Kirchenbuch




Kirchenbücher (auchKirchenregister,Kirchenmatrikel, inÖsterreichKirchen- oderPfarr-Matriken, in der Schweizder Rodel, die Rödel[1]) sind Verzeichnisse überTaufen,Trauungen,Todesfälle, die vonPfarrern meist inchronologischer Reihenfolge angelegt werden. Sie sind öffentlicheUrkunden über die in ihnen verzeichnetenkirchlichen Amtshandlungen. Bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurdenPersonenstandsfälle nur von den Religionsgemeinschaften verzeichnet. Heute werden die entsprechenden staatlichenPersonenstandsbücher inStandesämtern geführt. Historische Kirchenbücher sind wertvolle Quellen der Forschung. Pfarrämter sind nach wie vor zur Führung von Kirchenbüchern verpflichtet.
Kirchenbücher sind nicht zu verwechseln mit denMessbüchern, auchMissale genannt, die liturgischen Zwecken dienen. Allerdings werden seit dem 18. Jahrhundert vorzugsweise inreformierten Gegenden Sammlungen mit Texten für den GottesdienstKirchenbuch genannt, um sie vonlutherischenAgenden abzugrenzen, deren Inhalt gesetzlichen Charakter hat. Auch Chroniken und Rechnungsbücher wurden und werden gelegentlich als Kirchenbücher bezeichnet.
Inhalt
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zu unterscheiden sind:
- Taufbuch oderTaufregister. Hier sind die Daten derGeburt und derTaufe der jeweiligen Person sowie ihrerEltern undPaten aufgezeichnet.
- Ehebuch,Heiratsbuch oderCopulationsregister (Copulation = Trauung). Hier sind die Daten derEheschließung der beidenEhepartner sowie (nicht immer) der Eltern und Trauzeugen aufgezeichnet. Vor der Einführung derStandesämter (in Deutschland 1876) wurde zudem einProclamationsregister geführt, in dem festgehalten wurde, dass die Verlobung rechtmäßig zustande gekommen war.
- Totenbuch oderSterbebuch. Hier sind Todes- und Begräbnisdaten aufgezeichnet.
- Register der Erstkommunikanten (katholisch). Hier sind die Daten derKinder und Erwachsenen verzeichnet, die nach der Taufe zum ersten Mal dieSakramente derEucharistie undBuße empfangen haben.
- Register derGefirmten (katholisch)
- Konfirmationsregister oderKonfirmandenbuch (evangelisch). Hier sind diekonfirmierten Jugendlichen der Gemeinde sowie deren Eltern verzeichnet.
- Register deraus der Kirche ausgetretenen Personen
- Register derKonvertiten undRekonziliierten (katholisch). Hier sind Personen verzeichnet, die in einer anderen christlichenKonfession gültig getauft und später in die Gemeinschaft der katholischen Kirche aufgenommen wurden (Konversion) und Katholiken, die nach einem vor der zuständigen staatlichen Stelle erklärten Kirchenaustritt durch bischöflichen Gnadenakt wieder in die volle Gemeinschaft der katholischen Kirche wiederaufgenommen wurden (Rekonziliation).
- Kommunikantenregister (historisch)
- Gräberverzeichnis der kirchlichenFriedhofsverwaltung
Oft sind zusätzliche Daten wieWohnort oderBeruf der jeweiligen Person angegeben. Bei unehelichen Kindern wurden Taufname und Taufdatum mancherorts auf dem Kopf stehend eingetragen.[2] Der Umfang der Eintragungen ist verschieden und hängt von den Gewohnheiten des zuständigen Pfarrers und dessen Kenntnissen über die Personen ab. Weil die Kirchenbücher in erster Linie kirchliche Handlungen belegen, wurden vor der Einführung verpflichtender Formulare ab dem 17. Jahrhundert oft nur Ort und Datum der Taufe bzw. der Beerdigung (in anderen Fällen nur das Todesdatum) genannt, nicht aber Geburt und Tod. In alten Kirchenbüchern fehlt bei Taufeintragungen oft der Name der Mutter oder sogar beider Eltern.
Die Kirchenbücher stellen oft die einzigen Aufzeichnungen über die Existenz von Personen dar, da die Eintragungen für alle Gemeindeglieder unabhängig vonStand, Geschlecht und Vermögen gemacht wurden. Sie sind damit wichtigeQuellen der historischen, insbesondere dergenealogischen Forschung. Das Lesen der Kirchenbücher setzt Kenntnisse derSchreibschrift früherer Zeit voraus (siehePaläografie).Römisch-katholische Kirchenbücher sind bis ca. 1800 nahezu ausschließlich inlateinischer Sprache geführt, ab etwa dieser Zeit dann in der Landessprache, so wie zuvor schon die protestantischen Matrikeln. Bis zu diesem Zeitpunkt finden sich häufig auch unterschiedliche Schreibweisen derFamiliennamen, da diese dem Pfarrer nur mündlich vorgetragen und häufig nicht aus anderen Dokumenten übernommen wurden. Erst aus der Zeit nach demDreißigjährigen Krieg, in dem Kirchenbücher in erheblichem Umfang verloren gingen, liegt eine großflächige Überlieferung der Kirchenbücher vor, wenn auch weitere Kriege erhebliche Verluste verursachten, so dieNapoleonischen Kriege 1797–1809 und nicht zuletzt derZweite Weltkrieg.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Mittelalter und Frühe Neuzeit
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die ältesten Kirchenbücher – sie liegen nur alsFragment vor – stammen aus dem 14. Jahrhundert und entstanden in derProvence und inItalien. Das älteste erhaltene Kirchenbuch aus demdeutschsprachigen Raum ist ein Taufbuch ausBasel, das 1490 begonnen wurde und sich heute imBritischen Museum inLondon befindet. Die ältesten Anweisungen, Kirchenbücher zu führen, stammen vom Konstanzer BischofFriedrich III. von Zollern aus dem Jahr 1435. Die nachfolgende ständige Wiederholung der Anordnung beweist, dass Kirchenbücher in der Praxis offensichtlich nur schleppend eingeführt wurden. In seiner 24. Sitzung ordnete dasKonzil von Trient per Erlass des EhedekretesTametsi[3] vom 11. November 1563 die Anlage von Eheregistern und im Zusammenhang damit auch die Einführung von Taufbüchern an. Für die Führung von Sterbebüchern sowie vonFirmmatrikeln wurden erst imRituale Romanum im Jahr 1614 Formulare entworfen, aber auch für die Tauf- und Traumatrikel findet man erst hier genaue Formulare. Allerdings hatte dasRituale Romanum keinen verpflichtenden Charakter, so dass die tatsächliche Qualität der Eintragungen in den Kirchenbüchern weiterhin stark variiert. Auch die Sterbebücher waren immer noch nicht verpflichtend. In der Praxis dauerte es so oft noch Jahrzehnte, bevor Kirchenbücher auch überall konsequent geführt wurden. In den Gebieten, in denen sich dieReformation durchsetzte, wurden von Anfang an Kirchenbücher geführt. Diese sind damit also etwa 50 Jahre älter.[4]
Pfarrer führten diese Aufzeichnungen oft auch im landesherrlichen Auftrag. Dadurch findet man für Zeiten, in denen bestimmteKonfessionen in bestimmten Regionen unerwünscht waren, auch Aufzeichnungen überProtestanten in katholischen Kirchenbüchern und umgekehrt (Simultanregister).
Die zuerst wohl unterLudwig XIV. in Frankreich eingeführtenKirchenbuchduplikate mussten jährlich an staatliche Stellen abgegeben werden, um von dort aus die Fortschreibung derBevölkerungsbewegung in statistischer Form für einzelne Landesteile und den Gesamtstaat durch eine zentrale Behörde zu ermöglichen (z. B. im Hinblick auf Todesursachen). Auch in Österreich und inPreußen verpflichtete KaiserJoseph II. bzw. dasAllgemeine Landrecht die Pfarrer oderKüster, für staatliche Zwecke Zweitschriften anzufertigen und abzuliefern.[5]
19. Jahrhundert
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zum 1. Januar 1876 wurden imdeutschen Reich mit demReichsgesetz über die Beurkundung des Personenstands und die Eheschließung die Beurkundungen der Geburten, Heiraten und Sterbefälle ausschließlich den vom Staat bestelltenStandesbeamten mittels Eintragung in die dazu bestimmtenRegister übertragen, während inÖsterreich die Religionsgemeinschaften diese Aufgaben noch bis zum 1. Januar 1939 wahrnahmen.
20. Jahrhundert
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Politische Bedeutung erlangten die Kirchenbücher in Deutschland durch dieRassenideologie desNS-Regimes. In dieser Zeit mussten Beamte und Mitglieder derNSDAP sowie ihrer Unterorganisationen ihreAbstammung mit dem so genanntenAriernachweis belegen, weshalb sehr vieleAbschriften aus älteren Kirchenbüchern gefertigt wurden. DasReichssippenamt hat damals viele Kirchenbücher der früheren deutschenOstgebiete verfilmt. Diese Filme sind heute in derZentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte Leipzig archiviert und zugänglich.
Viele Matrikeln wurden durchDorfsippenbücher erschlossen, die deren Daten über den Zwischenschritt derKirchenbuchverkartung zu Familien zusammenfassen und verbinden. Bereits weit vor 1933 einsetzend und über das Jahr 1945 hinaus bis zur Gegenwart sind mit dieser Methode die Kirchenbücher von bisher mehr als 2000 Gemeinden in einemOrtsfamilienbuch zusammengefasst und durch Drucklegung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.
Heutige Verwendung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Heute sind Kirchenbücher innerkirchliche Aufzeichnungen. In Deutschland dienen für die Zeit vor Einführung des staatlichen Standesamtes und bei Verlust der Personenstandsregister (z. B. durch Kriegseinwirkung) die Kirchenbücher immer noch als Nachweis.
Um weiteren Verlusten vorzubeugen, sind in Deutschland die älteren Bände der Kirchenbücher in zentralen kirchlichenArchiven derLandeskirchen undBistümer gelagert. Oft sind sie alsMikrofilm zugänglich und werden vermehrt auchdigitalisiert und von den jeweiligen Archiven über verschiedene Internetportale bereitgestellt. In Österreich dagegen sind die Originale in denPfarreien verblieben und Kopien werden bei denDiözesanverwaltungen aufbewahrt.
DieSüdtiroler Kirchenbücher sind bereits vollständig digitalisiert und online gratis einsehbar.[6]
Im Rahmen derICARUS-Allianz kooperieren 250 Archive bzw. Institutionen aus 37 Ländern bei derDigitalisierung von kirchlichen (und anderen) Archiven und haben bis November 2018 bereits 25 Millionen Seiten von Kirchenbüchern erfasst.
DieGenealogische Gesellschaft von Utah kopiert Kirchenbücher aus religiösen Motiven (Totentaufe), macht sie aber einem großen Forscherkreis zugänglich.
Um eine Person im Kirchenbuch auffinden zu können, reicht oft das Datum der entsprechenden kirchlichen Handlung aus. AufUrkunden findet man darüber hinaus folgende Angaben:
- die Nummer des Kirchenbuches,
- die Seite, lateinische Bezeichnungpagina, abgekürztpag. oderp.
- oder die Blattzählung, lat.folio, abgekürztfol. oderf. wobei hier angegeben wird, ob Vorderseite (recto) oder Rückseite (verso). Beispiel: f. 134v steht für „Blatt 134 verso“ (daneben gibt es mitunter auch andere Bezeichnungen).
Verkauf von Kirchenbüchern
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Kirchenbücher werden mitunter im Internet oder auf Flohmärkten/Sammlermärkten angeboten. Da diese Kirchenbücher im Regelfall Eigentum der Kirche sind, macht sich der Anbieter in diesen Fällen derHehlerei strafbar.[7]
Klassifizierung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]InSachsen sind Kirchenbücher seit 1800 generell mit alphabetischen Namensregistern ausgestattet, vielfach auch in der Zeit davor. Kirchenbücher aus der Zeit vor 1700 besitzen manchmalRegister, die nach den Vornamen geordnet sind. Bei der Register-Nutzung ist weiter dieorthografische Veränderlichkeit vonFamiliennamen zu bedenken (siehe auchPhonetische Ordnung undToter Punkt).
Kirchenbücher in der Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das älteste erhaltene Kirchenbuch derMark Brandenburg aus dem Jahr 1575 befindet sich inGröben, einembrandenburgischen Dorf südwestlich vonBerlin. Der SchriftstellerTheodor Fontane reiste in den Jahren 1860 und 1881 mehrfach nach Gröben, um das Kirchenbuch einzusehen, und berichtet in seinem WerkWanderungen durch die Mark Brandenburg ausführlich über das Buch.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Eckart Henning, Christel Wegeleben:Kirchenbücher. Bibliographie gedruckter Tauf-, Trau- und Totenregister sowie der Bestandsverzeichnisse im deutschen Sprachgebiet (= Genealogische Informationen; Bd. 23). Degener, Neustadt an der Aisch 1991,ISBN 3-7686-2048-4.
- Franz Kalde:Pfarrbücher, Katholisch. In:Lexikon für Kirchen- und Religionsrecht (LKRR), Bd. 3, S. 564–567.
- Gerhard Kayser:Kirchenbuchfürsorge der Reichsstelle für Sippenforschung. In:Archivalische Zeitschrift 45 (1939), S. 141–163.
- Dirk Wagner:Die Kirchenbuchführung in Sachsen und Thüringen. Ein Vergleich erster Forschungsergebnisse. In: Familie und Geschichte (1994), S. 347–356.
- Michael Bing, Andreas Butz:Evangelische Kirchenbücher in Württemberg. Eine Arbeitshilfe für die historische und familiengeschichtliche Forschung. Stuttgart 2016,ISBN 978-3-944051-13-0.
- Eva Marie Lehner:Taufe – Ehe – Tod. Praktiken des Verzeichnens in frühneuzeitlichen Kirchenbüchern (Historische Wissensforschung 22). Wallstein Verlag, Göttingen 2023,ISBN 978-3-8353-5380-0.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Deutsches Kirchenbuchportal „Archion“ im Internet
- Matricula – Kirchenbuchportal österreichischer, deutscher und polnischer Archive (Metadaten und Bilder der Kirchenbücher)
- wiki.genealogy.net – KirchenbuchGenWiki, Kategorie Quellengattung: Kirchenbuch
- Online-Ausgabe des historischen Kirchenbuchs zu Gröben
- net4you.net – Kirchenbücher (Memento vom 17. Dezember 2005 imInternet Archive),
- familysearch.org – International Genealogical Index. Genealogische Suchhilfe der Mormonen (englisch)
- Südtiroler Kirchenbücher des 16.–20. Jahrhunderts
- Andreas Butz:Kirchenregister. Südwestdeutsche Archivalienkunde
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Artur Lehmann:Familienbuch in 2 Teilen. Selbstverlag, 1989, S. 11.
- ↑Jürgen Kaiser:Warum Schwaben alles können – wenn sie wollen. Historische Streifzüge in Schwaben. Evangelische Gemeindepresse, 2005,ISBN 978-3-920207-12-4, S. 18.
- ↑S. 19: Dekret „Tametsi“ zu „gültigen und wahren Ehen“
- ↑Martina Wagner, Hermann-Josef Braun:Die Kirchenbuchüberlieferung der katholischen Pfarreien in Hessen. Bestände in den Bistumsarchiven Fulda, Limburg und Mainz. In:Archivnachrichten aus Hessen 10, 2 (2010), S. 19–25 (19f.).
- ↑zu den Kirchenbuchduplikaten in Preußen siehe Falko Neininger:Brandenburgische Kirchenbuchduplikate 1794–1874. Ein Verzeichnis der Überlieferung im Brandenburgischen Landeshauptarchiv. Lang, Frankfurt, M. / Berlin / Bern / Bruxelles / New York, NY / Oxford / Wien 2008,ISBN 978-3-631-58057-8.
- ↑https://www.provinz.bz.it/kunst-kultur/landesarchiv/kirchenbuecher-suedtirol.asp
- ↑Kirchenbuch zu verkaufen aufGenWiki, abgerufen am 11. November 2023.