Lanciano
Lanciano | ||
---|---|---|
![]() | ||
Staat | Italien | |
Region | Abruzzen | |
Provinz | Chieti (CH) | |
Koordinaten | 42° 14′ N,14° 23′ O42.23333333333314.383333333333265Koordinaten:42° 14′ 0″ N,14° 23′ 0″ O | |
Höhe | 265 m s.l.m. | |
Fläche | 66 km² | |
Einwohner | 33.915(31. Dez. 2023)[1] | |
Postleitzahl | 66034 | |
Vorwahl | 0872 | |
ISTAT-Nummer | 069046 | |
Bezeichnung der Bewohner | Lancianesi | |
Schutzpatron | Madonna del Ponte | |
Website | Lanciano | |
Blick auf Lanciano |
Lanciano ist eineitalienische Stadtgemeinde derProvinz Chieti (Abruzzen) mit 33.915Einwohnern.
Geografie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Gemeinde erstreckt sich über ca. 66 km².
Die Nachbargemeinden sind:Atessa,Castel Frentano,Fossacesia,Frisa,Mozzagrogna,Orsogna,Paglieta,Poggiofiorito,Rocca San Giovanni,San Vito Chietino,Sant’Eusanio del Sangro undTreglio.
Die Gemeinde liegt rund 50 Kilometer vom Hauptort der Provinz, der StadtChieti und 13 Kilometer von der Adriaküste entfernt.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Lanciano wurde in vorchristlicher Zeit gegründet und gehörte zum Lebensraum derSamniten, die in denSamnitenkriegen von denRömern unterworfen wurden. Die Stadt hieß in derAntikeAnxanum und war nach dem Ende desweströmischen Reiches bis zur Eroberung durch dieLangobarden im 6. Jahrhundertbyzantinisch beherrscht. Seit dem 13. Jahrhundert ist der heutige Name überliefert. Nach einer Legende ist Lanciano der Geburtsort des heiligenLonginus, der in der Stadt von alters her verehrt wird und auch hier gestorben sein soll.
Bischofssitz
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Am 27. April 1515 wurde dasBistum Lanciano durch Papst Leo X. errichtet; 1562 wurde es zumErzbistum erhoben. Bischofskirche (Kathedrale) ist dieBasilica della Madonna del Ponte.
Faschismus
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Nach dem Kriegseintritt Italiens im Juni 1940 errichtete dasfaschistische Regime in Lanciano ein Internierungslager (campo di concentramento) für Frauen. Es befand sich in derVilla Sorge, einem Landhaus unweit vom Ortszentrum. Die ersten Internierten waren „Ausländerinnen aus feindlichen Nationen“, wozu auch jüdische Frauen zählten. Im Februar 1942 kamen die noch im Lager verbliebenen Insassinnen nachPollenza. Damit wurde Lanciano zum Männerlager und nahmJugoslawen aus den von Italien besetzten und annektierten Gebieten auf. Die Lebensbedingungen waren äußerst bescheiden; es gab – bis auf einen Wasserhahn in einem Außenhof – kein fließendes Wasser, die hygienischen Verhältnisse waren entsprechend prekär. Das Gebäude war schlecht isoliert und im Winter nicht ausreichend beheizt. Zahlreiche Insassen wurden strafverlegt, nachdem sie gegen die mangelhafte Qualität der Verpflegung protestiert hatten. Im September 1943 verließen viele Insassen das Lager, das Mitte Oktober endgültig geschlossen wurde.[2]
Im Jahr 2013 wurde die amParco delle Memorie und derVilla Sorge vorbeiführende Straße nach Maria Eisenstein benannt.[3] (Lage) Die aus Wien stammende Frau (geborene Maria Luisa Moldauer, 1914–1994) war eine der Insassinnen des Internierungslagers in derVilla Sorge. Sie überlebte Faschismus und Besatzung und hat in dem Buch „L'internata numero 6“ das Lagerleben ausführlich beschrieben.[3]
Ebenfalls in derVilla Sorge interniert war die aus Köln stammendeSusanne Levinger (1914-2001), die nach ihrer Verlegung nach Pollenza aus dem dortigen Lager fliehen konnte und bis zu ihrem Tod im Jahre 2001 in der Nähe von Lanciano, inSan Vito Marina, wohnte.[4]
Deutsche Besetzung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Am 5. Oktober 1943 kam es nach der Ermordung des WiderstandskämpfersTrentino La Barba zu einem Volksaufstand der Einwohner Lancianos gegen die deutschen Besatzer, die wegen der Hartnäckigkeit des Widerstandes etliche Bataillone und Panzereinheiten zum Einsatz bringen mussten, um diesen zu brechen. Nach denRepressalien der deutschen Truppen, wurde Lanciano Ziel der vorrückenden Alliierten, derenArtillerie die Stadt in Schutt und Asche legte. Nach der Eroberung durch die Alliierten bombardierten deutsche Flugzeuge Lanciano, das zwischen Oktober 1943 und Juni 1944 mehr als 500 Menschenleben verlor. In diesen neun Monaten stellte die Stadt zahlreiche Widerstandskämpfer und Partisanen. Nach dem Krieg wurde die Stadt Lanciano mit einem hohen Orden ausgezeichnet.
Das eucharistische Wunder
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Anfang der 1970er Jahre wurde Lanciano als Schauplatz eineseucharistischen Wunders überregional bekannt, das nachweislich seit dem 17. Jahrhundert hier verortet wird und sich im Frühmittelalter ereignet haben soll. Die Relikte, eine menschliche Herzscheibe ungeklärter Herkunft und mehrere Blutreste, werden in der KircheSan Francesco, der Klosterkirche derMinoriten an derPiazza Plebiscito ausgestellt, in der sich eine 1902 angebaute Verehrungsstätte für das Wunder (Santuario del Miracolo Eucaristico) befindet.
Denkmal zu Ehren der ermordeten Sinti und Roma
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im Oktober 2018 wurde imParco delle Memorie an derVia Maria Eisenstein ein Denkmal zur Erinnerung an den Völkermard an den Roma und Sinti während der Zeit des Faschismus und der deutschen Besatzung eingeweiht. Am Fuße des Denkmals ist das GedichtAuschwitz vonSantino Spinelli eingraviert, das auch Bestandteil des 2012 in Berlin eingeweihtenDenkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas ist. Lanciano war damit die erste Stadt Italiens und die zweite in Europa nach Berlin, die ein Denkmal zur Erinnerung an die Vernichtung der Roma und Sinti errichtet hat.[5]
Kulinarische Spezialitäten
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In der Gemeinde werden Reben derSorteMontepulciano für denDOC-WeinMontepulciano d’Abruzzo angebaut.
Lanciano ist ein Zentrum der Herstellung einer bekannten abruzzischen Spezialität, desbocconotto (wörtlich „Happen“), einFeingebäck aus gefülltem Mürbeteig. Es gibt sehr traditionelleKonditoreien, die ausschließlichbocconotti nach geheimen Hausrezepten herstellen.
Städtepartnerschaften
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Partnerstädte von Lanciano sindBerazategui (Argentinien),Qala (Malta),Vaughan (Ontario) (Kanada),Visegrád (Ungarn) undRiedenburg (Deutschland).[6]
Persönlichkeiten
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Giulio Cesare Polerio (1548–1612), Schachspieler und Autor
- Fedele Fenaroli (1730–1818), Komponist und Musikpädagoge
- Enzio d’Antonio (1925–2019), römisch-katholischer Bischof
- Franco Morone (* 1956), Gitarrist, Musiklehrer, Komponist und Arrangeur
- Luna De Rosa (* 1991), Romni-Aktivistin und Konzeptkünstlerin
- Federica Di Criscio (* 1993), Fußballspielerin
Sehenswürdigkeiten
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Für die Gedenkstätten in Lanciano zur Zeit des Weltkriegs siehe:Gedenkorte Europa 1939–1945: Lanciano (Weblinks).
- Ponte Diocleziano
- Torre Campanaria und Rathaus
- Basilica di Santa Maria del Ponte
- Piazza Plebiscito
- KircheS. Maria Maggiore (Campanile)
- KircheS. Maria Maggiore (Hauptportal)
- Torri Montanare
- Fontana di Civitanova
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Christian Hülsen: Anxanum 1. In:Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 2652.
- Maria Eisenstein:L’internata numero 6. Mimesis, Milano 2014,ISBN 978-88-575-2824-3. In dem Buch berichtet Maria Eisenstein von ihrer Haft im Lager Lanciano. In Lanciano erinnert seit 2013 die amParco delle Memorie vorbeiführendeVia Maria Eisenstein an sie und an das Schicksal der Internierten.
- Gianni Orecchioni:I sassi e le ombre. Storie di internamento e di confino nell'Italia fascista: Lanciano 1940–1943. Edizioni di storia e letteratura, Roma 2006,ISBN 88-8498-290-1.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Gedenkorte Europa 1939–1945: Lanciano
- Atlante delle Stragi Naziste e Faciste in Italia: Lanciano, 5-6.10.1943. Die Webseite basiert auf dem Abschlussbericht einer deutsch-italienischen Historikerkommission vom Dezember 2012. Viele Dokumente, so auch der Text über Lanciano, werden allerdings nur in italienischer Sprache wiedergegeben.
- I Campi Fascisti: Campo di Concentramento Lanciano. Die Seite enthält Dokumente und Verweise auf weiterführende Literatur.
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Bilancio demografico e popolazione residente per sesso al 31 dicembre 2023. ISTAT. Abgerufen am 18. März 2025 (Bevölkerungsstatistiken desIstituto Nazionale di Statistica, Stand 31. Dezember 2023).
- ↑Carlo Spartaco Capogreco, I campi del duce. L’internamento civile nell’Italia fascista (1940-1943), Torino 2004 (Einaudi), S. 217–219;Klaus Voigt,Zuflucht auf Widerruf. Exil in Italien 1933-1945 (Band 2), Stuttgart 1993 (Klett-Cotta), S. 61–63
- ↑abGedenkorte Europa 1939–1945: Lanciano. Google-Maps kennt diese Straße zwischen der Via Belvedere und der Via Giovanni Petragnani nicht, obwohl sie bereits seit 2013 diesen Namen trägt.
- ↑Über ihr Schicksal schreibt Gianni Orecchioni in seinem BuchI sassi e le ombre, auf dem auch der Dokumentarfilm „Susanne Lewinger, una vita nel novecento“ von Alberto Gagliardo basiert. (Susanne Lewinger, ein Leben im zwanzigsten Jahrhundert) Zu weiteren Internierungsdaten von Susanne Levinger und anderen siehe auch:Susanne Lewinger in der Datenbank „Ebrei stranieri internati in Italia durante il periodo bellico“
- ↑Comune di Lanciano: 75° anniversario della Rivolta Lancianese del 5-6 ottobre 1943, PROGRAMMA 2018, 01 Ottobre 2018
- ↑www.comuni-italiani.it