Mikrotubulus


Übergeordnet |
---|
Zytoskelett |
Gene Ontology |
QuickGO |
Mikrotubuli sind röhrenförmigeProteinkomplexe, die zusammen mit denMikrofilamenten und denIntermediärfilamenten dasCytoskeletteukaryotischer Zellen bilden. Sie sind mitverantwortlich einerseits für die mechanische Stabilisierung derZelle und ihrer Form, andererseits im Zusammenspiel mit anderen Proteinen für Bewegungen undTransporte innerhalb der Zelle sowie für aktive Bewegungen der ganzen Zelle.
Aufbau
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Mikrotubuli sind gerichtete Strukturen, deren Enden wegen ihrer Polymerisationsrichtung mit plus und minus bezeichnet werden. Sie bestehen aus Einheiten, die sich ihrerseits alsHeterodimere ohnekovalente Bindung aus je einem Molekül α-Tubulin (negativ) und β-Tubulin (positiv) zusammensetzen. Die Einheiten bilden durch längsgerichtete Verknüpfung Subfilamente (sogenannte Protofilamente), von denen meist 13 in seitlicher Verknüpfung die Wand der Mikrotubuli bilden. In der Zelle sind Mikrotubuli typischerweise mit ihrem minus-Ende (über das α-Tubulin) an einMikrotubulus-Organisationszentrum (MTOC) gebunden, welches γ-Tubulin enthält. Die Tubuline verschiedener Organismen sind nicht identisch. Dadurch variieren die Durchmesser der Mikrotubuli zwischen 20 und 30 Nanometer.
Die Reihenfolge und genaue Zusammensetzung von Molekülen während der Bildung von Mikrotubuli kann demnach folgendermaßen zusammengefasst werden: Ein β-Tubulin verbindet sich im Rahmen einer nicht vorhandenen kovalenten Bindung mit einem α-Tubulin, welche in verbundener Form ein Heterodimer sind, da sie aus zwei verschiedenen Polypeptiden bestehen (aus dem β-Tubulin und α-Tubulin). Nachdem also die Heterodimere geformt sind, verbinden sie sich zu langen Ketten, die bildhaft in eine Richtung (z. B. nach oben) aufsteigen. Diese Heterodimere, welche in einer bestimmten Richtung verbunden sind, formen Protofilamente. Diese langen Ketten (Protofilamente), lagern sich nun nach und nach nebeneinander an, sodass eine rohrartige Struktur entsteht, welche rohrtypisch einLumen besitzt. Demnach formen meist 13 Protofilamente die Außenwand der Mikrotubuli. Wichtig ist außerdem, dass die Heterodimere aus einem positiven und negativen Ende bestehen, wobei das Alpha-Tubulin das negative Ende und das Beta-Tubulin das positive Ende formen. Aufgrund der Tatsache, dass die Heterodimere aufeinandergestapelt werden, ergibt sich immer ein negatives und positives Ende. Mikrotubuli wachsen durch eine Addition von Heterodimeren am Plus-Ende.
Mikrotubuli sind relativ vergängliche Strukturen mit einer mittleren Lebensdauer in der Größenordnung von 10 Minuten, sofern sie nicht durch Einbau in größere Strukturen stabilisiert sind. Im Cytoplasma der Zellen liegt in der Regel ein Gleichgewicht zwischenpolymerisiertem und depolymerisiertem Tubulin vor. Die Tubulin-Einheiten werden ständig sowohl am plus- als auch am minus-Ende des Mikrotubulus angebaut und auch wieder depolymerisiert, so dass ein Gleichgewicht entsteht, wobei beide Prozesse am plus-Ende schneller verlaufen. Dabei wächst das Tubusende kontinuierlich und zerfällt immer wieder plötzlich über eine längere Strecke (sieheDynamische Instabilität der Mikrotubuli). Kippt das Gleichgewicht, kann es zur völligen Auflösung der Mikrotubuli kommen. Auch das Gegenteil, die Erschöpfung des Vorrats an Tubulineinheiten, ist möglich. Niedrige Temperatur und ein Überschuss anCalcium-Ionen fördern dieDepolymerisation der Mikrotubuli. Das dynamische Netzwerk von Mikrotubuli-Filamenten in der Zelle entspringt ammicrotubule organizing center (MTOC). Der Auf- und Abbau von Mikrotubuli kann durchZytoskelett-Inhibitoren gehemmt werden.
Organisation
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Mit den Mikrotubuli sind zahlreiche Proteine assoziiert, sogenannteMAPs (microtubule associated proteins). Die bekanntesten sind Motorproteine wieDynein undKinesin. Einige MAPs können anscheinend Mikrotubuli stabilisieren. MAPs können Mikrotubuli zu größeren Strukturen verbinden. Zu nennen sind hier insbesondere dieAxoneme, Achsfäden beweglicher Zellanhänge: der motilenZilien und der eukariotischenFlagellen (Geißeln). Ein Axonem ist ein Bündel, in dem neun Doppeltubuli zwei einzelne im Zentrum umgeben; man spricht von einer (9×2 + 2)-Struktur (siehe Abbildung). Die Doppeltubuli haben einen asymmetrischen Querschnitt, in dem ein vollständiger „A-Tubus“ mit einem unvollständigen „B-Tubus“ verschmilzt.
Eine andere Organisationseinheit bildenZentriolen; das sind Röhrchen nach dem (9×3 + 0)-Muster. Einzeln fungieren sie alsBasalkörper von Zilien und Geißeln. In tierischen Zellen bildet ein rechtwinklig verbundenes Paar von Zentriolen mit einer umgebenden Matrix, die γ-Tubulin enthält, das Zentralkörperchen,Zentrosom, MTOC, das sich meist nahe dem Zentrum der Zelle findet und von dem einige hundert Mikrotubuli in alle Richtungen sternförmig auswachsen. Erreichen sie die Rindenschicht der Zelle, den sogenannten Zellkortex, so können sie, indem sie dort mit anderen Elementen des Zytoskeletts Kontakt aufnehmen, helfen, die Gestalt der Zelle zu stabilisieren. Das Zentrosom wird vor der Zellteilung verdoppelt, und die zwei Zentrosomen bilden jetzt die Pole desSpindelapparats, der wiederum aus Mikrotubuli besteht und dessen Aufgabe es ist, die Chromosomen auf die Tochterzellen zu verteilen.
Funktion
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Abgesehen vom ständigen Auf- und Abbau an den Enden sind Mikrotubuli steif und unveränderlich. Dennoch haben sie nicht nur Stützfunktionen in der Zelle.Motorproteine, die sich (vorstellbar etwa wie Spannerraupen) an den Mikrotubuli unterATP-Verbrauch entlanghangeln, tragenVesikel undGranulae durch die Zelle.Kinesine transportieren meist in Richtung Plus-Ende,Dyneine in Richtung Minus-Ende.Vor derZellteilung bilden Mikrotubuli denSpindelapparat, über welchen dieChromatiden zu den Polen der Zelle (Minus-Enden der Mikrotubuli) gezogen werden. In Nervenzellen wandern mitNeurotransmittern gefüllte Vesikel vom Zellkörper zu denSynapsen in Plusrichtung, sieheaxonaler Transport.
Eine andere Art von Bewegung erzeugen Zilien undGeißeln. Die oben beschriebenen Axoneme enthalten unter anderemDynein. Indem das Dynein die Mikrotubuli gegeneinander verspannt, krümmt es das Axonem (Auch hierfür wird ATP verbraucht). Zilien können durch in Phase und Richtung koordinierten Flimmerschlag Strömung erzeugen, sieheWimpertierchen, oder Material in einem Lumen transportieren, sieheFlimmerepithel. Geißeln bewegen einzelne Zellen fort (z. B.Spermien), indem sie hin und her schlagen. Den (9×2 + 2)-Bauplan der Axoneme hat die Evolution vom primitiven Einzeller bis zum Menschen beibehalten. Auch der (9×2 + 0)-Bauplan tritt häufig auf. Zilien dieses Typs sind meist unbeweglich. Sie bilden spezialisierteZellkompartimente – z. B. das Außensegment beiziliärenPhotorezeptorzellen, die Chemorezeptoren derRiechzellen oder Strömungsdetektoren in Flüssigkeiten.
Bedeutung in der Krebsbekämpfung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Starke Bedeutung kommt den Mikrotubuli bei der Bekämpfung vonKrebs zu. Substanzen, die das dynamische Gleichgewicht des Auf- und Abbaus der Mikrotubuli stören, behindern insbesondere die korrekte Ausbildung und Funktion desSpindelapparats und wirken dadurch alsMitosegifte, d. h., sie verhindern die korrekte Zellteilung und damit das Wachstum von Tumoren und Metastasen. Einige werden alsZytostatika im Rahmen derChemotherapie genutzt.Alkaloide aus derRosafarbenen Catharanthe (Catharanthus roseus, früherVinca roseus), dasVincristin und dasVinblastin, fällen Tubulin aus.Paclitaxel (Taxol), ein Alkaloid aus derPazifischen Eibe (Taxus brevifolia), und dasEpothilon aus demMyxobakteriumSorangium cellulosum stabilisieren Mikrotubuli und hindern sie am Depolymerisieren.
DieZytostatika wirken allerdings auch in anderen Geweben bzw. Organen, in denen sich Zellen teilen. Das sind z. B. Oberhaut, Haarfollikel, das Knochenmark als Bildungsstätte von Immun- und Blutzellen, die Leber und die Keimdrüsen. Dementsprechend haben Zytostatika viele erheblicheNebenwirkungen wie Haarausfall, Darmbluten oder erhöhteInfektionsanfälligkeit.
Bedeutung für die Pflanzenzüchtung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Colchicin, einAlkaloid aus derHerbstzeitlosen (Colchicum autumnale), hemmt diePolymerisation der Mikrotubuli, indem es die Tubulineinheiten bindet und dem Kreislauf entzieht. Durch gezielte Behinderung derMeiose ließ es sich erfolgreich zur Züchtungpolyploider Pflanzen einsetzen. Bei tierischen Organismen gilt Colchicin als keimgutschädigend.
Quantenphysik und Bewusstsein
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Stuart Hameroff undRoger Penrose haben gemeinsam die Hypothese aufgestellt, dassbewusstseinsbildendeGehirnfunktionen auf makroskopischenQuanteneffekten beruhen, die sich in den Mikrotubuli desZellskeletts abspielen. Bei höherenEvolutionsstufen seien es die Mikrotubuli derHirnneuronen, aber im Prinzip gelte dieser fastpanpsychische Mechanismus sogar fürEinzeller mitZytoskelett.[1][2]
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Klaus Werner Wolf, Konrad Joachim Böhm:Organisation von Mikrotubuli in der Zelle. In:Biologie in unserer Zeit. 27, 2, 1997,ISSN 0045-205X, S. 87–95.
- James R Davenport, Bradley K Yoder: An incredible decade for the primary cilium: a look at a once-forgotten organelle. In: Am J Physiol Renal Physiol. 289, Nr. 6, 2005, S. F1159-1169.doi:10.1152/ajprenal.00118.2005.PMID 16275743.
Referenzen, Anmerkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑S. Hameroff:How quantum brain biology can rescue conscious free will. In:Frontiers in integrative neuroscience. Band 6, 2012, S. 93,doi:10.3389/fnint.2012.00093,PMID 23091452,PMC 3470100 (freier Volltext).
- ↑S. Hameroff, R. Penrose:Consciousness in the universe: a review of the 'Orch OR' theory. In:Physics of life reviews. Band 11, Nummer 1, März 2014, S. 39–78,doi:10.1016/j.plrev.2013.08.002,PMID 24070914 (Review).