Domschule

Domschulen oderKathedralschulen sind Bildungseinrichtungen derrömisch-katholischen Kirche und entstanden an katholischenBischofssitzen in Westeuropa seit dem8. Jahrhundert. Sie überflügelten langsam die älterenKlosterschulen.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Mittelalter
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Nachdem seit dem 8. Jahrhundert Klosterschulen und Domschulen zusammen oder nebeneinander bestanden, verloren erstere besonders ab dem11. Jahrhundert an Bedeutung wegen derCluniazensischen Reform, die sich gegen die Verweltlichung und Außenkontakte der Mönche und Nonnen richteten. An städtischen Domschulen konnten mehr Jungen am Unterricht teilnehmen, die nichtKleriker werden sollten. Klerikerausbildung blieb aber ihr Hauptzweck.
Karl der Große erließ eine Vorschrift, nach der beiBischofskirchen eine Schule zu eröffnen war (Admonitio generalis von 789). Als Lehrinhalt bestimmte er Singen, Lesen, Schreiben, Berechnen desOstertermins, lateinische Grammatik. In den höheren Stufen wurden wie in der Antike dieSieben freien Künste gelehrt aufgeteilt in dasTrivium (sprachliche FächerGrammatik,Dialektik undRhetorik) sowie dasQuadrivium (mathematische FächerArithmetik,Geometrie,Astronomie undMusik). Das wesentliche Lehrbuch dazu war (trotz des Namens)De nuptiis Mercurii et Philologiae vonMartianus Capella, das vielfach kommentiert worden ist. Dazu kamen Einfühungsschriften vonBoethius. Die Realität blieb dahinter weit zurück, etwa in Hamburg.[1]
Aus den Domschulen ging die geistige Elite der hochmittelalterlichen Reiche hervor. Bedeutende fränkische oder später deutsche Domschulen befanden sich zum Beispiel inUtrecht,Lüttich,Köln,Speyer,Würzburg,[2][3]Bamberg,Magdeburg,Hildesheim undFreising.[4] Insalischer undstaufischer Zeit entwickelte sich dieDomschule zu Speyer, gegründet von BischofBalderich (970–986) nach dem Vorbild vonSt. Gallen, zu einer Ausbildungsstätte für Diplomaten und Statthalter bzw. Funktionäre des Reiches.[4][5] Aus den Schulen von Bamberg und Hildesheim ging der Nachwuchs der Bischöfe hervor.[6]
Bedeutende Domschulen in Frankreich waren inOrléans,Reims,Paris,Laon,Tours,Tournai undChartres. In Frankreich lehrten die ersten freien Lehrer die Domschüler das FachPhilosophie gegen Lohn, so PetrusAbaelard, der „Erfinder“ derScholastik, womit zunächst nur der geordnete Vortrag der Meinungen zu einem Thema gemeint war. Zu seiner Zeit begann auch die Zuwanderung frei wandernder Schüler nach Paris.[7]Hugo von St. Viktor beschreibt ein Bild der vielen studierenden und übenden Grüppchen.Johann von Salisbury gibt den Tagesverlauf eines Studenten wieder, die sich über ihrer Lektüre in der Dialektik üben müssen.[8]
Ab 1179 benötigten die Lehrer eineLicentia Docendi (Lehrerlaubnis) desScholastikus, des für den Unterricht verantwortlichen Klerikers imDomkapitel. Aus einigen Domschulen in Italien entstanden ab dem 12. Jahrhundert erste Universitäten inBologna,Padua undSiena, in Frankreich inParis undToulouse. Sie entstanden als teilautonomeGenossenschaften der Lehrenden und Studierenden, die Lehre wurde an ein bestandenesExamen gebunden. Lehrende benötigten ab 1233 die so genanntefacultas hic et ubique docendi des Papstes („Lehrbefugnis hier und überall“), umKetzerei zu verhindern.
Seit dem Hochmittelalter entstanden neben den Domschulen kleinereLateinschulen an den städtischen Pfarreien, die zunehmend unter die Verwaltung der Kommunen kamen („Kommunalisierung“). Im Spätmittelalter wurden daneben noch private deutscheSchreibschulen für bürgerlich-kaufmännische Bildungsinteressen geschaffen, die häufig alsWinkelschulen bestanden. Diese besuchten auch Mädchen.[9]
Neuzeit
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Viele Domschulen gingen im Spätmittelalter und Reformation ein, so in Köln und Bamberg. Einige behielten den Namen, wurden aber protestantische, fürstliche oder staatliche Schulen (z. B. Magdeburg,Domschule Güstrow,Domschule Schleswig). Wieder andere wurdenJesuitenschulen (im katholischen Westfalen, inHildesheim,Paderborn,Münster undOsnabrück).
Andere Domschulen wurden erst im 18. und 19. Jahrhundert gegründet und blieben weniger bekannt und elitär. So hat die aus Frankreich geflüchteteHugenottengemeinde inBerlin in den Räumen desFranzösischen Doms auf demGendarmenmarkt eineDomschule als jeweils sechsklassige Knaben- und Mädchenschule (Elementar- bzw. „Mittelschule“) eingerichtet.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Manfred Fuhrmann:Latein und Europa, (Die fremdgewordenen Fundamente unserer Bildung). Geschichte des gelehrten Unterrichts in Deutschland von Karl dem Großen bis Wilhelm II. 2. Auflage. DuMont, Köln 2001,ISBN 3-8321-5605-4.
- Bernhard Gallistl:Bibliothek und Schule am Dom. In: Monika E. Müller (Hrsg.):Schätze im Himmel – Bücher auf Erden. Mittelalterliche Handschriften aus Hildesheim. Harrassowitz, Wiesbaden 2010 (=Ausstellungskataloge der Herzog August Bibliothek. Band 93),ISBN 978-3-447-06381-4, S. 55–68.
- Sonja Ulrike Klug:Kathedrale des Kosmos. Die heilige Geometrie von Chartres. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Kluges, Bad Honnef 2005,ISBN 3-9810245-1-6 (darin längeres Kapitel über die Kathedralschule von Chartres inkl. der antiken Philosophen, auf denen sie basiert, sowie die sieben freien Künste).
- Johannes E. S. Schmidt:Die Französische Domschule und das Französische Gymnasium zu Berlin. Schülererinnerungen 1848–1861. Herausgegeben und kommentiert von Rüdiger R. E. Fock. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2008 (=Schriften zur Kulturgeschichte. Band 6),ISBN 978-3-8300-3478-0.
- John R. Williams:The Cathedral School of Reims in the Time of Master Alberic, 1118–1136. In:Traditio. Band 20, 1964, S. 93–114.
- Claudia Opitz undElke Kleinau:Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Bd. 1:Vom Mittelalter bis zur Aufklärung, Frankfurt/M.-New York 1996.ISBN 978-3-593-35412-5.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Schule im Mittelalter. Abgerufen am 10. Februar 2022.
- ↑Die mittelalterliche Würzburger Domschule (Memento vom 1. April 2016 imInternet Archive)
- ↑Rainer Leng:Als der Kaiser in Würzburg Hof hielt: Der Würzburger Hoftag Friedrich Barbarossas von 1152. In:Würzburg heute. Band 73, 2002, S. 52–55, hier: S. 54.
- ↑abFriedrich Prinz:Grundlagen und Anfänge : Deutschland bis 1056. Frankfurt am Main 1993,ISBN 3-7632-2991-4,S. 323 f.
- ↑Geschichte der Stadt Speyer Bd. 1. Stuttgart 1982,ISBN 978-3-17-008037-9,S. 209 f.
- ↑Hartmut Boockmann:Wissen und Widerstand: Geschichte der deutschen Universität. Siedler, Berlin 1999,ISBN 3-88680-617-0,S. 43.
- ↑G. Paré, A. Brunet, P. Tremblay:La renaissance du XIIe siècle: Les écoles et l'enseignement. Refonte complète de l'ouvrage de G. Robert (1909). In:L'Institut d'études médiévales d'Ottawa, III. J. Vrin. 1933, 1933,ISSN 1937-5239,doi:10.1086/ahr/40.2.311.
- ↑Régine Pernaud:Heloise und Abaelard ein Frauenschicksal im Mittelalter. München 1994,ISBN 978-3-423-30394-1,S. 17–24.
- ↑Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Campus, 1996,ISBN 978-3-593-35412-5 (google.com [abgerufen am 10. Februar 2022]).