Folgetonhorn
AlsFolgetonhorn (manchmal auch alsTonfolgehorn) wird generell eine akustische Einrichtung an Fahrzeugen bezeichnet, die nacheinander mehrereSignaltöne verschiedenerGrundfrequenzen abgibt.
Hierunter wird in Europa ein Teil der Warnanlage verstanden. Diese Einrichtung – sie ist für den Privatgebrauch verboten – wird in Deutschland alsSondersignalanlage bezeichnet und in den berechtigten (Einsatz-)Fahrzeugen bestimmterBehörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, auch fürHilfsorganisationen verwendet. Es wird auch die BezeichnungEinsatz- oderMartinshorn genutzt.
Es wird eine bestimmte Tonfolge erzeugt, die andereVerkehrsteilnehmer warnt und dazu veranlassen soll, demEinsatzfahrzeugfreie Bahn zu gewähren. Bei Einsatzfahrten mit Folgetonhorn wird dieses in den meisten Staaten fest mitBlaulicht kombiniert. Durch spezielle Schalter soll verhindert werden, dass die akustische Warneinrichtung ohne Blaulicht verwendet wird, während Blaulicht alleine ohne die akustische Tonfolge betrieben werden kann.
Erzeugung der Tonfolge
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Erzeugung der Tonfolge kann auf unterschiedliche Weise gelöst werden:
- Durch eineKompressoranlage: Hierbei wirdDruckluft über eine Ventilanlage wechselweise durch die paarweise aufSchwebung verschieden gestimmtenMakrofone geleitet.
- Durch ein Tonfolgerelais, einen sogenannten Klangfolgeschalter: EinRelais steuert wechselweise die verschieden gestimmtenAufschlaghörner (im Prinzip „normale“ Autohupen) an.
- Elektronisch: Eine elektronische Schaltung erzeugt die Tonfolge, welche durchLautsprecher verstärkt wiedergegeben wird.
Deutschland
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Grundlage für Schalleinrichtungen, welche das „Sondersignal“ erzeugen, ist§ 55 Abs. 3 S. 1StVZO (Straßenverkehrszulassungsordnung):
„(3) Kraftfahrzeuge, die auf Grund des § 52 Abs. 3 Kennleuchten für blaues Blinklicht führen, müssen mit mindestens einer Warneinrichtung mit einer Folge von Klängen verschiedener Grundfrequenz (Einsatzhorn) ausgerüstet sein.“
InDeutschland wird die Ausführung des Folgetonhorns durchDIN 14610 geregelt. Die Tonhöhe von verschiedenen Hörnern darf sich unterscheiden, muss aber zwischen 360 Hz (ca. fis′) und 630 Hz (ca. dis″) liegen. DasTonintervall muss einereine Quarte sein (beispielsweise: a′ und d″).
Sonderrechte, wie das Überschreiten der Geschwindigkeit oder Fahren außerhalb vorgegebener Fahrspuren oder Fahrtrichtungen, können auch ohne Benutzung von Blaulicht und Folgetonhorn in Anspruch genommen werden, wegen der möglichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer dann jedoch besonders restriktiv.[1]
In Erfurt, Sömmerda und Weimar wurde vorübergehend dasWail-Signal erprobt, jedoch ohne dass dafür eine Genehmigung vorlag. Da es sich um kein offizielles DIN-Sondersignal handelt, ist der Gebrauch in Deutschland untersagt.[2] Aufgrund einer Rechtsverordnung ist in mehreren deutschen Bundesländern dasYelp-Signal im Einsatz. Sein Zweck ist jedoch nicht, dasWegerecht zu fordern, sondern ein vorausfahrendes Fahrzeug zum Anhalten aufzufordern.
Martin-Horn/Martinshorn
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Martin-Horn undMartinshorn[3][4] sind vor allem in Deutschland verbreitete Bezeichnungen für das Folgetonhorn. Der Name leitet sich ab vom im Jahr 1880 inMarkneukirchen imvogtländischenMusikwinkel gegründeten Unternehmen fürJagdhörner undKavallerietrompeten namensDeutsche Signal-Instrumenten-Fabrik Max B. Martin, welches nach der Enteignung in derDDR im Jahr 1950 inPhilippsburg neu begann.Martin-Horn ist alsWortmarke geschützt.[5]
Der Betrieb hatte im Jahr 1932 gemeinsam mit Polizei undFeuerwehren ein Mehrtonhorn entwickelt[6], das in der Folge für Einsatzfahrzeuge gesetzlich vorgeschrieben wurde. Da die Fertigung bis zumZweiten Weltkrieg exklusiv dem vorgenannten Unternehmen oblag, wurde die Bezeichnung „Martin-Horn“ zum Synonym für Folgetonhörner. Beim Martin-Horn wird für jeden Ton ein einzelnesMakrofon eingesetzt, die beispielsweise bei Lokomotiven auch einzeln verwendet werden.
Ursprung des Zweiklanges
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zu dem historischen Ursprung des typischen Zweiklanges gibt es mehrere Hypothesen. So wird zum einen dasJagdsignal „Halt“ (c'-g') als eine mögliche Erklärung genannt. Eine andere Hypothese führt die Klangfolge auf dasHornsignal derKavallerie für „Straße frei!“ zurück. Mit diesem Signal wurden berittene Einheiten aufgefordert, die genutzte Straße jeweils für ein Überholen oder einen Vorbeiritt von anderen Kräften frei zu machen. Hier entsprach die grundsätzliche Bedeutung des Signals also der des Folgetonhorns.
Österreich
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Wie in Deutschland ist es in Österreich nicht zwingend erforderlich, bei Einsatzfahrten Blaulicht und Folgetonhorn gemeinsam zu verwenden. Es reicht die Verwendung eines dieser Signale.[7] Üblicherweise wird das Blaulicht allein und in unübersichtlichen Verkehrssituationen zusätzlich das Folgetonhorn eingesetzt. Die alleinige Verwendung des Blaulichtes in solchen Situationen kann im Schadensfall auch als „nicht ausreichend“ ausgelegt werden.[8] Die (theoretisch mögliche) Verwendung von Einsatzhorn ohne Blaulicht wird nur von zivilen Polizeifahrzeugen praktiziert und kommt in der Praxis selten vor.
Zudem ist es in Österreich möglich, die Einsatzfahrzeuge anhand ihrer Tonfolge zuzuordnen:Rettung,Feuerwehr undPolizei sowie andere Dienste (Energieversorger, Verkehrsbetriebe) verwenden für ihre Einsatzfahrzeuge jeweils unterschiedliche Tonfolgen:[9] Polizei (Tatüü-Tatütatütatüü), Rettung (gleichmäßig „Tatütatü“ oder „Tütaa Tütaa“) und Feuerwehr („Tatüü Tatüü“). Diese Tonfolgen haben sich eingebürgert, es gibt jedoch keine gesetzlich geregelten, vorgegebenen Tonfolgen für diese Einsatzkräfte.[10] Andere Einsatzfahrzeuge derWiener Stadtwerke wieWiener Linien oderWiener Netze haben ebenfalls eine eigene Tonfolge („Tatatüüta“).[11]
Außer dem Folgetonhorn für Einsatzfahrzeuge ist die Abgabe von Tonfolgen verboten. Eine einzige Ausnahme gilt fürAutobusse derPost: Diese dürfen die Tonfolgea-fis-a-d („Posthorn“, „Tatü tatu“,[12]) als normales Hupsignal verwenden. Die Tonfolge wird aber nur mehr beiOldtimerbusfahrten des Postdienstes verwendet.[13]
Die Anbringung von Folgetonhörnern ist in § 22 Abs. 4–6 KFG geregelt.[14] Zu beachten ist dabei, dass sofern am Fahrzeug nicht bereits nach § 20 Abs. 1 Z 4 KFG[15] ohne eigene Bewilligung ein Blaulicht angebracht werden darf, eine Bewilligung für das Folgetonhorn zusätzlich zum Blaulicht beim zuständigenLandeshauptmann beantragt und genehmigt werden muss. Für die Erteilung der Genehmigung gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die Erteilung eines Blaulichtes (§ 22 Abs. 4 KFG, letzter Satz, siehe dazu auchRundumkennleuchte – Österreich). Der Einbau des Folgetonhorns muss jedoch bei Vorhandensein einer Bewilligung nicht als Änderung des Kraftfahrzeuges extra angezeigt und genehmigt werden.[16]
Schweiz
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Schweiz verwendet cis'–gis' für Einsatzfahrzeuge.
Bei denPostautos und weiteren Busunternehmen, die auf Strecken verkehren, welche alsBergpoststrassen signalisiert sind, wird die Klangfolge cis'–e–a verwendet. Diese aus der Ouvertüre zu Rossinis OperWilhelm Tell stammende Tonfolgetüü taa too findet dort seit 1924 Verwendung.[17] Das Signal wird vor allem in Fahrzeuge eingebaut, die im voralpinen und alpinen Gebiet im Einsatz sind. Am häufigsten wird es auf Bergpoststrassen gebraucht.[18] Fahrzeuge, bei denen das Dreiklanghorn eingebaut ist, verfügen über den entsprechenden Nachweis in den Wagenpapieren.[19]
Liechtenstein
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Verwendung einerRundumkennleuchte ist inLiechtenstein bei den dafür zugelassenen Einsatzfahrzeugen nicht zwingend mit einem Folgetonhorn zu kombinieren. Es kann auch die Rundumkennleuchte alleine verwendet werden.
Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht sind mit einem wechseltönigen Zweiklanghorn zu versehen. Fahrzeuge imPostbus-Linienverkehr auf Bergstraßen dürfen ein wechseltöniges Dreiklanghorn aufweisen (Art 82 Abs. 2 VTS[20]).
Die Verwendung von anderen Tonerzeugern und an privaten Fahrzeugen (besondersSirenen, andere gellende Warnvorrichtungen, Phantasiesignale wieKirchenglocken,Klingeln und Tierstimmen sowie Auspuffhörner wie auch die Verwendung von Außenlautsprechern (mit Ausnahmen)) sind in Liechtenstein verboten (Art 82 Abs. 3 und 4 VTS).
Historisches
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Vor allem in den südlichen Ländern war bis in die 1970er Jahre ein privater Gebrauch von Folgetonhörnern erlaubt. Dabei wurden vor allem markante Kurzmelodien gespielt. Beliebt waren die Anfangstakte desRiver-Kwai-Marsches oderLa Cucaracha. InKuba kann man diese Tonfolgen bei privaten Autos sogar noch hören. Meist waren es Kompressorfanfaren, die durch eine sich drehende Scheibe bis zu fünf Hörner ansteuerten.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Webseite mit Beispielen für verschiedene Folgetonhörner (Memento aus demInternet_Archive)
- Übersicht div. Klangcodierungen von Sondersignalanlagen beiSoundCloud
- Absatzkrise bei Fanfaren als Auslöser bei orf.at, abgerufen im Februar 2014
- Rettungsdienst Sömmerda auf YouTube
Einzelnachweise und Anmerkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Siehe dazu auchI. Satz 1 derVerwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung zu § 35 StVO: „Bei Fahrten, bei denen nicht alle Vorschriften eingehalten werden können, sollte, wenn möglich und zulässig, die Inanspruchnahme von Sonderrechten durch blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn angezeigt werden.“
- ↑www.rettungsdienst.de – Sondersignal: Heulen verboten (Memento vom 27. Februar 2011 imInternet Archive), abgerufen am 24. Februar 2011
- ↑Duden | Martinshorn. Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. In: www.duden.de. Cornelsen Verlag GmbH, abgerufen am 9. April 2023.
- ↑Martinshorn – Schreibung, Definition, Bedeutung, Synonyme, Beispiele. Abgerufen am 9. April 2023.
- ↑Max B. Martin GmbH & Co.KG. MARTIN-HORN ... das Original! In: www.maxbmartin.de. Max B. Martin GmbH & Co.KG, abgerufen am 9. Februar 2025.
- ↑Brockhaus, Band 14, E. A. Brockhaus Verlag, Leipzig − Mannheim, 1996
- ↑§ 2 (1) Z 25 StVO
- ↑Gerichtsentscheidung zu Einsatzfahrt: Folgetonhorn im Kreuzungsbereich? Ethik und Recht in der Medizin – Schwerpunkt: Notfallmedizin, Palliative Care, Psychiatrie. In: www.notfallmedizinrecht.at. Michael Halmich, PLL.M., 22. Dezember 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Februar 2016; abgerufen am 9. Februar 2025.
- ↑Tonfolgen Einsatzfahrzeuge Österreich auf einem Keyboard nachgespielt (YouTube)
- ↑Alles, nur nicht a – fis – a – d. orf.at, abgerufen am 4. Februar 2014.
- ↑Esterreicherr: Einsatzfahrzeug Wiener Linien | einzigartige Tonfolge! 18. August 2014, abgerufen am 21. März 2025.
- ↑§ 22 Abs. 5 Kraftfahrgesetz (KFG) 1967
- ↑Hörprobe des österreichischen Postbusses auf Providing Concepts von 2008, abgerufen am 27. Januar 2010.
- ↑Kraftfahrgesetz (KFG) 1967
- ↑§ 20 Abs. 1 Z 4 Kraftfahrgesetz (KFG) 1967
- ↑§ 22a (1) Z 2 lit. k Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967
- ↑Das «Tüü-taa-too» wird im Emmental hergestellt Berner Zeitung, Artikel vom 21. Juli 2010
- ↑Bergpoststrasse Neue Zürcher Zeitung, Artikel vom 7. Dezember 2005
- ↑Wortlaut: «Dieses Fahrzeug ist mit einem Starkton-Wechselklanghorn in der Tonfolge cis-e-a ausgerüstet. Der Wagenführer ist hiermit berechtigt, den Kurs vor unübersichtlichen Kurven oder wo es die Sicherheit gebietet, durch dessen Betätigung anzukündigen. Bei Mitführen eines Anhängers ist die Tonfolge mehrfach abzuspielen.»
- ↑Verordnung vom 16. Juli 1996 über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge, LGBl 143/1996.