DerKonservatismus in den Vereinigten Staaten ist einepolitische und sozialeWeltanschauung, welche im Allgemeinen die individuelle Freiheit im Rahmen der amerikanischen traditionellen Werte als das grundlegende Merkmal der Demokratie ansieht.[1] Diese Perspektive steht im Gegensatz zu den modernenLiberalen, die in den USA meist einen höheren Wert auf Gleichheit und soziale Gerechtigkeit legen und die Notwendigkeit staatlicher Interventionen betonen, um diese Ziele zu erreichen.[2] Es gibt Konservative heute vorwiegend in derRepublikanischen Partei, aber auch in derDemokratischen Partei.
Der amerikanische Konservatismus ist durch eine Reihe von heterogenen Einstellungen gekennzeichnet: Respekt voramerikanischen Traditionen,Republikanismus,Individualismus, Machtbegrenzung, Unterstützungchristlicher Werte,[3]moralischer Universalismus,[4] Eintreten fürMarktwirtschaft (Pro-Business); weiter können dazu gehören Dezentralismus, Opposition gegenGewerkschaften, Eintreten fürstarke nationale Verteidigung,Freihandel,[5]Antikommunismus,[6] Befürwortung desamerikanischen Exzeptionalismus[7] und Verteidigung der westlichen Kultur vor den vermeintlichen Bedrohungen durchKommunismus,Sozialismus undmoralischen Relativismus.[8] Nicht alle diese Einstellungen harmonieren miteinander[9] (schwacher Staat vs. starker Staat, Freihandel vs.Protektionismus). Es waren grob drei Strömungen, die im 20. Jahrhundert im Konservatismus zusammenfanden:Libertäre (politisch und wirtschaftlich), an traditionellen Werten orientierte Christen,Antikommunisten. Hinzu ist derNeokonservatismus gekommen, der eine vorwiegend intellektuelle Strömung (neocons) seit den 1980er Jahren geworden ist. Ihm entgegen trat derPaläokonservatismus, der an die ältere Zeit der 1930er Jahre anknüpft und sich seit der Jahrtausendwende für einen Protektionismus und eine defensivere Außenpolitik mit geringeren Kosten eintritt. PräsidentTrump verfolgte dies teilweise.

Amerikanische Konservative befürworten eine Begrenzung der Zuständigkeit der Regierung und ein Gleichgewicht zwischen der nationalen Regierung, der Justiz und den Rechten der Bundesstaaten.[10] Sie neigen gleichzeitig dazu, in den Bereichen starke Maßnahmen zu bevorzugen, von denen sie glauben, dass sie in der legitimen Zuständigkeit der Regierung liegen, insbesondere in der nationalen Verteidigung und Strafverfolgung. Sie setzen sich oft für die Todesstrafe, gegen die Abtreibung undSterbehilfe, für das christliche Gebet an öffentlichen Schulen und die staatliche Finanzierung von privaten christlichen Schulen ein.[11][12]
Gesellschaftliche Unterstützung kommt von einer Reihe von Organisationen:Veteranenverbände wie dieAmerikanische Legion seit den 1920er Jahren,fundamentalistische Kirchen in derChristliche Rechten[13] sowie zahlreiche akademischeThink Tanks, die je nach Stifter und Sponsoren diverse konservative Ziele verfolgen, so die libertären StiftungenMises Institute,Ayn Rand Institute,Cato Institute. DasFamily Research Council vertritt sozialkonservative Positionen in der Familien- und Sexualpolitik.
Konservative Think Tanks spielen auch seit den frühen 1990er Jahren eine sehr wichtige Rolle bei der organisiertenKlimawandelleugnung und der Produktion und Verbreitung von Falschinformationen zur menschengemachtenglobalen Erwärmung. Auch wenn diese Think Tanks Organisationen sind, die eine klare politische Agenda verfolgen, stellen sie sich selbst als (alternative) wissenschaftliche Organisationen dar und ihre Mitglieder und Sprecher als neutrale und unvoreingenommene Experten. Sie verbreiten große Mengen an Publikationen mit Informationsmaterial für Klimaleugner und verfügen direkt oder über ihre Mitglieder und angeschlossenen Sprecher über große Glaubwürdigkeit in den Medien und in politischen Kreisen. Die Klimawandelleugnung wird dabei sowohl von großen, thematisch breiter aufgestellten Think Tanks wie unter anderem derHeritage Foundation, derHoover Institution oder demCompetitive Enterprise Institute betrieben als auch von kleineren Organisationen, die sich dezidiert auf das Thema Klimawandel spezialisiert haben wie z. B. dasHeartland Institute oder dasGeorge C. Marshall Institute.[14]
Weitere Think Tanks sind:
Wie die meisten amerikanischenpolitischen Weltanschauungen stammt der Konservatismus aus dem Republikanismus, der diearistokratische undmonarchische Regierung ablehnte und die Grundsätze der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten bestätigte („… that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the Pursuit of Happiness“). Die konservative Philosophie leitet sich zum Teil auch aus der klassischenliberalen Tradition des 18. und 19. Jahrhunderts ab, das sich für dieLaissez-Faire-Ökonomie einsetzte.[15][16]
Historiker wiePatrick Allitt und politische Theoretiker wieRussell Kirk stellen fest, konservative Prinzipien hätten bereits seit 1776 eine wichtige Rolle in deramerikanischen Politik und Kultur gespielt. Als konservative Gründungsväter sieht der HistorikerPeter Viereck vor allemAlexander Hamilton,John Adams und ihreFederalist Party, die eine „natural aristocracy“ angestrebt hätten, „based on property, education, family status, and sense of ethical responsibility. ... Their motive was liberty itself.“[17] Auch die lebenslang amtierenden Richter amSupreme Court wieJohn Marshall undJoseph Story verteidigten die Eigentumsrechte ausnaturrechtlicher Sicht. Doch gab es keineConservative Party wie die britischenTories.
Im 19. Jahrhundert zeigten sich zwei innenpolitische Herausforderungen, die populistischeJacksonian Democracy ab 1829 und dieSklaverei in den Vereinigten Staaten, die vorwiegend dieSüdstaaten prägte. Der egalitäre Antizentralismus und die antikapitalistische Ablehnung wirtschaftlichem Wandelsbei Andrew Jackson und seiner neuenDemokratischen Partei wiesen dabei konservative Züge auf, doch die Ausdehnung des Wahlrechts auf alle weißen Männer ab 21 Jahren auch ohne Grundbesitz war das Gegenteil davon. DerAbolitionismus erfasste vor allem die Nordstaaten und führte zur Gründung der Republikaner unterAbraham Lincoln. Nach demSezessionskrieg wurden die Südstaaten gezwungen, die Sklaverei aufzugeben. In der Ära derReconstruction mussten sie sich anpassen, entwickelten aber eine eigene widerspenstige politische Kultur, die im Süden bei der Demokratischen Partei (Bourbon-Demokraten) angesiedelt war und zumindest dieRassentrennung aufrechterhielt (Jim-Crow-Gesetze 1876). Der einzige demokratische Präsident imGilded Age,Steven G. Cleveland, glaubte an Selbstregulierung der Gesellschaft und die Dezentralisierung. Im Norden dagegen integrierten die Demokraten zunehmend die auf soziale Reformen orientierteArbeiterbewegung, sodass hier die Konservativen eher Republikaner waren, die aber 1901 mitTheodore Roosevelt einen Reformer und Interventionisten an die Spitze stellten. Insofern wiesen beide großen Parteien je zwei konträre Flügel auf.
In derAußenpolitik waren sowohl die gegen Europa gerichteteMonroe-Doktrin 1823, der Eintritt in denImperialismus mit der Koloniennahme 1898 nach demAmerikanisch-Spanischen Krieg als auch der Eintritt in den Ersten Weltkrieg 1917 mit derWehrpflicht und dem globalen Engagement (PräsidentWilson „to make the world safe for democracy“) Streitfragen zwischen den Lagern.
In den 1920er Jahren dominierten die Republikaner mit einerLaissez-faire-Wirtschaftspolitik. Soziale Absicherung sollte privat betrieben werden, um so die staatlichen Ausgaben auf ein Minimum begrenzen zu können. Weite Teile der Bevölkerung unterstützten diesen Kurs.
Konservative Republikaner undSüdstaatendemokraten bildeten 1937 zusammen ein konservatives informelles Bündnis des Kongresses, dieKonservative Koalition, die mindestens bis 1960 eine wichtige gesetzgeberische Rolle spielte. Dabei zunächst spielte das Unbehagen anRoosevelts interventionistischer Politik desNew Deal eine Rolle. Konkreter Anlass war Roosevelts Vorschlag, für denSupreme Court sieben neue demokratisch-liberale Richter zu ernennen.[19]
Roosevelts NachfolgerHarry S. Truman (1945–1953) hatte wiederum die Konservative Koalition gegen sich. 1946 verloren die Demokraten ihre Mehrheit an die Republikaner, die Trumans Vorschläge zur Ausweitung des Sozialstaates und der Gewerkschaftsrechte blockierten. Die meisten Südstaatendemokraten misstrauten dem Präsidenten. Als dieser 1948 perErlass dieRassentrennung in den Streitkräften aufhob, weckte es den offenen Widerstand des konservativen Parteiflügels aus den Südstaaten. Dieser Flügel stellte für diePräsidentschaftswahl 1948 einen eignen Kandidaten,Strom Thurmond, auf, doch gewann Truman am Ende die Wahlen. Unter dem republikanischen NachfolgerEisenhower wurde derCivil Rights Act of 1957 verabschiedet, allerdings auf Einfluss der Südstaatler so weit abgeschwächt, dass er wenig erreichte. Aus Protest gegen den Präsidenten und den Supreme Court, der die Rassentrennung in Schulen aufgehoben hatte, unterzeichneten fast alle Demokraten aus den Südstaaten dasSouthern Manifesto, mit dem die Rassenpolitik als zentralistischer Eingriff in die Rechte der Einzelstaaten kritisiert wurde.[20][21][22]
Eine organisierte konservative Bewegung mit Überzeugungen, die sich von denen anderer amerikanischer politischer Parteien unterscheiden, ist erst in den 1950er Jahren in den Vereinigten Staaten aufgekommen. Ihr Zentrum war die ZeitschriftNational Review umWilliam Buckley. Benannt nach dem Heimatort von W. Buckley, drückte dasSharon Statement 1960 mit 400 Wörtern den Kern konservativen Denkens und des Fusionismus vonFrank Meyer aus, der die verschiedenen und lange auseinander strebenden Strömungen vereinte: Individuelle Freiheit, Gottesbezug, politische und wirtschaftliche Freiheit, beschränkte Regierungsmacht, Marktwirtschaft, Niederwerfung des Kommunismus. Es gilt als Gründungsdokument des modernen Konservatismus in den USA:[23]
Die als Anti-Sklaverei-Bewegung gegründeteRepublikanische Partei verfolgte seit den 1950er Jahren eine konservative Politik gegen die Demokraten.[24] In den 1960er Jahren vertrat der libertäre SenatorBarry Goldwater das Misstrauen gegen die großen Sozialprogramme (Great Society) von Kennedy und Johnson. Als die Demokraten nach 1968 die Ergebnisse der kulturellen Revolution und Normenauflösung in der Jugend zunehmend akzeptierten, ihr Antikommunismus nachließ und die ethnischen Minderheiten und lateinamerikanischeImmigranten ihre Rechte einforderten, entstand dagegen eine Gegenströmung in den agrarisch orientierten Staaten und bei der weißen gut bezahlten Arbeiterschaft, deren traditionelle Industriearbeitsplätze (Kohle und Stahl) infolge der Industriekrise bedroht wurden. Bei denMiddle American Radicals (MARS) wuchs die Entfremdung von den Demokraten.[25][26] Enttäuschte Linke wie der SoziologeIrving Kristol forderten einen effizienteren Umgang mit den Finanzen, er gründete 1985 die ZeitschriftThe National Interest. Hinzu trat der Eindruck verlorener außenpolitischer und militärischer Stärke. Der überwältigende WahlerfolgRonald Reagans 1980 stand für einen konservativen Triumph, der bis 1992 andauerte. Doch gab es trotz Einschränkungen keinen sozialpolitischen Kahlschlag, wirtschaftspolitisch setzteReagonomics auf Steuersenkungen für die Ober- und Mittelschicht, dasHaushaltsdefizit stieg auch deshalb in die Höhe, dieStaatsverschuldung stieg in den 1980er Jahren von 30 % auf 50 % des BSP.[27]
Durch die immense und kostspielige Aufrüstung wurde der Kalte Krieg schließlich gewonnen. Danach fehlte das kommunistische Feindbild, die Konservativen zersplitterten sich in Fraktionen: Immer stärker wurden die evangelikalenFundamentalisten, dann entstand eine Abwehr gegen denIslamfaschismus besonders nach denTerroranschlägen am 11. September 2001. Stets wichtiger wurde auch der privateWaffenbesitz, den die Konservativen aus der imzweiten Zusatzartikel zur Verfassung zugesicherten Freiheit ableiten, sowie dieAnti-Abtreibungs-Bewegung. Die offenkundigen Mängel im öffentlichenBildungssystem sollen durch Privatisierung gelöst werden, etwa durch dasSchool-Choice-Programm. DieTea-Party-Bewegung entstand vor allem gegen die Sozialpolitik (Obamacare) der Obama-Regierung; ihr Haupt, die GouverneurinSarah Palin, konnte sich aber 2022 (zweimal) nicht inAlaska für den Kongress durchsetzen. DerTrumpismus ist der jüngste Zweig konservativen Denkens in den USA. TrumpsPopulismus und Anti-Elitismus zogen dabei einerseits neue Wähler an, stellte aber viele republikanische Traditionen im innerparteilichen Umgang miteinander infrage. DerSturm auf das Kapitol 2021 verstieß gegen alle Tradition.
Verschiedene Autoren drückten im 19. und frühem 20. Jahrhundert das konservative Lebensgefühl in ihren Werken aus. Es geht oft um herausragende Individuen, gegen die Vermassung oder Verflachung in der Bildung, den technischen Fortschritt oder die schöne Erinnerung an das Lebensgefühl im agrarischen Süden.