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Kontinentalwestgermanisches Dialektkontinuum

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Der Begriffkontinentalwestgermanisches Dialektkontinuum bezeichnet ein nur noch in Teilen intaktesinnerwestgermanischesDialektkontinuum inMittel- undWesteuropa. Es umfasst (bzw. umfasste) die dort in einem zusammenhängenden Gebiet gesprochenenoberdeutschen,mitteldeutschen,niederdeutschen,westfriesischen undniederfränkischenDialekte, die heute einer derstandardisiertenDachsprachenDeutsch,Niederländisch,Westfriesisch undLuxemburgisch zugerechnet werden.

Die folgenreichste Veränderung, die das kontinental-westgermanische Dialektkontinuum erfahren hat, war die Verschmelzung des niederdeutschen und des hochdeutschen Gebiets zu einem einzigen deutschen Sprachraum – nicht so sehr durch eine Veränderung der gesprochenen Sprachgewohnheiten der Beteiligten, sondern vielmehr durch die allmähliche „Überdachung“ des niederdeutschen Gebiets durch die sich entwickelnde (hoch)deutsche Standardsprache ab dem 15. Jahrhundert und den damit einhergehenden Verlust der Standardsprachenfunktion des Niederdeutschen.[1]

Der zunehmende Bildungsgrad weiter Teile der Bevölkerung im 19. Jahrhundert und die damit verbundene Verbreitung und Verwendung der Standardsprachen in allen Bevölkerungsschichten spaltete das Dialektkontinuum, das heute nur noch teilweise und in unterschiedlichen Stadien des Verfalls erhalten geblieben ist.[2][3]

Begrenzung

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Das Dialektkontinuum wird im Norden durch dasDänische, im Osten durch dasPolnische, dasTschechische und dasSlowakische, im Südosten durch dasUngarische undSlowenische, im Süden durch dasItalienische undRätoromanische sowie im Südwesten und Westen durch dasFranzösische begrenzt. Häufig an diesen Grenzen sind Orte, an denen sowohl deutsche oder niederländische Dialekte als auch Dialekte dieser Sprachen gesprochen werden.

Beschreibung

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Kontinentalwestgermanisches Dialektkontinuum um 1900 (nachPeter Wiesinger &König[4][5][6][7]) mit den folgenden dialektalen Großgruppen:
  • Friesisch
  • 6.Westfriesisch (westfriesische Dachsprache)
    7.Saterländisch
    8.Nordfriesisch
  • Niederdeutsch
  • Ehemalige deutsche Sprachgebiete in Ostmitteleuropa: seit 1945/50 praktisch nicht mehr existent
  • Das kontinentalwestgermanische Dialektkontinuum reicht vomSchleswigschen (Nord-Niedersächsischen) im äußersten Norden bis zumHöchstalemannischen im äußersten Südwesten undSüdbairischen im äußersten Südosten, vomWestflämischen im äußersten Westen bis zur deutsch-polnischen bzw. deutsch-tschechischen Sprachgrenze im Osten.

    Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die historischen Dialektübergänge innerhalb des Kontinuums oft als „fließend“ oder „kaum wahrnehmbar“ beschrieben, doch war dies selten tatsächlich der Fall. Innerhalb des Dialektkontinuums existierten verschiedene Übergänge, die zwar im Hinblick auf die gegenseitige Verständlichkeit kaum eine Rolle spielten, für die betroffenen Dialektsprecher jedoch sehr wohl spürbar waren – ein Phänomen, das auch in den noch erhaltenen Teilen des Kontinuums weiterhin beobachtbar ist. Darüber hinaus variiert die Stärke der Dialektübergänge und ist sie nicht omnidirektional, wodurch die gedachten Linien zwischen Dialektgruppen selten gerade verlaufen. Üblicherweise aber, können Dialektsprecher die Dialekte ihrer nahen Nachbarn in angemessenem Umfang verstehen.

    Die relativ kleinen Unterschiede von einer Ortsmundart zur nächsten summieren sich und führen letztlich dazu, dass ein Dialektsprecher ausFlensburg den Dialektsprecher ausBern oderBozen nicht oder nur schwer verstünde – und umgekehrt, verfügten beide nicht über Deutsch als überregionale gemeinsameStandardsprache. Bei Dialektsprechern ausAntwerpen (Geltungsbereich der niederländischen Standardsprache) undWien (Geltungsbereich der deutschen Standardsprache) fehlt eine gemeinsame Dach- bzw. Standardsprache, die direkt zur Überwindung von Verständigungsschwierigkeiten beitragen könnte. Das deutsch-niederländische Dialektkontinuum erstreckt sich über die heutigen Geltungsbereiche zweier Standardsprachen – den des Deutschen in Deutschland, Ostbelgien, der Deutschschweiz, Österreich, Liechtenstein und Südtirol in Italien und den desNiederländischen in denNiederlanden und der belgischen RegionFlandern. Hinzu kommen dasalemannische,rheinfränkische undmoselfränkische Dialektgebiet imElsass und nordöstlichenLothringen sowie das westflämische Dialektgebiet umDünkirchen, wo dasFranzösische alsAmtssprache gilt und die niederländische Standardsprache nur eingeschränkt verbreitet ist, sowie das moselfränkische Dialektgebiet inLuxemburg, wo neben der deutschen Standardsprache auch dasLuxemburgische einige Funktionen einer Standardsprache ausfüllt. Die Grenzen der Dialektgruppen stimmen dabei nicht mit den Verbreitungsgebieten der beiden großen Standardsprachen, die weitgehend von den politischen Grenzen bestimmt sind, überein. Das Niedersächsische,Niederfränkische undRipuarische werden jeweils beiderseits der deutsch-niederländischen Staatsgrenze gesprochen, die die Verbreitungsgebiete der Standardsprachen trennt.

    Der GermanistJan Goossens beschrieb, dass dieniederländischen Dialekte immer deutscher würden, je näher sich diese der südöstlichen Staatsgrenze näherten. Desgleichen würdendeutsche Dialekte immer niederländischer, wenn diese sich in nordwestlicher Richtung bewegten und auf die niederländische Staatsgrenze zuliefen.[2] Daher zeigten „ostsassische“ Dialekte, die in Teilen der ProvinzenGelderland (Achterhoek) undOverijssel (Twente) gesprochen würden, mehrheitlich sprachliche Kennzeichen des benachbartenwestfälischen Niederdeutsch. Derweil würden die „westsassischen Dialekte“ bereits „in mancher Hinsicht“ Gemeinsamkeiten mit den in Holland oder Brabant gesprochenen Dialekten aufweisen.[8]

    Während bis ins 19. Jahrhundert sowohl das Niederländische als auch das Deutsche bei der ländlichen Bevölkerung reine Buchsprachen waren (nach der Schrift sprachen nur wenige von ihnen), war die Alltagssprache traditionell der jeweilige Dialekt. So sprachen die Bauern, aber auch die Städter aus Deutschland, – sofern sie nicht der niederländischen Sprache mächtig waren –, mit ihren niederländischen Nachbarn auf Platt. So schreibt beispielsweise der GermanistPeter von Polenz:

    „Im 18. Jh. herrschte noch viel Liberalität beim Neben- und Übereinander verschiedener Sprachen. Bei Fortdauer niederdeutscher Grundsprache im mündlichen Verkehr wurden die Schriftsprachen Hochdeutsch und Niederländisch je nach Empfänger(kreis) und Sachdomäne abwechselnd verwendet, selbst noch […] im oberen Gelderland, wobei auch beide Kirchen das Niederländische gegen preußische Verhochdeutschung in Gottesdienst und Schule stützten. […] [B]is schließlich um 1860 die Schriftsprachgrenzen genau der Staatsgrenzen verliefen. […] Aus den Rhein-Maasländern sind Belgier, Deutsche und Niederländer geworden, deren Erinnerung an die 1500-jährige gemeinsame Sprache und Geschichte verblaßt sind.“

    Peter von Polenz: „Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart“, Bd. III: 19. und 20. Jahrhundert, S. 121.

    Innerhalb der vergleichenden Sprachwissenschaft (Germanistik/Nederlandistik) ist umstritten, inwiefern sich das bis in die 1960er Jahre intakte Dialektkontinuum an der deutsch-niederländischen Staatsgrenze infolge desSpracheinflusses der jeweiligenKultursprachenDeutsch und Niederländisch aufgelöst hat. Bis zumZweiten Weltkrieg war es der Grenzbevölkerung beiderseits der Grenze durchaus möglich, mündlich miteinander im Dialekt zu kommunizieren.

    Nach 1945, insbesondere seit den 1960er Jahren ist dort die Tendenz zu beobachten, wie sich die jeweiligen Dialekte an der entsprechenden Hoch- undStandardsprache (gefördert durchRundfunk,Fernsehen usw.) ausrichten und orientieren, sodass die Grenzbevölkerung nun nicht mehr ohne größere Schwierigkeiten im jeweiligen Dialekt miteinander kommunizieren kann. Eine diesbezügliche niederländische Studie, im Rahmen einer Dissertation von 2008, des grenzüberschreitendenkleverländischen Dialektgebietes kam zu dem Schluss, dass sich die Dialekte beiderseits der Staatsgrenze, soweit sie denn noch bestehen, unter dem stärker werdenden Einfluss der jeweiligen Dachsprachen auseinanderentwickelt und im (kleverländischen) Dialektraum auch zu einer dialektalen Sprachgrenze geführt haben.[9][10][11] Heute vertritt nur noch eine Minderheit der Germanisten die Auffassung, dass das Dialektkontinuum an der deutsch-niederländischen Staatsgrenze weiterhin grenzübergreifend besteht,[12][13] indes Jan Goossens bereits 1970 feststellte, dass die deutsch-niederländische Staatsgrenze de facto auch die Dialektgrenze zwischen niederländischen und deutschen Dialekten darstelle.[14]

    Eine ähnliche Entwicklung, wie die, die das Niederländische durchlaufen hat, vollzog sich bereits in den 1930er Jahren in Luxemburg und derdeutschsprachigen Schweiz. Dort wurde nach dernationalsozialistischenMachtergreifung (1933) im Zuge der nationalen Selbstfindung der Luxemburger und Deutschschweizer die jeweilige Mundart ausgebaut. In Luxemburg gilt diese seit 1980 als eine der amtlichen Arbeitssprachen und als Nationalsprache derautochthonen germanischstämmigen Bevölkerung. In der Schweiz und in Luxemburg empfinden einige der Einwohner, die als Muttersprache einen germanischen Dialekt sprechen, das Hochdeutsche inzwischen alsFremdsprache.

    Siehe auch

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    Literatur

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    Einzelnachweise

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    1. Maarten van den Toorn, Wil Pijnenburg, Arjan van Leuvensteijn und Joop van der Horst (hrsg.):Geschiedenis van de Nederlandse taal, Amsterdam University Press, Amsterdam, 1997, S. 149–150.
    2. abJan Goossens:Deutsche Dialektologie, Kapitel „Deutsche Dialektologie“. De Gruyter 1977 (Sammlung Göschen),ISBN 3-11-007203-3, S. 48.
    3. C. Hoppenbrouwers, G. Hoppenbrouwers:De indeling van de Nederlandse streektalen: dialecten van 156 steden en dorpen geklasseerd volgens de FFM. Uitgeverij Van Gorcum, Assen 2001, S. 56–60.
    4. W. Heeringa:Measuring Dialect Pronunciation Differences using Levenshtein Distance. (Reihe:Groningen Dissertations in Linguistics 46.) Dissertation. University of Groningen, 2004, S. 232–234. ([1])
    5. P. Wiesinger:Die Einteilung der deutschen Dialekte. In:Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. Berlin / New York, S. 807–900.
    6. W. König:dtv-Atlas Deutsche Sprache. München 2019, S. 230.
    7. C. Giesbers:Dialecten op de grens van twee talen: een dialectologisch en sociolinguïstisch onderzoek in het Kleverlands dialectgebied. Dissertation. Radboud Universiteit Nijmegen, 2008, S. 233. ([2])
    8. Jan Goossens:Niederländische Mundarten – vom Deutschen aus gesehen. In:Niederdeutsches Wort. Kleine Beiträge zur niederdeutschen Mundart- und Namenkunde, Bd. 10. Verlag Aschendorff, Münster 1970, S. 78.
    9. C. Giesbers (2008), S. 187.
    10. Halyna Leontiy:Multikulturelles Deutschland im Sprachvergleich: das Deutsche im Fokus der meist verbreiteten Migrantensprachen. S. 28 (Google Books, abgerufen am 15. November 2018).
    11. Britta Weimann:Vielfalt der Sprachen – Varianz der Perspektiven: Zur Geschichte und Gegenwart der Luxemburger Gegenwart. S. 258 (Google Books, abgerufen am 28. November 2018).
    12. Heinz Drügh, Susanne Komfort-Hein, Andreas Kraß, Cécile Meier, Gabriele Rohowski, Robert Seidel, Helmut Weiss (Hrsg.):Germanistik: Sprachwissenschaft – Literaturwissenschaft – Schlüsselkompetenzen. Eintrag „Westgermanisch“, S. 126 (Google Books, abgerufen am 15. November 2018).
    13. Ralf Pörings, Ulrich Schmitz (Hrsg.):Sprache und Sprachwissenschaft: eine kognitiv orientierte Einführung. S. 247 (Google Books).
    14. Jan Goossens:Niederländische Mundarten – vom Deutschen aus gesehen. In:Niederdeutsches Wort. Kleine Beiträge zur niederdeutschen Mundart- und Namenskunde, Bd. 10. Verlag Aschendorff, Münster 1970, S. 63.
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