Als Zwölfjähriger wurde Euwe 1913 Mitglied im ältesten Schachverein der Niederlande, derAmsterdamer Schachgesellschaft. Nach demErsten Weltkrieg trat seine große Spielstärke hervor. 1919 gab er sein Debüt bei derMeisterschaft der Niederlande, 1921 gewann er sie erstmals. Insgesamt konnte er diesen Titel bis 1955 zwölfmal, davon sechsmal in ununterbrochener Folge, erringen und ist damit Rekordhalter. Im Jahre 1928 wurde er in Den Haag Amateurweltmeister derFIDE (vorDawid Przepiórka undHermanis Matisons). Weitere Erfolge in internationalen Turnieren waren seine Siege bei denHastings-Schachturnieren 1930/31 und 1934/35 sowie in Bad Nauheim/Stuttgart/Garmisch 1937.
1935 erlebte Euwe den Höhepunkt seiner Schachlaufbahn: Er gewann im Wettkampf gegenAlexander Aljechin den Titel des Schachweltmeisters (neun Siege, acht Niederlagen, 13Remis). Dadurch löste er eine große Schachbegeisterung in seinem Heimatland aus. Seine Gewinnpartie in Runde 26 wurdeDie Perle von Zandvoort genannt.
Den Revanchekampf 1937 verlor er mit 9,5:15,5 (vier Siege, zehn Niederlagen, elf Remis).
Einer Zusammenarbeit mit demGroßdeutschen Schachbund stand Euwe aufgeschlossen gegenüber. Im Rahmen eines Empfangs bei ReichsministerHans Frank im Juli 1937 bezeichnete Euwe sich selbst als „ersten germanischen Weltmeister“. DieDeutschen Schachblätter berichteten in Nummer 16 vom 15. August 1937 ausführlich darüber. Im Sommer 1941 gewann er in Karlsbad gegenEfim Bogoljubow einen vom Großdeutschen Schachbund organisierten Wettkampf mit 6,5:3,5 (5 Siege, 2 Niederlagen, 3 Remis). Im Übrigen lehnte er jedoch Einladungen zu den Turnieren imGeneralgouvernement und zu den Europa-Turnieren in München unter Hinweis auf seine Tätigkeit als Lehrer ab.Kollaborationsvorwürfe wurden daher nach demZweiten Weltkrieg gegen ihn nicht erhoben.
Der Weltschachbund FIDE wählte Euwe als einen von fünf Kandidaten zurSchachweltmeisterschaft 1948 aus, er wurde dort aber mit 4 Punkten aus 20 Partien Letzter. Weltmeister wurdeMichail Botwinnik.
Euwe tat sehr viel für die Popularisierung des Schachs. Er verfasste zahlreiche Lehrbücher, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Von 1970 bis 1978 war er Präsident der FIDE.
Hauptberuflich war Euwe Mathematiker. Er studierte an derUniversität Amsterdam, wo er 1926 beiRoland Weitzenböck (der auch ein starker Schachspieler war)[1] über Differentialinvariantenpromoviert wurde. Er war danach Mathematik-Lehrer inWinterswijk undRotterdam und von 1926 bis 1940 und dann wieder ab 1945 an einem Lyzeum für Mädchen in Amsterdam.[2] Während des Krieges arbeitete er als Präsident der Einzelhandelskette Van Amerongen (VANA) in Amsterdam und als Versicherungsstatistiker.[3] In den 1950er Jahren wandte er sich Computern zu und wurde 1954 Professor fürKybernetik, wobei er 1957 auch zu Studienzwecken die USA besuchte, bei welcher Gelegenheit er in New York auch zweimal gegenBobby Fischer spielte (er gewann einmal und spielte einmal remis). 1959 wurde er Präsident des Niederländischen Forschungszentrums für Informatik. Von 1961 bis 1963 leitete er eine vonEuratom bestimmte Kommission, die untersuchen sollte, inwieweit das Schachspiel programmierbar ist. 1954 wurde er Professor für Informatik in Rotterdam und 1955 inTilburg. Außerdem war er Berater der ComputerfirmaRemington Rand. Er war mit dem MathematikerL. E. J. Brouwer befreundet, dessen Vorlesungen er als Student besucht hatte und hielt seine Grabrede.[4] Euwe wandte auchintuitionistische Methoden von Brouwer auf dieAnalyse des Schachspiels an und zeigte 1929 unter anderem, dass die Möglichkeit, bei dreimaligerZugwiederholung remis zu reklamieren, nicht ausreicht, um ein unendlich langes Schachspiel theoretisch auszuschließen.[5] Im Jahre 1971 ging er als Professor in Tilburg in den Ruhestand.
In seine Zeit als FIDE-Präsident fiel das WeltmeisterschaftsmatchFischer gegen Spasski 1972 in Reykjavík, bei dessen Vorbereitung er eine schwierige Vermittlerrolle übernehmen musste.
Euwe war mit Carolina E. Bergmann verheiratet[6] und hatte drei Kinder. Seine EnkelinEsmé Lammers verwendete in ihrem DebütfilmLang lebe die Königin (1995) bzw. im 1997 erschienenen gleichnamigen Buch zwei seiner 1936 in Amsterdam ausgetragenen Partien gegenAlbert Loon undAlexander Aljechin.
Euwes höchstehistorische Elo-Zahl betrug 2769. Er erreichte sie im Januar 1936. Zwischen 1936 und 1937 lag er über 14 Monate auf Platz 1 der Weltrangliste.
Euwe war auch ein hervorragender Theoretiker und Schachautor. Seine Werke wurden in viele Sprachen übersetzt. Am bekanntesten sind u. a.Meister gegen Amateur,Amateur wird Meister,Meister gegen Meister,Urteil und Plan im Schach,Theorie der Schach-Eröffnungen,Feldherrenkunst im Schach,Endspiellehre und ihre praktische Anwendung. Daneben schrieb er auch viele Artikel, unter anderem für dasSchach-Echo und dieDeutsche Schachzeitung.
Euwe interessierte sich für alle Aspekte des Schachs, besonders auch fürEndspiele, bei denen er in Korrespondenzen denGBR-Code verwendete.[7] Er publizierte einige, meist theoretische Endspielstudien sowie Schachaufgaben.
Euwe starb 1981 an einemHerzinfarkt. InAmsterdam ist ein Platz nach ihm benannt, wo sich auch ein seinem Andenken gewidmetes Schachzentrum befindet.
Euwe spielte in den 1930er Jahren beimAmsterdamschen Schaakclub[10], in den 1970er Jahren beiVolmac Rotterdam, mit dem er auch zweimal amEuropean Club Cup teilnahm.[11]
Theorie der schaakopeningen. Van Goor,’s Gravenhage ab 1937
Theorie der Schacheröffnungen. 12 Bände. Siegfried Engelhardt Verlag, Berlin-Frohnau, 1957 und folgende
Volledige handleiding voor het schaakspel. Van Goor, ’s Gravenhage 1937. Viele weitere Auflagen
Schach von A–Z – Vollständige Anleitung zum Schachspiel. De Gruyter, Berlin 1958. Übersetzung und Bearbeitung:Kurt Richter. Zahlreiche Neuauflagen
Positiespel en combinatiespel. De Tijdstrom, Lochem 1949
Positions- und Kombinationsspiel im Schach. De Gruyter, Berlin 1951. Übersetzung: Kurt Richter
Oordeel en plan. Het denkproces in het schaken. Van Goor, ’s Gravenhage 1952
Urteil und Plan im Schach. De Gruyter, Berlin 1956. Übersetzung: Kurt Richter
Meister gegen Amateur. De Gruyter, Berlin 1962. Mit Walter Meiden
Amateur wird Meister. De Gruyter, Berlin 1965. Mit Walter Meiden
Veldheerschap op de vierenzestig. Van Goor, ’s Gravenhage 1966
Feldherrnkunst im Schach. Eine Studie über die Entwicklung des Schachdenkens vom Jahre 1600 bis heute. De Gruyter, Berlin 1970. Übersetzung: Kurt Richter
Meister gegen Meister. De Gruyter, Berlin 1970. Mit Walter Meiden
Endspieltheorie und -praxis. De Gruyter, Berlin 1984
↑Van Dalen, Brouwer-Biographie, loc. cit., S. 773, mit Foto
↑Dirk van Dalen, Brouwer-Biographie, loc. cit., S. 901.
↑Max Euwe:Mengentheoretische Betrachtungen über das Schachspiel. Proc. Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen, Band 32, 1929, S. 633–642 (online).
↑Festschrift (Memento vom 26. Juni 2015 imInternet Archive)Koninklijke Schaakclub Philidor 1847 150 jaar schaken in Leeuwarden, S. 95 (PDF-Datei; 269 kB, niederländisch).