Lars Trier kam als zweiter Sohn in der Ehe von Inger Høst (1915–1989) und dem dänischen Juden Ulf Trier (1907–1978) zur Welt. Ulf Triers Vorfahren Salomon und Ethel Trier waren im 18. Jahrhundert ausTrier nach Dänemark eingewandert.[1] Inger Høst und Ulf Trier lernten sich während derdeutschen Besetzung Dänemarks in derdänischen Widerstandsbewegung kennen, wo sieJuden halfen, über denØresund ins sichereExil nachSchweden zu fliehen. Nach von Triers Angaben waren seine ElternKommunisten, gehörten einer Gemeinschaft vonNaturisten an und erzogen ihnantiautoritär.[2] Seit seinem Studium an der Universität und an derDen Danske Filmskole in Kopenhagen führt er das „von“ in seinem Nachnamen.[3] Er ist weitläufig mit dem norwegischen FilmregisseurJoachim Trier verwandt.
Erst mit 33 Jahren erfuhr von Trier, dass Ulf Trier nicht sein leiblicher Vater ist. Kurz vor ihrem Tod gestand von Triers Mutter ihrem Sohn, dass sein leiblicher Vater ihr ehemaliger Vorgesetzter im Sozialministerium Fritz Michael Hartmann sei.[4] Die deutschstämmige Familie Hartmann lebte seit 1762 in Dänemark, als sich der Geiger und KomponistJohann Ernst Hartmann dort niederließ. Sie hat einige bedeutende dänische Musiker, wie den KomponistenJohann Peter Emilius Hartmann, hervorgebracht. Nach eigenen Angaben war von Trier tief enttäuscht darüber, keine jüdischen Wurzeln zu haben. Er habe sich in der Rolle eines Außenseiters, der aus einer Gruppe von Verfolgten stammte, wohl gefühlt. In derSynagoge habe er sich immer zugehöriger gefühlt als in evangelischen oder katholischen Kirchen.[5]
Ein Onkel mütterlicherseits war Børge Høst, ein Filmregisseur, der sein Interesse fürs Filmemachen weckte. Bereits als Grundschüler drehte er mit einer Kamera imSuper-8-Format kleine Animationsfilme, später dann Kurzfilme mit seinen Freunden. Sein erster dokumentierter Animationsfilm von ca. 1967 hießTuren til Squashland (Die Reise ins Zucchiniland) und dauerte eine Minute.[6]
Von Trier litt bereits in seiner Kindheit unterDepressionen undPhobien und konnte einige Zeit nicht die Schule besuchen. Er wurde psychiatrisch betreut. Als 12-Jähriger besuchte er ein Tagesheilungszentrum.[7] Trotzdem spielte er 1969 eine der zwei Hauptrollen in der dänisch-schwedischen KinderfernsehserieHemmelig sommer.
In seiner ersten Ehe war von Trier bis 1996 mit der dänischen Regisseurin, Drehbuchautorin und SchauspielerinCæcilia Holbek Trier verheiratet, die wie er an der Dänischen Filmschule studiert hat. Während der zweiten Schwangerschaft von Cæcilia Holbek Trier verliebte er sich in die verheiratete Bente Frøge, eine Erzieherin, die seine Tochter in der Kindertagesstätte betreute. Drei Wochen nach der Geburt seiner zweiten Tochter verließ er offiziell seine Ehefrau, um mit Bente Frøge zusammen zu sein. Dieses Verhalten führte zu einem gewaltigen Medienecho in Dänemark. Bente und Lars von Trier heirateten nach beider Scheidungen 1997. Bente Trier brachte nach einigen Jahren Zwillingssöhne zur Welt.[8] Die Ehe hielt bis 2015. Lars von Trier ist zum zweiten Mal geschieden.
Von Triers psychische Probleme führten zuAlkoholismus undTablettenabhängigkeit. In einem Interview mit der TageszeitungPolitiken gab der Regisseur an, in berauschtem Zustand besonders produktiv zu sein und gab gleichzeitig seiner Sorge Ausdruck, ohne Rauschmittel keine Filme mehr machen zu können.[9]
Im August 2022 gab seine FilmproduktionsfirmaZentropa bekannt, dass beim 66-jährigen von Trier dieParkinson-Krankheit diagnostiziert wurde. Er werde entsprechend medizinisch behandelt, so dass er die Arbeiten an der dritten Staffel der SerieHospital der Geister,The Kingdom Exodus/Riget Exodus (2022), abschließen könne. Auch werde von Trier bis zur Premiere des Projekts weniger Interviews geben.[10]
Nach dem externen Abitur begann von Trier 1976 ein Studium der Filmwissenschaften an derUniversität Kopenhagen, bei dem er vor allem Leute kennenlernte, die ihm halfen, seine Filme zu verwirklichen. Von 1979 bis 1982 absolvierte er dieDänische Filmhochschule in der FachrichtungRegie.[11] Hier fügte er seinem Namen das Prädikat „von“ hinzu, das ihm ein Lehrer in einer Diskussion um seinen Stil im Scherz „verliehen“ hatte und das er fortan für seine Filme verwendete.[12] 1981 gewann von Trier mit seinem KurzfilmNocturne den ersten Preis beimInternationalen Festival der Filmhochschulen München.
Seine 55-minütige Regie-Abschlussarbeit an derDänischen FilmhochschuleBefrielsesbilleder/Bilder der Befreiung von 1982 gewann auf demInternationalen Festival der Filmhochschulen München denChannel Four Preis.[13] Der Film wurde aus drei verschiedenen Materialien collagiert: erstens einem in Farbe neu gedrehten „Handlungsteil“, zweitens vorhandenem Dokumaterial in Schwarz-Weiß aus derZeit des Nationalsozialismus, wie die Vorführfahrt des „Wessel-Mörders“ im Auto oder Filmausschnitten über die Festnahme von Kollaborateuren des nationalsozialistischen Deutschlands in Dänemark, und drittens verschiedenen Filmausschnitten in 1950er-Jahre-Farben von jeweils einem Vogel, der auf der Spitze eines Baumes zwitschert. Im Film wird wenig in Deutsch, Dänisch oder Englisch gesprochen.Bilder der Befreiung zeigt keine glücklichen Menschen, wie der Titel vermuten lassen könnte, sondern deutsche Soldaten, Kollaborateure und dänische Frauen, die mit den deutschen Besatzern zusammen waren, als Verlierer und Opfer.
Viele der filmischen Ideen, wie z. B. die Unterbrechung des Handlungsverlaufs, Unterlegung des Films mit Chorälen oder die KombinationSS-Uniformen, Wasser und Feuer, tauchen in seinen späteren Filmen wieder auf.
Neben seinen Spielfilmen drehte von Trier auch Werbespots und Musikvideos.[14] 1983 drehte er zusammen mitVladimir Oravsky für das dänische PopduoLaid BackElevator Boy und 1990 das spektakuläreBakerman-Video[15], das die Musiker beim Musizieren in freiem Fall beim Fallschirmsprung filmte.
Während Lars von Trier für seine Frühfilme noch neue Musikkompositionen in Auftrag gab, erklingt abBreaking the Waves (1996) fast ausnahmslos Musik in seinen Filmen, die es bereits vor den Filmen gab (sog. „präexistente Musik“).[16] Die Musikauswahl innerhalb seiner Filme ist bis 2013 musikalisch-stilistisch noch weitgehend konsistent, wenngleich filmübergreifend starke Unterschiede vorherrschen.[17] MitNymphomaniac findet das Prinzip des musikalischen Eklektizismus auch innerhalb des Films Anwendung.[18] Die Musikstücke wurden teilweise stark bearbeitet, um sie dramaturgisch gezielt einzusetzen, etwa zur Manipulation und Provokation des Publikums.[19]
2005 schrieb von Trier bei einer Folge der dänischen Comedy-SerieKlovn mit.[20] Die entsprechende Folge namensIt’s a Jungle Down There lässt sich auf der Website des amerikanischen Filmverleihs drafthouse films gratis herunterladen.[21] AlsChristian Ulmen 2017 mitjerks die dänische Serie nach Deutschland adaptierte, diente von Triers Folge der zweiten EpisodeCamilla als direktes Vorbild.[22]
InThe Element of Crime wird der Faszination für faschistoide Symbole noch mehr Raum gegeben als im Vorgängerfilm.The Element of Crime ist der erste Teil einer Europatrilogie, die sich mit der Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, Überbleibseln archaischer Gesellschaftsformen und dem Verfall Europas auseinandersetzt.The Element of Crime gewann bei denInternationalen Filmfestspielen von Cannes denPrix Vulcain de l’artiste technicien und bedeutete den nationalen und internationalen Durchbruch für von Trier. Die weiteren Teile der Trilogie waren 1987Epidemic, der ebenfalls Wettbewerbsfilm in Cannes war, undEuropa (1991), der dort ebenfalls mit dem Prix Vulcain de l’artiste technicien ausgezeichnet wurde und einenSonderpreis der Jury sowie den Preis für den besten künstlerischen Beitrag erhielt.
1991 startete von Trier zusammen mit Niels Vørsel das FilmprojektDimensions, die Langzeit-Verfilmung einer polizeilichen Intrige, die auf jährlich drei Minuten Drehzeit beschränkt sein sollte und die (unter anderem mit dem SchauspielerUdo Kier), an verschiedenen Drehorten in Europa gedreht und im Jahr 2024 fertiggestellt werden sollte. Gedreht wurde ohne Drehbuch und auf Englisch. Der SchauspielerEddie Constantine starb 1993. Nach Angaben der ZeitungDie Welt hat von Trier das Projekt inzwischen aufgegeben, da er mit anderen Projekten ausgelastet und die von ihm ausgesuchte Nachfolgerin für die RegieKatrin Cartlidge zwischenzeitlich verstorben ist.[23] Es gibt eine 27 Minuten lange Version des im Jahr 2010 abgebrochenen Projektes.[24]
Die TV-SerieHospital der Geister/Geister/Riget/The Kingdom von 1994 spielt im zweitgrößten dänischen KrankenhausRigshospitalet. Von Trier ließ sich dafür vonTwin Peaks inspirieren. 1997 folgte die zweite Staffel.
Eine Fortsetzung schien später kaum mehr möglich, da eine Vielzahl von Schauspielern, etwa die der Frau Drusse, des Dr. Helmer oder des Arztes Bondo agierten, inzwischen verstorben waren. Auch arbeiteten Lars von Trier und Niels Vørsel (Drehbuch) nicht mehr zusammen. Ungeachtet dessen kündigte Lars von Trier im Dezember 2020 an, 2021 eine dritte Staffel zu drehen, die den TitelGeister: Exodus trägt.[25] Die Fertigstellung war für 2022 angekündigt, die Premiere fand bei den Filmfestspielen in Venedig 2022 statt. Noch lebende Schauspieler wieGhita Nørby undSøren Pilmark sind wieder mit dabei.[26]
MitBreaking the Waves von 1996 beginnt die „Golden-Heart“-Trilogie. Die bis dahin unbekannte HauptdarstellerinEmily Watson übernahm die Rolle der jungen Bess McNeill, welche sich in dem Wahn, dadurch ihre große Liebe (dargestellt vonStellan Skarsgård) retten zu können, von einem akzeptierten Mitglied der Gemeinschaft zu einer Dorfprostituierten entwickelt. Der international bekannte dänische KünstlerPer Kirkeby gestaltete die Kapitelbilder, die den Film gliedern. Es handelt sich um Landschaftsaufnahmen, die minutenlang zu sehen sind und sich dabei minimal verändern.
1998 nahm von Trier mit dem zweitenDogma-FilmIdioten/Idioterne am Filmfest von Cannes teil. Der Film provozierte stark durch sein Thema „Irre spielen“, die ersten pornographischen Darstellungen in einem Spielfilm und durch die sehr unruhige und wacklige Kameraführung.
Für das technisch aufwendige MusicalDancer in the Dark, in dem einzelne Tanzszenen mit vielen Kameras gleichzeitig gefilmt wurden, erhielt von Trier 2000 dieGoldene Palme inCannes.Björk schrieb nicht nur die gesamte Filmmusik, sondern spielte auch die Hauptfigur Selma.[27] Ähnlich wie inBreaking the Waves opfert eine Frau ihr Leben für ihre Liebe. In diesem Film nicht zu einem Ehemann, sondern zum geliebten und von Erbkrankheit bedrohten Sohn.
Dancer in the Dark kann sowohl zur Golden-Heart- als auch zur USA-Trilogie gerechnet werden.
MitDogville begann von Trier seine filmischeUSA-Trilogie, die dort bei einigen Kritikern bereits deshalb auf Vorbehalte stößt, weil der Regisseur aufgrund seiner Flugangst selbst nie dort gewesen ist. Den Vorwurf kommentierte von Trier in Anspielung auf den FilmCasablanca mit der Feststellung, dass die Amerikaner auch nicht inMarokko gewesen seien. Vor allem störten die Kritiker sich an der aus ihrer Sicht einseitigen Darstellung der Dorfgemeinschaft in Dogville.
Beide Filme arbeiten mitBrechts Theater, in dem stets klargemacht wird, dass man nur ein „Schau-Spiel“ sieht. Emotionale Distanz ist erwünscht und wird gezielt erzeugt. Gefilmt wurde in schwarz gestrichenen Hallen, in denen nur die nötigsten Requisiten standen. InDogville wurden die gedachten Häuser als zusätzlicher Verfremdungseffekt nur durch weiße Linien auf dem Hallenboden kenntlich gemacht.
Im Sommer 2010 drehte von Trier den SpielfilmMelancholia mit internationaler Besetzung in Schweden. Der Film ist aus dem nicht verwirklichten Projekt entstanden,Jean Genets StückDie Zofen mitPenélope Cruz zu verfilmen.[29]
Er entspricht im Aufbau einer Oper, d. h., er besteht aus einer Ouvertüre, zwei Akten und einem Finale.[30] Die Ouvertüre besteht aus verschiedenen Standbildern ohne Ton und Handlung, die sich minimal bewegen. Diese Einleitung dauert acht Minuten und ist eine Weiterentwicklung der Kapitelbilder inBreaking the Waves. Die Filmmusik entstammtRichard WagnersTristan und Isolde und wurde dem Film gemäß bearbeitet.[31]
Melancholia, der 2011 fertiggestellt wurde, brachte von Trier seine neunte Einladung in den Wettbewerb derInternationalen Filmfestspiele von Cannes ein. Die HauptdarstellerinKirsten Dunst wurde von der Jury in Cannes für die Verkörperung der Hauptfigur Justine als „Beste Darstellerin“ ausgezeichnet.[32]
Von Trier drehte ab Anfang 2017 einen Thriller über einen Serienmörder in den USA der 1970er Jahre.[34] Im Cast sindMatt Dillon,Uma Thurman undBruno Ganz. Gedreht wurde wieder auf Englisch. Der Film kam Ende 2018 in die Kinos. Seine Weltpremiere feierteThe House That Jack Built im Rahmen der 71. Internationalen Filmfestspiele von Cannes, wo er außer Konkurrenz lief.[35]
1996 war KopenhagenKulturhauptstadt Europas. Von Trier nahm mit einem von Ameisen in Neu-Mexiko in Echtzeit gesteuerten Theater, das in der Kopenhagener Kunstvereinigung stattfand, teil. Die über acht Wochen dauernde Inszenierung wurde von Morten Arnfred geleitet. Dokumentiert wurde das Ganze von Jesper Jargil in dem Film De Udstillede (Die Ausgestellten).[36]
Von Trier gab 2004 bekannt, dass er sich trotz zweijähriger Vorbereitung nicht in der Lage sehe, denRing des Nibelungen wie geplant für dieRichard-Wagner-Festspiele 2006 inBayreuth zu inszenieren, da die Inszenierung des vierteiligen Opern-Zyklus von ca. 16 Stunden Spieldauer seine Kräfte übersteigen und die finanziellen Ressourcen nicht ausreichen würden.[37]
1992 gründete von Trier zusammen mit dem ProduzentenPeter Aalbæk Jensen die FilmproduktionsfirmaZentropa, die heute die erfolgreichste und größte Produktionsstätte für Film (TV und Kino) in Dänemark ist. Zentropa wurde mit demDouglas-Sirk-Preis ausgezeichnet. Von Trier bezieht ein festes Gehalt und ist nach eigener Aussage nicht im Management. Er trägt aber mit seinen kommerziell erfolgreichen Filmen und seiner hohen Medienpräsenz maßgeblich dazu bei, dass Filme anderer finanziert werden können. Der Name Zentropa stammt aus seinem FilmEuropa – so heißt die Eisenbahngesellschaft im Film. Die Tochterfirma Zentropas, Innocent Pictures, die „frauenfreundliche“ Pornos produziert hat, gibt es nicht mehr.
Ein Mediencoup gelang von Trier mit seinemDogma-95-Manifest. Am 20. März 1995, dem 100. Geburtstag des Films, warf Von Trier einen Haufen Flugblätter mit dem Manifest vor die versammelte Presseschar im Pariser Odeon-Theater.[8] 2008 wurde die Dogma-Bewegung um von Trier,Vinterberg, Levring undKragh-Jacobsen mit demEuropäischen Filmpreis in der KategorieBeste europäische Leistung im Weltkino bedacht.[38]
Pornografische und gewalttätige Darstellungen sowie Provokation mit dem Themenkomplex Nationalsozialisten – Juden
Lars von Trier gilt als „Enfant terrible“ der Filmindustrie. Bereits seinDogma-FilmIdioten (dänisch:Idioterne; 1998) sorgte mit einer Kombination aus expliziten sexuellen Darstellungen und dem provozierenden „Irrsein“ der Figuren für einen internationalen Skandal.[39] Auch sein WerkAntichrist wurde aufgrund der expliziten und extrem gewalttätigen Darstellung kontrovers diskutiert.[40]Die Welt nannte ihn den „meistgehassten Film“ des Jahres.[41] Von Trier gab an, seit längerer Zeit unter Depressionen gelitten zu haben und einen Teil davon in seinen Filmen zu verarbeiten. In Cannes hatte er wiederholt mit pornografischen oder gewalttätigen Szenen in seinen Filmen oder kontroversen Äußerungen provoziert.[42] In einem Interview derZeit sagte er unter anderem: „Meine Familie hatte sehr genaue Vorstellungen von Gut und Böse, von Kitsch und guter Kunst. Mit meiner Arbeit stelle ich all das in Frage. Ich provoziere nicht nur die anderen, ich erkläre mir, meiner Erziehung, meinen Werten, auch ständig selbst den Krieg. Und ich attackiere dieGutmenschen-Philosophie, die in meiner Familie herrschte.“[2]
In seinem FilmEuropa spielt Lars von Trier die Rolle des gekauften Juden, der von einem amerikanischen Oberst angeheuert wird, um dem Besitzer der Eisenbahngesellschaft Zentropa namens Hartmann einenPersilschein auszustellen, also um ihn mit Falschaussagen von seinen begangenen Verbrechen „reinzuwaschen“. Hartmann bringt sich trotz der erkauftenEntnazifizierung in der Badewanne um.
Lars von Triers biologischer Vater hieß Hartmann und hatte deutsche Vorfahren aus dem 18. Jahrhundert, sein rechtlicher und sozialer Vater Trier hatte jüdische Vorfahren aus Deutschland.
Eklat bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2011
Im Mai 2011 wurde von Trier von den64. Internationalen Filmfestspielen von Cannesausgeschlossen. Auf der Pressekonferenz zu seinem FilmMelancholia hatte von Trier dort zuvor mit Äußerungen, die unter anderem auf ironische Weise vermeintliche Sympathie und Verständnis fürAdolf Hitler bekundeten, einenEklat ausgelöst. Von Trier entschuldigte sich wenig später für seine „falschen“ und „dummen“ Äußerungen.[43] Der Vorfall fand ein internationales Medienecho und führte zu Abbestellungen des FilmsMelancholia seitens israelischer und argentinischer Filmverleiher.[44] Anfang Oktober 2011 wurde von Trier erstmals von der dänischen Polizei wegen seiner umstrittenen Äußerungen vernommen. Ihm drohte nach eigenen Angaben eine Anklage wegen der Verharmlosung vonKriegsverbrechen.[45] Anfang Dezember 2011 wurde die Anklage gegen von Trier jedoch fallengelassen. Die Staatsanwaltschaft äußerte sich dahingehend, dass hinter von Triers Aussagen keine Intentionen zur Verharmlosung von Kriegsverbrechen zu vermuten seien, seine Aussagen seien in erster Linie auf die Stresssituation im Interview zurückzuführen.[46]
Nach dem katastrophalen Ausgang der Cannes-Pressekonferenz verordnete von Trier sich ein mehr als dreijähriges öffentliches Schweigen, das er mit einem großen Interview mit der TageszeitungPolitiken Ende 2014 beendete.[47]
Im Mai 2018 wurde es von Trier erstmals nach sieben Jahren wieder gestattet, an den Filmfestspielen von Cannes teilzunehmen, nachdem er 2011 von den Veranstaltern zurpersona non grata erklärt worden war. Bei dieser neuerlichen Teilnahme stellte er sein WerkThe House That Jack Built außerhalb des Wettbewerbs vor.[48] Mehrere Zuschauer verließen die Vorführung am 15. Mai 2018. Im Film werden „extreme Gewaltszenen“ gezeigt, so die Ermordung von Kindern und das Abschneiden der Brüste einer Frau.[49]
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Dänisch
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