Ludwig Reinhold Walesrode (* alsLudwig Isaak Cohen am14. April1810 inAltona; †20. März1889 inLudwigsburg) war ein deutscher Schriftsteller, Journalist und Publizist.
Ludwig Walesrode war ein Sohn des Musikers und späteren Kaufmanns J. C. Cohen ausWalsrode. Er besuchte im dänisch verwalteten Altona von 1830 bis 1832 dasChristianeum, das auch Schüler aus jüdischen Familien aufnahm. An derUniversität München begann er 1832 ein Philologiestudium; er vertiefte sich aber zunehmend in philosophische und kunstgeschichtliche Studien und schrieb Beiträge fürJohann Friedrich CottasMorgenblatt für gebildete Stände. Ab 1835 war er Hauslehrer inDanzig, ehe er 1837 nachKönigsberg zog und Privatunterricht in englischer Sprache und Literatur erteilte. Er verfasste eine Broschüre über die Königsberger Kunstausstellung 1838 und einenHumoristischen Fremdenführer durch Königsberg. 1840 folgte unter dem Pseudonym Emil Wagner seine Übersetzung vonWilliam Shakespeares sämtlichenSonetten. In jener Zeit wurde er Mitglied derPappenhemia.
Nach Ablauf einer für den Besuch derAlbertus-Universität geltenden dreijährigen Aufenthaltsgenehmigung trat er im Oktober 1841 zum Christentum über und nahm den Namen Ludwig Reinhold Walesrode an. Ein Jahr später erhielt er das Stadtbürgerrecht. Noch im Jahre 1841 veröffentlichte er anonym die BroschüreBeleuchtung eines dunklen Ballsaales. Ein Wort zur Zeit von Wse, in der er dieantijüdischen Vorurteile der Handlungsgehilfen kritisierte.[1]
Ende 1841 begann er mit seinen öffentlich gehaltenen, satirischen und regimekritischen Vorlesungen, die ihn zu einer der führenden Persönlichkeiten des Königsberger Liberalismus machten.[2] Erstes Aufsehen erregte sein im Sommer 1842 publiziertesSendschreiben an die wahrhaft Liberalen, das gegen die antikonstitutionelle und konservative Bewegung imLandkreis Preußisch Holland polemisierte und Partei fürTheodor von Schön, den liberalen Oberpräsidenten der Provinz Preußen, ergriff.[3] Seine Vorlesungen veröffentlichte er unter den TitelnGlossen und Randzeichnungen zu Texten aus unserer Zeit (1842) undUnterthänige Reden (1843), die ihn über Preußen hinaus bekannt machten. Im Sommer 1843 besuchte er die badischen Liberalen umJohann Adam von Itzstein und den von ihm verehrten alten RepublikanerAndreas Joseph Hofmann. Wegen letzterer Schrift, die unter Umgehung der preußischen Zensur in der Schweiz erschienen war, wurde er zu einer einjährigenFestungshaft in derFestung Graudenz verurteilt. WieJohann Jacoby, so wandte sich auch Walesrode mit seiner Verteidigung unter dem TitelDer Humor auf der Bank der Angeklagten an die Öffentlichkeit. Nach seiner Entlassung beteiligte er sich 1846 als Mitherausgeber desKönigsberger Taschenbuchs.
Während derDeutschen Revolution 1848/49 schloss sich Walesrode in Königsberg dem linksliberalenDemokratischen Klub mitAlbert Dulk,Ferdinand Falkson undJulius Rupp an.[4] Seine Volkstümlichkeit und Redegewandtheit war unter anderem bei der turbulenten Gründungsversammlung des Königsberger Arbeitervereins von Bedeutung.[5][6] Die Veröffentlichung seiner FlugschriftWas bringt die neue Zeit dem Volke? bescherte ihm indes heftige Angriffe seitens des reaktionären Preußenvereins.
Nach dem Scheitern der Revolution wurde Walesrode 1850 ins Stadtverordnetenkollegium von Königsberg gewählt. Seine im gleichen Jahr erschieneneDie Glocke. Ein Wochenblatt für alle die nicht taub sind wurde sofort verboten und zog eine weitere, neunmonatige Haftstrafe nach sich. Der polizeilichen Maßregelungen in Königsberg überdrüssig, zog er 1854 nachHamburg, wo er zusammen mitCarl Volckhausen kurzfristig denKompaß redigierte, eineWochenschrift zur Belehrung und Unterhaltung, die zu den literarisch anspruchsvollen Literaturzeitschriften Hamburgs gehörte.[7] In den Jahren 1856 und 1858 begleitete er mit demCicerone kritisch die Hamburger Kunstausstellungen. 1857 erschienDer Storch von Nordenthal. Ein wahrhaftiges Märchen, das bis 1881 mehrfach aufgelegt wurde. Mit seiner SchriftEine politische Todtenschau. Zur Geschichte der staatstragenden Anarchie in Preußen kommentierte er „die Jahre der Reaktion in der Provinz Preußen ebenso kenntnisreich wie bitter.“[8]
Als Initiator[9] und Herausgeber veröffentlichte er 1860 und 1861 die beiden SammelbändeDemokratische Studien, die neben seinem eigenen auch Beiträge vonFerdinand Lassalle,Carl Vogt,Friedrich Kapp,Moritz Hartmann,Arnold Ruge,Karl Grün,Ludwig Bamberger und anderen enthält. 1862 redigierte er inBerlin das WochenblattDer Fortschritt, ehe er 1863 nachGotha übersiedelte. Dort schrieb erPreßfreiheit und Justiz in Preußen. Die Nachschrift des Buches datiert vom Januar 1866 ausStuttgart, wohin er gezogen war, um dem preußischen Einfluss endgültig zu entkommen.
In Stuttgart schloss er sich derWürttembergischen Volkspartei an. Zu dem literarischen Kreis, in dem er nun verkehrte, gehörte sein FreundFerdinand Freiligrath. Journalistisch berichtete er 1868 unter dem TitelEine Heimstätte in Schwaben über die Modellsiedlung derBaumwollspinnerei Kuchen.[10] 1869 erschienen dieLosen Blätter, eine Auswahl seiner Humoresken.Die schwäbische Industrieausstellung von 1871 inUlm verfasste er 1872. Das Buch ist nicht nur eine in Briefform abgefasste, detailreiche und humorvolle Beschreibung, sondern zugleich ein Zeugnis für Walesrodes kritische Sicht auf denDeutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und für den weltbürgerlichen Sinn von Industrie- und Weltausstellungen. Wie sein Vorwort zur zweiten Auflage von 1873 zeigt, ist dessen nunmehr von ihm gewählter TitelDeutscher Fleiß und deutsches Werk. Culturhistorische Skizzen und Bilder nicht ohne ironische Brechung zu lesen.
In seinen letzten Lebensjahren schrieb er für denBeobachter, das publizistische Organ der Württembergischen Volkspartei. Ende 1888 zog Walesrode in das MännerkrankenhausSalon bei Ludwigsburg. Dort starb er an einemSchlaganfall.
Walesrodes Grab befindet sich auf demUff-Kirchhof inBad Cannstatt. Der Obelisk aus Granit ist mit einem Bronzerelief vonAdolf von Donndorf geschmückt. Der Bildhauer schickte das Medaillon „des edlen Walesrodes“ im Januar 1895 anConrad Haußmann.[11]
Der LiteraturhistorikerRudolf von Gottschall verfasste nicht nur einen Nachruf, sondern schilderte in seinen 1898 erschienenen Jugenderinnerungen ausführlich die gemeinsame Königsberger Zeit.[12] Der SozialdemokratWilhelm Blos sah in dem jungen Walesrode den„Nestor der deutschen bürgerlichen Demokratie“.[13] Die Cannstatter-Zeitung widmete ihm zu seinem 200. Geburtstag einen kurzen Nachruf.[14]
Rudi Schweikert versuchte aufzuzeigen, dassKarl May bei der Figur des Grafen Walesrode in der ErzählungWaldröschen Ludwig Walesrode vor Augen gehabt habe, was ein„weiteres Beispiel für Mays klammheimliche Subversivität“ sei.[15]
Personendaten | |
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NAME | Walesrode, Ludwig |
ALTERNATIVNAMEN | Walesrode, Ludwig Reinhold; Cohen, Ludwig Reinhold; Wagner, Emil |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Journalist und Revolutionär |
GEBURTSDATUM | 14. April 1810 |
GEBURTSORT | Altona |
STERBEDATUM | 20. März 1889 |
STERBEORT | Ludwigsburg |