Mosche Scharet

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Mosche Scharet (1952)
Unterschrift von Mosche Scharet
Unterschrift von Mosche Scharet

Mosche Scharet (hebräischמשה שרת; geboren am15. Oktober1894 inCherson,Russisches Reich, heuteUkraine, alsMosche Tschertok (russischМоше Черток), nach 1910 vereinfacht zuSchertok (hebräischשרתוק); gestorben am7. Juli1965 inJerusalem) war einisraelischer Politiker. Zwischen zwei Amtszeiten vonDavid Ben-Gurion war Scharet zwischen 1953 und 1955 derzweite Ministerpräsident Israels und bis zu seinem Rücktritt 1956 der erste israelische Außenminister.

Inhaltsverzeichnis

Leben

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1894–1918: Ukraine, Einwanderung nach Eretz Israel, Soldat im deutsch-türkischen Heer

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Scharet wurde in der Ukraine geboren, die damals Teil des Russischen Reiches war. Seine Familieemigrierte 1906 nachPalästina. Dort gehörte sie 1908 zu den Mitbegründern der StadtTel Aviv. Mosche Scharet war in der ersten Abschlussklasse des ersten hebräischen Gymnasiums des Landes (demHerzliya-Gymnasium). Er sprach fließend Arabisch und Türkisch, studierteRechtswissenschaften inIstanbul. Scharet meldete sich 1916 zum Dienst im deutsch-türkischen Heer und diente an derMazedonienfront und an derPalästinafront. Nach dem Besuch von Stabslehrgängen war er dem Kommando von Oberstleutnant Rudolf Schierholz zugeordnet und dessen persönlicher Dolmetscher in Mazedonien.[1] Schierholz hatte zusammen mit GeneralLiman von Sanders dieVerteidigungsstellungen auf den Dardanellen auf- und ausgebaut und dort 1915/16 als Kommandeur einertürkischen Division einen Invasionsversuch derEntente erfolgreich zurückgeschlagen. Schierholz und sein Stab (darunter Scharet) wurden zunächst in Mazedonien und ab 1916 im späterenTransjordanien eingesetzt, wo sie dieHejazbahn gegen Angriffe der vonT. E. Lawrence angeführten arabischen Freischärler verteidigten. Schierholz starb am 8. Dezember 1917 inMaʿan, wo die Einheit stationiert war, an derRuhr. Scharet diente noch bis zum Waffenstillstand Ende 1918, den er im syrischenAleppo erlebte, in der türkischen Armee und wurde für seinen Einsatz mit demEisernen Kreuz und derosmanischen Verdienstmedaille dekoriert.

1918–1948: Britische Mandatszeit: Gewerkschaftsfunktionär und politischer Organisator

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Nach dem Krieg, vor allem im Jahre 1920, war Scharet der durch dieVersammlung der Repräsentanten beauftragte Assistent vonJehoschua Hankin bei den Landkäufen für jüdische Siedler inGaliläa.[2] 1922 heiratete er Zipporah Meyeroff (hebräischצפורה מאירוב; auch Meʾirov; 1896–1973), mit der er im Laufe der Jahre drei Kinder hatte. Im selben Jahr nahm er ein Wirtschaftsstudium an derLondon School of Economics and Political Science auf.

Nachdem er 1925 aus England zurückgekommen war, gelangte Scharet zu einer Anstellung als stellvertretender Herausgeber vonDavar, der Tageszeitung der sich gründenden GewerkschaftHistadrut. Im Jahre 1931 wurde er Sekretär der politischen Abteilung derJewish Agency und 1933 schließlich ihr Chef. Er hatte damit die zweitwichtigste Position hinterDavid Ben-Gurion inne. Zwischen 1933 und 1948 leitete er die Verhandlungen zwischen denZionisten sowie derbritischen Mandatsverwaltung und fungierte gewissermaßen als der Botschafter des noch nicht gegründeten Staates Israel. Er war mitverantwortlich für Strategien wie die Einrichtung einerjüdischen Brigade in derbritischen Armee (siehe auchPalmach) und er unterstützte dieillegale Einwanderung trotz der Restriktionen desWeißbuchs von 1939. Zudem trieb er den Bau derTurm-und-Palisaden-Siedlungen[3] voran. Zusammen mit anderen führenden Persönlichkeiten der Jewish Agency und desJischuw wurde Scharet 1947 zwischenzeitlich von den Briten inhaftiert.

Scharet am 14. Mai in Tel Aviv bei der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel (2. rechts vom stehenden Ben Gurion)

Israel 1948–1965: Außenminister, Ministerpräsident, Vorsitzender der „Jewish Agency“

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Nach der Staatsgründung änderte er seinen Namen von Schertok in Scharet und wurde zum erstenAußenminister des neu gegründeten Staates ernannt. In seine Amtszeit fielen dieWaffenstillstandsabkommen von 1949 mitÄgypten,Jordanien,Irak,Syrien und demLibanon, das denIsraelischen Unabhängigkeitskrieg beendete, und dasLuxemburger Abkommen, das Scharet im September 1952 gemeinsam mit BundeskanzlerKonrad Adenauer als ersten Schritt derdeutschen Wiedergutmachungspolitik unterzeichnete.

Nach dem Rücktritt von Ben-Gurion übernahm Scharet am 7. Dezember 1953 das Amt des Ministerpräsidenten. Er fuhr einen sehr gemäßigten Kurs und setzte sich für diplomatische Verhandlungen mit den Nachbarstaaten ein. Dabei geriet er in einen Konflikt mit Ben-Gurion, der mithilfe von Verhandlungen über – später tatsächlich erfolgte – deutsche Waffenlieferungen die Friedensverhandlungen zwischen Scharet und Ägyptens Präsident Nasser sabotierte.[4] Ben-Gurion strebte Bündnisse mit Staaten außerhalb des arabischen Raums an (Türkei,Iran), lehnte aber Verhandlungen und Kompromisse mit arabischen Nachbarstaaten einschließlich des damals unter PräsidentCamille Chamoun und dem PhilosophenCharles Malik als Außenminister eng mit denVereinigten Staaten verbündeten Libanon (dessen Zerschlagung Ben-Gurion durch Unterstützungmaronitischer Separatisten herbeiführen wollte, um einen christlichen Verbündeten im Norden zu erhalten) strikt ab. Er setzte stattdessen auf eine Linie der Durchsetzung israelischer Interessen mit militärischer Gewalt bei strikter Ablehnung diplomatischer Kompromisse.Golda Meir,Jitzchak Rabin undSchimon Peres verfolgten seitdem konsequent diese Strategie Ben-Gurions, nicht nur gegenüber muslimischen Nachbarstaaten, sondern auch gegenüber dem Libanon. Nach knapp zwei Jahren im Amt wurde Scharet am 2. November 1955 wieder von Ben-Gurion abgelöst. Über die Auseinandersetzungen zwischen Scharet und Ben-Gurion erfährt man Näheres in den inzwischen auch auf Deutsch (s. u.) erschienenen Tagebuchaufzeichnungen von Moshe Scharet, die sein Sohn Yaʿacov 1983 in Israel publiziert hat.

Mosche Scharet auf einemSchekel-Schein aus dem Jahr 1993

Scharet diente noch bis 1956 als Außenminister, wurde aber in der Phase vor dem Nahostkrieg 1956 durch die weniger kompromissbereite Golda Meʾir ersetzt. Danach übernahm Scharet den Vorsitz derJewish Agency, den er bis 1960 innehatte.

Schriften

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  • Bi-Schaʿar haʾUmmut 1946–1949 (An der Schwelle zur Staatlichkeit, 1946–1949).Am Oved, Tel Aviv 1958 (hebräisch)

Literatur

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  • Tamar Amar-Dahl:Moshe Sharett. Diplomatie statt Gewalt. Der „andere“ Gründungsvater Israels und die arabische Welt. 2003,ISBN 3-89975-030-6.
  • Livia Rokach:Israel’s Sacred Terrorism: A Study Based on Moshe Sharett’s Personal Diary and Other Documents. Belmont 1980,ISBN 0-937694-70-3.
  • Yaʿacov Sharett:L’État juif et l’integrité du Liban. In:Le Monde Diplomatique. Décembre 1983, nachgedruckt in: Ramonet et al.:Proche-Orient – Une Guerre de Cent Ans. In:Le Monde Diplomatique. Manière de voir 11, Mars 1991, pp. 40–43,ISSN 0987-8610.
  • Sharett, Moshe. In:Yaacov Shimoni:Biographical dictionary of the Middle East. Facts on File, New York 1991, S. 213f.

Weblinks

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Commons: Mosche Scharet – Sammlung von Bildern und Videos
Wikiquote: Mosche Scharet – Zitate

Einzelnachweise

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  1. נתראה ואולי לא: מכתבים מן הצבא העותמאני: 1916–1918 / משה שרת (עורך: יעקב שרת), תל אביב: העמותה למורשת משה שרת, 1998.
  2. Yaron Harʾel:Ha-Mizrah/al-Sharq: A Zionist Newspaper in Damascus during the Reign of Faysal in 1920. In:Middle Eastern Studies, Jg. 50 (2014), Nr. 1, S. 129–143, hier S. 130.
  3. Tom Segev:David Ben Gurion – Ein Staat um jeden Preis. Siedler Verlag (Random House), München 2018,ISBN 978-3-8275-0020-5,S. 285 (übersetzt vonRuth Achlama). 
  4. Helmut Mejcher:Der arabische Osten im zwanzigsten Jahrhundert. In:Ulrich Haarmann (Hrsg.):Geschichte der Arabischen Welt. C.H. Beck, München 1994, S. 484.

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Personendaten
NAMEScharet, Mosche
ALTERNATIVNAMENSchertok, Mosche (Geburtsname); משה שרת (hebräisch)
KURZBESCHREIBUNGisraelischer Politiker
GEBURTSDATUM15. Oktober 1894
GEBURTSORTCherson, Ukraine
STERBEDATUM7. Juli 1965
STERBEORTJerusalem
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