Katherine Murray „Kate“ Millett (*14. September1934 inSt. Paul; †6. September2017 inParis) war eineamerikanischeLiteraturwissenschaftlerin,Schriftstellerin,Bildhauerin undFeministin. Ihr wissenschaftliches WerkSexual Politics (1970; deutsch:Sexus und Herrschaft, 1971) ist einer der Klassiker des Feminismus.
Kate Millett wuchs mit zwei Schwestern in St. Paul,Minnesota auf. Ihre Eltern waren katholischeIrischamerikaner. Ihre Mutter, Helen Millett, arbeitete als Lehrerin und engagierte sich in derBürgerrechtsbewegung, trat für die Rechte von Homosexuellen ein und ging gegen denVietnamkrieg auf die Straße.[1] Nachdem ihr Ehemann, der Alkoholiker war, die Familie verlassen hatte, als Kate 14 Jahre alt war, verkaufte sie Versicherungen, um für den Unterhalt ihrer drei Töchter aufzukommen.[2]
Kate Millett studierte Englisch an derUniversity of Minnesota mit dem Abschluss alsBachelor. Eine wohlhabende Tante ermöglichte ihr das Studium an derUniversity of Oxford, wo sie amSt Hilda’s College 1958 ihren Master erhielt, als erste Amerikanerin mit der höchsten zu vergebenen Auszeichnung.[3][4] Anschließend unterrichtete sieEnglische Literatur an derUniversity of North Carolina at Greensboro. 1961 ging sie nach Tokio. An derWaseda-Universität lehrte sie Englisch und studierteBildhauerei. In dieser Zeit lernte sie den japanischen BildhauerFumio Yoshimura kennen. 1963 kehrte Kate Millett mit Yoshimura nach New York zurück und lebte mit ihm in einem Loft in derBowery. Sie heirateten 1965.
AmBarnard College übernahm sie einen Lehrauftrag für Englisch und Philosophie. 1968 wurde sie entlassen, weil sie gegen denVietnamkrieg protestierende Studenten unterstützt hatte. Da sie nun kein Einkommen mehr hatte, und Yoshimura in einemSweatshop wenig verdiente, entschloss sie sich ihre Ideen für eine Dissertation zu realisieren.[5] An derColumbia University promovierte sie mitmagna cum laude in Englischer und Vergleichender Literatur. Ihre Dissertation erschien unter dem TitelSexual Politics 1970 als Buch und wurde ein Bestseller. Sie veröffentlichte zahlreiche ergänzende Artikel und Essays sowie zehn weitere Bücher. Millett lehrte amBryn Mawr College, an derCalifornia State University, Sacramento und derUniversity of California, Berkeley.[6] 1985 ließ sie sich von Yoshimura scheiden.[2]
Ende der 1990er Jahre geriet Millett zunehmend in Vergessenheit. Sie lebte von den Erträgen der 1978 gegründetenArt Colony for Women auf ihrer Farm inPoughkeepsie imBundesstaat New York, die sie 1971 gekauft hatte. Eine ihrer akademischen Qualifikation entsprechende Stelle konnte sie nicht mehr finden. In der englischen TageszeitungThe Guardian beschrieb sie 1998 ihre Frustration und Angst vorAltersarmut. In der Folgezeit wurdeSexual Politics neu aufgelegt, Millett erhielt Lehraufträge und Ausstellungen.[7] Eine Retrospektive unter dem TitelKate Millett, Sculptor: The First 38 Years mit Installationen, Skulpturen, Zeichnungen und Fotografien fand 1997 imCenter for Contemporary Art inNorthampton statt.[8] 2012 wurde ihre Farm alsnon-profit Organisation anerkannt und inMillett Center for the Arts umbenannt, wo Millett Künstlerinnen aus aller Welt förderte.
Kate Millett starb im Alter von 82 Jahren an einemHerzinfarkt bei einem Besuch ihrer langjährigen Lebensgefährtin, der Fotojournalistin und Künstlerin Sophie Keir, in Paris.[9] Sie hatten kurz zuvor geheiratet.[2]
Millett war eine einflussreiche feministische Theoretikerin und gleichermaßen als Schriftstellerin überwiegend autobiografischer und dokumentarischerProsa sowie als Künstlerin tätig. Zwischen 1963 und 2009 hatte sie zahlreiche Solo-Ausstellungen in Japan und den USA. Sie schuf Skulpturen und Installationen, in denen sie sich mit kulturellen Bedeutungsmustern von Geschlecht auseinandersetzte. Als politische Aktivistin kämpfte sie für die Rechte von Frauen, Homosexuellen und alten Menschen.[6] Sie setzte sich nachdrücklich für Folter- und Psychiatrieopfer[10] und gegen die Diskriminierung von Prostituierten ein. Ihr BuchThe politics of cruelty(Entmenschlicht) ist ein empathisches Plädoyer gegen die Folter. 2001 war sieUN-Delegierte für Menschen mit psychiatrischen Behinderungen.[11]
Ihr öffentliches Wirken als Frauenrechtlerin begann, als sie 1966 zur ersten Vorsitzenden des Bildungsausschusses der neu gegründeten feministischenNational Organization for Women ernannt wurde. 1968 veröffentlichte sie eine Studie über amerikanische Frauen-Colleges mit dem TitelToken Learning, in der sie dokumentierte, dass Frauen zu traditionsbewusster „Vornehmheit“(gentility) und „Service“ anstatt zu Leistung und Führung ausgebildet wurden. Die Studie war eine wütende Anklage und hatte zur Folge, dass als erste dieRutgers-Universität begann die Exzellenz von Frauen zu fördern.[6][3]
In ihrem wissenschaftlichen WerkSexual Politics untersuchte Millet, wie sich dasPatriarchat in westlichen Gesellschaften entwickelt hat und von Gesetzen, Medizin und Wissenschaft verteidigt wird. Sie argumentierte, dass „Sexualität ein häufig vernachlässigter politischen Aspekt“ und die Beziehung zwischen den Geschlechtern immer politisch zu verstehen sei. Sie analysierte die Beschreibungen der weiblichen Sexualität von Autoren wieD.H. Lawrence,Henry Miller,Norman Mailer alsmisogyn und beschäftigte sich unter anderen mitSigmund Freuds Theorien über das Wesen der Frau. Ihre literaturkritischen Betrachtungen verband sie mit soziologischen und anthropologischen. Millett stellte die Struktur des Politischen grundsätzlich in Frage und setzte dem einePolitik der ersten Person entgegen, die prägend werden sollte für die autonome Frauenbewegung der siebziger Jahre.Sexual Politics ist beeinflusst vonSimone de Beauvoirs WerkDas andere Geschlecht (1949) und im Stil von leidenschaftlicher Polemik verfasst. Kurz nach der Veröffentlichung erschien dasTime-Magazine mit einem Porträt von Millett auf dem Cover, gemalt vonAlice Neel, und einer Besprechung, in der Millett „Mao Tse-Tung der Frauenbefreiung“ genannt wurde.[12] Das Buch gilt nebenShulamith FirestonesThe Dialectic of Sex (1970) als einer der einflussreichsten theoretischen Texte derFrauenbewegung und noch heute als Grundlagenwerk für die Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang vonGender und Kultur.Gloria Steinem bezeichnete das Buch als ihren Weckruf. 2016 wurde es in den USA in einer neuen Ausgabe herausgegeben.[2]
Ihr zweibändiges erzählendes WerkFlying (1974) ist autobiographisch und handelt unter anderem von ihrer Ehe mit Fumio Yoshimura und von den Qualen, die sie litt, nachdem sie offenbart hatte, dass sielesbisch ist. Sie schrieb drei weitere autobiografische Romane, darunterSita (1977) über die Liebesbeziehung mit einer Frau, die gescheitert war.
Nach dem Aufstieg vonAyatollah Ruhollah Khomeini ging sie 1979 mit Sophie Keir auf Einladung von iranischen Feministinnen in denIran, um zumInternationalen Frauentag Vorträge über Frauenrechte zu halten und die politische Situation zu dokumentieren. Einen Tag nachdem die religiösen Führer derIslamischen Republik denHidschāb vorgeschrieben hatten, nahmen sie an einer großen Demonstration vor derUniversität Teheran teil, dem Beginn der iranischen Frauenbefreiungsbewegung, weitere Demonstrationen folgten. Französische und iranische Feministinnen drehten einen Film, für den sie Millett interviewten.[13] Die Ereignisse und die politische Unterdrückung im Iran beschrieb sie in dem BuchGoing to Iran, illustriert mit Fotos von Sophie Keir. Es ist der Tag-für-Tag-Bericht einer Augenzeugin.[14]
Millett wurde ab 1973 zweimal in den Vereinigten Staaten und im Jahr 1980 einmal in Irland gegen ihren Willen in eine psychiatrische Klinik eingewiesen;[15][16] in Irland wurde sie zur Einnahme von Psychopharmaka gezwungen.[17] Den „Kampf, ihre Autonomie gegen die Autorität der Psychiatrie und, im weiteren Sinne, gegen die autoritäre Gesellschaft im Allgemeinen zu behaupten“, schilderte sie in dem BuchThe Loony Bin Trip (deutsch:Der Klapsmühlentrip).[18]Marilyn Yalom bezeichnete es in derWashington Post als „mächtigen anti-institutionellen Schrei“, wie ihn in der Literatur über den Wahnsinn seitKen Keseys RomanEiner flog über das Kuckucksnest niemand mehr ausgesandt habe.[19]
Ihr BuchMother Millett handelt von den letzten Lebensjahren ihrer Mutter. Als Kate Millett erfuhr, dass ihre Mutter sterbenskrank war, kehrte sie nach Minnesota zurück, holte ihre Mutter aus dem Pflegeheim und begleitete sie bis zu deren Tod.
Personendaten | |
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NAME | Millett, Kate |
ALTERNATIVNAMEN | Millett, Katherine Murray (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | amerikanische Literaturwissenschaftlerin, Schriftstellerin und Feministin |
GEBURTSDATUM | 14. September 1934 |
GEBURTSORT | St. Paul |
STERBEDATUM | 6. September 2017 |
STERBEORT | Paris |