Olier Mordrel (*29. April1901 inParis unter dem NamenOlivier Mordrelle; †25. Oktober1985 inLéchiagat,Département Finistère) war einArchitekt, Schriftsteller und militanterbretonischerNationalist, der während des Zweiten Weltkriegsmit den deutschen Besatzern zusammenarbeitete. Unter zahlreichen Pseudonymen wieJean de La Bénelais,Er Gédour,Ab Calvez,Ap-Calvez,Arvester,Otto Mohri undOlivier Launay verfasste er zahlreiche Werke und Beiträge.[1]
Mordrelle wurde als Sohn eines Generals der französischen Kolonialtruppen, der ausSaint-Malo stammte, und einerKorsin inParis geboren, wo er auch den größten Teil seiner Kindheit verbrachte und die bretonische Sprache erlernte.
Mordrelle schloss sich 1919 der regionalistischen GruppierungBreiz Atao an und wurde 1922 Präsident derUnvaniez Yaouankiz Breiz (Union de la jeunesse de Bretagne). Nach einem Studium an der Kunsthochschule (École des Beaux-Arts), war er ab 1925 mehr als 10 Jahre lang inQuimper als Architekt tätig. In den dreißiger Jahren beteiligte er sich an den Versuchen junger, bretonisch-nationalistisch ausgerichteter Architekten, unter dem Einfluss vonArt déco undLe Corbusier einen modernen bretonischen Baustil zu etablieren. In Quimper baute Mordrel das Art-déco-KaufhausTy Kodaks.[2]Zusammen mit dem bretonisch-nationalistischen SchriftstellerRoparz Hemon gründete Mordrelle denGwalarn, der zunächst als literarische Beilage der autonomistischen ZeitschriftBreiz Atao,[3] ab der 7. Ausgabe dann als eigenständige Literaturzeitschrift erschien. In dieser Publikation taucht erstmals dieSwastika auf, die alsheidnisches und vorchristliches Symbol über der Spalte mit Parteinachrichten stand.[4] Auf dem 1. Interkeltischen Kongress inDublin 1925 war Mordrelle unter dem NamenOlier Mordrel Mitglied der bretonischen Delegation. 1927 entstand aus derUnvaniez Yaouankiz Breiz derParti autonomiste breton (PAB; 1927–1931). Mordrel wurde zunächst dessen Vizepräsident, später dann dessenPropagandasekretär.
Als Nachfolgeorganisation des PAB, der nach mehreren Wahl-Misserfolgen 1931 zerfallen war, gründetenFrançois Debauvais und Olier Mordrel Anfang 1932 denParti national breton (PNB). Während Debauvais sich mehr um den organisatorischen Aufbau der Partei kümmerte, war Mordrel für die ideologischen Überlegungen und für politische Stellungnahmen, die vor allem in dem zunächst bretonisch-autonomistischen, dann bretonisch-nationalistischenBreiz Atao erschienen. Seine Begeisterung fürNeuheidentum undFaschismus versuchte er in eigenen Veröffentlichungen zum Ausdruck zu bringen, da er in Beiträgen zumBreiz Atao auf politisch anders ausgerichtete Strömungen und insbesondere auch auf katholische Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen musste. 1933 veröffentlichte Mordrel inBreiz Atao unter dem PseudonymA. Calvez das politische Programm SAGA,[5] das er später zum Ausgangspunkt eines bretonischenNationalsozialismus erklärte.[6]
1934 gründete Mordrel die ZeitschriftStur (Das Steuerrad), die ebenfalls die Swastika als Symbol nutzte. In dieser Zeitschrift vertrat er entschieden die Position eineskeltischen Nationalismus und rechtfertigte 1938 in einerZukunftsvision (Vision d’avenir)[7] die zur Behauptung dieses Nationalismus erforderliche Brutalität derHerrenvölker, die er mit dennordischen Völkern gleichsetzte.
1936 gründete Mordrel dasBulletin des minorités nationales de France (später inPeuples et Frontières umbenannt; erschien 1937–1939). Diese Zeitschrift versprachen ihren Lesern „Enthüllungen“ über die Lage derBretagne und der wichtigsten europäischen nationalen Minderheiten. Das besondere Augenmerk galt dabei jedoch denMinderheiten in Frankreich: der elsässische AutonomistHermann Bickler vertrat in einer eigenen Kolumne dasElsass und trat darin zunehmend für dienationalsozialistische Ideologie ein. Auch fürFlandern undKorsika gab es eigene Rubriken und Verantwortliche. Es gibt verschiedene Hinweise darauf, dass Mordrel bereits seit 1936 Kontakte zu deutschen Nachrichtendiensten hatte.[Anm. 1][8][9]
Am 14. Dezember 1938 wurden Mordrel undFrançois Debauvais wegen «Verletzung der nationalen Einheit» (atteinte à l'unité de la nation) zu jeweils einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Von Juli 1938 bis Juli 1939 war Mordrel Generalsekretär und Redakteur vonBreiz Atao, der dann wegen seiner politischen Stellungnahmen und seiner Verbindungen zu deutschen Amtsträgern im Oktober 1939 durch die RegierungDaladier im Rahmen ihrerlandesweiten Maßnahmen gegen separatistische Gruppierungen aufgelöst wurde.
Noch vor derKriegserklärung Frankreichs an Deutschland im September 1939 reiste Mordrel zusammen mit seiner Ehefrau sowie François und Anna Debauvais nach Deutschland ab, um seiner bevorstehenden Verhaftung zu entgehen.[10] ÜberBelgien erreichten die Flüchtlinge schließlichBerlin, wo sie mit Unterstützung vonGerhard von Tevenar trotz ihrer französischen StaatsangehörigkeitPapiere als Staatenlose sowie komfortable Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten erhielten. Im Oktober 1939 richteten Mordrel und Debauvais ein Manifest (diskleriadur) an die Bretonen, das zur Tarnung als VerlagsortAmsterdam angab und in dem sie die Kriegserklärung Frankreichs verurteilten. Die beiden Gründer des PNB richteten auch mehrereKriegsbriefe (Lizer Brezel) an ihre zurückgebliebenen Anhänger, in denen sie daran erinnerten, dassein echter Bretone nicht für Frankreich, den ewigen Feind der Bretagne, sterben darf. Mordrel setzte sich bei seinen deutschen Kontaktpersonen für eine Unabhängigkeit der Bretagne nach einem deutschen Sieg ein und bezeichnete sich selbst als Leiter einerBretonischen Regierung. Auf Empfehlung von Mordrel und Debauvais wurden bretonische Kriegsgefangene inLuckenwalde zusammengezogen, um Rekruten für eine bretonische Befreiungsarmee zu gewinnen. Diese Bemühungen waren jedoch kaum von Erfolg gekrönt.[11]
Im Mai 1940 wurdenFrançois Debauvais und Mordrel vom Militärgerichtshof inRennes wegen Verstoßes gegen die äußere Sicherheit des französischen Staates und gegen die Unversehrtheit seines Staatsgebietes, wegen Fortführung einer und Werbung für eine verbotene Gruppe und Anstiftung von Militärangehörigen zur Desertation und zum Verrat[12] in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Am 1. Juli 1940 kehrte Mordrel im Gefolge der deutschen Invasion in die Bretagne zurück. Er wurde dort Führer des PNB und Herausgeber der ZeitschriftL'Heure bretonne, die eine prodeutsche und antibritische Linie verfolgte.[13] In Übereinstimmung mitWerner Best, mit dem er zahlreiche Gespräche geführt hatte, forderte er die Bildung eines von Frankreich unabhängigen und mit Deutschland verbündeten bretonischen Staates und griff publizistisch regelmäßig dasVichy-Regime und seine regionalen Vertreter an. Spannungen ergaben sich im Verhältnis zuCélestin Lainé, vor allem nach derAktion des Service Spécial inGouézec im Oktober 1940. Als dieReichsregierung in Berlin den geringen Rückhalt des PNB in der bretonischen Bevölkerung registrierte, entzog sie Mordrel schließlich ihre Unterstützung und stützte sich zunehmend auf das Vichy-Regime. In der Partei kam es daraufhin unter Führung vonRaymond Delaporte und mit Unterstützung von Célestin Lainé zu einer „Palastrevolution“ gegen Mordrels Führung. Dies entsprach auch dem Wunsch der deutschen Besatzung, deren Absichten eine von Deutschland unabhängige und Vichy-feindliche bretonische Partei zuwiderlief. Am 2. Dezember 1940 trat Mordrel sowohl von der Parteiführung als auch von der Leitung derl'Heure Bretonne zurück. Am 8. Dezember 1940 wurde Raymond Delaporte sein Nachfolger. Die politische Linie des PNB war in der Folge weniger klar separatistisch aber auch weniger auf Kollaboration mit der deutschen Besatzung ausgerichtet als zuvor.
Mordrel wurde ab Dezember als Aufenthaltsort zunächstStuttgart, ab Mitte Januar 1941 dann Berlin zugewiesen. ProfessorLeo Weisgerber bot ihm eine Stelle als Lektor desKeltischen an derUniversität Bonn an, die Mordrel allerdings ablehnte, und erreichte schließlich auch, dass er am 6. Mai 1941 nach Paris zurückkehren konnte. Mordrel erhielt schließlich die Erlaubnis, sich imDépartement Mayenne niederzulassen. Er nahm von dort aus wieder Kontakte zu alten autonomistischen Freunden auf und siedelte schließlich mit Zustimmung der Deutschen am 16. September 1941 nach Rennes über.
1942 wurde Mordrel ermutigt und ermächtigt, seine ZeitschriftStur wieder erscheinen zu lassen. 1943 traf er sich in Rennes regelmäßig mitLouis-Ferdinand Céline und arbeitete beim deutschen PropagandasenderRadio Paris mit.
Beim Herannahen deralliierten Truppen flüchtete Mordrel am 13. August 1944 nachDeutschland, wo er noch am 16. Februar 1945 mitJacques Doriot über eine bretonische Unabhängigkeit im Rahmen einer künftigen französischenFöderation nachSchweizer Vorbild verhandelte. Nach dem Zusammenbruch des NS-Staates setzte Mordrel seine Flucht fort. Im Juni 1946 wurde Mordrel von einem französischen Gericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Auf dem Umweg überBrasilien undArgentinien siedelte er sich schließlich inSpanien an. Aus dem spanischen Exil veröffentlichte er unter dem PseudonymBrython in der (französischsprachigen) bretonisch-autonomistischen ZeitschriftAr Vro (1954–1974). 1972 kehrte er nach Frankreich zurück, war unter dem PseudonymOtto Mohr (einem seiner Pseudonyme aus dem Jahr 1940) Mitarbeiter der rechtsgerichteten ZeitschriftLa Bretagne réelle[Anm. 2] und veröffentlichte mehrere Bücher, darunterWaffen SS d'Occident. In den 1980er Jahren war Mordrel Mitgründer vonKelc'h Maksen Wledig (nach dem weströmischen KaiserMaximus), einem Zirkel in der Tradition des extrem rechten Flügels des bretonischen Nationalistismus. Während Mordrel bei derPräsidentschaftswahl 1981 den sozialistischen KandidatenFrançois Mitterrand unterstützte, sympathisierte er gleichzeitig mit den Vorstellungen vonGRECE, dem Theoriezirkel umAlain de Benoist, der derNeuen Rechten zugeordnet wird. 1985 verstarb Mordrel.[14]
Mordrels Sohn ist der französische Schriftsteller und Herausgeber Tristan Mordrelle (Pseudonym:André Chelain), dergeschichtsrevisionistische undnegationistische Positionen vertritt.
Neben seinen politischen Aktivitäten hat sich Olier Mordrel sowohl in bretonischer als auch in französischer Sprache als Schriftsteller betätigt. Seit den 1920er Jahren begann er seine Vision von der „eigentlichen Bretagne“ zu formulieren, die er auf seine Studien zum Fortbestehen eines keltischen Empfindens stützte.
Nach seiner Rückkehr aus dem Exil verknüpfte Olier Mordrel in seinem HauptwerkBreiz Atao sein politisches Engagement während der vorangegangenen 25 Jahre und den bretonischen Nationalismus mit keltischer Dichtung und Kunstgeschichte. Er beschreibt detailliert seinen Werdegang, liefert eine ganz persönliche Sicht seines politischen Engagements und setzt sich detailliert mit der Kritik anderer bretonischer Nationalisten auseinander (darunter Anna Youennou, der Witwe vonFrançois Debauvais, die Mordrel in der Biographie ihres Mannes als eine sehr hochmütige, autoritäre, herablassende und opportunistische Persönlichkeit beschreibt).[15] Die gegensätzlichen Darstellungen der Beziehung zwischen Mordrel und Debauvais vermitteln eine Vorstellung von den zunehmend sich verschlechternden Beziehungen zwischen den beiden Männern. Mordrel nennt inBreiz Atao keine Gründe für seine ganz persönliche Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie, sondern führt dafür eher allgemeine Motive an wie Opportunismus, außergewöhnliche Zeitumstände und eine gewisse Geistesverwandtschaft. Er ist bemüht, das Vorgehen des PNB auf Grund einer besonderen bretonischen Empfindsamkeit vomitalienischen Faschismus und vom deutschen Nationalsozialismus abzugrenzen und weist die Vorstellung von einer „bretonischen Kopie“ ausländischer Modelle zurück.
InL'essence de la Bretagne (1977) beschreibt er das Verschwinden der traditionellen Gesellschaft, den Orientierungsverlust der Gegenwart und die erforderliche Sammlung aller Kräfte, um die Bretagne und ihr Wesen zu neuem Leben zu erwecken. Über seine literarischenEssays versuchte Mordrel in seinen letzten Lebensjahren durch Vorschläge zu einer politischen Ordnung wie inLa Voie Bretonne (1975) Einfluss auf jüngere Generationen bretonischer Nationalisten zu nehmen. InLe Mythe de l'Hexagone undL'idée bretonne (beide 1981 erschienen) versuchte er, die bretonisch-nationalistische Doktrin desBreiz Atao aus den 20er Jahren weiterzuentwickeln. Er verfasst Gedichte in bretonischer Sprache und Übersetzungen und versucht inLa littérature en Bretagne undLes hommes dieux (1979) den Ausdruck der keltischen Seele bei bretonischen Schriftstellern aufzuspüren und zu beschreiben. Unter dem TitelLa Bretagne veröffentlichte er 1983 einenAtlas der Bretagne, der seine Ansichten zur sozialen und geographischen Situation der bretonischen Halbinsel widerspiegelt.
Obwohl Mordrel in der Nachkriegszeit wegen seiner Nähe zu Faschismus und Nationalsozialismus lange ignoriert oder angegriffen wurde, gilt er immer noch als der wesentliche Ideologe des bretonischen Nationalismus und sein Gedankengut ist auch heute noch auf dem rechten Flügel des bretonischen Nationalismus lebendig. In seinen Veröffentlichungen der Nachkriegszeit vermeidet es Mordrel, auf die Jahre derKollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht näher einzugehen. Die 2000 gegründeterechtsextreme bretonische Partei Adsav bezieht sich stark auf Mordrels Ideologie und veranstaltete 2005 an seinem Grab eine Gedenkfeier anlässlich seines 20. Todestages.
Personendaten | |
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NAME | Mordrel, Olier |
ALTERNATIVNAMEN | Mordrelle, Olivier (Geburtsname); La Bénelais, Jean de (Pseudonym); Er Gédour (Pseudonym); Ab Calvez (Pseudonym); Ap-Calvez (Pseudonym); Arvester (Pseudonym); Mohri, Otto (Pseudonym); Launay, Olivier (Pseudonym) |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Architekt, Schriftsteller und militanter bretonischer Nationalist |
GEBURTSDATUM | 29. April 1901 |
GEBURTSORT | Paris |
STERBEDATUM | 25. Oktober 1985 |
STERBEORT | Léchiagat,Département Finistère |