Lucca (in der Antike:Luca) ist die Hauptstadt derProvinz Lucca in derToskana mit 88.614 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2024). Sie liegt im Tal des FlussesSerchio etwa 20 km nordöstlich vonPisa und 20 km östlich der toskanischen Küste. Im 13. und 14. Jahrhundert zählte Lucca zu den einflussreichsten europäischen Städten. Große Bedeutung hatte insbesondere die Textilindustrie. Die großen Plätze, die romanischen Kirchen und die mittelalterlichen Türme zeugen von der einstigen Bedeutung dieser Stadt. Ihre von vier Toren durchbrochenen Befestigungsanlagen wurden 1504 begonnen und 1645 fertiggestellt. Die heute noch gut erhaltenen Anlagen, die zu den bemerkenswertesten in Italien zählen, tragen eine von Bäumen gesäumte Promenade um den Stadtkern.
Das antikeetruskische Luca, das das Tal desSerchio beherrschte, findet erstmals beim HistorikerLivius als der Ort Erwähnung, in den sichSempronius 218 v. Chr. vorHannibal zurückzog; es gibt Zweifel an der Korrektheit von Livius’ Feststellung, denn obwohl es kontinuierlich Kriege mit denLigurern gab, wird Luca erst 180 v. Chr. erneut genannt. Damals wurde die Stadt gleichzeitig mitPisa (ebenfalls 180) undLuna (177) als römische Kolonie gegründet, um die Herrschaft der bis dahin in diesem Raum ansässigenApuaner endgültig zu brechen und das Land für Rom in Besitz zu nehmen.[2] Durch die Lex Julia des KonsulsLucius Iulius Caesar von 90 v. Chr. muss es einmunicipium geworden sein; hier hieltJulius Caesar 56 v. Chr. seine berühmte Besprechung mitPompeius undCrassus. Zu diesem Zeitpunkt gehörte Luca noch zu Ligurien, nicht zuEtrurien. Wenig später wurde hier durch das Triumvirat oder durch Octavian eine Kolonie geführt, ob nach derSchlacht von Philippi oder nachder von Actium ist unklar.
Blick auf Lucca, vom Stadtwall aus gesehen
In deraugusteischen Unterteilung Italiens wurde Luca der siebten Region(Etruria) zugeordnet. Aus der Periode des Kaiserreichs ist wenig bekannt, außer dass es eine Kreuzung der Straßen nachFlorentia (sieheVia Clodia), Luna und Pisae war. Obwohl es vonOdoaker geplündert und eines Teils seines Territoriums beraubt wurde, erscheint Luca zur Zeit desNarses, der es 553 drei Monate lang belagerte, als wichtige Stadt und Festung.
Unter denLangobarden war Lucca die Residenz eines Herzogs oder Markgrafen, welche das Münzprivileg hatte. Die Herzöge erweiterten ihre Macht allmählich auf die ganze Toskana, aber nach dem Tod derMathilde begann sich die Stadt als unabhängige Kommune zu konstituieren. 1160 erhielt sie vom bayerischen Herzog und toskanischen MarkgrafenWelf VI. im Gegenzug für einen jährlichen Tribut die Herrschaft über ein Territorium um die Stadt. Der Reichtum und Einfluss der Stadt im 13. Jahrhundert basierte zu einem großen Teil auf ihrerTextilindustrie.
Innere Uneinigkeit gabUguccione della Faggiola, mit demDante einige Zeit dort verbrachte, Gelegenheit, sich 1314 zum Herrn von Lucca zu machen. In derSchlacht bei Montecatini besiegte am 29. August 1315 nahe dem heutigenMontecatini Terme dasghibellinische Heer der Städte Lucca und Pisa unter Führung von Uguccione dasguelfische Heer einer großen Städtekoalition, zu der unter anderemFlorenz,Siena,Prato,Pistoia,Arezzo,Volterra undSan Gimignano gehörten.[3] Doch bereits im Jahr darauf verstießen die Luccheser den durch seinen Sieg zu einflussreich gewordenen Uguccione della Faggiola und übergaben die Stadt anCastruccio Castracani, unter dessen geschickterTyrannei sie für kurze Zeit bis zu seinem Tod 1328 – sein Grab befindet sich in der KircheSan Francesco – die führende Stadt Italiens wurde.
Von den TruppenLudwigs des Bayern besetzt, an den reichenGenueser GheradinoSpinola verkauft, vom böhmischen KönigJohann besetzt, an die Rossi ausParma verpfändet, von denen anMastino della Scala aus Verona abgetreten, an die Florentiner verkauft, an die Pisaner übergeben, nominell befreit von KaiserKarl IV. und von seinen Vikaren,Marquard von Randeck und seinem NeffenWalther von Hochschlitz, regiert,[4] gelang es Lucca, ab 1369 zuerst als Demokratie, nach 1628 als patrizisch-aristokratischeOligarchie, seine Unabhängigkeit als Stadtrepublik nebenVenedig undGenua zu behaupten. Bis zurFranzösischen Revolution schrieb es das WortLibertas auf seine Fahnen. Die politischen Wirren des 13. und 14. Jahrhunderts wurden von Dante in seinem Werk thematisiert, so führt Leeck (2007) anhand der Fallbeispiele Alessio Interminelli, Bonturo Dati und Bonagiunta aus.
Anfang des 16. Jahrhunderts unternahm einer seiner führenden Bürger,Francesco Burlamacchi, einen Versuch, Italien politischen Zusammenhalt zu verleihen, er fiel aber auf dem Schafott; sein Denkmal vonUlisse Cambi wurde 1863 auf der Piazza San Michele aufgestellt.
Elisa Bonaparte und Felix Bacciocchi auf einer Münze von 1806Flagge des Herzogtums, 1815 bis 1818
In den Jahren 1525 und 1533 zeigten sich erste Anzeichen derReformation, denn deren Schriften waren mit Händlern wie Agostino Balbani von Flandern und deutschen Ländern in die Stadt gekommen. Ein Erlass bestimmte, dass sie eingezogen und vernichtet werden sollten. Die MöncheBernardino Ochino, Giambattista da Venezia, Lattanzio da Livorno und Raffaello Narbonese predigten vor 1540 aus den Paulusbriefen, vertratenevangelische Armut und nahmen dieEucharistie als Gedächtnismahl ein. KardinalGasparo Contarini (1483–1542) sandte im Mai 1541Peter Martyr Vermigli als Prior ins Kloster San Frediano. Zusammen mit Celso Marinengo,Immanuel Tremellius (1510–1580) undGirolamo Zanchi (1516–1590) förderte er die humanistische Bildung und die moralische Integrität der Klosterbrüder. 1542 hatten die Evangelischen bereits über 200 einflussreiche Anhänger in der Stadt. Aber als Contarini im August dieses Jahres starb, fiel sein Schutzherr weg, und Vermigli musste nach Zürich flüchten, um einer Verurteilung der neu organisierten römischenInquisition zu entgehen.[5] Im gleichen Jahr war der HumanistCelio Secondo Curione Hauslehrer bei der Familie Arnolfini, und fünf angesehene Bürger der Stadt halfen einem angeklagten Geistlichen zur Flucht, so wurde die Stadt und die Kirche auf die evangelischen Abweichler aufmerksam und begann sie als Häretiker zu bekämpfen und zu verfolgen. Der später bekannte DruckerPietro Perna flüchtete ebenfalls 1542 nach Basel. Von 1555 bis 1590 emigrierten aus Glaubensgründen zuerst bedeutende Händler- und Patrizierfamilien wie die Burlamacchi, Calandrini,Diodati (1567), Minutoli undTurrettini (um 1575) nachGenf, wo sie mit der Zeit bedeutende Stellungen einnehmen konnten.[6] Etwas später folgten auch einfachere Handwerkerfamilien nach.[7] Vom Gang ins Exil waren 400 Einwohner betroffen, davon 130 Personen aus Patrizierfamilien.[8]
Durch die militärische Macht der französischen Revolutionsarmeen, die die österreichische Oberherrschaft über Italien beendeten, wurde die Republik Lucca 1799/1800 gezwungen, eine moderne „Demokratie“ nach französischem Muster und in völliger Abhängigkeit vom FrankreichNapoleon Bonapartes einzuführen (Lucchesische Republik). Im Juni 1805 dekretierte der unterdessen zum Kaiser der Franzosen und zum König von Italien proklamierte Napoleon die Abschaffung der Republik, die stattdessen zugunsten seiner SchwesterElisa und ihres EhemannsFélix Baciocchi zumFürstentum Lucca umgebildet wurde.
Lucca wurde im Zuge des Sturzes Napoleons 1814 kurzfristig von neapolitanischen, dann von österreichischen Truppen besetzt. Auf demWiener Kongress, der 1814/15 über die Neuordnung Europas entschied, wurde der kleine, aber wohlhabende Staat Lucca zur Verschiebe- und Entschädigungsmasse für dynastische und machtpolitische Interessen. DasKaisertum Österreich verweigerte damals – trotz des ansonsten von ihm hochgehaltenen dynastischen Legitimitätsprinzips – dem bourbonischenHerzog von Parma die Rückkehr in dessen HauptstädteParma undPiacenza, die auf Lebenszeit als Versorgungsgebiet für Napoleons Ehefrau, die ehemalige KaiserinMarie Louise († 1847), eine Tochter vonFranz I., vorgesehen wurden. Die parmesischenBourbonen sollten, solange Marie Louise lebte, stattdessen mit der ehemaligen RepublikLucca als Herzogtum entschädigt werden, das allerdings nach einem Überwechseln der Bourbonen nach Parma und Piacenza an das habsburgischeGroßherzogtum Toskana (und damit in den Einflussbereich Österreichs) fallen sollte. Nach längerem Widerstand des Hauses Bourbon-Parma, das darin (vergeblich) vom eng verwandten spanischen KönigFerdinand VII. unterstützt wurde, trat Ferdinands SchwesterMaria Luisa (die unter Napoleon zeitweilig Königin und Regentin des in der Toskana gebildeten „Königreiches Etrurien“ gewesen war), im November 1817 die Herrschaft als Herzogin von Lucca an. Mit ihrem Tode 1824 folgte ihr SohnKarl Ludwig († 1883), der ehemalige Kind-König von Etrurien. Dieser verzichtete aufgrund der sich verschärfenden innenpolitischen Lage im Vorfeld derRevolution von 1848/49 jedoch im Oktober 1847 schon vor dem Tode der parmesisch-habsburgischen Herrscherin Marie Louise zugunsten des Großherzogs der Toskana auf die Regierung in Lucca.
Das Herzogtum bildete seither einen Teil der Toskana, mit der es im Laufe desRisorgimento 1859/61 zunächst anSardinien, dann an den neuenEinheitsstaatItalien angeschlossen wurde.
Lucca war früher ein Zentrum der Luxusstoffindustrie. Berühmt war die Stadt unter anderem für ihreSeide, deren Farbenpracht in Europa als unübertroffen galt.[9] Politische Unruhen zu Beginn des 14. Jahrhunderts führten dazu, dass viele Luccheser Färber und Seidenweber nachVenedig flohen. Die Stadt Venedig bot den Flüchtlingen großzügig Asyl und finanzielle Hilfe an, allerdings unter der Bedingung, dass sie in Venedig ihr Gewerbe praktizierten. Die Luccheser Zunftgesetze sahen zwar den Tod für alle Bürger vor, die ihr Textilhandwerk außerhalb der Stadtmauern praktizierten, angesichts ihrer finanziellen Lage nahmen jedoch viele Luccheser Handwerker die venezianischen Bedingungen an.[10]
Begonnen um 1300, ist die Papierindustrie seit vielen Jahren eine der wichtigsten Säulen für die Wirtschaft der gesamten Provinz. Hinzu kommt für Lucca unter anderem der Fremdenverkehr, die chemische, pharmazeutische und mechanische Industrie.[11]
Das rechtwinkligeStraßennetz im historischen Zentrum lässt noch die Struktur der römischen Anlage erkennen. Die antikeStadtmauer verlief entlang der heutigen Straßen Via San Giorgio/A. Mordini – Via dell’Angelo Custode/della Rosa – Corso Garibaldi – Via della Cittadella/Galli Tassi. DasForum befand sich am Kreuzungspunkt vonCardo und Decumanus, seit dem Mittelalter diePiazza San Michele. Im Namen der KircheSan Michele in Foro lebt dieses römische Erbe bis in unsere Zeit fort.
Lucca ist reich anSehenswürdigkeiten und daher auchtouristisch von großem Interesse. Das historische Zentrum stand von 2006 bis 2021 auf derWelterbe-Tentativliste, dann wurde die Kandidatur entweder zurückgezogen oder von derUNESCO abgelehnt.[12]
Mit mehr als 200.000 Besuchern istLucca Comics & Games die zweitgrößte Comic- und Gaming-Messe der Welt.[13]
Das womöglich beeindruckendste Bauwerk der Stadt ist die vollständig erhalteneStadtmauer von Lucca, italienischMura di Lucca. Ihr Ursprung liegt im Mittelalter, als sie im 12./13. Jahrhundert die römische Mauer ablöste, um im Nordosten dieBorghi San Frediano, San Pietro Somaldi und Santa Mari Forisportam mit einzuschließen. Der nächsten, eher marginalen Erweiterung folgte 1504–1648 der Ausbau zur Stadtmauer, wie sie sich heute darbietet: 4,2 km lang, mit 11Bastionen und 12Kurtinen. Das Kuriose: Die Mauer wurde nie wirklich zur Verteidigung gebraucht. Immerhin bewahrte sie ganz Lucca vor der Überschwemmung durch das Hochwasser 1812.Maria Luisa von Bourbon-Spanien, 1815–1824 Herzogin von Lucca, ließ auf der Mauer eine Promenade errichten und die Bastionen und Außenbereiche begrünen. Die baumbestandene Promenade auf einer ursprünglich mittelalterlichen Wallmauern-Struktur findet sich in Europa nur noch ein weiteres Mal bei der StadtSoest.[14] Sowohl der Spazierweg als auch die Grünflächen sind äußerst beliebte Areale für sportliche Aktivitäten und Veranstaltungen.
Beim Ausbau der Mauer waren ursprünglich nur dreiStadttore vorgesehen: diePorta di Santa Maria im Norden, diePorta di San Donato im Nordwesten und diePorta di San Pietro im Südwesten. Der Ostteil erhielt erst 1804 ein Tor. Es heißt nach seiner Erbauerin, der Fürstin von LuccaElisa Bonaparte,Porta Elisa. Zwei weitere Torbauten, diePorta San Jacopo im Nordosten und diePorta Sant‘Anna im Westen sind jüngeren Datums. Die mittelalterliche Stadtmauer hatte ebenfalls vier Stadttore. Die beiden heute noch erhaltenen, diePorta San Gervasio (oderPortone dell‘Anunziata) und diePorta dei Borghi, befinden sich jetzt innerhalb des Mauerrings.[15]
Annamaria Pazienza:La fibula ad arco di Piazza al Serchio e i primi ritrovamenti di epoca longobarda a Lucca (XIX secolo), in: Archeologia Medievale 39 (2012) 355–360 (erste archäologische Funde derLangobardenzeit). (academia.edu)
Katrin Dort:Armenfürsorge in Lucca im frühen und hohen Mittelalter: Hospitäler in Stadt und Bistum (=Trierer historische Forschungen, Band 70), Kliomedia, Trier 2015,ISBN 978-3-89890-192-5 (Überarbeitete Dissertation Universität Trier 2011, 375 Seiten).
Amy Butler Greenfield:A Perfect Red: Empire, Espionage and the Quest for the Color of Desire. HarperCollins, New York 2004,ISBN 0-06-052275-5.
↑Hermann Bengtson:Römische Geschichte. Republik und Kaiserzeit bis 284 n. Chr, S. 108.
↑Friedrich Wilhelm Barthold:Der Römerzug König Heinrichs von Lützelburg, Band 2. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1831, S. 484–506.
↑Roland Pauler:Das Wirken der Augsburger Bischöfe Markward von Randeck und Walter von Hochschlitz in Pisa. In: Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.):Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte.Band58. Separatdruck, 1995.
↑Manfred E. Welti:Kleine Geschichte der italienischen Reformation (=Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte. Bd. 193). Mohn, Gütersloh 1985,ISBN 3-579-01663-6, S. 51–55 (Digitalisat in der Google-Buchsuche)
↑tourismus-kreis-soest.de Baumbestandene Wallpromenaden mit anderer befestigungsstruktureller Herkunft gibt es aber bei anderen neuzeitlichen Befestigungsanlagen, wie zum Beispiel im niederländischenHulst.
↑Lucca und Umgebung. Reiseführer mit Stadtplan. Officina Grafica Bolognese, Bologna 2005, S. 9–12