EineKastellburg ist eine Burgform, die aus dem Mittelmeerraum ab der Zeit derKreuzzüge, spätestens jedoch mit der Einführung derFeuerwaffen, also in der Spätzeit des Burgenbaus, inEuropa Fuß fasste. Sie beschreibt die neuzeitliche Form desKastells.
In einer Kastellburg sind die Gebäude an der Innenseite des meist viereckigen beziehungsweise gleichmäßigen Mauerzuges angeordnet. Die Außenmauern der Gebäude sind dementsprechend stark und nur durch die notwendigsten Maueröffnungen unterbrochen. Meist befinden sich auf den MauernWehrgänge, die mit der Nutzung von Feuerwaffen zunehmend auch überdacht sind.
Die Ecken dieses Gebäudegevierts können durch Türme verstärkt sein. Oft befindet sich ein zusätzlicher Mauerzug vor dem Gebäudekomplex, an dessen Ecken rundeBastionen ein Bestreichen der Seiten ermöglichten.
Abhängig von der Lage der Kastellburg befindet sich einWassergraben oder einHalsgraben an der Torseite oder der am meisten gefährdeten Seite der Burg.
Die sich so ergebende quadratische Form dergotischen Burg kann als Vorläufer desRenaissanceschlosses gesehen werden. Sie stellt idealtypisch den Übergang vom Burgenbau zum – noch befestigten –Schlossbau, dem sogenanntenBurgschloss derFrühen Neuzeit dar.
Stadt Saalfeld mit Kastellburg Hoher Schwarm, um 1650 nach Merian, hier schon als Ruine (E) zu erkennen und als „ein alt Schloß“ betiteltBurgruineHoher Schwarm,Saalfeld, Thüringen
In Deutschland sind nur wenige erhaltene Kastellburgen bekannt.
Die weitgehend abgegangeneStadtburgBurg Lahr (ab ca. 1220). Hier sind im Wesentlichen nur ein ehemaliger Eckturm und einige Mauerreste erhalten geblieben.
Schloss Langenburg (15.–17. Jh.?), Burgschloss, Vierflügelanlage mit vier Ecktürmen (ehem. Geschütztürme).
Schloss Pfauhausen, (1582–1590) ehemalige Vierflügelanlage mit einem Eckturm, ein Flügel als Schlossrest erhalten.
Schloss Johannisburg (1605–1614), anstelle der Aschaffenburger Burg unter Benutzung ihres Bergfriedes im Stile einer Kastellburg errichtete befestigte Schlossanlage. Bastioniertes Schloss,Aschaffenburg.
Burgruine Oderberg (auch Burg Bärenkasten genannt), ab 1353 u. 1618, erhebliche Teile der Umfassungsmauer erhalten, ehem. Inselburg im Kastellstil und spätere Festungsanlage
Spätgotischer Neubau (heutiger Zustand) derWasserburg Friedewald, ehemals vier Ecktürme für Feuerwaffen, davon drei teilerhalten. Diese Anlage steht in Hessen exemplarisch für den Übergang vom Burgenbau zum Festungsbau im Stile der Spätgotik/Frührenaissance.Friedewald (Hessen).
Die abgegangene fränkischeKansteinburg (13. Jh. ersterwähnt) beiLangelsheim, erfüllte als fast rechteckige Burganlage wohl auch die Kriterien einer Kastellburg.
Auch die abgegangeneStadtburg auf demKalkberg vonLüneburg war wohl eine kastellartige Anlage, wie mehrere alte Ansichten (des 17. Jh.) der 1371 geschleiften Anlage nahelegen.
Schloss Celle (ab 1378 u. 1471 bis 1478), ehem. spätgotische Wasserburg, Renaissance-Vierflügelanlage mit vier Ecktürmen.
In Sachsen erfüllt die erhaltene Kernburg derReichsburg Rochlitz (gegründet 2. Hälfte 10. Jh., Ersterwähnung im Jahre 1009) mit ihrer streng rechtwinkligen Gebäudeanordnung um einen langgezogenen Hof, den Tatbestand einer Kastellburg. Auch hier wird, wie im Falle des thüringischenHohen Schwarm, eine ungewöhnlich frühe Gründung der ursprünglichen Burg angenommen.
Jagdschloss Augustusburg, im Stile einer Kastellburg errichtetes Renaissance-Schloss mit turmartigen Eckhäusern, Museum.
Im 19. Jh. wurden auf dem Gipfel des sächsisch-vogtländischemKapellenberges in einem noch heute sichtbaren Ringwall (um denKapellenbergturm herum) Ausgrabungen gemacht. Dabei sollen Mauerreste eines rechteckigen Kastells und verschiedene Funde gemacht worden sein. Diese Funde gingen später verloren. Soweit es sich um eine mittelalterliche Anlage gehandelt hatte, ist es wohl eineTurmburg, einWartturm, oder eine Kastellburg gewesen. Wegen des heute an dieser Stelle stehenden neuen Kapellenbergturmes (Aussichtsturm) sind neue Grabungen nicht möglich.
Moritzburg (Halle) (ab 1484), befestigtes Burgschloss und ganz offiziell die letzte imSaaletal errichtete „Burganlage“. Trapezförmiger Vierflügelbau der Spätgotik mit vier Ecktürmen und zusätzlich vorgelagerten Rondellen. Zum Teil Ruine.
Schloss Wittenberg (1525), Burgschloss mit Ecktürmen die später zu Geschütztürmen umfunktioniert wurden. Zum Teil erhalten.
QuadratischeRudelsburg (nach 1450 Wiederaufbau) mit vorgelagerten Eckrondellen.
Im thüringischenSaalfeld, befindet sich die auch alsTurmburg eingestufte, und nur als Ruinenrest erhaltene BurgHoher Schwarm (um 1300). Diese Anlage wurde noch in den 1980er Jahren alsfränkisches Kastell angesehen, was für den aktuellen Baubestand (Wohnturm) nach aktuellem Forschungsstand nicht mehr haltbar ist. Es wird hier von einer älteren Vorgängerburg an selber Stelle ausgegangen, die möglicherweise fränkischen Ursprungs war.
Schloss Glücksburg (Römhild) (1465–1488), burgartiger Schlossneubau als Ersatz einer aufgegebenen Höhenburg. Vierflügelanlage.
Die spätgotischeCyriaksburg (ab 1480) inErfurt steht beispielhaft für das Ende des Burgenbaues und den Beginn des Festungsbaues in Deutschland. Es ist eine im Stile der Kastellburg fast rechteckig errichtete burgartige Stadtfestung und spätereZitadelle.
In England entstand im 14. Jahrhundert mit demquandrangular castle eine Form von Kastellburg, bei der die Wohngebäude eng in den Gesamtplan integriert waren.Bodiam Castle undBolton Castle sind gute Beispiele.Auch derWhite Tower (ab 1078) imTower of London erinnert in seiner äußeren Gestaltung an eine Kastellburg, ist aber eineTurmburg, da er keinen Innenhof hat.
Da moderne Befestigungstechniken über die Kreuzzüge aus dem arabischen Raum zuerst Italien erreichten, waren moderne Kastellburgen b.z.w. kastellartige Schlösser entsprechend oft und früh in Italien errichtet worden. Besonders die Fürstensitze in den italienischen Stadtstaaten waren solche Anlagen.
In Österreich erfüllt dieBurg in Wiener Neustadt (Neubau ab 1378) die Kriterien einer Kastellburg mit -ehemals- vier Türmen an deren Ecken.[2] Drei der Türme mussten abgerissen werden. Sie diente seit dem Mittelalter als kaiserliche Residenz der Habsburger und seit der Frühen Neuzeit als Militärakademie.
Auch die slowakischeBurg Bratislava (Pressburg), bezüglich der heutigen Kernburg ein Bau des 15. Jh., war wechselnd Sitz der Könige von Ungarn, Böhmen sowie der Habsburger.
Beide genannte Anlagen sind auch Beispiele für das spätmittelalterliche „wehrhafte Schloss“.
Wasserburg Pottendorf, Wasserschlossruine, Vierflügelanlage mit zwei stauferzeitlichen Bergfrieden und separater Burgkapelle, Österreich.
In seinem Buch „Burgenkunde“ charakterisiert der BurgenforscherOtto Piper die Kastellburgen des Deutschen Ordens im Baltikum -abweichend von den üblichen Burgen des Mittelalters- als „Ritterkasernen“.[3] Bereits die Kernburgen dieser Anlagen waren durch strikte geplante Gliederung der Raumaufteilung und vielstöckige Bauweise für die effektive Unterbringung möglichst vieler Ritter ausgelegt. Es ist sicher kein Zufall, dass etliche dieser Anlagen fast baugleich erscheinen.
Viele dieser ihrerzeit modernen Kastell-Burgen hatten die -seit der Römerzeit- modernstenToilettenanlagen in Europa, den sogenanntenDansker, einen Toilettenturm, der alleinstehend vor der Außenmauer der Burg -mittels einer gemauertenBogenbrücke mit dieser verbunden war- und von einem Bach oder Wassergraben an seinem Fuße durch ein Gewölbe durchspült wurde. Gut erhalten sind solche Anlagen beiBurg Thorn,Burg Marienwerder (wiederhergestellt) und auf derMarienburg.
Auch bei etlichen Kastellburgen des Deutschen Ordens zeigt sich der Übergang vom Burgbau zum spätmittelalterlichen „wehrhaftem Schloss“.
Schloss Sokolov, zum Schloss umgebaute Kastellburg mit heute noch vier Ecktürmen
Burg Hartenštejn (Neuhartenstein in Böhmen), geringe Reste einer um 1471 errichteten quadratischen Kastellburg (ohne Vorgängerbau) mit turmartigen Bastionen, kurz nach 1532 aufgegeben
Ulrich Schütte:Das Schloss als Wehranlage. Befestigte Schlossbauten der Frühen Neuzeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994,ISBN 978-3-534-11692-8, S. 204 ff.
↑Abbildung der mittelalterlichen Burg Leipzig als Rekonstruktionsversuch von Herbert Küas in: „Das frühe Leipzig“, Sax-Verlag, Beucha 2003,ISBN 3-934544-49-5
↑Ulrich Schütte: „Das Schloss als Wehranlage, Befestigte Schlossbauten der Frühen Neuzeit“, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1994,ISBN 3-534-11692-5
↑„Burgenkunde“, Eintragungen zur „Marienburg(Ostpreußen)“, Otto Piper, Reprint des Weltbild-Verlages München 1992,ISBN 3-89350-554-7