Kastration


Unter einerKastration (vonlateinischcastrare ‚verschneiden‘, „entmannen“, „kastrieren“, auch „schwächen, berauben“) versteht man die Entfernung oder Außerfunktionssetzung derKeimdrüsen (Gonaden) und damit dieAusschaltung derFertilität von Lebewesen, was eine Form desHypogonadismus zur Folge hat. Chirurgisch durchgeführt wird sie in der medizinischen Fachsprache alsGonadektomie bezeichnet; die Entfernung derHoden beim Mann alsOrchiektomie; die Entfernung derEierstöcke bei der Frau alsOvarektomie. Wird nur eine der beiden Keimdrüsen entfernt, z. B. wegen eines Tumors, spricht man von einer Teilkastration (Semikastration).
Die Zerstörung der Keimdrüsenfunktion durch ionisierendeStrahlung (Röntgenkastration, Menolyse) und die umkehrbare Unterdrückung derHormonproduktion durchArzneistoffe („chemische Kastration“, beispielsweise durch dasantiandrogen wirksameCyproteronacetat, sowie dieImmunokastration) sind keine Kastration im engeren oder imvolkssprachlichen Sinne.
Eine unblutige Kastration liegt vor, wenn die Keimdrüsen (insbesondere die Hoden) durch Abklemmen der sieversorgenden Blutgefäße ausgeschaltet werden (siehe unten).
Mensch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Freiwillige Kastration von Männern
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VonLukian stammt die klassisch gewordene Überlieferung überKombabus, der sich als Reisebegleiter der syrischen Königsgemahlin zuvor aus eigenem Entschluss kastriert hatte.
Kastrationen aus medizinischen Gründen waren bereits in der Antike bekannt. So beruhte eine bis ins 17. Jahrhundert durchgeführte Behandlung derGicht durch Kastration auf einemHippokratischen Aphorismus („Die Eunuchen bekommen weder Podagra, noch werden sie kahlköpfig“).[1] Auch bei Lepra, Epilepsie und anderen Erkrankungen[2] wurde ein solches Verfahren angewandt.[3]
Die Kastration kann in der Behandlung des Prostatakarzinoms angewendet werden. Da Prostatakarzinome in vielen FällenTestosteron-abhängig sind, kommt es nach der Entfernung der Hoden (Orchiektomie) meist zu einem deutlichen Rückgang oder Stillstand derKrankheit, sodass derPatient meist über Jahre symptomfrei leben kann.
Zwangskastration an Männern
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Die Kastration als Genitalverstümmelung an Männern wurde in der gesamten Geschichte der Menschheit in vielen Völkern und Kulturen durchgeführt. An besiegten Feinden zurDemütigung und Machtdemonstration, um ihnen daraufhin leichter ihre Frauen nehmen zu können, und anSklaven, besonders solchen, die einenHarem bewachen sollten (sieheEunuch).
ErwachseneKriegsgefangene oder Sklaven wurden überdies kastriert, um sie nicht nur zu erniedrigen, sondern auch fügsamer zu machen, da durch den Verlust der Hoden aufgrund starker Reduzierung desTestosterons die Aggressionsbereitschaft nachlässt. Laut verschiedenen Quellen soll die mythischeassyrische KöniginSemiramis eine der ersten Herrscherinnen gewesen sein, die die Kastration gefangener Feinde befahl.
Während der Zeit desarabischen Sklavenhandels war die Kastration die übliche Praxis der Sklavenhändler, um den afrikanischen Männern die Fortpflanzungsfähigkeit zu nehmen. Nach Angaben dessenegalesischenAnthropologenTidiane N’Diaye wurden bis zu 17 Millionen Frauen und Männer ausSubsahara-Afrika als Arbeitskräfte in arabische Länder verbracht und der männliche Teil dort kastriert.[4]
In denJugoslawienkriegen ab 1991 kam es zu Kastrationen anbosnischen Kriegsgefangenen. Den Männern wurden in den Lagern vonserbischen Frauen die Hoden abgetrennt.[5]
Religiöse Gründe
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DiePriester derantikenGöttinKybele (Galli, auchGalloi) waren Eunuchen. DerKult hatte sich ausKleinasien über das gesamteRömische Reich verbreitet. Jedes Jahr zur Zeit des Frühlingsfestes fandenrauschhafte Feste statt, bei denen sich Anhänger des Kultesselbstverstümmelten. Sie schnitten sich mit einem Zeremonienschwert oder auch einem scharfkantigen Gegenstand dieGenitalien ab und warfen diese in die Menge der Zuschauer. Der Betreffende musste den Eunuchen-Neuling mit Frauenkleidern versorgen. Viele Eunuchen-Priester litten infolge der stümperhaft durchgeführten Kastration unterInfektionen derHarnröhre und unter dauerhafterBlasenschwäche.
ImephesischenArtemiskult finden sich ebenfalls Beispiele kultischer „Selbstentmannung“. Der Ursprung solcher aus religiösen Vorstellungen[6] heraus vorgenommenen Kastrationen, wie sie auch für Babylonien, Phönizien, Zypern und Syrien belegt sind, wurde bei den Hethitern[7] vermutet.[8]
DieBibel erwähnt Verschnittene, beispielsweise im BuchJesaja, Kapitel 56 (siehe auch:Eunuchen für das Himmelreich).
Der frühchristlicheTheologeOrigenes soll sich selbst entmannt haben, um seiner Interpretation der Bibel (Mt 19,12 EU) zu folgen.
Laut Kanon 1 desErsten Konzils von Nicäa (20. Mai – 25. Juli 325) konnten Eunuchen nur dann Priester derrömisch-katholischen Kirche werden, wenn sie sich nicht selbst kastriert hatten. PapstSixtus V. verfügte am 7. Juni 1587 mit demImpotenzdekret, dass ein Mann über wirklichen, das heißt aus den Hoden stammenden Samen verfügen müsse, andernfalls er nicht heiraten dürfe; damit wurde die Zeugungsfähigkeit (potentia generandi) zur Eheschließung verlangt.[9]
Trotzdem lebte die Kastration als religiöse Praxis immer wieder auf, so beispielsweise im dritten Jahrhundert bei denValesianern.
Von der römisch-katholischen Kirche wurden perDekret von PapstSixtus V. vom 7. Juni 1587 folgende Gruppen unter dem Oberbegriff „Verschnittene“ zusammengefasst:
- BeimSpadonen wurden lediglich dieSamenleiter durchtrennt (Vasektomie). Es handelte sich also um eineSterilisation. Die Vasektomie ist heutzutage ein gängiger und in der Regel unproblematischer Eingriff und wird bei Männern durchgeführt, die keine Kinder mehr zeugen, aber keines der üblichenVerhütungsmittel benutzen möchten. Libido und auchEjakulation werden davon nicht beeinflusst, aber es sind keineSpermien mehr imEjakulat.
- BeimKastraten wurden dieHoden entfernt, mit den oben beschriebenen Folgen.
- DerEunuch ist vollständig „verschnitten“, ihm wurde zusammen mit den Hoden auch der Penis entfernt (Penektomie).
Imüblichen Wortgebrauch wird „Eunuch“ häufig mit „Kastrat“ gleichgesetzt.
InRussland undRumänien erlebte die Kastration im19. Jahrhundert durch dieSkopzen-Sekte sogar eine regelrechte Blüte, während der sich tausende Männer und Frauen die Geschlechtsteile entfernen ließen.

Jedoch gibt es von jeher auch Kulturen, welche die Kastration strikt ablehnen, als Beispiel sei dasJudentum genannt; orthodoxe Juden kastrieren auch keine Tiere.
Kastration von Kindern
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]ImKaiserreich China wurden noch bis zur Gründung derRepublik 1912 Knaben von ihren Eltern als Palasteunuchen an den Kaiserhof verkauft.
ImMittelalter[10] und in der frühenNeuzeit wurden auch Knaben zur Erhaltung ihrer hohenStimme kastriert, diese Praxis wurde noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts regelmäßig inItalien angewendet. Sie sangen unter anderem als päpstliche Sänger imSixtinischen Chor.[11] Ausgehend vonKonservatorien inNeapel (Conservatorio dei Poveri di Gesù Cristo,Conservatorio della Pietà dei Turchini,Conservatorio Sant’Onofrio und andere), einst Verwahranstalten für verwaiste oder verstoßene Kinder, wurden für derartige Einrichtungen später in ganz Italien Jahr für Jahr tausende vorpubertäre Jungenrekrutiert, indem man sie für einTrinkgeld von Eunuchenhändlern, den sogenanntenMangones, ihren zumeist bitterarmen Eltern abkaufte, um sie anschließend illegal im Verborgenen zu kastrieren und hiernach stimmlich undliturgisch auszubilden. Allerdings überlebten viele Jungen denchirurgischen Eingriff auf Grund von postoperativen Komplikationen nicht, da damals diese Eingriffe nicht untersterilen Bedingungen ausgeführt wurden undAntibiotika zur Verhinderung oder Behandlung einer Infektion noch nicht bekannt waren.[12] Ein berühmtes Beispiel für eine überstandene Kastration und nach jahrelanger Gesangsausbildung erfolgreicheKarriere ist der italienischeKastratensänger Carlo Broschi, genanntFarinelli. Erst PapstPius X. schrieb am 22. November 1903 in seinemMotu proprioTra le sollecitudini („Über dieKirchenmusik“) vor, zur Besetzung vonSopran- undAltstimmen allein unkastrierte Knaben einzusetzen, und verbot damit praktisch die Beschäftigung von Kastraten in Kirchenchören.[13]
In den 1950er Jahren soll es in den Niederlanden zur Zwangskastration von jungen Männern gekommen sein, die Bewohner von katholischen Kinderheimen und Missbrauchsopfer waren.[14][15]
Chemische und chirurgische Kastration von Straftätern
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der irreversible Eingriff der chirurgischen Kastration wurde oft bei wiederholt rückfälligen und anders nicht beeinflussbarenSexualstraftätern vorgenommen. InPolen können verurteilte Triebtäter seit einer Verschärfung des Strafrechts 2009 chemisch zwangskastriert werden, um eine weiterhin von den Tätern ausgehende Gefahr zu verringern.[16] InTschechien ist die chirurgische Kastration verurteilter Sexualstraftäter nach Kritik desEuroparates und einer Gesetzesverschärfung nur noch mit derenEinwilligung möglich.[17] In den vergangenen zehn Jahren wurden hier 94 Sexualstraftäter operativ kastriert und mehr als 300 einer chemischen Kastration unterzogen.[18] InNordmazedonien werdenPädophile, die wiederholt Kinder missbrauchen, seit 2014 zusätzlich zur Haftstrafe chemisch kastriert.[19] Bei Ersttätern ermöglicht die freiwillige Kastration eine Haftverkürzung.[19]
Die (reversible) hormonelle Kastration durchAntiandrogene wird in einzelnen Bundesstaaten derUSA weiterhin bei Sexualstraftätern (mit deren Einwilligung) vorgenommen.
InNigeria istsexualisierte Gewalt weit verbreitet; während der ersten Welle derCOVID-19-Pandemie in Nigeria nahm sie weiter zu. ImBundesstaat Kaduna wurde daraufhin 2020 ein Gesetz eingeführt, das die Kastration von Vergewaltigern ermöglicht, die unter vierzehnjährige Mädchen vergewaltigt haben.[20]
Die Vorsitzende der Frauenorganisation der tansanischen Regierungspartei Chama Cha Mapinduzi,Mary Chatanda, forderte 2023 die Kastration homosexueller Menschen. Homosexuelle Handlungen sind im ostafrikanischen Land Tansania schon verboten und werden mit Haft bestraft.[21]
In Deutschland konnten von 1934 bis 1945 gemäß § 42k StGB a. F. Sexualstraftäter unter bestimmten Voraussetzungen zwangsweise kastriert werden.[22] Homosexuelle Handlungen (§ 175) reichten, außer wenn sie öffentlich begangen worden waren, für eine Zwangskastration nach § 42k StGB a. F. nicht aus. Allerdings wurde am 26. Juni 1935 durch Einfügung des § 14 Absatz 2 in dasGesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses die „kriminalpolitisch indizierte Kastration“ homosexueller Männer mit deren Einwilligung ermöglicht; ebenso die Kastration anderer Sexualstraftäter mit deren Einwilligung, wenn keine Zwangskastration angeordnet worden war.[23] Angesichts der Inhaftierung von Homosexuellen inKonzentrationslagern kann man auch deren Kastrationen trotz der im Gesetz verlangten Einwilligung als Zwangskastrationen bezeichnen. Der § 14 Absatz 2 desGesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wurde 1969 durch dasGesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden abgelöst. Durch die Reform/Aufhebung des § 175 fand die Kastration Homosexueller ihr Ende.
DasBundesverfassungsgericht hat 2017 in seinem Urteil zumzweiten NPD-Verbotsverfahren die politische Forderung nach einer (zwangsweisen) Kastration von Pädophilen als verfassungsfeindlich eingestuft.[24]
Kastration von Frauen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im Gegensatz zur Kastration von Männern hat die Kastration von Frauen keine große Tradition in den Völkern und Kulturen. Das liegt daran, dass der erforderliche Eingriff (Öffnen der Bauchdecke) wesentlich schwerwiegender ist als bei Männern, ja früher nahezu unmöglich war.
Maßnahmen sexuellerDisziplinierung bei Frauen zielen daher auf andere Praktiken, wieBeschneidung,Infibulation oderEntfernung derBrüste. Diese Praktiken sind auch bei weiblichenSkopzen belegt.
Medizinische Folgen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Eine Kastration ist ein schwerwiegenderEingriff mit weitreichenden Folgen für den Menschen, sowohlmännlichen als auchweiblichen Geschlechtes. In allen Fällen führt die Kastration bei beiden Geschlechtern zuUnfruchtbarkeit.
Am schwerwiegendsten ist der Eingriff beim Menschen, wenn er noch vor derPubertät vorgenommen wird. Die Folgen bei einemJungen sind beispielsweise:
- geringesWachstum desKehlkopfs und daher das Ausbleiben desStimmbruchs. Eine hohe Singstimme bleibt dadurch meist erhalten, die Sprechstimme gleicht etwa der eines hohenTenors (Kastratenstimme)
- ausbleibende Entwicklung der männlichenGeschlechtsmerkmale und fehlenderGestaltwechsel vomJüngling zumMann
- Hochwuchs und Störungen derVerknöcherung, daher längere Extremitäten und „eunuchoider“ Körperbau
- Ausbleiben dermännlichen Körperbehaarung, sowie zarte, blasseHaut (wie die einesKindes)
- Antriebsarmut,Muskelschwäche und rascheErmüdbarkeit
- Mindestens im späteren Alter gegenüber einem Nichtkastrierten eine deutlich verringerte Ausprägung desSexualverlangens (Geschlechtstriebes) und derErektionsfähigkeit
- starke Neigung zuAdipositas, insbesondere mit Fettansatz an den Hüften, Oberschenkeln undGesäß, dadurch ein „verweiblichtes“ Aussehen
- Verzögerungen derpsycho-sexuellen Entwicklung,psychische Auffälligkeiten undDepressionen, teilweise auchpsycho-soziale Schwierigkeiten,Diskriminierung und Entwurzelung
Bei Kastration imErwachsenenalter bleiben diese Wirkungen aus, da die Pubertät vor dem Eingriff schon abgeschlossen ist. Zu den möglichen Effekten zählen aber
- Antriebsarmut
- Veränderung derBehaarung
- Abnahme derLibido (Geschlechtstrieb) oder sogarErektile Dysfunktion
- tiefgreifendePersönlichkeitsveränderungen, gesteigerte vegetative Labilität undDepression
- Osteoporose
- Adipositas mitStoffwechselstörungen, Entgleisungen desFettstoffwechsels, des Zuckerstoffwechsels und folgenderZuckerkrankheit sowiearterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
Die Kastration von Frauen (Ovariektomie) führt zum Eintritt derMenopause.
Möglicherweise erwünschte Folgen einer Kastration sind:
- schwächereLibido
- verringerteAggressionsbereitschaft
- geringere Gefahr, anProstatakarzinomen (Prostatakrebs) zu erkranken (durch die Reduzierung dermännlichen Sexualhormone)
Rechtliche Rahmenbedingungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Deutschland
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Eine ohne Einwilligung am Menschen vorgenommene Kastration ist in Deutschland strafbar alsschwere Körperverletzung (§ 226StGB). Die Einwilligung kann bei Körperverletzung jedoch gegen die guten Sitten verstoßen und daher für dieRechtswidrigkeit der Tat bedeutungslos sein.
Eine freiwillige Kastration eines Mannes über 25 Jahre, der unter einem abnormen Geschlechtstrieb leidet oder aufgrund seiner Geschlechtstriebs straffällig war, ist in Deutschland bei Vorliegen der imGesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden (KastrG) vom 15. August 1969 genannten Vorgaben möglich. Der Betroffene muss in die Kastration wirksam einwilligen. BeiEinwilligungsunfähigen ist jedoch die Kastration mit Einverständnis des Betroffenen und Einwilligung des rechtlichenBetreuers sowie Genehmigung desBetreuungsgerichtes im Rahmen dieses Gesetzes möglich (§ 3,§ 4 Abs. 3, § 6 KastrG). Außerdem ist die Zustimmung einer Gutachterstelle nötig. Eine Änderung an der „sexuellen Orientierung“ wird nicht erwartet, sondern der verminderte Drang oder Leidensdruck, diese „sexuelle Orientierung“ in die Tat umzusetzen. Eine Alternative ist einemedikamentöse Hemmung der Testosteronproduktion mitAntiandrogenen. Die Kastration kann dazu führen, dass ein Sexualstraftäter, gegen denUnterbringung in Sicherungsverwahrung angeordnet ist, nicht mehr als gefährlich anzusehen ist und gemäß § 67d Abs. 2 StGB aufBewährung entlassen wird.
Nicht unter das KastrG fällt eine Kastration, die bei einergeschlechtsangleichenden Operation einestrans- oderintergeschlechtlichen Menschen mit Einwilligung des Patienten bzw. seiner Eltern vorgenommen wird. Die Bundesregierung hat 2020 vorgeschlagen, solche Operationen bei nicht einwilligungsfähigen minderjährigen Intersexuellen weitgehend zu verbieten, beziehungsweise aufzuschieben, bis das Kind selbst eine Entscheidung treffen kann.[25] Das Gesetz trat am 22. Mai 2021 in Kraft.[26]
Österreich
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]InÖsterreich ist die Kastration – außer bei medizinischerIndikation – verboten. In sie kann auch nicht eingewilligt werden (§ 90 Abs. 3 StGB).
Schweiz
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]NachArt. 122 des Schweizer Strafgesetzbuchs gilt die Kastration alsSchwere Körperverletzung.[27] Straffrei kann eine Kastration mit Einwilligung des Betroffenen sein.
Kastration in der Tierhaltung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Als dauerhafte Form derEmpfängnisverhütung bei Haustieren besteht die Möglichkeit, ein Tier vomTierarzt unterVollnarkose entweder kastrieren oder sterilisieren zu lassen. Die Kastration bewirkt Veränderungen im Hormonhaushalt des Tieres, während durch eineSterilisation keine hormonellen Veränderungen eintreten.[28]
Die seit derBandkeramik belegte Kastration vonStieren beseitigt ihre Aggressivität und macht die enorme Körperkraft lenkbar.[29][30] Im Bereich derVeterinärmedizin ist die Kastration verbreitet. Die Kastration wurde früher von den sogenannten reisendenSauschneidern ausgeführt. Dabei wurden Praktiken angewandt, die heute einen Verstoß gegen dasTierschutzgesetz darstellen.[31][32]
Verfahren
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Neben der chirurgischen Entfernung der Gonaden wird im klinischen Sprachgebrauch auch das funktionelle Ausschalten der Hodenfunktion bei männlichen Tieren als Kastration bezeichnet. Dies kann beiWiederkäuern durch Quetschen desSamenstrangs und damit derBlutgefäße des Hodens durch den intakten Hodensack mittelsElastrator oderBurdizzo-Zange („unblutige Kastration“) erfolgen. Diese Methode ist für das Tier extrem schmerzhaft, wenn sie ohne Betäubung durchgeführt wird.
Auch eine „hormonelle Kastration“ durch die Gabe vonGestagenen ist möglich. ZurImmunokastration werden Eber gegenGonadoliberin[33] „geimpft“, was vorübergehend zur Reduktion der Testosteronproduktion der Hoden führt. Bei Hunde- undFrettchenrüden ist seit 2007 in derEU die Behandlung mitDeslorelin (HandelsnameSuprelorin), einem Gonadoliberin-Agonisten (Gonadotropin-Releasing-Hormon-Agonist, GnRH1-Agonist) zugelassen. DasImplantat mit 9,4 mg Deslorelin entfaltet nach 5 bis 14 Wochen seine Wirkung, die bei Hunden 12, beziehungsweise bei Frettchen 16 Monate anhält.[34]
Zur Kastration weiblicher Tiere wird häufig eineOvariohysterektomie durchgeführt.
- OP-Naht bei einem vor wenigen Stunden kastrierten Rüden
- Hündin elf Tage nach derOvariohysterektomie nach dem Ziehen der Fäden
- Operative Entfernung der Hoden eines Katers unterNarkose
- Kastration einer weiblichen Katze unterVollnarkose.1 Gebärmutterhorn 2 Ligamentum ovarii proprium 3 Eierstock 4 Eileiter 5 Mesosalpinx 6 Ligamentum suspensorium ovarii 7 Bauchfett 8 Operationswunde.
- Zange zum Kastrieren männlicher Lämmer mittels Gummiring
Zwecke
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im BereichlandwirtschaftlicherNutztiere kommt diese Methode zum Einsatz, um von Sexualhormonen bewirktegeschmackliche undgeruchliche Veränderungen desFleisches zu verhindern oder um dieSchlachtleistung zu verbessern (Eber,Rind). Um Geruchs- und Geschmacksveränderungen bei erwachsenen Ebern (im Rahmen derEbermast) zu verhindern, werden sie in Deutschland kastriert, während sie in einigen skandinavischen Ländern vor Beginn derPubertät geschlachtet werden.
Hengste werden kastriert, um sexuelle Merkmale ihres Territorialverhaltens zu entfernen und damit ihrbiologisches Sozialverhalten im Herdenverband zu verändern. Bei ihnen wird die Kastration auch alsLegen bezeichnet. Vielfach tragen kastrierte Tiere eigene Bezeichnung wieKapaun (Hahn),Wallach (Hengst,Esel),Ochse (Stier),Hammel (Schafbock),Borg (Eber), Gelze (Sau), Schnitzkalbin (Kuh) usw. Ein weibliches kastriertes Nutztier wird auch alsNonne bezeichnet.
Das Ziel der Kastration von imHaushalt gehaltenenHeimtieren wie beispielsweiseKatze,Hund,Frettchen,Kaninchen,Meerschweinchen,Ratten und andere ist in erster Linie das Verhindern von unerwünschtem Nachwuchs und um mit verändertem Sozialverhalten die Haltung zu erleichtern.
Nachteile von Kastrationen sind eine Neigung zurHarninkontinenz,Adipositas (Verfettung),Wesensveränderungen sowieFellveränderungen. Bei Frettchen kann eineNebennierenerkrankung auftreten.
Nicht-kurative,elektive Kastrationen sind Eingriffe, die aus medizinisch nicht indizierten Gründen vorgenommen werden. Derartige Eingriffe sind vom Standpunkt desTierschutzes und auch bei Tiermedizinern teilweise umstritten.[35]
Rechtslage in Deutschland
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Eine Kastration erfolgt auf der Grundlage eines Werkvertrags entsprechend § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dasdeutsche Tierschutzgesetz führt in § 6 Abs. 1 unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 3 Nr. 1 und 1a die Kastration als Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Amputation und Organentnahme oder -zerstörung anWirbeltieren auf, soweit vom Menschen genutzte oder gehaltene Tiere betroffen sind oder eine unkontrollierte Fortpflanzung verhindert werden soll. Nicht zulässig ist eine vorbeugende Kastration zur Verhinderung eventuell später auftretender Erkrankungen, d. h. wenn keine unmittelbare medizinische Notwendigkeit besteht.[36]
Trivia
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der deutsche FamiliennameCastritius leitet sich von der Berufsbezeichnung des Viehverschneiders (=Kastrierers) ab.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Hermann Ferdinand Hitzig: Castratio. In:Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,2, Stuttgart 1899, Sp. 1772 f.
- Udo Gansloßer, Sophie Strodtbeck:Kastration und Verhalten beim Hund. Müller, Rüschlikon/Stuttgart 2011,ISBN 978-3-275-01820-8.
- Friedrich Ludwig Gerngroß:Sterilisation und Kastration als Hilfsmittel im Kampfe gegen das Verbrechen. Freising/München 1913; zugleich:Dissertation,Uni Erlangen, Juristische Fakultät 1913,DNB570649749.
- Christian von Deuster:Zur Pathologie der menschlichen Stimme. Medizinhistorische Betrachtungen zum Kastratengesang. In:Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 23, 2004, S. 39–60; insbesondere S. 43–53 →Zur Geschichte der Kastration.
- Kristian Bosselmann-Cyran:Kastration. In:Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage,Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.):Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005,ISBN 3-11-015714-4, S. 729.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Skrotale Orchiektomie. – kurze Darstellung der Technik der Hodenentfernung beim Menschen. In: Dirk Manski:urologielehrbuch.de 15. Auflage, August 2020; abgerufen am 1. März 2022.
- Text des Kastrationsgesetzes gesetze-im-internet.de; abgerufen am 1. März 2022.
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Ernst Gurlt:Geschichte der Chirurgie und ihrer Ausübung; Volkschirurgie, Alterthum, Mittelalter, Renaissance. Band 1. Hirschwald, Berlin 1898; Neudruck: Olms, Hildesheim 1964, S. 279.
- ↑Friedrich Helfreich:Geschichte der Chirurgie. In:Max Neuburger,Julius Pagel (Hrsg.):Handbuch der Geschichte der Medizin (=Landmarks II). Band III, G. Fischer, Jena 1905, S. 1–306; hier: S. 304.
- ↑Christian von Deuster:Zur Pathologie der menschlichen Stimme. Medizinhistorische Betrachtungen zum Kastratengesang. 2004, S. 46 f. zuKastration aus medizinischen Gründen.
- ↑Ulrich Baron:Als muslimische Sklavenjäger Afrika entvölkerten. Auf:welt.de vom 30. März 2010; zuletzt abgerufen am 6. Januar 2022.
- ↑Anna-Patricia Kahn: Reportage: „Du sollst keine Kinder mehr zeugen“. In: Focus Online. 5. April 1993, abgerufen am 14. Oktober 2018.
- ↑Franz Haböck:Die Kastraten und ihre Gesangskunst, eine gesangsphysiologische, kultur- und musik- historische Studie. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / Berlin / Leipzig 1927, S. 19.
- ↑Peter Browe:Zur Geschichte der Entmannung. Eine religions- und rechtsgeschichtliche Studie (=Breslauer Studien zur historischen Theologie. Neue Folge, Band 1). Müller & Seiffert, Breslau 1936, S. 13 f.
- ↑Christian von Deuster:Zur Pathologie der menschlichen Stimme. Medizinhistorische Betrachtungen zum Kastratengesang. 2004, S. 45 f. →Kastration aus religiösen Gründen.
- ↑Uta Ranke-Heinemann:Eunuchen für das Himmelreich. Vollständige Taschenbuchausgabe, 5. Auflage. Droemer Knaur, München 1996,ISBN 3-426-04079-4, S. 258 ff.
- ↑Susan Tuchel:Kastration im Mittelalter (=Studia humaniora. Band 30). Droste, Düsseldorf 1998,ISBN 3-7700-0835-9.
- ↑Uta Ranke-Heinemann:Eunuchen für das Himmelreich. München 1996, S. 263.
- ↑VideoStefan Schneider & Cristina Trebbi: Opfer und Verführer, dt. / ital. TV-Dokumentation, ZDF, 6. August 2010, 23.45 Uhr in derZDFmediathek, abgerufen am 2. Februar 2014. (offline)
- ↑Tra le sollecitudini. - Absatz:V Cantori. (Die Sänger) / 13; Auf:vatican.va; zuletzt abgerufen am 23. Februar 2016.
- ↑Doris Simon:Zwangskastration durch die Kirche? In den Niederlanden prüft die Justiz schockierende Vorwürfe. Auf:deutschlandfunk.de vom 18. April 2012; abgerufen am 14. April 2020.
- ↑Benjamin Schulz:Missbrauch: Katholische Kirche in Niederlanden ließ Jungen kastrieren. Auf:spiegel.de vom 4. Mai 2012.
- ↑Polen beschließt chemische Kastration von Pädophilen.Spiegel Online, vom 25. Oktober 2009.
- ↑Tschechien lässt Sexualstraftäter kastrieren.Deutschlandradio Kultur, 16. Juni 2011.
- ↑Europarat prangert Kastration von Sexualtätern in Tschechien an. (Memento vom 7. Februar 2009 imInternet Archive)Deutsches Ärzteblatt, 5. Februar 2009.
- ↑abMazedonien bestraft Kinderschänder mit Kastration.Welt Online, 5. Februar 2014.
- ↑Thilo Thielke:Strafen bis hin zur Kastration. faz.net/aktuell; aktualisiert am 4. Oktober 2020.
- ↑Frauen in Tansanias Regierungspartei fordern Kastration Homosexueller. Auf:rnd.de vom 19. März 2023; zuletzt abgerufen am 21. September 2023.
- ↑Deutsches Reichsgesetzblatt Teil I 1867-1945. Abgerufen am 27. November 2020. ÖNB-ALEX
- ↑Zeittafel zur NS-Verfolgung, Holocaust, Zwangsarbeit und dem Leben nach dem Überleben (DPs) / 1935 Auf:geschichte-am-jürgensplatz.de; abgerufen am 14. April 2020.
- ↑Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017
- ↑Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. (PDF) Drucksache 566/20. Bundesrat, 25. September 2020, abgerufen am 21. November 2020.
- ↑Bundesgesetzblatt. (PDF) Abgerufen am 22. Mai 2021.
- ↑Ernst Hafter:Schweizerisches Strafrecht: Besonderer Teil. Erste Hälfte:Delikte Gegen Leib und Leben, Gegen die Freiheit, Gegen das Geschlechtsleben, Gegen die Ehre, Gegen das Vermögen. Springer-Verlag, 2013,ISBN 978-3-642-51835-5,S. 40 (google.com).
- ↑Soll ich meinen Hund kastrieren oder sterilisieren? Haustiermagazin
- ↑Manfred Schmitzberger:Haus- und Jagdtiere im Neolithikum des österreichischen Donauraumes. Dissertationsschrift, Universität Wien, Wien 2009, S. 97;Volltext (PDF).
- ↑Hanns Hermann Müller:Die Haustiere der mitteldeutschen Bandkeramiker (=Naturwissenschaftliche Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte. Teil 1:Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin.; Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte. Band 17). Deutsche Akademie der Wissenschaften, Berlin 1964.
- ↑Ferkelkastration. Deutscher Tierschutzbund
- ↑Koalition will betäubungslose Ferkelkastration zwei Jahre länger erlauben. Deutscher Bundestag
- ↑Improvac. (Memento vom 4. Februar 2014 imInternet Archive) vetpharm.uzh.ch (Tierarzneimittel Kompendium der Schweiz); abgerufen: 24. Juni 2012.
- ↑Suprelorin – Deslorelin. (Memento vom 23. Mai 2016 imInternet Archive) European Medicines Agency, EMA/310418/2007
- ↑Neues Merkblatt „Kastration von Hunden und Katzen“.Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz, 9. April 2009;Volltext. (Memento vom 10. März 2016 imInternet Archive; PDF; 35 kB)
- ↑§ 6 TierSchG - Einzelnorm. Abgerufen am 2. Februar 2023.