Kettenregel

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DieKettenregel ist eine der Grundregeln derDifferentialrechnung. Mit ihr wird dieAbleitung einerVerkettung zweier differenzierbarerFunktionen berechnet. InLagrange-Notation lautet die Kettenregel:

[f(g(x))]=f(g(x))g(x){\displaystyle [f(g(x))]'=f'(g(x))\cdot g'(x)}

Die Kettenregel lässt sich verallgemeinern auf Funktionen, die sich als Verkettung mindestens zweier differenzierbarer Funktionen darstellen lassen. Auch eine solche Funktion ist wiederum differenzierbar, ihre Ableitung erhält man durch Multiplikation der Ableitungen aller ineinander verschachtelten Funktionen.

Die Kettenregel bildet einen Spezialfall dermehrdimensionalen Kettenregel für den eindimensionalen Fall.

Ihr Gegenstück in derIntegralrechnung ist dieIntegration durch Substitution.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

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Die Kettenregel scheint erstmals vonGottfried Wilhelm Leibniz verwendet worden zu sein. Er benutzte sie zur Berechnung der Ableitung vona+bz+cz2{\displaystyle {\sqrt {a+bz+cz^{2}}}} als Kompositum der Quadratwurzelfunktion und der Funktiona+bz+cz2{\displaystyle a+bz+cz^{2}\!}. Er erwähnte sie erstmals in einer Denkschrift von 1676 (mit einem Vorzeichenfehler in der Berechnung). Die gängige Schreibweise der Kettenregel geht auf Leibniz zurück.[1]Guillaume de l’Hôpital verwendete die Kettenregel implizit in seinerAnalyse des infiniment petits. Die Kettenregel taucht in keinem der Analysis-Bücher vonLeonhard Euler auf, obwohl sie über hundert Jahre nach Leibniz' Entdeckung geschrieben wurden.

Es wird angenommen, dass die erste „moderne“ Version der Kettenregel inLagranges „Théorie des fonctions analytiques“ von 1797 auftaucht; sie erscheint auch inCauchys „Résumé des Leçons données a L'École Royale Polytechnique sur Le Calcul Infinitesimal“ von 1823.[1]

Mathematische Formulierung

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SeienU,V{\displaystyle U,V}offene Intervalle,v:VR{\displaystyle v\colon V\rightarrow \mathbb {R} } undu:UR{\displaystyle u\colon U\rightarrow \mathbb {R} } Funktionen mitv(V)U{\displaystyle v(V)\subset U}.

Die Funktionv{\displaystyle v} sei im Punktx0V{\displaystyle x_{0}\in V} differenzierbar undu{\displaystyle u} sei im Punktz0:=v(x0)U{\displaystyle z_{0}:=v(x_{0})\in U} differenzierbar.

Dann ist die „zusammengesetzte“ Funktion (Komposition)

f=uv:VR{\displaystyle f=u\circ v\colon \,V\rightarrow \mathbb {R} }

im Punktx0{\displaystyle x_{0}} differenzierbar und es gilt:

(uv)(x0)=u(v(x0))v(x0).{\displaystyle (u\circ v)'(x_{0})=u'{\big (}v(x_{0}){\big )}\cdot v'(x_{0}).}

Im Zusammenhang mit der Kettenregel nennt manu{\displaystyle u} auch dieäußere,v{\displaystyle v} dieinnere Funktion vonf{\displaystyle f}.

Praktische Merkregel: Die Ableitung einer durch Verkettung gebildeten Funktion im Punktx0{\displaystyle x_{0}} ist die „äußere Ableitung“u{\displaystyle u'}, ausgewertet an der Stellev(x0){\displaystyle v(x_{0})}, mal der Ableitung der inneren Funktionv{\displaystyle v'}, ausgewertet an der Stellex0{\displaystyle x_{0}}. Oder kurz: „Äußere Ableitung mal innere Ableitung“.

Beispiel

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Es wird die durchf(x)=(x3+1)2{\displaystyle f(x)=\left(x^{3}+1\right)^{2}} definierte Funktionf{\displaystyle f} betrachtet.

Diese lässt sich darstellen als Verkettung der Funktion

u(v)=v2{\displaystyle u(v)=v^{2}}

mit der Funktion

v(x)=x3+1,{\displaystyle v(x)=x^{3}+1,}

denn es giltf(x)=u(v(x)){\displaystyle f(x)=u(v(x))}.Hierbei nennt manu{\displaystyle u}äußere undv{\displaystyle v}innere Funktion.

Für die Anwendung der Kettenregel benötigen wir die Ableitungenu{\displaystyle u'}(äußere Ableitung) undv{\displaystyle v'}(innere Ableitung):

u(v)=2v{\displaystyle u'(v)=2v}

und

v(x)=3x2.{\displaystyle v'(x)=3x^{2}.}

Da sowohlu{\displaystyle u} als auchv{\displaystyle v} differenzierbar sind, ist nach der Kettenregel auchf=uv{\displaystyle f=u\circ v} differenzierbar, und es gilt für ihre Ableitung:

f (x)=u(v(x))v(x).{\displaystyle f\ '(x)=u'(v(x))\,v'(x).}

Nun istu(v(x))=2(x3+1){\displaystyle u'(v(x))=2(x^{3}+1)}, so dass wir insgesamt erhalten:

f (x)=2(x3+1)3x2{\displaystyle f\ '(x)=2(x^{3}+1)\,3x^{2}}

Unter Zuhilfenahme von Farbe lässt sich die eingangs formulierte Merkregel auch im Formelbild wiedererkennen.

f(x)=(x3+1)2f(x)=2(x3+1)3x2{\displaystyle {\begin{aligned}f(x)&=(\color {Blue}x^{3}+1\color {Black})^{2}\\f'(x)&=2(\color {Blue}x^{3}+1\color {Black})\cdot \color {Blue}3x^{2}\color {Black}\\\end{aligned}}}

Man beachte, dass die Darstellung einer Funktion als Verkettung einer äußeren mit einer inneren Funktion keineswegs eindeutig sein muss. So lässt sich die Beispielfunktion auch als Verkettung der Funktionenu(v)=(v+1)2{\displaystyle u(v)=(v+1)^{2}} undv(x)=x3{\displaystyle v(x)=x^{3}} auffassen, denn auch für diese beiden Funktionen gilt:

u(v(x))=(x3+1)2=f(x).{\displaystyle u(v(x))=(x^{3}+1)^{2}=f(x).}

Die Anwendung der Kettenregel ist in diesem Fall rechnerisch aufwendiger, da zumindest der Term(v+1)2{\displaystyle (v+1)^{2}} ausmultipliziert werden muss.

Insgesamt lässt sich an diesem Beispiel die Kettenregel im Sinne derkonstruktivistischen Didaktik selbst entdecken. Ausmultiplizieren ergibt:

f(x)=x6+2x3+1{\displaystyle f(x)=x^{6}+2x^{3}+1}.

Nach Ableiten wird durch Ausklammern die innere Funktionv(x)=x3+1{\displaystyle v(x)=x^{3}+1} herauspräpariert:

f(x)=6x5+6x2=6x2(x3+1)=2(x3+1)3x2{\displaystyle f'(x)=6x^{5}+6x^{2}=6x^{2}(x^{3}+1)=2(x^{3}+1)\cdot 3x^{2}}.

Hieraus lässt sich dann die Kettenregel vermuten, die dann noch in ihrer Allgemeingültigkeit bewiesen werden muss.

Heuristische Herleitung

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Für die Berechnung der Ableitung vonuv{\displaystyle u\circ v} ist der DifferenzenquotientΔuΔx{\displaystyle {\frac {\Delta u}{\Delta x}}} zu berechnen. Erweitert man diesen Bruch mitΔv{\displaystyle \Delta v}, so erhält man:

ΔuΔx=ΔuΔvΔvΔx{\displaystyle {\frac {\Delta u}{\Delta x}}={\frac {\Delta u}{\Delta v}}\cdot {\frac {\Delta v}{\Delta x}}}.

Durch den GrenzübergangΔx0{\displaystyle \Delta x\rightarrow 0} gehen die Differenzenquotienten in Differentialquotienten über. GehtΔx{\displaystyle \Delta x} gegen Null, dann auchΔv{\displaystyle \Delta v}.Man erhält dann insgesamt für die Ableitung der verketteten Funktion:

f(x)=limΔx0ΔuΔx=limΔx0(ΔuΔvΔvΔx)=limΔv0(ΔuΔv)limΔx0(ΔvΔx)=dudvdvdx=u(v(x))v(x).{\displaystyle {\begin{aligned}f'(x)&=\lim _{\Delta x\rightarrow 0}{\frac {\Delta u}{\Delta x}}=\lim _{\Delta x\rightarrow 0}\left({\frac {\Delta u}{\Delta v}}\cdot {\frac {\Delta v}{\Delta x}}\right)\\&=\lim _{\Delta v\rightarrow 0}\left({\frac {\Delta u}{\Delta v}}\right)\cdot \lim _{\Delta x\rightarrow 0}\left({\frac {\Delta v}{\Delta x}}\right)={\frac {\mathrm {d} u}{\mathrm {d} v}}\cdot {\frac {\mathrm {d} v}{\mathrm {d} x}}=u'{\big (}v(x){\big )}\cdot v'(x).\end{aligned}}}

Beweis

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Man definiert

D(z,z0):={u(z)u(z0)zz0,falls zz0,u(z0),falls z=z0.{\displaystyle D(z,z_{0}):={\begin{cases}{\frac {u(z)-u(z_{0})}{z-z_{0}}},&{\text{falls }}z\neq z_{0},\\u'(z_{0}),&{\text{falls }}z=z_{0}.\end{cases}}}

Weilu{\displaystyle u} inz0{\displaystyle z_{0}} differenzierbar ist, gilt

limzz0D(z,z0)=u(z0),{\displaystyle \lim _{z\to z_{0}}D(z,z_{0})=u'(z_{0}),}

das heißt, die FunktionzD(z,z0){\displaystyle z\mapsto D(z,z_{0})} ist an der Stellez0{\displaystyle z_{0}} stetig. Außerdem gilt für allezU{\displaystyle z\in U}:

u(z)u(z0)=D(z,z0)(zz0).{\displaystyle u(z)-u(z_{0})=D(z,z_{0})\cdot (z-z_{0}).}

Wegenlimxx0v(x)=v(x0){\displaystyle \lim _{x\to x_{0}}v(x)=v(x_{0})} folgt daraus:

(uv)(x0)=limxx0u(v(x))u(v(x0))xx0=limxx0D(v(x),v(x0))(v(x)v(x0))xx0=limxx0D(v(x),v(x0))limxx0v(x)v(x0)xx0=u(v(x0))v(x0).{\displaystyle {\begin{aligned}(u\circ v)'(x_{0})&=\lim _{x\to x_{0}}{\frac {u{\big (}v(x){\big )}-u{\big (}v(x_{0}){\big )}}{x-x_{0}}}=\lim _{x\to x_{0}}{\frac {D{\big (}v(x),v(x_{0}){\big )}\cdot {\big (}v(x)-v(x_{0}){\big )}}{x-x_{0}}}\\&=\lim _{x\to x_{0}}D{\big (}v(x),v(x_{0}){\big )}\cdot \lim _{x\to x_{0}}{\frac {v(x)-v(x_{0})}{x-x_{0}}}\\&=u'{\big (}v(x_{0}){\big )}\cdot v'(x_{0}).\end{aligned}}}

Komplexe Funktionen

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SeienU,VC{\displaystyle U,V\subset \mathbb {C} }offene Teilmengen, z. B.Gebiete,v:VC{\displaystyle v\colon V\rightarrow \mathbb {C} } undu:UC{\displaystyle u\colon U\rightarrow \mathbb {C} } Funktionen mitv(V)U{\displaystyle v(V)\subseteq U}.

Die Funktionv{\displaystyle v} sei im Punktx0V{\displaystyle x_{0}\in V}differenzierbar undu{\displaystyle u} sei im Punktv(x0)U{\displaystyle v(x_{0})\in U} differenzierbar.

Dann ist die zusammengesetzte Funktion

f:=uv:VC,xu(v(x)){\displaystyle f:=u\circ v\colon V\rightarrow \mathbb {C} ,x\mapsto u(v(x))}

im Punktx0{\displaystyle x_{0}} differenzierbar und es gilt:

(uv)(x0)=u(v(x0))v(x0).{\displaystyle (u\circ v)'(x_{0})=u'{\big (}v(x_{0}){\big )}\cdot v'(x_{0}).}

Fazit: Die komplexe Kettenregel ist (einschließlich ihres Beweises) völlig analog zum Reellen.

Verallgemeinerung auf mehrfache Verkettungen

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Anwendung der Kettenregel auf „verschachtelte“ Funktionen

Etwas komplizierter wird das Differenzieren, wenn mehr als zwei Funktionen verkettet sind. In diesem Fall wird die Kettenregelrekursiv angewendet. Beispielsweise ergibt sich bei Verkettung von drei Funktionenu,v{\displaystyle u,v} undw{\displaystyle w}

f(x)=u(v(w(x))){\displaystyle f(x)=u(v(w(x)))}

die Ableitung

f(x)=u(v(w(x)))(v(w(x)))=u(v(w(x)))v(w(x))w(x).{\displaystyle f'(x)=u'(v(w(x)))\cdot (v(w(x)))'=u'(v(w(x)))\cdot v'(w(x))\cdot w'(x).}

Im Allgemeinen hat die Funktion

f=u1un{\displaystyle f=u_{1}\circ \cdots \circ u_{n}}

die Ableitung

f(x)=u1(u2((un(x))))u2(u3((un(x))))un(x),{\displaystyle f'(x)=u_{1}'(u_{2}(\cdots (u_{n}(x))))\cdot u_{2}'(u_{3}(\cdots (u_{n}(x))))\cdots u_{n}'(x),}

wie sich durchvollständige Induktion beweisen lässt. Beim praktischen Berechnen der Ableitung multipliziert man also Faktoren, die sich folgendermaßen ergeben:

Den ersten Faktor erhält man dadurch, dass man die äußerste Funktion durch eine unabhängige Variable ausdrückt und ableitet. Anstelle dieser unabhängigen Variablen ist der Rechenausdruck für die restlichen (inneren) Funktionen einzusetzen.Der zweite Faktor wird entsprechend berechnet als Ableitung der zweitäußersten Funktion, wobei auch hier der Rechenausdruck für die zugehörigen inneren Funktionen einzusetzen ist. Dieses Verfahren setzt man fort bis zum letzten Faktor, der innersten Ableitung.

Als Beispiel kann wiederum die Funktionf(x)=(x3+1)2{\displaystyle f(x)=(x^{3}+1)^{2}} dienen. Diese lässt sich darstellen als Verkettung der drei Funktionen:

u(v)=v2v(w)=w+1w(x)=x3,{\displaystyle {\begin{array}{ccl}u(v)&=&v^{2}\\v(w)&=&w+1\\w(x)&=&x^{3},\end{array}}}

denn es gilt:

u(v(w(x)))=u(w(x)+1)=u(x3+1)=(x3+1)2=f(x).{\displaystyle u(v(w(x)))=u(w(x)+1)=u(x^{3}+1)=(x^{3}+1)^{2}=f(x).}

Damit liefert die auf mehrfache Verkettungen verallgemeinerte Kettenregel mit

u(v)=2vv(w)=1w(x)=3x2,{\displaystyle {\begin{array}{ccl}u'(v)&=&2v\\v'(w)&=&1\\w'(x)&=&3x^{2},\end{array}}}

die Ableitung

f (x)=u(v(w(x)))v(w(x))w(x)=2v(w(x))1w(x)=2(x3+1)13x2.{\displaystyle f\ '(x)=u'(v(w(x)))\cdot v'(w(x))\cdot w'(x)=2v(w(x))\cdot 1\cdot w'(x)=2(x^{3}+1)\cdot 1\cdot 3x^{2}.}

Verallgemeinerung für höhere Ableitungen

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Hauptartikel:Formel von Faà di Bruno

Eine Verallgemeinerung der Kettenregel fürhöhere Ableitungen ist dieFormel von Faà di Bruno. Sie ist wesentlich komplizierter und schwieriger zu beweisen.

Sindu{\displaystyle u} undv{\displaystyle v} zwein{\displaystyle n}-mal differenzierbare Funktionen, deren Verkettungf(x)=u(v(x)){\displaystyle f(x)=u(v(x))} definiert ist, so gilt

f(n)(x)=(k1,,kn)Tnn!k1!  kn!u(k1++kn)(v(x))m=1km1n(1m!v(m)(x))km.{\displaystyle f^{(n)}(x)=\sum _{(k_{1},\dotsc ,k_{n})\in T_{n}}{\frac {n!}{k_{1}!\cdot \ \dotsb \ \cdot k_{n}!}}u^{(k_{1}+\dotsb +k_{n})}(v(x))\,\prod _{m=1 \atop k_{m}\geq 1}^{n}\left({\frac {1}{m!}}v^{(m)}(x)\right)^{k_{m}}.}

Hierbei bezeichnetf(n)(x){\displaystyle f^{(n)}(x)} dien{\displaystyle n}-te Ableitung vonf{\displaystyle f} an der Stellex{\displaystyle x}.Die MengeTn{\displaystyle T_{n}}, über die summiert wird, enthält allen{\displaystyle n}-Tupel(k1,  ,kn){\displaystyle (k_{1},\ \ldots \ ,k_{n})\,} ausnichtnegativen,ganzen Zahlen mit1k1+2k2++nkn=n{\displaystyle 1k_{1}+2k_{2}+\cdots +nk_{n}=n\,}.

Verallgemeinerung auf Funktionen und Abbildungen mehrerer Veränderlicher

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Hauptartikel:Mehrdimensionale Kettenregel

Hier betrachtet man differenzierbare Funktionen (Abbildungen)f:RnRm{\displaystyle f\colon \mathbb {R} ^{n}\to \mathbb {R} ^{m}}. Die Ableitung einer solchen Abbildung im Punktx0Rn{\displaystyle x_{0}\in \mathbb {R} ^{n}} ist dann eine lineare AbbildungDfx0:RnRm{\displaystyle Df_{x_{0}}\colon \mathbb {R} ^{n}\to \mathbb {R} ^{m}}, die durch eine(m×n){\displaystyle (m\times n)}-Matrix, dieJacobi-MatrixJf(x0){\displaystyle J_{f}(x_{0})} dargestellt werden kann.

Die Kettenregel besagt, dass die Verkettung von zwei differenzierbaren Abbildungen wieder differenzierbar ist. Ihre Ableitung erhält man, indem man die einzelnen Ableitungen verkettet. Die zugehörige Jacobi-Matrix ist dasMatrizenprodukt der einzelnen Jacobi-Matrizen.

Im Detail: Sind die Abbildungenv:RnRl{\displaystyle v\colon \mathbb {R} ^{n}\to \mathbb {R} ^{l}} im Punktx0Rn{\displaystyle x_{0}\in \mathbb {R} ^{n}} undu:RlRm{\displaystyle u\colon \mathbb {R} ^{l}\to \mathbb {R} ^{m}} im Punktv(x0)Rl{\displaystyle v(x_{0})\in \mathbb {R} ^{l}} differenzierbar, so ist auch die Verkettunguv:RnRm{\displaystyle u\circ v\colon \mathbb {R} ^{n}\to \mathbb {R} ^{m}} im Punktx0{\displaystyle x_{0}} differenzierbar, und es gilt

D(uv)x0=Duv(x0)Dvx0{\displaystyle D(u\circ v)_{x_{0}}=Du_{v(x_{0})}\circ Dv_{x_{0}}}

und

Juv(x0)=Ju(v(x0))Jv(x0).{\displaystyle J_{u\circ v}(x_{0})=J_{u}(v(x_{0}))\cdot J_{v}(x_{0}).}

In ähnlicher Form lässt sich eine Kettenregel fürFréchet-Ableitungen von Abbildungen zwischenBanachräumen und für dieAbleitungen (Differentiale, Tangentialabbildungen) von Abbildungen zwischendifferenzierbaren Mannigfaltigkeiten formulieren.

Abweichende Notationen in der Physik und anderen Wissenschaften

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In vielenNaturwissenschaften wie derPhysik sowie in derIngenieurwissenschaft findet die Kettenregel breite Anwendung. Allerdings hat sich hier eine besondere Notation entwickelt, die von der mathematischen Notation der Kettenregel deutlich abweicht.

Vorstellung der Notation

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In physikalischer Literatur wird für die Ableitung einer Funktionh{\displaystyle h} nach der Variablex{\displaystyle x} in der Regel die Schreibweise

h(x)=:dhdx(x){\displaystyle h'(x)=:{\frac {\mathrm {d} h}{\mathrm {d} x}}(x)}

bevorzugt. Isth{\displaystyle h} eine Verkettung zweier Funktionen:h=fg{\displaystyle h=f\circ g} mityf(y),xg(x){\displaystyle y\mapsto f(y),x\mapsto g(x)}, so präsentiert sich die Kettenregel in dieser Notation:

dhdx(x)=dfdy(g(x))dgdx(x){\displaystyle {\frac {\mathrm {d} h}{\mathrm {d} x}}(x)={\frac {\mathrm {d} f}{\mathrm {d} y}}(g(x)){\frac {\mathrm {d} g}{\mathrm {d} x}}(x)}

Es ist zusätzlich gängige Konvention, die unabhängige Variable der Funktionf{\displaystyle f} mit dem Funktionssymbol der inneren Funktiong{\displaystyle g} zu identifizieren, dafür aber sämtliche Argumentklammern auszulassen:

dhdx=dfdgdgdx{\displaystyle {\frac {\mathrm {d} h}{\mathrm {d} x}}={\frac {\mathrm {d} f}{\mathrm {d} g}}{\frac {\mathrm {d} g}{\mathrm {d} x}}}

Letztlich wird für die Verkettungfg{\displaystyle f\circ g} kein neues Symbol eingeführt, sondern die gesamte Verkettung mit der äußeren Funktionf{\displaystyle f} identifiziert:f=fg{\displaystyle f=f\circ g}.

Die Kettenregel nimmt dann das folgende Aussehen an:

dfdx=dfdgdgdx{\displaystyle {\frac {\mathrm {d} f}{\mathrm {d} x}}={\frac {\mathrm {d} f}{\mathrm {d} g}}{\frac {\mathrm {d} g}{\mathrm {d} x}}}

Formal stellt sich die Kettenregel hier als eineErweiterung des „Bruches“df/dx{\displaystyle \mathrm {d} f/\mathrm {d} x} mitdg{\displaystyle \mathrm {d} g} dar, so dass es in physikalischer Fachliteratur (und auch in anderen Natur- und Ingenieurwissenschaften) gängig ist, die Kettenregel bei Anwendung nicht namentlich zu erwähnen. Stattdessen findet man oft Ersatzformulierungen, so ist etwa von der „Erweiterung vondf/dx{\displaystyle \mathrm {d} f/\mathrm {d} x} mitdg{\displaystyle \mathrm {d} g}“ die Rede, teilweise fehlt eine Begründung vollständig. Auch wenn dies für das ungeübte Auge nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist, steckt hinter all diesen Formulierungen ausnahmslos die Kettenregel der Differentialrechnung.

Obwohl die vorgestellte Notation mit einigen mathematischen Konventionen bricht, erfreut sie sich großer Beliebtheit und weiter Verbreitung, da sie es ermöglicht, mit Ableitungen (zumindest salopp) wie mit „normalen Brüchen“ zu rechnen. Viele Rechnungen gestaltet sie außerdem übersichtlicher, da Klammern entfallen und nur sehr wenige Symbole verwendet werden müssen. Vielfach stellt auch die durch eine Verkettung beschriebene Größe eine bestimmte physikalische Variable dar (z. B. eineEnergie oder eineelektrische Spannung), für die ein bestimmter Buchstabe „reserviert“ ist (etwaE{\displaystyle E} für Energie undU{\displaystyle U} für Spannung). Die obige Notation ermöglicht es, diesen Buchstaben in der gesamten Rechnung durchgängig zu verwenden.

Beispiel

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Diekinetische Energie eines Körpers hängt von seinerGeschwindigkeitv{\displaystyle v} ab:E=f(v){\displaystyle E=f(v)}. Hängt die Geschwindigkeit wiederum von derZeit ab,v=g(t){\displaystyle v=g(t)}, so ist auch die kinetische Energie des Körpers eine Funktion der Zeit, die durch die Verkettung

E(t)=f(g(t)){\displaystyle E(t)=f(g(t))}

beschrieben wird. Möchten wir die Änderung der kinetischen Energie nach der Zeit berechnen, so gilt nach der Kettenregel

E(t)=f(g(t))g(t).{\displaystyle E'(t)=f'(g(t))g'(t).}

In physikalischer Literatur würde man die letzte Gleichung in folgender (oder ähnlicher) Gestalt vorfinden:

dEdt=dEdvdvdt.{\displaystyle {\frac {\mathrm {d} E}{\mathrm {d} t}}={\frac {\mathrm {d} E}{\mathrm {d} v}}{\frac {\mathrm {d} v}{\mathrm {d} t}}.}

Klarer Vorteil ist die durchgängige Verwendung von Funktionssymbolen, deren Buchstaben mit denen der zugrunde liegenden physikalisch relevanten Größe (E{\displaystyle E} für Energie,v{\displaystyle v} für Geschwindigkeit) übereinstimmen.

Literatur

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Weblinks

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Einzelnachweise

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  1. abOmar Hernández Rodríguez, Jorge M. López Fernández:A Semiotic Reflection on the Didactics of the Chain Rule. In:The Mathematics Enthusiast. 7. Jahrgang,Nr. 2, 2010,S. 321–332,doi:10.54870/1551-3440.1191 (englisch,umt.edu [abgerufen am 4. August 2019]). 
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