AlsLomaland wurde ein Gelände imkalifornischenPoint Loma beiSan Diego bezeichnet. Hier hatteKatherine Tingley um 1900 einetheosophischeGemeinschaft ins Leben gerufen, die ebenso soziale und erzieherische Aufgaben wahrnahm. Bis 1942 war auch das Hauptquartier derTheosophischen Gesellschaft in Amerika (TGinA) dort situiert und ein theosophisches Weltzentrum entstanden.[1]
Bereits 1894 hatteGottfried de Purucker, Mitglied der theosophischen San-Diego-Loge, das Grundstück in Point Loma, nördlich der Bucht von San Diego, entdeckt und gedacht, dass hier ein theosophisches Zentrum entstehen sollte.Katherine Tingley war 1896, zunächst inoffiziell, Präsidentin derTheosophischen Gesellschaft in Amerika (TGinA) geworden, 1898 wurde sie dann auch offiziell gewählt. Als sie auf einer Weltreise im September 1896 imschweizerischenGenf Purucker erstmals begegnete, teilte dieser ihr seine Gedanken über den Landstrich in Point Loma mit. Tingley selbst träumte seit ihrer Kindheit von einer „weißen Stadt im Westen“, wo sie ihre weitreichenden Ideen verwirklichen konnte. Einzig aufgrund einer Handskizze Puruckers telegrafierte Tingley sofort in dieUSA, um den Kauf der Liegenschaft in die Wege zu leiten. Am 22. Januar 1897 wurde der Kaufvertrag unterzeichnet, damit war die TGinA Besitzer von 330Acres (= etwa 132Hektar) Land, das spätere Lomaland.
In den folgenden Jahren begann eine rege Bautätigkeit auf Lomaland, die ersten Wohn- und Verwaltungsbauten entstanden, und 1899 verlegte Tingley ihren Wohnsitz vonNew York nach Lomaland. Am 13. Februar 1900 übersiedelte auch dieUniversal Brotherhood and Theosophical Society (UBTS), so wurde die TGinA mittlerweile genannt, dorthin. Damit war Lomaland zur Zentrale deramerikanischen Theosophischen Gesellschaft geworden. Im Sommer 1900 konnte eineRaja-Yoga-Schule eröffnet werden, 1901 folgte ein Freilufttheater und etwas später ein Säulentempel nach griechischem Vorbild, 1914 eineAkademie und einCollege mit angeschlossenen Internaten, sowie schließlich 1919 eine theosophische Universität. Neben etwa 500 Wohnungen entstanden im Lauf der Zeit u. a. ein Gästehaus, ein Theater, eine Textilfabrik, Tischlerei, Bäckerei und ein Verlagshaus mit angeschlossener Druckerei und Buchbinderei. Obst- und Gemüsegärten entstanden, die umliegenden Hügel wurden mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt, Straßen, Wege und Plätze befestigt. Theosophen und Freunde aus aller Welt hatten sich in Lomaland angesiedelt und bildeten ein richtiges Dorf, eineGemeinschaft.
DieRaja-Yoga-Schule, eine ArtGrund- undHauptschule, hatte anfangs mit 5 Schülern begonnen und wuchs bald auf über 300 Kinder an. Sämtliche Kinder wohnten inInternaten auf Lomaland. Schul- und Wohngeld wurde nur von jenen eingehoben, die es sich leisten konnten, viele Kinder aus ärmeren Familien wurden kostenlos unterrichtet. ZahlreicheWaisenkinder, u. a. aus demSpanisch-Amerikanischen Krieg, fanden hier eine neue Heimat und Erziehung. Für die damalige Zeit völlig neu war, dass ein Lehrer in einer Klasse nur einen Gegenstand unterrichtete, und die Klassen bloß etwa 15–20 Schüler umfassten (im Gegensatz zu „normalen“ Schulklassen mit 40–50 Schülern). Die rein intellektuelle Wissensvermittlung wurde gemäß theosophischer Überzeugung abgelehnt, stattdessen eine Synthese von physischer, mentaler, moralischer und spiritueller Entwicklung verfolgt, welche Intellekt und Intuition gleichermaßen förderte. Neben sportlicher Ertüchtigung, dem Erleben der Natur durch Gartenarbeit und verpflichtender Hilfe in den Haushalten, lag ein Schwerpunkt auf der künstlerischen Betätigung. Die Schüler führten im Freilufttheater vor PublikumantikeDramen, aber auch solche vonWilliam Shakespeare, auf. Da jeder Schüler mindestens ein Musikinstrument amIsis-Konservatorium erlernte, konnte ab 1905 das erste Schulorchester der USA wöchentliche Konzerte geben und auf Tournee gehen. Dies und die Auftritte mehrerer Lomaland-Chöre machten Lomaland bekannt und berühmt.
Die 1914 errichteteAkademie und dasCollege auf Lomaland, sollten die weiterführende Ausbildung der älteren Schüler gewährleisten. In diesem Sinne wurde 1919 auch eine Theosophische Universität, die sowohl eineGeistes- als auch eineNaturwissenschaftliche Fakultät beherbergte, errichtet.
Auch ein Verlag mit angeschlossener Druckerei und Buchbinderei war in Lomaland beheimatet, der Verlag änderte mehrmals seinen Namen, z. B.The Theosophical publishing company,Aryan theosophical press oderTheosophical university press. Er brachte in großer Stückzahl zahlreiche theosophische Werke, u. a. vonHelena Blavatsky,William Quan Judge,Gottfried de Purucker oderKatherine Tingley heraus. Daneben wurden mehrere theosophische Zeitschriften, Lehrbücher, viele Prospekte und Flugzettel hergestellt.
Eine eigene Lomaland-Textilfabrik stellte Schuluniformen her und sorgte für die wohnliche Ausgestaltung vieler Räumlichkeiten. Die Lomaland-Tischlerei fertigte Möbel, Einrichtungen und Gebrauchsgegenstände. Neben einer Bäckerei gab es eine Küche für alle Schüler und Bewohner Lomalands, wobei das Obst und Gemüse aus den eigenen Gärten kam. Diese Gärten stellten gleichzeitig Versuchsfarmen dar, in denen z. B. an der Kultivierung und Veredelung vonAvocados oderOrangen zur Ertragssteigerung gearbeitet wurde. Avocados wurden überhaupt erst durch Lomaland inKalifornien heimisch.
Lomaland war von 1900 bis 1942 die Zentrale derTheosophischen Gesellschaft in Amerika (TGinA) und darüber hinaus ein theosophisches Weltzentrum. Von hier aus leitetenKatherine Tingley und ab 1929Gottfried de Purucker die Geschicke der TGinA mit ihren Sektionen, Zentren, Logen und Schulen auf der ganzen Welt. In Lomaland wurden theosophische Kongresse und Vorträge gehalten, Lesungen und Schulungen durchgeführt und Gäste aus aller Welt empfangen.
Obwohl die Ausbildung an der theosophischen Lomaland-Universität vomkalifornischen Staat anerkannt wurde und zum Beispiel inBerkeley und bei derUCLA in höchstem Ansehen stand, akkreditierte dasUS-Bildungsministerium die Universität nie.Katherine Tingley selbst unternahm keinerlei Anstrengungen, die Akkreditierung zu erlangen, deshalb fand eine in Lomaland erworbeneGraduierung nur in Kalifornien Anerkennung. Dies stellte für manche Studenten in späteren Jahren einen gravierenden Nachteil dar.
Obwohl viele Arbeiten in und um Lomaland von Freiwilligen ohne Bezahlung durchgeführt wurden, mussten doch zum Teil ganz erhebliche laufende Kosten bestritten werden. Dazu unterlag die gesamteTheosophische Gesellschaft in Amerika (TGinA) und damit auch Lomaland normaler Steuerpflicht, einzig die Universität war als gemeinnützige Einrichtung davon ausgenommen. 1928 wurden die Grundsteuern massiv erhöht, was Lomaland hart traf. Im gleichen Jahr nahm die Finanzbehörde eine Neubewertung der Lomaland-Grundstücke vor, dadurch kam es zu einer weiteren Erhöhung der Steuerbelastung um 500 %. Die folgendeWeltwirtschaftskrise 1929 vernichtete neben einem Großteil des Vermögens der kurz vorher verstorbenen Katherine Tingley, auch den Besitz zahlreicher Förderer und Gönner. Dazu kam, dass der Grundbesitz mitHypotheken belastet war und infolge der Weltwirtschaftskrise die Grundstückspreise ins Bodenlose gefallen waren. So war Lomaland 1929 innerhalb kurzer Zeit praktischBankrott. Die Schulden häuften sich undGottfried de Purucker, der Nachfolger Tingleys, musste immer mehr Grundstücke und Gebäude zu schlechten Bedingungen veräußern, nur um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Durch weitreichende Sparmaßnahmen sah sich eine Reihe von Lomaland-Bewohnern, mehr oder weniger freiwillig, gezwungen, die Gemeinschaft zu verlassen, um nicht weiter zur Last zu fallen. Mit Hilfe von Freunden und Gönnern, gelang es schließlich, bis zum Jahr 1942 die Schulden zu begleichen.
An allen Ecken und Enden wurde gespart, am Schreibpapier ebenso wie beim Stromverbrauch oder beim Essen. Da sich viele Eltern, ebenfalls durch die Weltwirtschaftskrise betroffen, die Gebühren für das Internat auf Lomaland nicht mehr leisten konnten, gingen die Schülerzahlen drastisch zurück. Für dieRaja-Yoga-Schule sowie dieAkademie, welche bereits im April 1930 gemeinsam inLomaland-Schule umbenannt worden waren, wurde deshalb der Internatszwang aufgehoben und auch Tagesschüler aufgenommen. Trotz einer Reduzierung des Schulgeldes blieben die Schülerzahlen niedrig und 1941 musste die Lomaland-Schule geschlossen werden. Einzig die Universität übersiedelte 1942 nachCovina und nahm noch bis 1950 Studenten auf. Beim folgenden Umzug nachPasadena 1950/51 konnte sie aus Geldmangel nicht mit übersiedeln und stellte Mitte der 1950er-Jahre den Betrieb ein.
Der Lomaland-Besitz lag in direkter Nachbarschaft zu einem Marine- und Luftwaffenstützpunkt derUS-Streitkräfte in der Bucht vonSan Diego. Ende 1941, nach demAngriff auf Pearl Harbor, wurde das Hauptquartier der US-Pazifikflotte dorthin verlegt. Aus Angst vor einerjapanischen Invasion kam es zu Truppenstationierungen an derWestküste der USA, auch auf Lomaland wurden Geschützstellungen installiert. Dies weckte Befürchtungen, in kriegerische Handlungen hineingezogen zu werden. Auch war die Bausubstanz der Gebäude in einem schlechten Zustand und bedurfte dringend der Renovierung. Die dafür notwendigen Mittel standen nicht zur Verfügung undGottfried de Purucker wollte keine Kreditgelder in ein kriegsgefährdetes Projekt stecken. Diese Unsicherheit führte schließlich Anfang 1942 zur Aufgabe von Lomaland und dem Verkauf des Besitzes. DieTheosophische Gesellschaft in Amerika übersiedelte am 29. Juni 1942 nachCovina beiLos Angeles.
Heute befindet sich auf dem Lomaland-Gelände diePoint Loma Nazarene University. Die meisten Lomaland-Gebäude sind verschwunden und nur noch einige einsame Reste, das Freilufttheater und die weitläufigen Baumbestände erinnern an vergangene Zeiten.