Mariä Aufnahme in den Himmel (lateinischAssumptio Beatae Mariae Virginis‚Aufnahme der seligen Jungfrau Maria‘) oderMariä Himmelfahrt (oderMariae Himmelfahrt, „Himmelfahrt Marias“) ist dasHochfest derleiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August, das von mehreren christlichenKonfessionen gefeiert wird und in manchen Staaten und Regionen auch ein gesetzlicherFeiertag ist. Es wird mindestens seit dem 5. Jahrhundert begangen. Andere Bezeichnungen sind „Vollendung Mariens“ oder „Heimgang Mariens“, früher[1] auch „unser frauen auffarttag“ und „auffahrt unser frauen“. Im Zentrum des Festes steht der Glaube, dassMaria, die MutterJesu, wegen ihrer einzigartigen Verbindung mit derErlösungstatJesu Christi als die „Ersterlöste“ an derAuferstehungsgestalt Christi teilnimmt[2] und dass bei ihr die allen Menschen von Gott versprochene Zukunft des ganzen Menschen mit Leib und Seele in einemewigen Leben bei Gott bereits vorweggenommen ist.[3]
DasNeue Testament berichtet nichts von einer leiblichen AufnahmeMariens in den Himmel. Einige Schriftstellen werden als Hinweise darauf gedeutet (vergleiche etwaOffb 12,1 EU undKrönung Mariens). Der Glaube an dieleibliche Aufnahme Mariens in den Himmel ist seit dem 6. Jahrhundert bezeugt und wurde 1950 von PapstPius XII. in der apostolischen KonstitutionMunificentissimus Deus alsDogma verkündet.In dieLauretanische Litanei wurde die Anrufung „du Königin, in den Himmel aufgenommen“ eingefügt. Das von Papst Pius XII. im Jahr 1954 eingeführte FestMaria Königin wurde 1969 auf den 22. August, denOktavtag des Maria-Himmelfahrt-Fests, verlegt.
Apokryphe Evangelien enthalten ausführliche Darstellungen der Entschlafung Mariens: Die Apostel seien von ihren Missionsorten durch die Luft an das Sterbebett Marias entrückt worden; verschiedene Traditionen nennenJerusalem oderEphesus. Sie hätten Maria nach deren Tod bestattet – auch der Leichenzug mit Straf- und Heilungswundern an jüdischen Zuschauern wird beschrieben[6] – und das Grab mit einem großen Stein verschlossen; aber sofort sei Christus mit den Engeln erschienen, der Stein sei weggewälzt worden und Christus habe Maria herausgerufen. Diese Niederschrift, die wahrscheinlich auf die verlorengegangene SchriftTransitus Mariae („Hinübergang Mariens“, geschrieben um 400) zurückzuführen ist, wurde besonders für die liturgischen Texte derbyzantinischen Kirchen wichtig.
Auch wenn umgangssprachlich im Deutschen der Ausdruck „Mariä Himmelfahrt“ geläufig ist, ist das Festgeheimnis derAufnahme Mariens in den Himmel von dem derHimmelfahrt Christi zu unterscheiden. In vielen Sprachen werden daher zwei verschiedene Bezeichnungen benutzt, etwa im Lateinischen:Ascensio Domini, „Auffahrt des Herrn“, undAssumptio Mariae, „Aufnahme Mariens“. Dieromanischen Sprachen leiten davon ihre Festbezeichnung ab. Allerdings verwenden die Griechen, die auch nicht von „Mariä Himmelfahrt“, sondern von derKoimesis, also vom „Entschlafen Mariens“ sprechen" (vgl. unten), für „Christi Himmelfahrt“ den Begriffἡ Ἀνάληψις τοῦ Κυρίου, was lateinischAssumptio Domini bedeutet.
Das Fest trägt auch den schon früher bezeugten NamenDormitio Mariae (lateinisch),Koimesis (griechisch) oder „Mariä Entschlafung“. In der orthodoxen Kirche, die die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel nie dogmatisiert hat, wird ausschließlich diese Bezeichnung verwendet. Auf der Festikone nimmt Christus die Seele Marias (dargestellt als Wickelkind) in Empfang. ImKontakion des Festes heißt es: „Die in Fürbitten unermüdliche Gottesgebärerin […] haben Grab und Tod nicht überwunden, denn sie als die Mutter des Lebens hat er zum Leben hinübergeführt.“
Mit der Nachfeier dieses Festes endet in den Ostkirchen das Kirchenjahr, das am 1. September mit der Vorfeier derGeburt der Gottesgebärerin (8. September) beginnt.
Der Tag hat in der römisch-katholischen Kirche denliturgischen Rang einesHochfestes, der gegenüber einemSonntag Vorrang hat, so dass die liturgischen Texte des Marienfestes bei derheiligen Messe und imStundengebet verwendet werden, wenn das Fest auf einen Sonntag fällt. In alten Kalendern findet sich dasFest alsRequies Mariae, Pausatio Mariae, unser frawn tag der schidung,unsern Vrowen tag der schidung,unser fraun tag der schidung,unnser Frauen Tag der Schidung,unser lieben frawn tag der schidung,Unser Lieben Fraun tag der Schidung,heiliger tag der schidung durch Gots lieb vnd der junckfrawen Maria, transkribiertUnserer Frauen Tag der Scheidung bzw.unserer lieben Frauen Tag der Scheidung. In Bayern wird es als „großer Frauentag“ bezeichnet (im Unterschied zum „kleinen Frauentag“ am 8. September, dem FestMariä Geburt).[7]
Diealtkatholische Kirche begeht das Fest als „Maria Heimgang“, d. h. den Todestag Mariens. Die Altkatholiken glauben nicht an die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel.[8]
An diesem Fest werden in der römisch-katholischen Kirche verbreitetKräuter gesegnet („Weihe von Kräuterbuschen“, „wurtzwihe“), regional auchWürzbüschel, Weihbüschel, Kruutwöösch,[9] Marienwisch, Würzwisch, Würzbürde[10] oder Sangen genannt.[7] Bereits in Urkunden des 14. Jahrhunderts heißt es etwa „Unserer Lieben Frauen Wurzelweihe“. An Mariä Himmelfahrt beginnt zudem der zum Einsammeln von Heilpflanzen als besonders geeignet angeseheneFrauendreißiger.
Seit dem Jahr 1640 finden zu den Gnadenbildern inSt. Marien undSt. Laurentius inWarendorf im MünsterlandWallfahrten statt.Das Fest wird am Wochenende nach dem Fest mit einer großen Stadtprozession begangen. Im ostwestfälischen OrtOstenland bei Delbrück wird seit 2010 am jeweils darauf folgenden Sonntag das Fest Mariä Himmelfahrt mit einer großen Lichterprozession begangen.[14]
InItalien ist der 15. August, der Tag von Mariä Himmelfahrt, traditionell ein arbeitsfreier Feiertag namensFerragosto, der auf den römischen Kaiser Augustus zurückgeht.
In denorthodoxen Kirchen findet vor dem Fest der Entschlafung Mariens das zweiwöchigeMarienfasten statt, in dem auf Fleisch, Fisch, Milchprodukte und in der Regel auch auf Wein und Öl verzichtet werden soll. Am Festtag ist es mancherorts Brauch, beim Kirchgang zur Vesper ein Blumensträußchen zu pflücken und die Festikone damit zu schmücken.
In derarmenisch-apostolischen Kirche wird unmittelbar im Anschluss an das Fest, das am Sonntag zwischen dem 12. und 18. August stattfindet, die Traubenernte gesegnet. Erst danach beginnt man mit der Verarbeitung der Trauben.[18] Der Ursprung der Segnung liegt in der Verehrung der alt-armenischen Muttergottheit Anahit, die sich aus der iranischenAnahita entwickelt hat. Für dieurartäischen Könige im 1. Jahrtausend v. Chr. war es als Zeichen ihrer Machtfülle zwingend erforderlich, bei Amtsantritt einen Weinberg zu stiften. Für die nachfolgenden Armenier entwickelte sich daraus der Weinbau zu einem Symbol der nationalen Identität, weshalb er mit einer christlichen Tradition verbunden wurde.[19]
Mariä Himmelfahrt ist ein gesetzlicherFeiertag inÖsterreich (§ 7Arbeitsruhegesetz), derStaatsfeiertag in Liechtenstein (Arbeitsgesetz Art. 18 Abs. 2), ein den Sonntagen gleichgestellter Feiertag in achtKantonen derSchweiz (nach Art. 20a Abs. 1ArG) sowie in sieben weiteren Kantonen ein zumindest in einigen Gemeindenarbeitsfreier Tag, in zweiLändernDeutschlands zumindest teilweise ein gesetzlicher Feiertag; imSaarland nach § 2 SFG[22] und inBayern nach Artikel 1 Absatz 1 desGesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage (FTG) in Gemeinden mit „überwiegend katholischer Bevölkerung“.[23]
Dabei ist „überwiegend“ nach Art. 1 Abs. 3 FTG nicht durch die absolute oder relative Mehrheit der Bevölkerung definiert, sondern nur durch den Vergleich der Mitgliederzahl der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche in der jeweiligen Gemeinde. Daher ist der Tag zum Beispiel in München gesetzlicher Feiertag, obwohl derBevölkerungsanteil der Katholiken in München weniger als ein Viertel beträgt (Stand 2025). Entsprechend den Bevölkerungsstatistiken wurde für 2025 – erstmals basierend auf den Ergebnissen derVolkszählung 2022 – Mariä Himmelfahrt in 1708 von 2056 (etwa 83 %) bayerischen Gemeinden als gesetzlicher Feiertag festgelegt.[24]
In Tirol war der allgemein „Frauentag“ genannte 15. August schon im 19. Jahrhundert eines der Hauptfeste des Jahres.[25] ImBundesland Tirol wurde das Fest Mariä Himmelfahrt im Jahr 1959 zum Gedenken an dieBefreiung Tirols im Jahr 1809 alsHoher Frauentag zu einem Landesfeiertag erklärt.[11][26] An diesem Tag werden traditionell dieVerdienstmedaillen undVerdienstkreuze des Landes verliehen.[27]
Messkompositionen mit dem TitelAssumpta est Maria sind für dieses Fest geschrieben; sie beziehen sich auf denAllelujavers des Festes:Assumpta est Maria in caelum, gaudet exercitus angelorum (lateinisch, deutsch: „Aufgenommen in den Himmel ist die Jungfrau Maria. Es freut sich die Schar der Engel“). Solche sind z. B.:
Stefan Bombeck:Die Geschichte der heiligen Maria in einer alten äthiopischen Handschrift. Einleitung, kritischer Apparat, Übersetzung, Anmerkungen und Kommentar. 2., verb. Auflage. Verlag Praxiswissen, Dortmund 2012,ISBN 978-3-86975-068-2, Übersetzung, Kapitel 8. 13. 10 f. (CANT Nr. 150–153) (bombeck.de).
Graham Greene:Mariä Himmelfahrt. In: Graham Greene:Vom Paradox des Christentums (= Herder Bücherei 31), Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 1958, S. 63–79. [Essay]
Peter Högler, Petra Högler:Fränkisches Brauchtum um Fest Mariä Himmelfahrt. In:Blickpunkt Heimat. 3, 1991.
José-María Salvador-Gonzalez:Musical Resonances in the Assumption of Mary and Their Reflection in the Italian Trecento and Quattrocento Painting. In:Music in Art: International Journal for Music Iconography, Band 44, Nr. 1–2, 2019, S. 79–96,ISSN1522-7464.
Hermann Sasse:Maria und der Papst – Bemerkungen zum Dogma von der Himmelfahrt Mariae. In: Hermann Sasse:In statu Confessionis. Hrsg. vonFriedrich Wilhelm Hopf. Band 1. Verlag Die Spur, Berlin u. a. 1966, S. 205–217.
Stephen J. Shoemaker:Ancient Traditions of the Virgin Mary’s Dormition and Assumption (=Oxford Early Christian Studies). Oxford University Press, Oxford u. a. 2002,ISBN 0-19-925075-8.
Karl Spiegel:Der Würzbüschel am Feste Mariae Himmelfahrt in Unterfranken. In:Mitteilungen und Umfragen zur Bayerischen Volkskunde. Neue Folge. 26/27 (1911),ZDB-ID 551036-3, S. 201–212.
↑Vgl. etwaGundolf KeilDie „Cirurgia“ Peters von Ulm. Untersuchungen zu einem Denkmal altdeutscher Fachprosa mit kritischer Ausgabe des Textes (=Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm. Band 2). Stadtarchiv, Ulm 1961 (zugleich Philosophische Dissertation Heidelberg 1960:Peter von Ulm. Untersuchungen zu einem Denkmal altdeutscher Fachprosa mit kritischer Ausgabe des Textes), S. 356 (Auffarttag).
↑Gerhard Ludwig Müller:Katholische Dogmatik: für Studium und Praxis der Theologie. 4. Auflage der Sonderausgabe (9. Gesamtauflage). Herder, Freiburg im Breisgau 2012, S. 507.
↑Sergius Heitz (Hrsg.):Mysterium der Anbetung. Teil [1.]:Göttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche. Luthe-Verlag, Köln 1986,ISBN 3-922727-23-9, S. 709.
↑Klaus Schreiner:„Marias Heimgang“ (Transitus Mariae) als Quelle antijüdischer Bildformen. In: Ders.:Rituale, Zeichen, Bilder. Formen und Funktionen symbolischer Kommunikation im Mittelalter. Böhlau, Köln/Weimar 2011,ISBN 978-3-412-20737-3, S. 244 ff. (Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Hripsime Pikichian:Festival and Feast. In: Levon Abrahamian, Nancy Sweezy (Hrsg.):Armenian Folk Arts, Culture, and Identity. Indiana University Press, Bloomington 2001, S. 217.