Mama undPapa sind im Deutschen die gebräuchlichstenKosewörter fürMutter undVater und im Allgemeinen die beiden erstenWörter, die ein Kleinkind erlernt bzw. spricht. Anschauliche Beobachtungen zum Erwerb dieser beiden Wörter geben die EntwicklungspsychologenClara undWilliam Stern wieder.[1] Lautlich sehr ähnlicheLallwörter in gleicher Bedeutung finden sich in zahllosen Sprachen weltweit.
Die WörterMama,Papa bzw. lautlich sehr ähnliche Lallwörter wieBaba,Dada undTata[2] als Bezeichnung für die Eltern kommen in zahlreichen Sprachen weltweit vor.[2] Der LinguistRoman Jakobson führte 1959 in einem heute klassischen Aufsatz (Why 'Mama' and 'Papa'?) aus, dass diese Ähnlichkeit kein Beweis für diegenetische Verwandtschaft dieser Sprachen und auch keineLautmalerei ist, sondern sich durch physiologische Faktoren erklärt, die denSpracherwerb aller Kleinkinder bedingen, also unabhängig von der Muttersprache, quasi alsUniversalie. Phonetisch ist derungerundete offene Zentralvokal [a] der ersteVokal, den ein Kind artikulieren kann. Derstimmhafte bilabiale Nasal[m] ist der erste Konsonant, der durch das Verschließen der Lippen entsteht, und diebilabialenPlosive[p] und[b] sowie derenalveolare Gegenstücke[t] und[d] kommen zustande, nachdem das Kind gelernt hat, den Verschluss der Lippen wieder zu öffnen.[2] DieVerdoppelung der Silbenma,pa,ta zumama,papa,tata wird psycholinguistisch alsAffektgemination bezeichnet. Diese ersten Lautfolgen eines Kindesbezeichnen noch nichts, ihre Zuordnung zu einer Person ist kulturell bedingt.[3] In einigen Sprachen kannMama deshalb auch denmännlichen Elternteil bezeichnen (so etwa imGeorgischen) undPapa denweiblichen.[4] Hingegen sind die deutschen WörterMutter undVaterlautgesetzlich aus demIndogermanischenableitbar.
Untersuchungen vonVirginia Volterra im Jahre 1979 ergaben, dass der Begriff „Mama“ eher für einen Aufruf oder eine Bitte als für die Mutter steht. Der Ausruf „Papa“ kam dagegen in Situationen vor, die direkt oder indirekt mit dem Vater zu tun hatten, so beispielsweise wenn das Kind auf den Arm genommen werden wollte, was meist der Vater zuvor tat. Auch hier stand das Wort „Papa“ nicht für den Vater. Volterra bestimmte eine zweite Phase, wonach der Begriff „Papa“ nun auch für Vermutungen und Wünsche, die mit dem Vater zu tun haben, verwendet wird, bspw. wenn das Kind denkt, dass der Vater gleich ins Zimmer kommt. In der nächsten Phase wird der Begriff auf den Vater bzw. auf Situationen, die direkt mit ihm in Zusammenhang stehen, konkretisiert. In der letzten Phase verallgemeinert das Kind den Begriff „Papa“, indem es alle erwachsenen Männer so benennt.[3]
Die deutsche Schriftspracheentlehnte die AusdrückeMama undPapa indes erst im 17. Jahrhundert aus demFranzösischen, zusammen mit einigen weiteren Verwandtschaftsbezeichnungen (Onkel,Tante,Großvater und -mutter,Cousin undCousine), die seither die älteren germanischstämmigen Entsprechungen (Oheim, Muhme, Vetter, Base) zusehends verdrängt haben und heute im deutschen Wortschatz so weit integriert sind, dass sie kaum mehr als Fremd- oder Lehnwörter wahrgenommen werden.[5][6] Sowohl Aussprache als auch Orthographie wurden dabei etwaseingedeutscht: An die Stelle der dem Deutschen fremdenNasalvokale der frz.maman trat jeweils ein offenes[a], in der Rechtschreibung wurde folgerichtig das finale n gestrichen (das im Frz. nicht als distinkter Konsonant artikuliert wird, sondern die Nasalisierung des vorangehenden Vokals anzeigt), und sowohl bei derMama als auch beimPapa wanderte derWortakzent im Laufe der Zeit von der zweiten auf die erste Silbe oder wurde gänzlich eingeebnet (die Vielfalt der Abstufungen veranschaulicht exemplarischHeintjes Darbietung vonMama 1967). Zumindestbildungssprachlich war die Betonung im Auslaut zwar die längste Zeit durchaus üblich, wirkt heute aber eher antiquiert, geziert oder bemüht französisierend. Stets endbetont, aber nur mehr in ironischer Rede gebräuchlich sind dieFügungen „Frau Mama“ und „Herr Papa“, die im 18. und 19. Jahrhundert in vornehmen Haushalten als Anrede in Mode waren.[7]
Ebenfalls um 1700 gelangte derpapa aus dem Französischen auch insEnglische sowie insItalienische (hierpapà geschrieben, da wie im Frz. auslautbetont, und nicht mit dempapa zu verwechseln, also demPapst). In Italien ist das Wort heute in allen Schichten und Mundarten allgemein gebräuchlich;[8] allein in derToskana konnte sich dagegen mitbabbo ein einheimisches Lallwort behaupten,[9][10] das schon Dante inDe vulgari eloquentia (um 1305, dt.Über die Redegewandtheit in der Volkssprache) als typisches Beispiel für Kindersprache nennt, darum aber auch den Wörtern zurechnet, die sich in der ernsten Literatur nicht geziemen; im 33. Canto desInferno setzt er es zwar selbst ein, hier aber gleichsam als Sinnbild für die Schwierigkeit, sich in der oft unzulänglich scheinenden Volkssprache würdig auszudrücken (If 33, 7-9:‚ché non è impresa da pigliare a gabbo /discriver fondo a tutto l’universo /né da lingua che chiami mamma o babbo‘).[11]
Im Englischen konnte sich derpapa hingegen nicht gegen die althergebrachten Kosenamendad/daddy durchsetzen. Besonders im 19. Jahrhundert erfreute er sich zwar einer gewissen Mode, wird aber damals wie heute oftmals alsaffektierterManierismus sich besser wähnender Kreise belächelt. So wurde in jüngster Zeit in verschiedenen Medien naserümpfend über einen dahingehenden Trend unter amerikanischen „Hipstern“ berichtet; in Kindertagesstätten von Hipsterhochburgen wieWilliamsburg soll bereits gut die Hälfte der Kinder ihre Väter alspapa titulieren (Stand: 2016).[12][13] Unabhängig vom Oberschicht-Gebrauch als (französisch ausgesprochenes) Lehnwort wirdpapa gerade in den Vereinigten Staaten auch insbesondere in Familien oder Kommunen von mittel- und südeuropäischen Einwanderern verwendet. Stärkeren Zuspruch erfährt die Bezeichnung heute auch bei Familien mit zwei Vätern, bei denen nebendad nach einem zweiten, klar unterscheidbaren Kosenamen gesucht wird. In Schottland (und von schottischen Emigrantenfamilien) wirdpapa dagegen mitunter als Kosename desGroßvaters verwendet, während für den Vater wie im übrigen englischen Sprachraumdad vorbehalten ist.