Maultier

DasMaultier, auchMuli genannt, (vonlateinischmulus, ‚Maultier‘, ‚Maulesel‘) ist dasKreuzungsprodukt aus einerHauspferdestute mit einemHauseselhengst. Das so gezeugte Tier ist aus biologischer Sicht einHybride. Ein Hybride aus der umgekehrten Kombination, also aus einer Kreuzung von (Haus-)Pferdehengst und (Haus-)Eselsstute, wird imDeutschen stattdessen alsMaulesel bezeichnet.
Als Hybride sind Maultiere mit seltenen Ausnahmen nicht fortpflanzungsfähig. Maultiere sind einfacher zuzüchten als Maulesel und werden aufgrund ihrer im Vergleich zu den Pferden größeren Ausdauer und Unempfindlichkeit alsZug- undTragtiere verwendet, eignen sich aber auch gut alsReittiere.
Aussehen
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EinMaultier ist meist größer als sein Eselvater und etwas kleiner als die Pferdemutter. Es sieht dem Pferd ähnlicher, nicht zuletzt wegen des großen und gestreckten Kopfs und seinesFells, das trotz der dickeren Haut dem Pferdefell sehr ähnlich sieht und in vielen Fällen sogar gleicht. Das Maultier behält jedoch, wohl als dominantesErbmerkmal seines Eselvaters, die längerenOhren. Andererseits haben Maultiere kleinereNüstern als Pferde, und die vier Gliedmaßen sind eher schlank ausgebildet. Der Schwanz von Maultieren gleicht wiederum dem der Pferde – weshalb er auchSchweif genannt wird – und besitzt im Gegensatz zu den Eseln keineQuaste. Die Fellfarben können wie bei den Pferden variieren, am häufigsten sind diese braun, schwarzbraun oder schwarz, seltener grau und extrem selten weiß. Es kommen auch gescheckte Maultiere vor, dann meistens in den Farben weiß/hellbraun oder weiß/dunkelbraun. Oftmals ist bei Tieren mit dunkleren Fellfarben ähnlich wie bei den Eseln der Bereich um das Maul weiß oder weißlich (Mehlmaul). Üblicherweise werden Maultiere mit einemStockmaß zwischen 140 und 155 cm gezogen, je nach Rasse der Eltern gibt es auch größere (bis über 190 cm) oder sehr viel kleinere Maultiere.
Zucht
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Bei der Vermischung desErbgutes von Pferdestute (2n = 64 Chromosomen, n = 32) und Eselhengst (2n = 62 Chromosomen, n = 31) entsteht ein ungeraderChromosomensatz, der in der Regel keineGeschlechtszellenbildung erlaubt.[1]
Gleichwohl können Maultiere den Geschlechtsakt ausführen und verfügen auch über einen natürlichen Geschlechtstrieb, wenn auch nicht so stark wie Pferde. Hengste sind stets unfruchtbar, gelegentlich kommen jedoch fruchtbare Stuten vor. Die größere Ähnlichkeit des Maultieres mit dem Muttertier (Pferd) beruht aufnichtchromosomaler Vererbung. Dabei bringt die mütterlicheEizelle den Hauptteil derZellorganellen in dieZygote ein, so dass in derFilialgeneration mütterliche Merkmale vorherrschen. Maultier und Maulesel sind ein Paradebeispiel für dasImprinting.[1]
Maultiere sind in der Regel größer als Maulesel, da das Muttertier eine Grenze für die Größe setzt und eine Pferdestute im Allgemeinen größer ist als eine Eselstute. Fohlen wachsen bei der Mutter auf und werden durch sie wesentlich geprägt; das Maultierfohlen wird alsoals Pferd aufgezogen, das Mauleselfohlenals Esel.
InFrankreich werden speziell für die Maultierzucht besonders großePoitou-Esel gezogen. Durch Kreuzung mitPoitevin-Stuten werden sie dazu verwendet, eine große, rustikale Maultierrasse, das Poitevin-Maultier, zu züchten.
Eigenschaften
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Maultiere gelten als gutmütig und geradlinig, im Gegensatz zu Pferden auch als weit weniger scheu. Sie sind gegenüber Pferden gleichmäßiger belastbar und erholen sich sehr rasch von Strapazen. Damit verbunden ist auch eine besonders hohe Lebenserwartung von 45 bis über 50 Jahren, in Einzelfällen sogar noch mehr. Als Tragtiere sind Maultiere weitaus gutmütiger, sie können an einem Tag rund 150 kg etwa 30 bis 40 km weit transportieren. Als Zugtiere sind sie einsatzfreudiger und ausdauernder als Pferde, weshalb sie von Eignern von in derLandwirtschaft eingesetzten Tieren allgemein bevorzugt wurden. Maultiere bewährten sich besonders beim Ziehen vonPflügen auf schwierigen Böden ausTonmineralen, weshalb sie sich – vor allem in den USA – aufgrund ihrer Geradlinigkeit und Willensstärke den Ruf besonderer Sturheit erwarben (stubborn like a Missouri mule =Stur wie ein Maultier aus Missouri). Maultiere sind wegen ihrer dickeren Haut gegenüber Pferden auch weit weniger empfindlich gegen hohe oder tiefeTemperaturen sowie ungünstigesWetter wie Regen oder Schnee. Maultiere verfügen über eine wesentlich robustere gesundheitliche Konstitution und zudem über härtere Zähne, was Haltung, Einsatz sowie Fütterung besonders unter schwierigen geografischen und/oder klimatischen Bedingungen vereinfacht. Außerdem zeigen sie eine gewisse natürliche Resistenz gegenInsekten undParasiten. DieHufe eines Maultiers sind härter als die eines Pferdes und ähnlich denen eines Esels an einen steinigen Untergrund angepasst und eher auf Trittsicherheit denn auf Geschwindigkeit ausgerichtet. Damit verbindet das Maultier die Leistungsfähigkeit eines Pferdes bei größerer Ausdauer mit der Trittsicherheit eines Esels im Gelände. Dennoch kann ein vorwiegend als Reittier eingesetztes Maultier bei Bedarf kurzzeitig bis zu 60 km/h schnell laufen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Maultiere die Besonnenheit, die Ausdauer und die Trittsicherheit eines Esels in Kombination mit der Geradlinigkeit, der Kraft und dem Mut eines Pferdes besitzen. Ein Maultier ist daneben auch für ungeübte Reiter ein gutes Reittier, das im Allgemeinen gut beherrschbar ist und bei guterAusbildung keine Überraschungen erwarten lässt.
Maultiere vertragen sich im Grunde sehr gut mit anderen Tieren, verhalten sich jedoch gegenüber Hunden im Allgemeinen weit weniger duldsam als Pferde, zudem sind sie weit weniger scheu und neigen bei Gefahr auch nicht dazu, einfach die Flucht zu ergreifen. Sie können mit allen Hufen in alle Richtungenausschlagen und sind im Allgemeinen in der Lage, ihren Reiter gegen den Angriff vonWölfen (Europa, Nordamerika) oderPumas (Mittel- und Südamerika) zu verteidigen. Es sind Fälle belegt, in denen ein Maultier entsprechende angreifende Raubtiere durch Hufschläge und -tritte vertrieben oder gar getötet hat.
Charles Darwin schrieb in Bezug auf die hervorragenden physischen Eigenschaften des Maultieres:Das Maultier scheint mir ein sehr erstaunliches Tier zu sein; es macht den Anschein, dass hier die Kunst die Natur übertroffen hat.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Mesopotamien
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Maultiere sind bereits aus demalten Orient belegt. Vielleicht züchteten bereits dieSumerer Maultiere, aus dieser Zeit sind jedenfalls Kreuzungen zwischen Esel undOnager belegt.
Griechische und römische Antike
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Auch in dergriechischen Literatur werden Maultiere erwähnt.
In derAntike galten Maultiere als die edelsten Tiere überhaupt. Aus diesem Grunde wurden dieTierärzte imRömischen Reich damals nicht Rossärzte (equomedici), sondern Maultierärzte (mulomedici) genannt.
In derFundregion Kalkriese (Niedersachsen) fanden sich die Reste eines adulten Maultieres, das möglicherweise im Jahre 9 n. Chr. in derVarusschlacht getötet worden war. Wie die Reste einer Deichselkappe belegen, war es als Zugtier eingesetzt. Auch in dem römischen LagerDangstetten, das im Zuge desAlpenfeldzuges (15 v. Chr.) von derLegio XIX angelegt worden war, fanden sich die Reste von fünf Maultieren von überwiegend jugendlichem Alter, was für eine Verwendung als Zugtiere spricht. Sie sind teilweise zerlegt worden, wurden also vielleicht auch gegessen.
Knochenfunde von Maultieren sind jedoch eher selten. Eine sichere Unterscheidung zwischen Maultier, Pferd und Esel wird vor allem anhand der Zähne vorgenommen. Merkmalsüberschneidungen sind jedoch belegt.
Mittelalter
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]ImMittelalter sowie in derneueren Zeit gelangten Maultiere in alle Erdteile und spielten vor allem als Lasttiere eine bedeutende Rolle, besonders in geografisch und klimatisch schwierigeren Gebieten.

Neuzeit, Moderne
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In beidenWeltkriegen kamen diese Tiere aufgrund ihrer günstigen Eigenschaften noch einmal auf praktisch allen Kriegsschauplätzen zahlreich zum Einsatz, imErsten Weltkrieg vorwiegend beiGebirgstruppen, imZweiten Weltkrieg außerdem sowohl in kälteren Klimazonen wie den Steppen derSowjetunion als auch in tropischen Gefilden wieSüdostasien. Das italienische Heer setzte von 1872 bis 1991 hunderttausende Maultiere ein, vor allem imGebirgskrieg 1915–1918. Bei der letzten Zählung 1918 wurden 520.000 Maultiere gezählt.[2]
Seit den 1950er Jahren ging in denIndustrieländern die Zahl der Maultiere nach der stetig zunehmenden Einführung modernerLandmaschinen undLastkraftwagen stark zurück. In einigen Ländern wie z. B. denUSA erreichte ihre Zahl historische Tiefstände.
Heute spielen Maultiere in weniger entwickelten Regionen der Welt nach wie vor eine wichtige Rolle in derLandwirtschaft sowie als Transportmittel. Außerdem haben sie ihre Bedeutung fürmilitärische Zwecke in gebirgigen sowie schwer zugänglichen Gegenden bis heute behalten. In Europa und den USA werden Maultiere in privater Hand nach wie vor in kleinerem Stil gezüchtet und gehalten, wohl auch zum Privatvergnügen und zur Traditionspflege.
Nutzung
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Maultiere werden unter anderem als Zug- und Tragtiere, Reittiere, für militärische Zwecke (Trainpferde) oder für den Transport kostbarerFracht verwendet. Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit und Trittsicherheit waren Maultiere in der Geschichte besonders häufig beiGebirgstruppen im Einsatz, so unter anderem auch in beiden Weltkriegen inKolonnen alsLasttiere zum Transport von Waffen, Munition und Versorgungsgütern.
Vor der neuzeitlichen infrastrukturellen Erschließung der Alpenregion spielten die robusten Maultiere jahrhundertelang für dieHandelswege über die Berge auf denSaumpfaden eine wichtige Rolle.
Auch im privaten Einsatz als Reittiere konnten sich Maultiere bewähren, sie waren weitaus stärker und schneller als Esel, gleichzeitig wesentlich weniger scheu als Pferde und obendrein in der Anschaffung und im Unterhalt weit günstiger als letztere. Als Reittier waren sie häufig in den Alpenländern, Südeuropa (vor allem aufSizilien),Südamerika sowie den Südstaaten der USA anzutreffen.
Maultiere waren vor allem in wärmeren Klimazonen als Zugtier erste Wahl, da sie mit der dort vorherrschenden Hitze weit besser zurechtkamen als Pferde und zudem bei geringerem Futterverbrauch mehr und länger zu leisten imstande waren. So kam es, dass Maultiere schon früh zum Ziehen vonBergwerks-Loren eingesetzt wurden. Ab etwa 1860 zogen sie vor allem inMittel- und Südamerika, denSüdstaaten der USA, einigen Ländern inAfrika sowie zum Teil später auch inSpanien im Gegensatz zur üblichen Praxis in anderen Erdteilen diePferdestraßenbahnen. Um die Jahrhundertwende wurden wie auch die Pferde die zwar zugstarken und in Anschaffung sowie Unterhalt günstigeren – in manchen Fällen aber auch sturen – Maultiere bei den meisten Betrieben durchelektrischeStraßenbahn-Triebwagen ersetzt. Einige wenigeMaultierbahnen verkehrten allerdings bis in die 1920er und 1930er Jahre – und zwei kleinere Bahnen dieser Art waren inBrasilien sogar noch bis in die 1960er Jahre in Betrieb.
Auch in heutiger Zeit haben Maultiere ihre Bedeutung und Funktion als Tragtiere in unwegsamen Gegenden der Welt trotz allem technischen Fortschritt nicht verloren. So wurden zum Beispiel nach dem schwerenErdbeben im nördlichenPakistan und dem angrenzendenKaschmir im Herbst 2005 über 2000 Maultiere derTiertransporteinheiten (englisch: Animal Transport Units – ATU) derpakistanischen Armee mobilisiert, um die betroffene Bevölkerung in dem nur schwer zugänglichen Gebiet zu versorgen.[3]
In einigen Fällen fanden ehemals zu Streitkräften gehörende Maultiere einen zweiten zivilen Verwendungszweck. So wurden zum Beispiel im Jahre 1975 inHongkong von derBritischen Armee aus dem Dienst genommene Maultiere nach ihrer Entlassung und entsprechender Ausbildung vor Ort noch jahrelang für dastherapeutische Reiten weiterverwendet.
Die größte Maultierpopulation in Deutschland befindet sich inBad Reichenhall im Einsatz als Lasttiere für die dortigenGebirgsjäger derBundeswehr (Einsatz- und Ausbildungszentrum für Tragtierwesen 230). Wenn auch ihre Zahl gegenüber früheren Zeiten etwas zurückgegangen ist, werden diese Tiere nach wie vor bis heute vor allem im Winter zur Versorgung abgelegener und mit Fahrzeugen nicht erreichbarer Höfe und Hütten eingesetzt.
Bildliche Darstellungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Aus demassyrischen Königspalast inNinive sind Maultierdarstellungen aus der Zeit um 1000 bis 500 v. Chr. bekannt, diese können jedoch nach Aussage einiger Experten noch älter sein.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Angela von den Driesch, Joris Peters:Frühe Pferde- und Maultierskelette aus Auaris (Tell el-Dabʿa), östliches Nildelta In: Ägypten und Levante / Egypt and the Levant Bd. 11 (2001), Austrian Academy of Sciences Press S. 301–311
- H. Henseler:Ein fruchtbares Maultier. Verlag von M. & H. Schaper, Hannover 1925.
- Wolfgang Schlüter u. a.:Archäologische Zeugnisse zur Varusschlacht? Die Untersuchung in der Kalkriese-Niewedder Senke beiOsnabrück. In:Germania 70, 1992, S. 307–349,doi:10.11588/ger.1992.53473.
- Hans-Peter Uerpmann und Margarethe Uerpmann:Maultiere in der römischen Armee zur Zeit der Eroberungsfeldzüge in Germanien. In: Mostefa Kokabi, Joachim Wahl (Hrsg.), 8. Arbeitstreffen der Osteologen:Beiträge zur Archäozoologie und prähistorischen Anthropologie. 8. Arbeitstreffen der Osteologen, Konstanz 1993. im Andenken anJoachim Boessneck. (=Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg. 53). Theiss, Stuttgart 1994,ISBN 3-8062-1155-8, S. 353–357.
- Ernst Bödeker:Maultierzucht und Maultierhaltung. Hannover 1908.
- Jutta Person:Esel. Ein Portrait, Nr. 5 in ReiheNaturkunden, Herausgegeben vonJudith Schalansky, 5. Auflage, Matthes & Seitz, Berlin 2019
- Hans Hinrich Sambraus:Farbatlas Nutztierrassen. Ulmer, Stuttgart 2001, 6. Aufl.,ISBN 3-8001-3219-2, S. 276
Galerie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Maultier vonEadweard Muybridge (1893)
- Maultierherz
- Maultier als Zugtier bei der Pferdestraßenbahn vonNew Orleans (USA) um 1890
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Maultier im Katalog derDeutschen Nationalbibliothek
- Peter Lehmann: Maultier. In:Historisches Lexikon der Schweiz.
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑abJinlong Huang et al.: Donkey genome and insight into the imprinting of fast karyotype evolution. Nature, 16. September 2015, abgerufen am 11. Februar 2024 (doi:10.1038/srep14106).
- ↑L. VIAZZI und P. CARAVATI:MULI E ALPINI. Ed. NORDPRESS, 1999
- ↑Versorgungs-Maultiere in Kaschmir (englisch)