Oberengadin


DasOberengadin (rätoromanisch im IdiomPuterrätoromanischEngiadin'Otaⓘ/?, früherEngiadina Sura) ist ein inneralpinesHochtal imKanton Graubünden.
Geografie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das Tal bildet die südwestliche Hälfte desEngadins, die durch diePunt Ota (= Hohe Brücke) zwischenCinuos-chel undBrail vomUnterengadin getrennt ist. Weitgehend deckungsgleich mit der Region ist dergleichnamige Kreis. Durch denSilsersee verläuft die politische Grenze zumKreis Bergell.
Seen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das Tal wird durchflossen vomInn. Ein landschaftliches Merkmal sind die Seen im Bereich der sogenanntenEngadiner Seenplatte mit demSilsersee,Silvaplanersee,Lej da Champfèr undSt. Moritzersee.Arven-,Lärchenwälder undGletscher sowie die Höhenlage von 1'600–1800 m ü. M. bestimmen das Klima. Die grünen Wiesen im Tal sind beiderseits von schneebedeckten Bergen umgeben. Die Abhänge der südlichen Berge sind mit Nadelwäldern bedeckt; darüber erstrecken sich Alpweiden, deren Grenzlinien an den Hängen gut erkennbar sind.
Pässe
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das Oberengadin ist durch denBerninapass mit demPuschlav (Val Poschiavo), durch denMalojapass mit demBergell (Val Bregaglia), durch denJulierpass mit demOberhalbstein (Surses) und durch denAlbulapass mit demAlbulatal (Val d'Alvra) verbunden.
Orte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In von Südwesten nach Nordosten verlaufender Richtung und mit abfallender Höhe:
- Maloja (romanisch Malögia, eine Fraktion und ehemalige Alp des Bergeller DorfesStampa und daher politisch zum italienischsprechenden Bergell gehörend),
- Sils (Segl),
- Silvaplana (Silvaplauna),
- Surlej (politisch zu Silvaplana gehörig),
- Champfèr (eine zweigeteilte Fraktion, welche durch einen Dorffluss zwischen St. Moritz und Silvaplana politisch aufgeteilt ist),
- St. Moritz (San Murezzan),
- Celerina (Schlarigna),
- Pontresina (Puntraschigna),
- Samedan,
- Bever und
- schliesslich die Dörfer derPlaiv:
- La Punt Chamues-ch,
- Madulain,
- Zuoz,
- S-chanf,
- Chapella,
- Susauna und
- Cinuos-chel (drei Fraktionen der Gemeinde S-chanf).
Meteorologie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das Oberengadin ist zwei Windströmungen ausgesetzt, demMalojawind und derBrüscha.
Sprachen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Angestammte Sprache im ganzen Oberengadin, mit Ausnahme des italienischsprachigen Maloja (wo der Bergeller Dialekt,Bargaiot, heimisch ist), ist dasPuter. Mit Aufkommen desTourismus haben das Deutsche und das Italienische stark an Einfluss gewonnen.
In St. Moritz, Madulain und Pontresina ist das Deutsche alleinige Amtssprache, im übrigen Oberengadin teilen sich Puter und Deutsch diese Funktion.
Die Schulsprache hingegen ist weitgehend rätoromanisch. Samedan, Pontresina und Bever führen zweisprachige deutsch-romanische Schulgemeinden, St. Moritz ist auch hier deutschsprachig mit Romanisch als erster Fremdsprache.
Brauchtum
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im Januar und Anfang Februar finden dieSchlittedas statt, anfangs März das FestChalanda Marz.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Altertum
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Aus der mittleren Bronzezeit ist auch die Quellfassung von St. Moritz datiert, und für die Region von Zernez bis St. Moritz ist dieBreno-Kultur belegt.
15 v. Chr. wurde das Engadin als Teil der Provinz Rätien insRömische Reich eingegliedert, weil Rom die Pässe nachGermanien brauchte. Funde entlang der Römerstrassen zeugen von deren Bedeutung, und vom römischen Ausbau der Verbindungsstrassen profitierte Rätien bis ins frühe Mittelalter hinein. Nach dem Ende des Römischen Reichs wurde das Engadin mit Rätien Teil des Ostgotenreichs, 536 fiel es an die Franken. Die weltliche und geistliche Herrschaft lag ab dem 7. Jahrhundert in den Händen des Adelshauses der Zacconen, die auchViktoriden genannt wurden.
Mittelalter
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]806 wurde die Provinz in Ober- und Unterrätien durchKarl den Grossen geteilt, das Engadin wurde Teil von Oberrätien. 916 fiel das Oberengadin an dasHerzogtum Schwaben, aber es hatte auch seine eigenen Grafen. GrafDedalrich verkaufte 1139 sein Land an dasBistum Chur, von dem sich die Oberengadiner erst 1494 freikaufen konnten. Im Hochmittelalter konnte der Bischof von Chur dank Schenkungen und Privilegien seinen Einfluss im Oberengadin ausbauen. 1137 und 1139 kaufte er die Güter der Grafen von Gamertingen zwischenPunt Ota und St. Moritz und wurde dadurch mächtigster Herrscher der Region.Seit 1367 war das Oberengadin Teil desGotteshausbundes, eine begrenzte Selbstverwaltung war trotzdem möglich. Politische Nutzniesser waren die bischöflichen Ministerialen aus dem HausePlanta, deren Aufstieg nach 1250 einsetzte. Daneben spielte die FamilieSalis aus Samedan eine bedeutende Rolle. 1438 kam es zur Zweiteilung der Region ungefähr bei der ehemaligen SiedlungLas Agnas in dieGerichtsgemeinden Sur (=oberhalb) und Suot (=unterhalb)Funtauna Merla, womit der Rivalität zwischen Samedan und Zuoz Rechnung getragen wurde. Einzelne Siedlungen schlossen sich zuNachbarschaften zusammen, wie die Chantuns Sils und Fex 1477. Ab 1526 wurden die bischöflichen Rechte ausgekauft, und das Gemeineigentum wurde 1538 bis 1543 aufgeteilt.
Reformation und Neuzeit
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ab 1534 liess der LandammannJohann Travers ausZuoz biblische Schauspiele mit geistlichem Inhalt erstmals in rätoromanischer Sprache durchführen, die eine grosse Wirkung auf die Bevölkerung hatten.[1] 1550 bis 1577 nahm das Oberengadin dasreformierte Glaubensbekenntnis an. 1552 bis 1562 schufen die beiden ReformatorenJachiam Tütschett Bifrun undUlrich Campell mit Bibelübersetzungen die rätoromanische Schriftsprache.[2][3] Mehrere Druckereien mit Namen Saluz, Dorta, Gadina und Janett förderten danach ein eigenständiges und angeregtes Geistesleben.
1798–1800 war das Engadin Schauplatz der Kämpfe zwischen Franzosen und Österreichern. Seit 1851 gliedert sich das Engadin in die Bezirke Inn und Maloja mit den Kreisen Oberengadin, Obtasna, Untertasna und Ramosch.
Wirtschaftlich war die Berglandwirtschaft seit jeher nachOberitalien ausgerichtet. Der Export von Grossvieh, Kleinvieh, weitere landwirtschaftliche Produkte, Holz und Erz finanzierte die Importe wie Getreide, Wein und Salz. In der Neuzeit hatten die temporären Auswanderer, dieRandulins, die 1603–1766 alsEngadiner Zuckerbäcker einträgliche Privilegien inVenedig genossen, wesentlich zum wachsenden Wohlstand beigetragen. Nach der Kündigung des Vertrags durch Venedig emigrierten viele Engadiner in andere italienische Städte sowie in weitere europäische Zentren.
1820–1840 wurde die Obere Strasse über denJulierpass und denMalojapass gebaut, 1845–1872 die Talstrasse erstellt. Die Eröffnung des Gotthardtunnels 1882 liess den Transitverkehr mit Postkutschen und die damit verbundenen Geldeinnahmen der Säumerei über die Bündner Pässe einbrechen. Diese Lücke wurde durch den nach 1850 aufkommenden Trink-, Badekuren- und Alpintourismus allmählich kompensiert.
1903–1913 wurde dieAlbulabahn derRhätischen Bahn als Verbindung ins Oberengadin erstellt und kurbelte den Tourismus weiter an. Der Erste Weltkrieg beendete rasch die goldene Zeit der Grandhotels. Die Wirtschaftskrise nach 1929 vernichtete weitere touristische Arbeitsplätze. Ab 1925 wurde das Strassennetz für das Automobil ausgebaut, 1938 der Flugplatz inSamedan vorerst als Militärflugplatz errichtet. Die Erschliessung mit Seilbahnen und Skiliften liess den Wintertourismus ab 1945 stark ansteigen, die Olympischen Winterspiele in St. Moritz 1928 und 1948 sorgten für weltweite Publizität. Die erste Ausbauphase der Wasserkraft war 1932 beendet, ohne die Seen im Oberengadin anzutasten. Ab 1954 wurden weitere Projekte der Engadiner Kraftwerke realisiert, die StaumauernPunt dal Gall undLivigno waren die grössten Bauwerke. Der bestehende Strassenübergang desAlbulapasses ist im Winterhalbjahr gesperrt; nur derJulierpass kann ausser in schneereichen Wintern ganzjährig befahren werden.[4]
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Trivia
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Oberengadiner Seen waren Teil des Projekts «Das Blaue Wunder» vonErnst Camichel Bromeis.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Ottavio Clavuot: Engadin. In:Historisches Lexikon der Schweiz.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Adolf Collenberg: Oberengadiner Seen. In:Historisches Lexikon der Schweiz.
- Karsten Plöger:Das Engadin. Biografie einer Landschaft. Hier und Jetzt Verlag, Zürich 2023,ISBN 978-3-03919-579-4.
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Constant Wieser: Travers, Johann. In:Historisches Lexikon der Schweiz.
- ↑Ottavio Clavuot: Bifrun, Jachiam. In:Historisches Lexikon der Schweiz.
- ↑Conradin Bonorand: Campell, Ulrich [Duri Champell]. In:Historisches Lexikon der Schweiz.
- ↑Ottavio Clavuot: Engadin. In:Historisches Lexikon der Schweiz.