Manfred Bierwisch (*28. Juli1930 inHalle/Saale; †31. Juli2024[1] inBerlin[2]) war ein deutscherLinguist.
Bierwisch studierte ab Anfang der 1950er Jahre an derKarl-Marx-Universität LeipzigGermanistik beiTheodor Frings,Ernst Bloch undHans Mayer. 1952 wurde er wegen des in der DDR unerlaubten Besitzes mehrerer Ausgaben derWest-Berliner ZeitschriftDer Monat verhaftet und wegenBoykotthetze zu 18 Monaten Zuchthaus verurteilt, von denen er 10 Monate absaß.[3][4] Nach der Haft setzte er sein Studium fort. Ab 1956 war er Assistent am Institut für Deutsche Sprache und Literatur an derDeutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAW). 1961 wurde er in Leipzig mit einertransformationsgrammatischen Arbeit zum Deutschen promoviert.
Von 1962 bis zu ihrer zwangsweisen Auflösung 1973 war er Mitarbeiter der vonWolfgang Steinitz geleitetenArbeitsstelle Strukturelle Grammatik an der DAW (ab 1972Akademie der Wissenschaften der DDR, AdW) in Berlin. Von 1973 bis 1980 war er Mitarbeiter desZentralinstituts für Sprachwissenschaft derAdW, danach von 1981 bis 1991 Leiter der dortigenForschungsgruppe Kognitive Linguistik. 1981 habilitierte er sich, 1985 wurde er zum Professor der Linguistik an der AdW ernannt.
Nach derWende leitete er von 1992 bis 1998 dieArbeitsgruppe Strukturelle Grammatik (ASG) derMax-Planck-Gesellschaft an derHumboldt-Universität zu Berlin. 1993 wurde er zum ordentlichen Professor für Linguistik an der Humboldt-Universität berufen.
Er lebte mit seiner Frau, der ÜbersetzungswissenschaftlerinMonika Doherty, inBerlin-Wilmersdorf. Manfred Bierwisch starb am 31. Juli 2024.[1][5]
Bierwisch leistete Beiträge zurPhonologie,Morphologie,Syntax undSemantik und gilt als einer der wichtigsten deutschen Sprachwissenschaftler.[6]
In seinem 1963 erschienenen BuchGrammatik des deutschen Verbs, das seine Dissertation fortführte, griff er Ideen ausNoam Chomskys erstem Buch auf und war damit der erste Deutsche, der im Rahmen derTransformationsgrammatik arbeitete, und somit den Entwicklungen in derSprachwissenschaft in der Bundesrepublik weit voraus. Bierwisch schlug in diesem Buch eine Analyse der deutschen Satzstruktur vor, die der Idee der heute etablierten Analysen weitestgehend entspricht: Als zugrundeliegend wird die so genannte SOV-Stellung angenommen, d. h. das finite Verb befindet sich am Ende des Satzes. Durch Transformationen werden andere Stellungen abgeleitet, so dass das finite Verb in Hauptsätzen an der zweiten Stelle steht und eine beliebige Wortgruppe aus dem gesamten Satz vor dem finiten Verb. Die Analyse erfasst wesentliche Eigenschaften des Deutschen, das als V2-Sprache und alsSOV-Sprache gilt.[7] Diese Analyse hat sich auch in anderen, nicht-transformationellen Grammatiktheorien wie derlexikalisch-funktionalen Grammatik und derkopfgesteuerten Phrasenstrukturgrammatik durchgesetzt. Im Jahr 1967 veröffentlichte er eine bedeutende Analyse deutscher Adjektive. So erklärte er etwa den Unterschied zwischenmarkierten und unmarkierten Adjektiven.[8] Die KulturwissenschaftlerinClaudia Schmölders nannte ihn 2003 den „Meister der deutschen Linguistik seit rund 35 Jahren“.[9]
Zusammen mitUwe Johnson verfasste er eine Neuübertragung desNibelungenliedes. Johnson ehrte ihn in dem PorträtFünfundzwanzig Jahre mit Jake, auch Bierwisch genannt.
Bierwisch war ab 1979 Ehrenmitglied derLinguistic Society of America. 1985 wurde er zum „Auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglied“ der Max-Planck-Gesellschaft amMax-Planck-Institut für Psycholinguistik ernannt. 1990 erhielt er die Ehrendoktorwürde derUniversität Jena. Im akademischen Jahr 1991/1992 war erFellow amWissenschaftskolleg zu Berlin.[10] 1991 wurde er zum Mitglied derAcademia Europaea gewählt.[11] 1992 war er Gründungsmitglied derBerlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), deren Vizepräsident er von 1993 bis 1998 war. Ab 1993 gehörte er dem Präsidium desGoethe-Instituts an. 1998 wurde er zum Ehrenmitglied derSächsischen Akademie der Wissenschaften (SAW) ernannt. Am 26. Oktober 2005 ernannte ihn die Philologische Fakultät der Universität Leipzig zumEhrendoktor.[12] Am 7. März 2012 verlieh ihm dieDeutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft (DGfS) den erstenWilhelm von Humboldt-Preis für sein Lebenswerk.[13]
Personendaten | |
---|---|
NAME | Bierwisch, Manfred |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Linguist |
GEBURTSDATUM | 28. Juli 1930 |
GEBURTSORT | Halle (Saale) |
STERBEDATUM | 31. Juli 2024 |
STERBEORT | Berlin |