Kolumbarium
Kolumbarium (auchColumbarium; vonlateinischcolumbarium‚Taubenfach, Taubenhaus, Taubenschlag‘ zucolumba ‚Taube‘)[1] war ursprünglich die Bezeichnung für einenTaubenschlag. Wegen der optischen Ähnlichkeit wurden dann auch altrömische Grabkammern mit reihenweise übereinander angebrachten Nischen zur Aufnahme vonUrnen nachFeuerbestattungen so benannt.[2] Heute bezeichnet man als Kolumbarium ein meist oberirdisches Bauwerk, das der Aufbewahrung von Urnen oderSärgen dient und oft einemFriedhof oderKrematorium angegliedert ist. Vor allem in südlichen Ländern sind Kolumbarien ein weitverbreiteter Bestandteil derBegräbniskultur, hier werden Kolumbarien häufig im Freien in Form langer, teilweise überdachter Mauern errichtet, oft an den Außenmauern der Friedhöfe.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Antike
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Die bisher entdeckten antiken Columbarien (über 100 sind bekannt) finden sich inRom und dessen nächster Umgebung, sowie den anderen großen Städten des römischen Imperiums, und stammen fast sämtlich aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. In der Regel wurden solche Columbarien von vermögenden Leuten angelegt, die für ihre zahlreichen Sklaven und Freigelassenen auch nach deren Tod sorgen mussten. Dementsprechend waren diese Columbarien schlicht zum Zweck einer möglichst kostengünstigen Bestattung errichtet worden. Die Bauweise war halb oder ganz unterirdisch. Als Urnen dienten tönerne Aschentöpfe(Ollae), die in die etwa einen halben Meter breiten Nischen eingelassen waren. Über den Nischen angebrachte Marmortäfelchen gaben die Namen der Beigesetzten an.
Für freie Bürger, die zum Erwerb eines eigenen Grabes nicht die Mittel hatten, legten Spekulanten in Rom Columbarien an, in denen man einen Platz erwerben konnte. Eine andere Variante warenSterbekassen-Gesellschaften, die den Beteiligten gegen einmalige Kapitalzahlung und laufende Beiträge das Anrecht auf ein anständiges Begräbnis und eine Grabnische sicherten. Letztendlich wurden Columbarien auch von religiösen oder gewerblichen Vereinen für ihre Mitglieder gestiftet. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang, dass im Christentum dieFeuerbestattung wegen der wörtlichen Auslegung desAuferstehungsgedankens seit der ZeitKarls des Großen abgelehnt und erst Mitte des 20. Jahrhunderts von der katholischen Kirche akzeptiert wurde.
Nachantike
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Neben der Urnenbestattung werden auch Särge mit Toten in gemauerten Kolumbarienzellen aufbewahrt. Diese Bauten errichtete man oft an den Außenmauern mancher Friedhöfe in Form so genannter Kolumbarienarkaden. Das Ziel dieser Bauwerke bestand häufig in einer effektiven Raumausnutzung, wie beispielsweise inVerona oderBrescia. InNew Orleans wählte man diese Bauweise aus Hochwasserschutzgründen.
Kolumbarien in Deutschland
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In Deutschland begann sich diese Beisetzungsart mit der Einführung der Feuerbestattung ab 1879 zu etablieren. Mit der Eröffnung des erstenKrematoriums im deutschsprachigen Raum im Dezember 1878 auf demHauptfriedhof Gotha[3] wurden auch deutsche Kolumbarien errichtet. Ursprünglich gab es im Gothaer Krematorium nur eine etwa 50 m lange Säulenhalle, die im neoklassizistischen Stil erbaute Urnenkolonnade. Als diese nicht mehr ausreichte, wurde 1892 ein Kolumbarium angegliedert.
Das Kolumbarium auf demNordfriedhof inWiesbaden wurde 1902 eröffnet; es ist imneoromanischen Stil ausgeführt, einige Details, wie die Schriftgestaltung, lassen jedoch den anbrechendenJugendstil bereits erahnen. Es verfügt über 512 Nischen zur Aufnahme von Urnen. Es wurde vom StadtbaumeisterFelix Genzmer entworfen. Auf demStuttgarterPragfriedhof ist das Kolumbarium Teil des im Jahr 1902 vom Stuttgarter ArchitektenWilhelm Scholter im Jugendstil entworfenen, 1907 eingeweihten Krematoriums.
Ein unterDenkmalschutz stehendes Kolumbarium ist das auf dem LeipzigerSüdfriedhof. Es schließt sich rückseitig an den 1910 eröffneten und vonOtto Wilhelm Scharenberg erbauten Trauerhallenkomplex an; sein Denkmalswert gilt als hoch und es ist Bestandteil des größten Friedhofsbauwerks in Deutschland.[4] Die Wände sind mit Schmuckelementen und Zeichnungen versehen. In den Wandnischen finden mehr als 2800 Urnen Platz. Das Kolumbarium und die einsturzgefährdete Urnenkammer wurden seit 2008 saniert und während der Festwoche zum 125-jährigen Bestehen des Leipziger Südfriedhofes im Mai 2011 der Öffentlichkeit übergeben.
Im Jahr 1912 wurde auf dem BerlinerZentralfriedhof Friedrichsfelde für die FamilienVohsen undvon den Steinen ein Kolumbarium errichtet.[5] Das turmähnliche Gebäude wurde ausNatursteinen auf einem künstlichen Hügel errichtet und mit sparsamem Außenschmuck versehen: einDreiecksgiebel und ein umlaufenderFries mit Blüten und Tierköpfen zieren ihn. Der Innenraum wurde mitElbsandstein verkleidet. Heute wird das Gebäude nicht mehr als Kolumbarium genutzt, es steht jedoch unter Denkmalschutz.[6]
Aktuelle Entwicklungen
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Seit den 1990er Jahren werden wieder Kolumbarien errichtet, beispielsweise befindet sich eines auf dem alten Teil desBraunschweiger Stadtfriedhofs.[7]
Das erste Kolumbarium in einer Kirche ist das im Jahr 2004 in derKrefelder PfarrkircheErscheinung Christi eröffnete. Zwei Jahre später entstand ein weiteres in derAachenerGrabeskirche St. Josef und im Bistum Münster das erste in der ehemaligen St.Konrad-Kirche in der Pfarrei St.Franziskus, Marl.[8] Im Jahr 2006 eröffneten auch private Kolumbarien in Bestattunghäusern inDuisburg,Düsseldorf undMülheim an der Ruhr. Diese wurden in Trägerschaft desKatholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland errichtet.[9] Bei diesem Trägermodell wird das Kolumbarium vom jeweiligen Bestatter errichtet und betrieben. Seit dem Jahr 2007 gibt es ein Kolumbarium in derAllerheiligenkirche inErfurt; 2008 wurde ein Kolumbarium in der evangelischen „Hoffnungskirche“ inLeverkusen eingeweiht.
Das Kolumbarium auf demNeuen Friedhof inRostock wurde im November 2008 seiner Bestimmung übergeben.[10] Im Februar 2010 wurde dasKolumbarium Hl. Herz Jesu inHannover seiner Bestimmung übergeben. DieLiebfrauenkirche inDortmund wurdeprofaniert und bis zum November 2010 zurGrabeskirche Liebfrauen umgebaut. Im August 2012 wurde die zum Kolumbarium umgestaltete Krypta des katholischenHamburger Mariendoms geweiht.[11] In Mönchengladbach gibt es zur Urnenbeisetzung seit 2009 dieGrabeskirchen St. Elisabeth[12] und St. Matthias[13] sowie ab Ende 2015 die Grabeskirche St. Josef in Rheydt.[14] Auf demFriedhof Ohlsdorf gibt es Kolumbarien in den Kapellen 8 und 11.[15] Dort werden die Urnen in Wandnischen beigesetzt. ImBistum Münster wurden weitere zwei ehemalige Pfarrkirchen als Kolumbarium eröffnet: Am 2. Oktober 2013 das Kolumbarium St. Michael inRheine und[16] am 13. Juni 2014 inDatteln das Kolumbarium St. Antonius.[17] Im November 2013 wurde in derNazarethkirche in Hannover das Südstadt-Kolumbarium[18] eröffnet. Das 2013 eröffnete Ahlbach Kolumbarium[19] ist Kölns erstes Kolumbarium mit demKatholischen Bistum der Alt-Katholiken als Träger. Seit Januar 2014 ist dieGrabeskirche St. Bartholomäus in Köln geöffnet. Als erste und bisher einzige Grabeskirche imErzbistum Köln wurde sie am 24. Januar 2014 durch WeihbischofManfred Melzer gesegnet und eröffnet.[20] InRamstein-Miesenbach startete 2021 der Bau eines Kolumbariums, das Platz für bis zu 1.500 Urnen bieten soll und am Standort der alten Pfarrkirche auf dem Schulhügel errichtet wird.[21] 2021 ist in derGelöbniskirche Maria Schutz inKaiserslautern von WeihbischofOtto Georgens ein Kolumbarium für über 1600 Urnen eingeweiht worden. Am Totensonntag 2021 wurde das Kolumbarium in derMartin-Luther-Kirche im saarländischen Webenheim eingeweiht[22]. Ostern 2021 wurde im Erzbistum Paderborn die katholische Kirche Heilig Kreuz nach etwa einjähriger Umbauzeit als Kolumbarium neu eröffnet – alsGemeindekirche, Urnenfriedhof undTrauerherberge unter einem Dach.[23]
Weitere Einrichtungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- InJapan und im chinesischen Kulturraum sind Kolumbarien in Ballungsgebieten wegen Platzmangels und aus Kostengründen eine Alternative zu Friedhöfen.
- Kolumbarium des Pomponius Hylas in den Gärten derScipionen, Rom, 1. Jahrhundert
- Erhalten ist ein vonLivia, der Gemahlin Kaiser Augustus’ errichtetesColumbarium an derVia Appia in Rom, welches im Jahr 1726 entdeckt wurde.
- DasSan Francisco Columbarium (USA) beherbergt auch eine Ausstellung außergewöhnlicher Urnen und Särge, wie diecookie jar (Keksdosen-)Urne.[24]
- InSalzburg, StadtteilMülln, befindet sich unter derMüllner Kirche ein altes „Mönchs-Columbarium“ mit 60 Grabnischen.[25]
- Beispiele
- Kolumbarium in denKasematten des Ghettos vonTheresienstadt
- Kolumbarium auf demNordfriedhof Wiesbaden
- Ehemaliges Kolumbarium auf demZentralfriedhof Friedrichsfelde
- Kolumbarium auf dem Pariser FriedhofPère-Lachaise
- Campo Verano, Rom
- Zeitgenössisches Kolumbarium inEbingen
- Blick auf den Kapellenraum in der Grabeskirche St. Bartholomäus, Köln
- Kolumbarium in Duisburg-Duissern
- Kolumbarium in derAllerheiligenkirche inErfurt
- Kolumbarium (Urnenwand) auf dem FriedhofRača inBratislava.
- Kolumbarien auf dem Friedhof vonMonda (Spanien)
- Kolumbarium auf demVorwerker Friedhof inLübeck
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Ernst Samter: Columbarium. In:Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV,1, Stuttgart 1900, Sp. 593–603.
- Walter Hatto Gross: Columbarium. In:Der Kleine Pauly (KlP). Band 1, Stuttgart 1964, Sp. 1250 f.
- Henner von Hesberg,Michael Pfanner:Ein augusteisches Columbarium im Park der Villa Borghese. In:Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 103 (1988), S. 465–487.
- Clemens Leonhard, Thomas Schüller (Hrsg.):Tot in die Kirche? Rechtliche und liturgische Aspekte der Profanierung von Kirchen und ihre Umnutzung zu Kolumbarien. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2012.
- Folkert Fendler, Thomas Klie, Sieglinde Sparre (Hrsg.):Letzte Heimat Kirche: Kolumbarien in Sakralräumen. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2014.
- Birgit Franz, Georg Maybaum, Walter Krings, mit einem theologischen Beitrag von Gunnar Jahn-Bettex:Gotteshäuser als letzte Ruhestätte? Kolumbarien in Kirchen und Kapellen. Verlag Mitzkat, Holzminden 2011,ISBN 978-3-940751-30-0.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Karl Ernst Georges:Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. 8., verbesserte und vermehrte Auflage. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1918 (zeno.org [abgerufen am 24. Juni 2019]).
- ↑Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig/Wien 1909 (zeno.org [abgerufen am 24. Juni 2019] Lexikoneintrag „Kolumbarium“).
- ↑Webseite des Gothaer Kolumbariums
- ↑Leipziger Volkszeitung vom 19. Juli 2007.
- ↑Information über das Kolumbarium auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde, der seit 2001 zum Berliner Ortsteil Lichtenberg gehört.
- ↑Berliner Landesdenkmalliste: Kolumbarium auf dem Städtischen Zentralfriedhof
- ↑Friedhofsverwaltung Braunschweig
- ↑Kolumbarium in St.Franziskus Marl
- ↑Website zu Kolumbarien des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland
- ↑Kolumbarium auf dem Neuen Friedhof Rostock
- ↑St. Marien-Dom Hamburg:Kolumbarium.; siehe auch:Hamburger Novum für die Ewigkeit: Erzbischof Thissen weiht Urnengrabstätte im Marien-Dom. domradio.de, 16. August 2012
- ↑Grabeskirche St. Elisabeth in Mönchengladbach
- ↑Grabeskirche St. Matthias in Mönchengladbach (Memento vom 17. Januar 2016 imInternet Archive).
- ↑Grabeskirche St. Josef in Mönchengladbach (Memento vom 1. Januar 2015 imInternet Archive).
- ↑Kolumbarien auf dem Friedhof Ohlsdorf (Memento vom 23. September 2011 imInternet Archive).
- ↑Kolumbarium St. Michael,Rheine
- ↑Angebote, Veranstaltungen und Nachrichten aus der zurückliegenden Zeit: 2014: Eröffnung des Kolumbarium St. Antonius. Pfarrgemeinde St. Amandus Datteln.
- ↑Website des Südstadt-Kolumbariums
- ↑Website des Ahlbach Columbariums
- ↑Website der Grabeskirche St. Bartholomäus
- ↑Bauarbeiten für Kolumbarium in Ramstein-Miesenbach beginnen. In: SWR Aktuell. 16. Februar 2021, abgerufen am 9. August 2021.
- ↑Kolumbarium Webenheim - Urnen Begräbnisstätte in Webenheim. Abgerufen am 10. Mai 2023.
- ↑Kolumbariumskirche Siegen, abgerufen am 9. Juli 2024
- ↑Information zu Friedhöfen in San Francisco
- ↑Hier, wo die Schönheit Hüterin der Toten … (Nikolaus Lenau). Der ehemalige Pfarrfriedhof von Salzburg-Mülln und seine Mönchs-Columbarien, hg. von Franz Lauterbacher O.S.B., Salzburg 2010.