertigung für das militärische Eingreifen der Vereinigten Staaten diente der Tod des US-Soldaten Robert Paz am 16. Dezember 1989. Paz war mit drei Kameraden privat unterwegs, als sie mit ihrem Auto in eine Straßensperre panamaischer Sicherheitskräfte gerieten. Die US-Soldaten, in Zivil unterwegs, verweigerten das Verlassen ihres Fahrzeugs und fuhren weiter. Die Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer, worauf eine Kugel Paz tödlich verletzte.[3] Ein US-Navy-Lieutenant und seine Frau wurden von panamaischen Sicherheitskräften festgenommen. Er wurde verprügelt, sie wurde schikaniert und, wie Bush am nächsten Tag berichtet wurde, höchstwahrscheinlich vergewaltigt. In seinem Tagebuch vermerkte Bush: „Wir haben genug. Wir können nicht zulassen, dass ein Militärangehöriger getötet wird, und schon gar nicht, dass ein Lieutenant und seine Frau vergewaltigt werden.“[7]
Als Operationsname wurdeJust Cause (deutsch: „gerechter Anlass“) gewählt, was der Militäroperation einen positiven Anstrich und entsprechende Legitimierung verschaffen sollte. Die Namensgebung kann als Vorbild für weitere Missionsnamen in späteren US-geführten Kriegen gesehen werden wieOperation Promote Liberty (militärischer Einsatz zur Stabilisierung der politischen Lage und Wiederaufbau nach Ende der Kriegshandlungen) oderOperation Enduring Freedom (Militäreinsätze zur Terrorismusbekämpfung inAfghanistan, auf denPhilippinen, in Staaten desHorns von Afrika und anderensüdlich der Sahara gelegenen afrikanischen Ländern).[8]
Verlauf derOperation Just Cause (Dezember 1989 bis Januar 1990)Ein US-Panzer vom TypM113 bewacht eine Straße in der Nähe des zerstörten panamaischen Verteidigungsministeriums (21. Dezember 1989)US-Rangers im Häuserkampf in Panama-Stadt (Dezember 1989)
Am 20. Dezember 1989 griff die vonGeneralCarl Stiner geführteJoint Task Force mit einer Stärke von ca. 20.000 Mann unter dem Oberbefehl von GeneralMaxwell R. Thurman (Oberbefehlshaber desUnited States Southern Command) Panama an. Innerhalb von vier Tagen waren fast alle Kampfhandlungen mit der panamaischenNationalgarde beendet und Noriega flüchtete in dieNuntiatur desVatikans, die ihm zwar Asyl gewährte, ihm jedoch nahelegte, sich zu stellen. Nach zehn Tagen stellte sich Noriega am 3. Januar 1990 den Streitkräften der USA. Er wurde nachMiami ausgeflogen, wo er wegen Drogenhandels zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde. Das Strafmaß wurde 1999 auf 30 Jahre reduziert.
Die USA lösten die Streitkräfte zwar auf, nachdem es in der Folge aber zu Plünderungen und chaotischen Zuständen kam, wurde eine 13.000 Mann starke Truppe wieder aufgestellt.
Weitere Einheiten waren direkt der Joint Task Force South unterstellt u. a.16th Military Police Brigade, 470th und 525th Military Intelligence Brigade, 35th und 1109th Signal Brigade, 1st Support Command, 4th Psychological Operations Group.
Am 23. Dezember 1989 wurde der Angriff der USA demSicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Verurteilung vorgelegt, dies wurde jedoch durch das Veto der USA, Frankreichs und Großbritanniens blockiert.[9] Die USA begründeten ihre militärische Intervention mit der Wiederherstellung der Demokratie in Panama, den Drogengeschäften des Diktators und der Wahrung der Panamakanalverträge.[10]
Während der Invasion kamen laut einem Bericht derPhysicians for Human Rights[11] mindestens 300 Zivilisten ums Leben, weitere 15.000 wurden obdachlos.
Nach Quellen des Pentagons wurden 516 Menschen getötet, ein internes Memo der Armee spricht von 1000 Toten.[12] Ein unabhängiger Untersuchungsausschuss beziffert die Zahl der Getöteten mit 1000 bis 4000.[13] Nach dem DokumentarfilmThe Panama Deception liegt die Zahl der Toten zwischen 3000 und 4000.[14]
Die Opfer beim Militär Panamas wurden von den USA mit 314 Soldaten angegeben, konnten aber durch die Organisation nicht bestätigt werden. Zusammen mit den vorangegangenen Sanktionen wird der Schaden auf 2,2 Mrd. US-Dollar beziffert. Nach panamaischen Angaben starben 115 Soldaten.
Nach US-Militärangaben vom 25. Dezember 1989 sind 24 US-Soldaten gefallen und 322 wurden verwundet. Auf panamaischer Seite starben 297 Personen, 123 wurden verwundet und 468 gerieten in US-Kriegsgefangenschaft. Zudem beschlagnahmten die US-Streitkräfte 36 Panzer und bewaffnete Fahrzeuge, 33 Flugzeuge, 7 Boote und 77.533 Handfeuerwaffen. Am 8. Januar 1990 korrigierten die USA die Verluste auf panamaischer Seite auf 314 Gefallene.
Am 21. Mai 1990 legte das panamaische Gesundheitsministerium neue Opferzahlen durch die US-Operation Just Cause vor. Danach starben 51 uniformierte Soldaten, 143 identifizierte Zivilisten und 58 unidentifizierbare Zivilisten, insgesamt 252 Tote.
Während der Militäraktion wurde am Morgen des 20. Dezember 1989 Guillermo Endara auf einer US-Militärbasis als vermuteter Sieger der Präsidentschaftswahl vom Mai 1989 als Präsident Panamas vereidigt. Später erklärte das Wahltribunal Panamas die Annullierung der Wahl durch das Noriega-Regime für ungültig und bestätigte den Sieg der Oppositionskandidaten unter Führung von Präsident Endara.
Lionel Méndez D’Avila:Invasión USA a Panamá. Modelo para no olvidar y cinco presagios estructurales. Fundación Omar Torrijos, Panamá 1991.
Krieg gegen Noriega. Zwei Jahre lang widersetzte sich Panamas Diktator Noriega erfolgreich allen Versuchen der USA, ihn aus dem Amt zu jagen. Jetzt ließ Präsident Bush 24.000 US-Soldaten einmarschieren und panamaische Stellungen beschießen. Doch der Angriff lief nicht wie geplant: Noriega konnte sich zunächst offenbar in Sicherheit bringen. In:Der Spiegel.Nr.52, 1989 (online).
Geblendet vom Weißen Haus. Die Medien sind zahm geworden, der früher berühmte amerikanische Enthüllungsjournalismus ist nicht mehr gefragt. In:Der Spiegel.Nr.20, 1990 (online).
↑John Lindsay-Poland:Emperors in the Jungle: The Hidden History of the U.S. in Panama. Duke University Press, 2003,ISBN 0-8223-3098-9,S.118 (englisch).
↑John Pike: Operation Nimrod Dancer. globalsecurity.org, 30. Dezember 2007, abgerufen am 27. April 2010 (englisch): „In April 1988, President Reagan invoked the International Emergency Economic Powers Act, freezing Panamanian Government assets in U.S. banks and prohibiting payments by American agencies, firms, and individuals to the Noriega regime.“
↑John Pike: Operation Nimrod Dancer. globalsecurity.org, 30. Dezember 2007, abgerufen am 27. April 2010 (englisch): „The soldiers of 1-504th PIR, 5- 87th Inf, and 4-6th Inf (M) became expertly familiar with the routes to many key facilities and the plans to secure and protect them in the months leading up to JUST CAUSE. This in-depth knowledge of the roads, PDF security positions and, in many cases, the PDF responses to US movement, was critical to the timing of the initial assaults during darkness on the key targets in Panama City and the Old Canal Zone.“
↑Jeffrey A. Engel:When the World Seemed New. George H. W. Bush and the End of the Cold War. Mariner Books, Boston/New York 2018,ISBN 978-1-328-51165-2,S.306–307 (englisch,eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).