Mevlevi
DieMevlevi-Tariqa (Mevlevi-Derwisch-Orden;persisch مولويه,DMGMaulawīye, vonarabisch المَوْلَوِيَّة,DMGal-Maulawiyya) ist eine der bekanntestenSufi-Bruderschaften. Die Entstehung dieses Ordens geht auf denpersischenMystikerDschalal ad-Din ar-Rumi (1207–1273, auch bekannt alstürkischMevlânâ sowiepersisch مولوى,DMGMaulawī) zurück, der lange Zeit inKonya, der Hauptstadt imSultanat der Rum-Seldschuken, dem Ursprungsort des Ordens, lebte. Ihre Zeremonialmusik (ayin) ist eine Form dertürkischen Kunstmusik und begleitet die Kreistänze bei der Semâ-Zeremonie.
Semâ
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Die Anhänger des Mevlevi-Ordens werden auchdie drehenden Derwische genannt, weil ihrDhikr (Sama; türkischSema) oberflächlich gesehen darin besteht, durch kreisende Bewegungen inEkstase zu geraten. Für einen außenstehenden Betrachter erscheint diese Zeremonie wie eine schöne Aufführung, die einemBallett sehr ähnlich ist. Für die Mevlevis handelt es sich wie bei jedem Dhikr um eine Form desGebets, in der man die Möglichkeit hat, sich der Welt komplett zu verschließen und Gott näher zu kommen.
Viele Arten der Symbolik sind für Außenstehende nicht erkennbar. Am Anfang eines „Tanzes“ steht derScheich auf einem roten Fell(Post), das den Mittelpunkt der Welt darstellt. Die Tänzer tragen einen schwarzen Umhang über dem weißen Gewand. Der Umhang symbolisiert das Grab und der Hut (Sikke) den Grabstein. Nach der Segnung durch den Scheich und somit der Auferstehung aus dem Grab legen sie das Grabtuch ab und beginnen sich zur Musik der Längsflötenay und der Doppelkesseltrommelkudüm zu drehen.[1] Die rechte Handfläche zeigt nach oben, um den Segen Gottes zu empfangen, die linke Handfläche zeigt nach unten, um den Segen in dieser Welt zu verteilen. Der Mevlevi-Dhikr wurde im Jahr 2005 in die UNESCO-Liste derMeisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen.[2]
Die formalisierte Mevlevi-Ritualmusik(ayin) kennt etwa 42 Kompositionen, von denen jedes Jahr eine zur Aufführung ausgewählt wird. Der musikalische Ablauf ist streng festgelegt und beginnt mit demNaat-ı Mevlâna, einem Preislied auf den Propheten, gefolgt von einemtaksim, einer freirhythmischen Improvisation auf dernay. Das folgendepeşrev ist ein instrumentales Vorspiel. Den Hauptteil bilden vier gesungene Stücke, dieselâm genannt werden. Sie begleiten die sich im Kreis drehenden Tänzer. Den Abschluss bilden dreison. Derson peşrev ist ein Instrumentalstück in einem gegenüber dem Anfang geänderten Rhythmus. Darauf folgt derson yürük semai. Dieses instrumentale Zwischenstück hat seinen Namen von der rhythmischen Form(usul) im 6/8-Takt(yürüksemai) erhalten. Die Tanzaufführung endet mit demson taksim und einem abschließenden Gebet.[3]
Geschichte
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Heute gilt die Stadt Konya als der Ursprungsort dieses Sufi-Ordens. Dort befinden sich das Mausoleum seines Gründers und dieTekke des Mevlevi-Ordens, heute dasMevlânâ-Museum. Auch inAfyon nahe Konya waren Mevlevis. Davon zeugen auch einige Gräber hochrangiger Angehöriger des Ordens.
Die Teilnahme von Frauen an derMukabele, dem „Semâ-Ritual“, ist eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts. Einzig im 16. Jahrhundert übernahmGünesch Hanim nach dem Tod ihres Vaters, des bisherigen Vorstehers derAsitane inAfyonkarahisar, in einem „Husarenstreich“ das Amt desPost Nischin, während sich die Derwische noch über die Nachfolge uneins waren. Sie wurde später in ihrem Amt durch denMaqamÇelebi (Oberhaupt der Mevlevis) in Konya bestätigt. Dies war jedoch ein einmaliges Ereignis.
Der Hinweis, dass Rumi selbst nie das Interesse daran gehabt haben soll, eine große Anzahl an Derwischen zu leiten oder einen Orden zu organisieren ist insofern richtig, als dass er selbstScheich der vonNadschmuddin Kubra gegründetenKubrawiyya war. So war er in die sufische Tradition eingebunden. Erst unter seinen SohnSultan Weled (1284–1312) wurde die Mevlevî Tariqa alsfuru, d. h. Nebenlinie der Kubreviyye Tariqa begründet.
Die Bezeichnung Mevlevî stammt von Rumi selbst, der gesagt haben soll – „Biz Mevleviyiz“ in der Bedeutung von „Wir gehören zu Gott“ (Mevlâ oderMaulâ, „Herr“, „Gebieter“). Erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte gewann die Bezeichnung Mevlevî eine größere Bedeutung und wurde zur Zeit von Rumis Sohn Sultan Weled zur Bezeichnung für die Tariqa. Ein weiterer Hinweis für den Ursprung der Tariqa findet sich in der Tatsache, dass der von den Mevlevis gelesene „Große“ und „Kleine“Evrâd, eine Sammlung von Gebets- undKorantexten, die regelmäßig von den Derwischen gelesen wird, aus der Kubraviyya-Tradition stammt.
Zu der Zeit vonShamsuddin Amir Alim († 1395), dem Sohn und Nachfolger vonUlu Arif Çelebi, hat sich die Mevlevi-Tariqa schon über die GrenzenAnatoliens hinaus verbreitet.
Am 30. September 1925 ließMustafa Kemâl Pascha (genanntAtatürk), der Gründer der RepublikTürkei, durch Beschluss der Großen Nationalversammlung der Türkei (Türk Büyük Millî Meclisi) mit demGesetz über Schließung der Derwisch-Konvente und Mausoleen die Rituale der Mevlevi-Derwische verbieten.[4] Seit 1954 darf derSama oderSema (eine besondere Art desDhikr) anlässlich des Jahrestages von Rumis Tod – demşeb-i âruz (vonpersisch شب عروسى,DMGšab-i ʿarūsī, ‚Hochzeitsnacht‘) – am 17. Dezember wieder vollzogen werden, allerdings nicht im Mutterhaus der Tariqa, sondern in einer Sporthalle.
Aufbau
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das Oberhaupt der Mevlevi-Tariqa stammt, außer Mevlanas unmittelbarem Nachfolger Çelebî Husâm-ed-dîn, aus der Familie Rumis, er wirdMaqam Çelebî genannt. Ihm zur Seite stehen dieScheichs der Tariqa. Einer dieser Scheichs ist das Lehroberhaupt, der sogenannteSertarik.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Annemarie Schimmel:Rumi. Ich bin Wind und du bist Feuer. Leben und Werk des Mystikers (=Diederichs' gelbe Reihe. 20.Islam). Diederichs, Köln 1978,ISBN 3-424-00580-0 (zahlreiche Auflagen).
- Yaşar Nuri Öztürk:The Eye of the Heart. An Introduction to Sufism and the Tariqats of Anatolia and the Balkans. Redhouse Press, Istanbul 1988,ISBN 975-413-024-8.
- Erkan Türkmen:Besinnung Sufi-Dichter. Rumis schönste Verse (=Anatolian Manşet Newspaper Cultural Series. 4). Altunari Ofset, Konya 2004,ISBN 975-98547-1-6.
- Yaprak Melike Uyar, Ş. Şehvar Beşiroğlu:Recent representations of the music of the Mevlevi Order of Sufism. In:Journal of Interdisciplinary Music Studies, Bd. 6, Nr. 2, Herbst 2012, S. 137–150
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- www.mevlana.net/ Website der Familie Çelebi (in englischer Sprache)
- www.mevlana.ch/ Internationale Mevlana Stiftung Schweiz
- www.mevlana-ev.de Internationale Mevlânâ Stiftung Deutschland
- www.mevlevi.de Trebbuser Mevlevîhane
- Informationen, Video- und Bildmaterial über die Semâ-Zeremonie auf der UNESCO-Website
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Yaprak Melike Uyar, Ş. Şehvar Beşiroğlu:Recent representations of the music of the Mevlevi Order of Sufism. In:Journal of Interdisciplinary Music Studies. Bd. 6, Nr. 2, 2012,ISSN 1307-0401,S. 137–150, hier S. 141.
- ↑Mevlevi Sema ceremony. UNESCO
- ↑Karl L. Signell:Makam. Modal Practice in Turkish Art Music. Reprinted edition. Da Capo Press, New York NY 1986,ISBN 0-306-76248-X, S. 18.
- ↑Klaus Kreiser,Christoph K. Neumann:Kleine Geschichte der Türkei. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2008,ISBN 978-3-15-010678-5, S. 395.