Maria Mandl

Maria Mandl, fälschlicherweise oftMaria Mandel geschrieben (*10. Jänner1912 inMünzkirchen,Oberösterreich; †24. Jänner1948 inKrakau), war eine österreichischeOberaufseherin im Frauenlager desVernichtungslagersAuschwitz-Birkenau und desKZ Ravensbrück. Sie gilt als verantwortlich für die Tötung tausender weiblicher KZ-Häftlinge. Mandl wurde 1948 alsKriegsverbrecherin in Krakaugehängt.
Leben
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Maria Mandl, Tochter eines Schuhmachermeisters, besuchte dieVolksschule und war danach als Privatangestellte beschäftigt. Später folgte ein kurzer Auslandsaufenthalt in derSchweiz und ab 1937 war sie bei derösterreichischen Post angestellt. Im September 1938 zog Mandl nach München.[1]
Mandl trat am 15. Oktober 1938 als Aufseherin in dasKZ Lichtenburg in derProvinz Sachsen ein, eines der erstenKonzentrationslager in Deutschland. Sie arbeitete dort mit etwa fünfzig anderen Frauen, die wie sie demSS-Gefolge angehörten. Am 15. Mai 1939 wurde sie mit den anderen Wärterinnen in das neu eröffneteKZ Ravensbrück beiFürstenberg gesandt und war dort zunächst als Kommandoführerin tätig. Zu Beginn des Jahres 1940 wurde sie Arrestaufseherin im Zellenbau. Am 27. Februar 1941 beantragte sie die Aufnahme in dieNSDAP und wurde zum 1. April desselben Jahres aufgenommen (Mitgliedsnummer 8.920.045).[2][3] Im April 1942 wurde sie zur Oberaufseherin befördert. Im KZ überwachte sie den täglichen Ablauf und den Einsatz der ihr unterstellten Aufseherinnen. Unter ihr waren die Insassen grausamen Misshandlungen wie Schlägen und Auspeitschungen ausgesetzt.[1] Sie suchte auch Frauen für Menschenversuche aus.[4]
Anfang Oktober 1942 wurde Mandl ins KZ Auschwitz-Birkenau als Nachfolgerin vonJohanna Langefeld versetzt. Sie leitete im Dienstrang der Oberaufseherin als Arbeitsdienstführerin, von August 1943 bis Januar 1944 gemeinsam mitSchutzhaftlagerführerFranz Hößler, das Frauenlager. Dort wurde sie allgemein bekannt als „die Bestie“. Siewählte Gefangene für den Tod in denGaskammern aus und war an Misshandlungen beteiligt.
Mandl schuf das bekannteMädchenorchester von Auschwitz, das den Aus- und Einzug der Gefangenen zurZwangsarbeit mitMärschen begleiten und Konzerte zur Unterhaltung von KZ-Mannschaft und Besuchern spielen musste.[5] Mandl selbst hatte eine Vorliebe für eine Arie aus PuccinisMadama Butterfly,[6] die ihr die GefangeneFania Fénelon manchmal mitten in der Nacht vorsingen (und spielen) musste.[7]
Mandl erhielt dasKriegsverdienstkreuz 2. Klasse. Im November 1944 wurde sie in denKZ-Außenlagerkomplex Mühldorf, einAußenlagerkomplex desKZ Dachau, versetzt.[1] Ihre Nachfolgerin als Oberaufseherin in Auschwitz wurdeElisabeth Volkenrath.
Im Mai 1945 floh Mandl ausMühldorf in die Alpen. Bald danach tauchte sie in ihrem Geburtsort Münzkirchen auf. Ihr Vater verweigerte ihr aber den Aufenthalt in ihrem Elternhaus, daraufhin suchte sie bei ihrer Schwester im nahenLuck (GemeindeSchardenberg) Zuflucht. Am 10. August 1945 wurde sie von Soldaten derUS-Armee festgenommen und verhört. Dabei wurde sie als intelligent und grausam zugleich beschrieben. Nach ihrer Auslieferung an dieVolksrepublik Polen im September 1946 wurde Mandl am 22. Dezember 1947 vomObersten Volkstribunal imKrakauer Auschwitzprozesszum Tode durch denStrang verurteilt.[1] In der Urteilsbegründung wurde noch einmal ihre Grausamkeit betont: „Die Angeklagte misshandelte sogar die Häftlingsfrauen, die bereits von ihr auf dem Selektionswege zum Tode ausgesondert waren.“[4]
Die PolinStanisława Rachwałowa, die als KZ-Häftling von Maria Mandl im KZ Auschwitz misshandelt worden war, befand sich alspolitische Gefangene der VR Polen in einer Zelle neben der von Maria Mandl undTherese Brandl. Sie sprach ausreichendDeutsch, um für die Wärter dolmetschen zu können. In ihren Erinnerungen beschreibt sie das letzte Treffen mit den beiden zum Tode verurteilten deutschen Massenmörderinnen. Dabei hätten sie beide, wenige Tage vor ihrer Hinrichtung, um Verzeihung gebeten.[8][9]
Am 24. Jänner 1948 wurde Mandl im KrakauerMontelupich-Gefängnis hingerichtet. „Lang lebe Polen“ sollen ihre letzten Worte gewesen sein, bevor siegehängt wurde. Ihr Körper wurde Medizinstudenten zur Verfügung gestellt.
Falsche Todeserklärung durch Kreisgericht Ried 1975
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Auf Betreiben ihrer Heimatgemeinde Münzkirchen stellte das ehemalige KreisgerichtRied im Innkreis im November 1975 eine Todeserklärung für Mandl aus, nach der sie 1939 in ein Konzentrationslager eingeliefert worden und dort auch verstorben sei. Mandl wäre demnach NS-Opfer gewesen. Aus dem vollständig erhalten gebliebenen Akt ging schon damals anderes hervor. Es bleibt unklar, ob der Richter den Tod schlampig erklärte oder aus anderen Beweggründen handelte. Durch Medienberichte wurde die Rieder Justiz auf den Fall aufmerksam und wurde vomMauthausen-Komitee bei Recherchen unterstützt. Die Geschichtsfälschung wurde aufgeklärt und im April 2017 ein korrigierender Beschluss des Landesgerichts Ried gefällt.[10]
Film
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]2014, anlässlich des 100. Geburtstages von Maria Mandl, wurde der DokumentarfilmPechmarie. Das Leben der Maria Mandl veröffentlicht.[11] In der Rolle der Maria Mandl warConstanze Passin, als Erzähler der Geschichte hört manPeter Arp.Christian Strasser undDavid Neumayr fanden als Team damit auf einigen internationalen Festivals anerkennende Aufmerksamkeit, so mit dem Gold Award 2015 beim International Film Festival in Jakarta und mit dem Award of Merit in Chicago.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Monika Müller:Die Oberaufseherin Maria Mandl. Werdegang, Dienstpraxis und Selbstdarstellung nach Kriegsende. In: Simone Erpel (Hrsg.):Im Gefolge der SS: Aufseherinnen des Frauen-KZ Ravensbrück. Begleitband zur Ausstellung. Berlin 2007,ISBN 978-3-938690-19-2, S. 48–58.
- Ernst Klee:Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Aktualisierte 2. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 2007,ISBN 978-3-596-16048-8.
- Hermann Langbein:Menschen in Auschwitz. Ullstein, Frankfurt am Main / Berlin / Wien 1980,ISBN 3-548-33014-2.
- Silke Schäfer:Zum Selbstverständnis von Frauen im Konzentrationslager. Das Lager Ravensbrück. Berlin 2002 (Dissertation TU Berlin),urn:nbn:de:kobv:83-opus-4303,doi:10.14279/depositonce-528.
- Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau (Hrsg.):Auschwitz in den Augen der SS. Oświęcim 1998,ISBN 83-85047-35-2.
- Kathrin Kompisch:Täterinnen. Frauen im Nationalsozialismus. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2008,ISBN 978-3-412-20188-3, S. 182.
- Maria Mandl: Aufseherin in Auschwitz. In: Christian Angerer, Maria Ecker:Nationalsozialismus in Oberösterreich. Opfer, Täter, Gegner. 2. Auflage, Studien Verlag, Innsbruck 2018 (Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern; 6),ISBN 978-3-7065-5212-7, S. 302f.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Frauen in den Konzentrationslagern bei Mühldorf. Die Täter – Maria Mandel. geschichtswerkstatt.de
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑abcdMonika Müller:Die Oberaufseherin Maria Mandl. In: Simone Erpel (Hrsg.):Im Gefolge der SS: Aufseherinnen des Frauen-KZ Ravensbrück. Begleitband zur Ausstellung. Berlin 2007, S. 49f.
- ↑Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/27501245
- ↑Wolfram Lavern:KZ-Aufseherinnen-Parteigängerinnen der NSDAP? In: Simone Erpel (Hrsg.):Im Gefolge der SS: Aufseherinnen des Frauen-KZ Ravensbrück. Begleitband zur Ausstellung. Berlin 2007, S. 39.
- ↑abErnst Klee:Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005,ISBN 978-3-596-16048-8, S. 389.
- ↑Anita Lasker-Wallfisch über das Frauenorchester von Auschwitz-Birkenau. 9,15–10,30 min;Haus der Geschichte Österreich (Abruf am 28. Oktober 2020)
Anita Lasker-Wallfisch und Simon Wallfisch bei Markus Lanz (20. Januar 2015 // ZDF) 14,00–15,30 min (Abruf am 28. Oktober 2020). - ↑Wahrscheinlich die berühmte Arie „Un bel dì, vedremo“ aus dem 2. Akt.
- ↑Ein Lied gegen den Tod – Fania Fénelon: Erinnerungen einer jüdischen Künstlerin an Auschwitz, Interview mit Fania Fénelon für das deutsche Fernsehen von 1981: bei 15,20–15,55 min und bei 23,13–23,20 min (auf Youtube; Abruf am 22. Oktober 2020).
- ↑Przegląd Lekarski 1990/47 Nr. 1.
- ↑II Wojna Światowa auf polskieradio.pl (polnisch).
- ↑Wie aus NS-Täterin ein „Opfer“ wurde. orf.at, 24. April 2017, abgerufen am 24. April 2017.
- ↑Christian Strasser, David Neumayr (Regie, Kamera, Skript): Pechmarie. (Stream & Download) Das Leben der Maria Mandl. In: Vimeo. Nemada Filmproductions (Salzburg), 2014, abgerufen am 27. Juni 2021.
Personendaten | |
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NAME | Mandl, Maria |
ALTERNATIVNAMEN | Mandel, Maria |
KURZBESCHREIBUNG | österreichische Kriegsverbrecherin, Aufseherin im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau |
GEBURTSDATUM | 10. Januar 1912 |
GEBURTSORT | Münzkirchen, Österreich |
STERBEDATUM | 24. Januar 1948 |
STERBEORT | Krakau, Polen |