Lustspiel ist zunächst die deutsche Übersetzung vonKomödie, so wieTrauerspiel die Übersetzung vonTragödie ist. Oft grenzt sich der Begriff einerseits von der verfeinerten höfischen Komödie einesMolière und andererseits von gröberen Gattungen des komödiantischen Theaters wiePosse undSchwank ab. Bei der Übersetzung des griechisch-lateinischen Begriffs ins Deutsche spielt ein Gegensatz zwischen „deutscher“ Kultur und romanischen Kulturen eine Rolle, weil das deutsche Sprachgebiet noch im 19. Jahrhundert von italienischen und französischen Opern und Dramen dominiert wurde. Das Lustspiel wurde also oft als eine spezifisch deutsche und bürgerliche Art der Komödie verstanden.
Gotthold Ephraim Lessing charakterisierte 1759 die deutschsprachigen Komödien zu Beginn des 18. Jahrhunderts folgendermaßen: „UnsereLustspiele bestanden in Verkleidungen und Zaubereien; und Prügeleien waren die witzigsten Einfälle derselben.“ (Briefe, die neueste Literatur betreffend, 17) Autoren wieJohann Elias Schlegel (Die stumme Schönheit, 1748) versuchten, die „lustige Figur“ differenzierter zu zeichnen, ihr das Groteske zu nehmen und sie in Situationen des bürgerlichen Alltags zu zeigen. Seit jener Zeit bezeichnet man eine deutschsprachige Komödie mit hauptsächlich bürgerlichen (nicht adligen) Figuren als Lustspiel. Ein Vorbild war LessingsMinna von Barnhelm (1767). Eines der bekanntesten aus dieser Tradition hervorgegangenen Lustspiele istHeinrich von KleistsDer zerbrochne Krug (1806).
August Wilhelm Schlegel sah in seinenVorlesungen über dramatische Kunst und Literatur (1808) die Komödie in einer phantastischen Welt, das Lustspiel hingegen in einer wahrscheinlichen Welt angesiedelt. Seither haben deutschsprachige Theoretiker wieOtto Rommel immer wieder einen Unterschied zwischen Komödie und Lustspiel postuliert.
Im Unterschied zu gröberen Gattungen bemüht sich das Lustspiel um verfeinerte Komik und um realistische Handlungen und Figuren. DieRührung behält die Oberhand über die Komik. NachJohann David Michaelis ist sein Ziel manchmal eine „sehr ernsthafte Sitten-Lehre“.[1] Das Lustspiel lässt die körperbetonten und musikalischen Elemente des Theatralischen zurücktreten und konzentriert sich auf denDialog der Figuren. Daher steht das Lustspiel im engen Zusammenhang mit der Überwindung derStändeklausel und derEmanzipation desBürgertums seit derFranzösischen Revolution.
Die Themen des Lustspiels sind ausgeprägt bürgerlich und drehen sich oft um Geld wie Geldheirat, Erbschaft oder wirtschaftliche Probleme. Die größte gesellschaftliche Bedeutung hatten allerdings nicht die „literarischen“ Lustspiele von Lessing, Goethe oder Kleist, sondern die populären Theaterprodukte:August von Kotzebue bezeichnete mehrere seiner Komödien als Lustspiele, so etwaDie deutschen Kleinstädter (1802). Das WienerBurgtheater, das nominell noch einHoftheater war, aber von der Zeit desJosephinismus an eine Versöhnung von Adel und Bürgern propagierte, war im 19. Jahrhundert ein Ort des Lustspiels. Es bildete damit einen Gegenpol zu den späten Possen undOperetten in denVorstadttheatern. Der wichtigste Autor dort warEduard Bauernfeld. Kritiker aus dem linken ebenso wie aus dem rechten politischen Lager bezeichneten das Lustspiel als „spießbürgerlich“ (Adam Müller-Guttenbrunn,Wien war eine Theaterstadt, 1880).