Klimahysterie ist einpolitisches Schlagwort, das von Vertretern derKlimawandelleugnung zur Relativierung des gegenwärtigenKlimawandels verwendet wird. Es wurde von der deutschensprachkritischen Aktion „Unwort des Jahres“ zum „Unwort des Jahres 2019“ gewählt.
In den 1990er-Jahren tauchte der Begriff vereinzelt in Veröffentlichungen im deutschen Sprachraum auf,[1] beispielsweise durch die Übersetzung eines Gastbeitrags vonRichard Lindzen in derZeit.[2] 2004 nutzte ihn der Publizist und spätereAfD-PolitikerKonrad Adam in einem Artikel in derWelt. 2006/2007 wurde „climate hysteria“ in denUSA massenhaft genutzt.[3] Auch behandelte der Journalist Alaan Wood im Zuge von mehreren Artikeln in derAustralian, in denendie Klimawandelwissenschaft geleugnet wurde, die Sorge um den Klimawandel als „grüne Hysterie“ (engl. „green hysteria“).[4] 2007 warnteChristian Bartsch in derFrankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) im viel zitierten ArtikelWider die Klimahysterie: Mehr Licht im Dunkel des Klimawandels, vor einer „Ideologie einer menschengemachtenKlimakatastrophe“ und einer angeblich bevorstehenden „Klimadiktatur“.[3] Ende der 2000er Jahre wurde der Begriff in deutschsprachigen Zeitungen häufiger verwendet.[1]
Der Begriff fand ab Frühjahr 2019 mit den Diskussionen umKlimaschutz eine häufige Verwendung, indem AfD-Politiker und Publizisten vielfach den entscheidenden menschlichen Einfluss auf den Klimawandel abstritten oder relativierten.[3] Auch benutzte die rechtspopulistische finnische ParteiPerussuomalaiset den Begriff im Wahlkampf zurParlamentswahl in Finnland 2019 laut derNew York Times als neuen „Schlachtruf“ (engl. „Rallying Cry“).[5]
Im Juli 2019 schriebJoachim Müller-Jung in derFAZ, im Internet sei angesichts der „aktuellen Hitzewoche […] eine Debatte über ‚Klima-Hysterie‘ entbrannt, die unpassender kaum sein könnte“.[6]Franz Alt kommentierte zwei Tage später beiTelepolis die „hitzige Debatte über eine angebliche ‚Klima-Hysterie‘“, nachdem sein erst erbetener Kommentar von einer der auflagenstärksten Zeitungen als zu „alarmistisch“ abgelehnt worden sei. Er kritisierte, auch „Netz-Journalisten und einige Kollegen renommierter Zeitungen“ würden die Fakten nicht akzeptieren.[7]
„In derSchweiz wird durch das Abschmelzen zweierGletscher derZanfleuronpass eisfrei, der in derRömerzeit möglicherweise zum Überqueren derAlpen genutzt wurde und für mindestens 2000 Jahre unter Eis lag. Klimawandelleugner und Klimawandelleugnerinnen benutzen diese Nachricht als Beleg für eine ‚übertriebene Klimahysterie‘ – Fachleute halten dagegen.“[8]
Die institutionell unabhängige sprachkritische Aktion „Unwort des Jahres“ wählte aus den im Jahresverlauf 2019 eingesendeten 671 Vorschlägen mit 397 verschiedenen Ausdrücken das Wort „Klimahysterie“ zum „Unwort des Jahres 2019“ in Deutschland. Die Begründung der Jury lautet, mit dem Wort „Klimahysterie“ würden Klimaschutzbemühungen und die Klimaschutzbewegung diffamiert und wichtige Debatten zum Klimaschutz diskreditiert.[9] Das Wortpathologisiere „pauschal das zunehmende Engagement für den Klimaschutz als eine Art kollektiver Psychose“, sei angesichts des wissenschaftlichen Forschungsstandes „irreführend“ und stütze „in unverantwortlicher Weisewissenschaftsfeindliche Tendenzen“.[10]
Mit der Bekanntgabe des Unwortes des Jahres 2019 fanden auch die Wörter „Umvolkung“ und „Ethikmauer“ als weitere Unwörter im Jahr 2019 eine kritische Erwähnung.[10]
In derZeit wie auch in derSüddeutschen Zeitung wurde kommentiert, der Begriff sei zudemsexistisch. „Hysterie“ sei eine veraltete Diagnose, die ursprünglich nur Frauen ausgestellt wurde.[11][12]Juli Zeh kritisierte die Wahl als kontraproduktiv, da sie einseitig sei. Sie schlug vor „sowohl ‚Klimahysterie‘, aber zum Beispiel auch den Begriff ‚Klimaleugner‘“ als Unwörter auszuzeichnen.[13] In einer Fachzeitschrift für Pflege erklärte Heidi Günther dagegen dasWort des Jahres „Respektrente“ sei in Hinblick auf ihre zu erwartende finanzielle Situation nach 47 Jahren Arbeit das passendere Unwort. Das Verbreiten von „Unreden“ und Begriffen wie „Klimahysterie“ durch rechte Parteien sei erwartbar. Über die Aufmerksamkeit würden sich diese „Wahrscheinlich freuen“.[14]
Der stellvertretende Ministerpräsident BayernsHubert Aiwanger (Freie Wähler) äußerte, die Jury maße sich an „zu sagen, die Klimabewegung darf nicht diffamiert werden“.[15] BundesumweltministerinSvenja Schulze (SPD) begrüßte die Begründung. Es könne nicht so getan werden, als wären notwendige Dinge Hysterie, „als wären wir krank“.[16]