Konfessionslosigkeit (auchKonfessionsfreiheit) bezeichnet, dass eine Person keinerKonfession angehört. Gelegentlich wird auchohneBekenntnis (o. B.) gebraucht. Im westlichen und mittleren Europa wurde der Status der Konfessionslosigkeit im 19. Jahrhundert in das Rechtssystem eingeführt.
Der Begriff Konfession (lateinischconfessio ‚Geständnis‘, ‚Bekenntnis‘) bezeichnet im heutigen Sprachgebrauch eine Untergruppe innerhalb einerReligion (ursprünglich nur derchristlichen), die sich in Lehre, Organisation oder Praxis von anderen Untergruppen unterscheidet. Mittlerweile spricht man teils auch vonislamischer[1] oderjüdischer Konfession.
Konfessionslosigkeit im Sinne von Religionslosigkeit
Organisationen wie derHumanistische Verband Deutschlands oder dieGiordano-Bruno-Stiftung bevorzugen den Begriff „konfessionsfrei“ gegenüber „konfessionslos“, da die Endung „-los“ das Fehlen von etwas ausdrücke, aber keine Konfession zu haben kein Mangel sei.[2][3][4]
Konfessionslosigkeit im Sinne von Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft
Mitunter wird der BegriffKonfessionslosigkeit für die äußere Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft gebraucht. Dazu zählen neben den oben genannten Religionslosen jedoch auch Menschen, die zwar keinerGlaubensgemeinschaft angehören, sich aber dennoch nicht als religionslos ansehen. Dies inkludiert (vor allem) ehemalige Mitglieder von Religionsgemeinschaften, welche die jeweiligen Institutionen ablehnen, diverseesoterische Strömungen oder generell eine sogenannteSpiritualität ohne Religion.
In derZeit des Nationalsozialismus wurde durch Erlass desReichsinnenministeriums vom 26. November 1936 auf den Melde- und Personalbögen derEinwohnermeldeämter sowie den Personalpapieren der Begriff „gottgläubig“ eingeführt. Als „gottgläubig“ galt, wer sich von den bestehenden Konfessionen abgewandt hatte, jedoch nicht glaubenslos war.
„Personen, die weder einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft noch einer staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft angehören, gelten als Personen ohne Bekenntnis (o.B.).“
Das heißt, dass man dem österreichischen Staat gegenüber rein rechtlich sogar dann als „ohne Bekenntnis“ gilt, wenn man Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist, die sich (nur) in Form eines Vereins konstituiert hat. Dennoch gewährleistet das österreichische Staatsgrundgesetz jeder natürlichen Person die volleGlaubens- undGewissensfreiheit: „Alle Einwohner Österreichs haben das Recht, öffentlich oder privat jede ArtGlauben, Religion oder Bekenntnis frei zu üben, sofern deren Übung nicht mit der öffentlichen Ordnung oder mit den guten Sitten unvereinbar ist.“[6]
Laut einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Insa aus dem Jahr 2013 war sich nur etwa ein Drittel der Konfessionslosen in Deutschland sicher, dass es keinenGott gebe. Viele Konfessionslose glauben laut dieser Umfrage „an irgendeinen Gott“, rund 16 % beschäftigen sich sogar intensiv mit der Gottesfrage.[7] Eine Umfrage aus dem Jahr 2014 in derSchweiz brachte ähnliche Ergebnisse. Unter den Konfessionslosen betrachteten sich rund 32 % als atheistisch. 31 % glauben an eine „höhere Macht“, 25 % sind agnostisch und 11 % glauben an eineneinzigen Gott.[8]
Der BegriffKonfessionslosigkeit steht in der Kritik, da er einen Mangel impliziere, ähnlich wie in „mittellos“, „wohnungslos“, „heimatlos“ und so weiter und somit einen negativen Eindruck hinterlasse. Menschen, die Religionen ablehnen, verwenden daher häufig den Begriffkonfessionsfrei.[9]
Seit 2008 gibt es den deutschenZentralrat der Konfessionsfreien (bis September 2021Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) e. V.), ein Zusammenschluss säkularer Organisationen in Deutschland, der sich als Interessenvertretung der Konfessionsfreien in Deutschland versteht.[11] Allerdings haben die verschiedenen Einzelverbände einen relativ geringen Mitgliederanteil.[12]
Die Mehrheit der Konfessionslosen in Deutschland gehört keiner einschlägigen Organisation an.
Bevölkerungsanteile
InDeutschland wird dieKonfession vonArbeitnehmern zur Ermittlung der zu erhebendenKirchensteuer staatlich erfasst. Außerdem gehört die Konfession zu den demografischen Merkmalen, die im Rahmen empirischer Untersuchungen (z. B. bei einerVolkszählung) erfragt werden. 1970 wurde vomStatistischen Bundesamt die Zahl von 3,9 % Konfessionslosen in der Bundesrepublik Deutschland ermittelt (evangelisch 49 %, römisch-katholisch 44,6 %, muslimisch 1,3 %). Nach derForschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland stieg der Anteil der Bevölkerung ohne Konfession bis 1987 auf 11,4 %. Im Gefolge der Wiedervereinigung stieg der Anteil im vereinigten Deutschland auf 22,4 %. Der Anteil der Menschen ohne Konfession in den neuen Bundesländern war signifikant höher, da dort – je nach Statistik – zwischen 65 % und 80 % der Bevölkerung keiner Konfession angehören. Ursächlich für diesen hohen Wert war die atheistische Ausrichtung derDDR, die bekennendeChristen zurFlucht und andere zum Kirchenaustritt motivierte.Von 32,3 % im Jahr 2004 stieg der Anteil der Konfessionslosen auf 36,6 % im Jahr 2013 und auf 37,8 % im Jahr 2018 an.[13][14][15] 2021 waren weniger als die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands Mitglied der katholischen oder evangelischen Kirche. Mit 639.000 Kirchenaustritten hatten diese 2021 einen neuen Höchststand erreicht.[16] Bei einer Studie derForschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) lag die subjektive Selbstzuordnung der Befragten für „konfessionsfrei“ im Frühjahr 2022 bei 41,3 %.[17] Es bestehen allerdings große regionale Unterschiede beim Anteil der konfessionslosen Bevölkerung. Tendenziell bezeichnet sich die Mehrheit der Bevölkerung inOstdeutschland als „nicht gläubig“ oder „atheistisch“; inWestdeutschland trifft dies je nach Bundesland nur auf ein Fünftel bis ein Drittel der Bevölkerung zu. In den ostdeutschen Bundesländern war der Anteil der „nicht gläubigen“ Bevölkerung in den Jahren 2021/2022 inSachsen-Anhalt mit 70 % am höchsten, inBerlin dagegen mit 44 % am niedrigsten. Berlin ist damit auch das einzige ostdeutsche Bundesland, in welchem sich nicht die Mehrheit der Bevölkerung als „nicht gläubig“ oder „atheistisch“ bezeichnet. Unter allen westdeutschen Bundesländern hingegen erreichte der Anteil der Konfessionsfreien imSaarland mit 20 % den niedrigsten Wert, inSchleswig-Holstein mit 38 % den höchsten.[18]
Aktuelle Tendenzen
AktiveReligionspolitik wurde aufgrund des lange vorherrschenden Postulats einer zunehmendenSäkularisierung wenig beachtet oder betrieben.[19][20] In der jüngsten Vergangenheit kam es zu einer Neuformierung eines Religionsverfassungsrechts auf europäischer Ebene.[21] International wie im europäischen Rahmen wird eine wieder zunehmende Bedeutung und Neuformierung von Religion(en) in einer postsäkularen Gesellschaft konstatiert.[22] DieEvangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen konstatiert einigen Verbänden, so dem HVD, gegenüber anderen, etwa den als überaltert und eher lethargisch bezeichneten Freidenkern, eine beachtliche, insbesondere auch soziale Arbeit. Die im HVD versammelten „neuen“ Freidenker fordern demnach nicht mehr die radikale Trennung von Staat und Kirche (bzw. Weltanschauung) im Sinne eines traditionellenLaizismus, sondern reklamieren die spezifische deutsche staatliche Unterstützung des Staates für Religionsgemeinschaften auch für sich. Unter anderem in Berlin unterhält der HVD etliche soziale Einrichtungen und will analog zur kirchlichen Seelsorge in der Bundeswehr eine Art „humanistische Beratung“ aufbauen.[10] In einigen Bundesländern besitzen Verbände von Konfessionsfreien den Status einerKörperschaft des öffentlichen Rechts.
Das österreichische Staatsgrundgesetz schließt in Artikel 14 in Zusammenhang mit der vollen Glaubens- und Gewissensfreiheit explizit auch jeden Zwang zur Religionsausübung aus.[23] Der Status der Konfessionslosigkeit und die damit verbundene Möglichkeit eines Kirchenaustritts wurde inÖsterreich mit dem Interkonfessionellen Gesetz von 1868 eingeführt.[24]Im Jahr 2009 haben sichlaizistische Organisationen im österreichischenZentralrat der Konfessionsfreien organisiert, der sich als bundesweite Interessenvertretung der österreichischen Konfessionslosen versteht. Im Rahmen der letzten offiziellen Volkszählung im Jahr 2001[25] hatten sich 963.263 Österreicher als konfessionslos deklariert, was einem damaligen Bevölkerungsanteil von rund 12 % entsprach. Da seit der Registerzählung 2011 die Religionszugehörigkeit der Österreicher nicht mehr statistisch erfasst wird, kann der aktuelle Anteil der Konfessionslosen lediglich als Differenz zu den offiziellen Mitgliederzahlen der Religionsgemeinschaften geschätzt werden. Die Katholiken stellen Ende 2019 mit 55,2 % eine absolute Bevölkerungsmehrheit.[26] Für 30. September 2025 wird der Anteil der Katholiken auf 48,8 % (4,5 Millionen) und der Anteil der Konfessionslosen an der Gesamtbevölkerung auf 33,0 % (3,03 Millionen) geschätzt.[27] Das Verhältnis derrömisch-katholischen Kirche in Österreich zur Republik wurde imKonkordat aus dem Jahr 1933 geregelt, welches im Jahr 1957 auch durch dieZweite Republik anerkannt wurde. Im Jahr 2013 organisierte dieInitiative gegen Kirchenprivilegien ein erfolglosesVolksbegehren, das unter anderem eine Aufkündigung dieses Konkordats forderte.
Von der Wohnbevölkerung über 15 Jahren waren Ende 2018 gemäß den Bundesbehörden 28,0 Prozent konfessionslos[28], im Vergleich zu 23,9 Prozent Ende 2015.[29] Die Zahl der konfessionslosen Einwohner der Schweiz hat sich seit 1970 stark vergrößert.[30] 2022 lagen die Konfessionslosen mit einem Anteil von rund 34 Prozent erstmals vor den Katholiken, welche einen Anteil von rund 32 Prozent erreichten.[31][32]
Der italienischen Regierung ist es gesetzlich verboten, Informationen über die religiösen Überzeugungen der einzelnen Bürger zu sammeln. Das bedeutet, dass es nicht möglich ist, diese Informationen bei der Anmeldung des Wohnsitzes oder bei Volkszählungen zu erfassen. Die verfügbaren Daten beruhen daher ausschließlich auf anonymen Befragungen, die daher nur eine grobe Schätzung bieten können. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2014 lag der Anteil der Atheisten und Agnostiker bei etwa 15 % der italienischen Bevölkerung.[33] Laut einer anderen Analyse aus dem Jahr 2017 gibt es einen starken Unterschied zwischen den Generationen: Über 40 % der 18- bis 25-Jährigen bekennen sich als konfessionslos, aber nur 14,4 % der über 65-Jährigen.[34]
Der türkische Staat ist gemäß Artikel 2 dertürkischen Verfassunglaizistisch orientiert. Wie in allen anderenTurkstaaten auch wendet die Türkei dieislamische Gesetzgebung nicht an, damit steht es jedem türkischen Bürger frei, sich zu keiner Religion zu bekennen. Offizielle Zahlen zum Anteil der Konfessionslosen an der türkischen Bevölkerung existieren dagegen nicht, da der türkische Staat diese Daten nicht statistisch erfasst. Verschiedene repräsentative Umfragen und Studien deuten jedoch auf eine deutliche Zunahme von Konfessionslosen an der Gesamtbevölkerung der Türkei hin. Einer Umfrage des türkischen KONDA-Instituts zufolge hat sich der Anteil der konfessionslosen Türken zwischen 2011 und 2021 mehr als verdreifacht und ist von 2 % auf 7 % angestiegen.[35] Dasselbe Institut fand im Jahre 2018 heraus, dass sich unter den 15- bis 20-jährigen Türken 28,5 % als „nicht gläubig“ bezeichneten; insgesamt sind rund 85 % der konfessionslosen Türken unter 35 Jahre alt.[36]
InGroßbritannien genießt dieAnglikanische Kirche den Status einerStaatsreligion, der noch im Jahr 1983 eine relative Mehrheit von 40 % der Bevölkerung angehörte. Für eine Studie im Jahr 2014 gaben 16,2 % der Befragten an, der anglikanischen Kirche anzugehören, 8,7 % waren Katholiken. 50,4 % bezeichneten sich als keiner Religion zugehörig.[37] Die Mehrheit der Bevölkerung (ca. 59 %) verstand sich beim Zensus 2011 dennoch als Christen.[38] Die Diskrepanz zur Kirchenmitgliedschaft erklärt sich dadurch, dass man im Vereinigten Königreich gewöhnlich nur dann offiziell Mitglied einer Kirche wird, wenn man sich über den gelegentlichen Gottesdienstbesuch hinaus am Gemeindeleben beteiligen will.
Laut einer im Mai 2018 veröffentlichten Umfrage vonABC News gaben 21 Prozent der amerikanischen Bürger im Jahr 2017 an, keiner Konfession anzugehören. 2003 waren das noch 12 Prozent gewesen. Den stärksten Anstieg der Konfessionslosigkeit verzeichneten mit 16 Prozentpunkten die jungen Erwachsenen (18 bis 29 Jahre) und die politisch linksliberal Eingestellten („liberals“). Der Anteil derjenigen, die sich alsProtestanten bezeichneten, sank im selben Zeitraum von 50 auf 36 Prozent, der AnteilEvangelikaler um 8 Prozent, während der Anteil an Katholiken mit 22 Prozent gleich blieb und der Anteil anderer christlicher Konfessionen von 11 auf 14 Prozent stieg. 2017 bezeichneten sich 72 Prozent der Amerikaner als Christen (2003: 83 Prozent).[39]
In den USA befragt dasGallup-Institut seit 1937 die US-Amerikaner auch nach der Kirchenmitgliedschaft. In ihrer Publikation „U.S. Church Membership Falls Below Majority for First Time“[40][41] stellten sie fest, dass die Kirchenmitgliedschaft im Jahr 2020 unter 50 Prozent gefallen sei. Der Anteil derer ohne Religionszugehörigkeit habe sich bei Traditionalisten (geboren vor 1946) auf 7 %, die der Babyboomer (geboren 1946–1964) auf 13 % und die derGeneration X (1965–1980) auf 20 % fast verdoppelt. Die Amerikaner, die sich mit keiner Religion identifizieren, sei von 8 % (1998–2000) auf 21 % gestiegen.
Zu keiner Religion zugehörig wird in den USA in der Gruppe der „Nones“ eingeordnet. DieAmerican Atheists haben deshalb in einer nicht repräsentativen Online-Befragung[42], an der 34.000 Nichtreligiöse teilnahmen, diese „Nones“ nach den konfessionsfreien Identitäten „Atheisten, Agnostiker, Nichtreligiöse, Humanisten, Freidenker, Säkulare und/oder Skeptiker“ befragt. Dabei konnten sich 80 % als Nichtreligiöse, 79 % als Atheisten bzw. 75 % als Säkulare und 35 % als Agnostiker identifizieren.
Stefan Schröder:Freigeistige Organisationen in Deutschland: Weltanschauliche Entwicklungen und strategische Spannungen nach der humanistischen Wende. de Gruyter, 2020,ISBN 978-3-11-064404-3.
↑als Beispiel, Österreich:gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft undstaatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft sind zwei der Formen derAnerkannten Religionen in Österreich; vergl. zu weiterer Verwendung auch „Für die Zeit zwischen dem Austritt aus der einen und dem Eintritt in eine andere Glaubensgemeinschaft gilt man als Person ohne Bekenntnis (o.B.).“ inAllgemeines zum Übertritt in eine andere Glaubensgemeinschaft, help.gv.at
↑Artikel 63 Abs. 2 StV v St. Germain. Mit dieser Bestimmung wurde Art 16 StGG derogiert. Benutzte Quelle: Kurzkommentar, S. 622
↑Religionspolitik – Öffentlichkeit – Wissenschaft: Studien zur Neuformierung von Religion in der Gegenwart Martin Baumann, Frank Neubert, Theologischer Verlag, Zürich 2011.
↑Europäische Religionspolitik Politik und Religion Volume 14, 2013, S. 141–151. Zur Genese des europäischen Religionsverfassungsrechts als responsiver Ordnung – oder: Der europäische Stiersprung,Michael Droege
↑Europäische Religionspolitik Politik und Religion Volume 14, 2013, S. 175–196. Auf dem Weg zu einem europäischen Religionsverfassungsrecht? – Aktuelle Überlegungen aus deutscher Perspektive, Ansgar Hense
↑vgl. Charismatisch-pfingstliches Christentum: Herkunft, Situation, ökumenische Chancen, Walter J. Hollenweger, Vandenhoeck & Ruprecht, 1997
↑Artikel 14 StGG. Siehe hierzu auch Art. 15 und 17 Abs. 4 StGG, >Art. 63 Abs. 2 StV v St. Germain und Art 9 MRK. Benützte Quelle: DDr. Heinz Mayer,Das Österreichische Bundes-Verfassungsrecht, 4. Auflage, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, 2007, im Folgenden kurz: Kurzkommentar genannt, S. 618