Nuzi

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springenZur Suche springen
Karte Mesopotamiens im 2. Jahrtausend v. Chr. mit den bedeutendsten Städten

Nuzi (genauerNuzu, auchGa-Sur) war eine antikehurritische Kleinstadt im KönigreichArrapḫa, die heute den Siedlungshügel (Tell)Jorgan Tepe bildet, einen TeilKirkuks. Sie liegt im heutigenIrak östlich desTigris und südöstlich vonNinive.

Inhaltsverzeichnis

Fundgeschichte

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurden auf dem Kunstmarkt Tontafeln aus der Umgebung vonKirkuk gehandelt, die von den örtlichen Bauern ausgegraben worden waren. Auf der Suche nach dem Ursprung dieser Tafeln entdeckte im Jahr 1925Edward Chiera Nuzi/Jorgan Tepe, damals 16 km südwestlich von Kirkuk, und begann mit Ausgrabungen, gemeinsam mit demArchäologischen Museum inBagdad und denAmerican Schools of Oriental Research, Chicago, die dann durch Robert H. Pfeifer, Richard F. S. Starr, derHarvard University und demUniversity of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology inPhiladelphia fortgeführt wurden.

Topographie

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Nuzi enthielt einen königlichen Palast, der einemšakin bīti unterstand. Dort war unter anderem ein königlicher Harem untergebracht, die oberste Palastdame führte den Titel Königin. In der mit einer Mauer umgebenen Oberstadt befand sich der Palastkomplex, der auch ein Lagerhaus, einen Tempel derŠauška und desNergal und Magazine umfasste. Dort befanden sich aber auch Privathäuser. Eine Unterstadt (adaššu) ist archäologisch nachgewiesen. Vorsteher der Stadt war einḫazannu.

Archive

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Der Palast von Nuzi enthielt umfangreiche Archive mit insgesamt etwa 20.000Tontafeln. Sie sind inAkkadisch geschrieben, aber enthaltenhurritische Lehnwörter mit deutlichen Hinweisen auf die hurritische Muttersprache der Schreiber, die wohl auch von der Bevölkerung hauptsächlich verwendet wurde.

Private und staatliche Archive enthielten rechtliche, geschäftliche und verwaltungstechnische Urkunden. DieKeilschrift-Tafeln geben zahllose Einzelheiten zum Leben in mittelbabylonischer Zeit, unter anderem zuRechtsangelegenheiten wie Adoption, Eheschließung, Erbrecht und Testament und zum Finanzsystem (zum Beispiel kannte man schon das System derRatenzahlung).

Dort fand man auch die ältesteKartendarstellung auf einer Tontafel, die in dieAkkad-Zeit (ca. 2340–2200 v. Chr.) datiert werden kann.[1] Auf der 7,5 cm × 6,5 cm großen Tontafel sind Berge, der Fluss Rahium mit seinen Zuflüssen und Städte eingezeichnet. Hauptthema der Karte dürfte wohl der in der Mitte bezeichnete Landbesitz von/des Azala sein. Am oberen (Osten) und unteren Rand (Westen) ist die Tafel mit der Bezeichnung von Himmelsrichtungen versehen. Durch die vorhandenen Städte (zum Beispiel Dur-ebla) ist gesichert, dass die Karte die nähere Umgebung von Nuzi wiedergibt.

Frühere Annahmen einer direkten Verbindung zu biblischen Texten, zum Beispiel Testamenturkunden als Vergleich mit denTeraphimGen 31, konnten nach eingehenden Untersuchungen[2] nicht bestätigt werden; wohl aber bieten die Nuzi-Texte eine Dokumentation von Rechtspraktiken inMesopotamien, die biblische Rechtstexte und biblische Praktiken verständlich machen.

Spezielle Rechtsformen, die nur in Nuzi vorkamen, stellen die unechten Kauf- und Immobilien-Adoptionen dar. Hintergrund dieser Verträge war der Versuch, eine Klientenbeziehung zwischen dem begüterten Adoptierten und den finanziell in Not geratenen Adoptanten herzustellen. Der Adoptant bewirtschaftete das ihm übergebene Feld und leistete im Gegenzug eine Abgabe vom Ernteertrag. In Nuzi wurden teilweise Töchter als Söhne adoptiert, um den Ahnenkult und den Kult der Familiengötter (ilāni, kišpu) sicherzustellen.

Geschichte

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Die ältesten Funde stammen aus derHalaf-Zeit. In mittelbabylonischer Zeit gehörte Nuzi zum KönigreichArrapḫa und wurde ca. 1350 v. Chr. von denAssyrern und denBabyloniern erstmals zerstört (Stratum II). Um 900 v. Chr. wurde Nuzi unterAdad-nirari II. dem assyrischen Reich angegliedert. 615 v. Chr. wurde es von denMedern erneut zerstört.

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. Wolfgang Röllig:Landkarten. In:Dietz Otto Edzard u. a. (Hrsg.):Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie. Band 6:Klagegesang – Libanon. de Gruyter, Berlin 1980–1983,ISBN 3-11-010051-7, S. 464, mit weiterführender Literatur.
  2. Barry L. Eichler:Nuzi and the Bible: A Retrospective. In:Hermann Behrens (Hrsg.):DUMU-E2-DUB-BA-A. Studies in Honor of Åke W. Sjoberg (=Occasional publications of the Samuel Noah Kramer Fund. 11). University Museum, Philadelphia PA 1989,ISBN 0-934718-98-9, S. 107–119; Barry L. Eichler:Another Look at the Nuzi Sistership Contracts. In: Maria de Jong Ellis (Hrsg.):Essays on the Ancient Near East in Memory of Jacob Joel Finkelstein (=Memoirs of the Connecticut Academy of Arts and Sciences. 19). Archon Books, Hamden CT 1977,ISBN 0-208-01714-3, S. 45–59.

Literatur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  • Excavations at Nuzi. Conducted by the Semitic Museum and the Fogg Art Museum of Harvard University, with the cooperation of the American School of Oriental Research at Bagdad. 8 Bände. Harvard University Press, Cambridge MA u. a. 1929–1962.
    • Band 1: Edward Chiera:Texts of varied contents (=Harvard Semitic Series. 5,ZDB-ID 421519-9). 1929;
    • Band 2: Robert H. Pfeiffer:The archives of Shilwateshub, son of the king (=Harvard Semitic Series. 9). 1932;
    • Band 3: Theophile James Meek:Old Akkadian, Sumerian, and Cappadocian texts from Nuzi (=Harvard Semitic Series. 10). 1935;
    • Band 4: Robert H. Pfeiffer:Miscellaneous texts from Nuzi (=Harvard Semitic Series. 13). Teil 1. 1942;
    • Band 5: Ernest R. Lacheman:Miscellaneous texts from Nuzi (=Harvard Semitic Series. 14). Teil 2:The palace and temple archives. 1950;
    • Band 6: Ernest R. Lacheman:The administrative archives (=Harvard Semitic Series. 15). 1955;
    • Band 7: Ernest R. Lacheman:Economic and social documents (=Harvard Semitic Series. 16). 1958;
    • Band 8: Ernest R. Lacheman:Family law documents (=Harvard Semitic Series. 19). 1962.
  • Mirko Novák:Eine Typologie der Wohnhäuser von Nuzi. In:Baghdader Mitteilungen. 25, 1994, S. 341–446 (PDF; 36,3 MB).
  • Wayne T. Pitard:Care of the dead at Emar. In: Mark W. Chavalas (Hrsg.):Emar. The history, religion and culture of a Syrian town in the late Bronze Age. CDL Press, Bethesda MD 1996,ISBN 1-883053-18-8, S. 123–140.
  • Studies on the Civilization and Culture of Nuzi and the Hurrians. 1 ff., 1981 ff.,ZDB-ID 1420104-5.
  • Karel van der Toorn:Gods and ancestors inEmar and Nuzi. In:Zeitschrift für Assyriologie und Vorderasiatische Archäologie. 84, 1994, S. 38–59,doi:10.1515/zava.1994.84.1.38.
  • Gernot Wilhelm:Untersuchungen zum Ḫurro-Akkadischen von Nuzi (=Alter Orient und Altes Testament. 9). Butzon & Bercker, Kevelaer 1970, (Zugleich: Berlin, Freie Universität, Dissertation, 1969).

Weblinks

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

35.30249544.247624Koordinaten:35° 18′ 9″ N,44° 14′ 51,4″ O

Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Nuzi&oldid=246782102
Kategorien: