Kardieren

DasKardieren (auchkartatschen,kardätschen,krempeln, manchmalumgangssprachlich fälschlich auchkratzen, in Süddeutschlanddatschen oderdätschen[1]) dient im Prozess desSpinnens oder bei der Herstellung vonVliesstoffen zur ersten Ausrichtung der losenTextilfasern zu einemFlor oder Vliesstoff. Maschinen zum Kardieren werdenKrempel- oderKardiermaschine,Kartatsche oder einfachKarde genannt. Der Ort, an dem kardiert wird, heißtKarderie oderKarderei.
Davon zu unterscheiden ist dasKämmen vonLangfasern und dasAufrauen vonGeweben durchKratzen (Weberkarden) bzw.Kratzmaschinen.
Funktionsbeschreibung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die bereits gut gereinigten Faserflocken werden der Karde oder Krempel möglichst gleichmäßig vorgelegt. Mittels einer Zufuhrwalze (auch Vorreißer genannt) werden die Flocken gelockert und dem Tambour (einer Walze von großem Umfang, besetzt mit zahnartigen Garnituren) vorgelegt. Die Flocken werden von den Zahngarnituren des sich schnell drehenden Tambours erfasst und in den oberen Bereich der Karde befördert. Auf der Oberseite des Tambours befinden sich Bretter (Deckelstäbe) oder kleine Walzenpaare, welche ebenfalls mit Zahngarnituren oder mit flexiblen Häkchen bestückt sind. Bei der Verwendung von Deckelstäben wird die MaschineKarde, bei Verwendung von WalzenpaarenKrempel genannt. Durch die unterschiedliche Drehrichtung sowie durch die Ausrichtung der Garnituren zueinander werden die Flocken geöffnet und die Fasern parallelisiert. Die Zähne der Garnituren können gegeneinander (auch als Kardierstellung bekannt) oder in dieselbe Richtung orientiert sein. Zusätzlich wird durch die hohe Drehgeschwindigkeit des Tambours Schmutz und Staub ausgeworfen, was insbesondere bei der Verarbeitung von Baumwolle eine wichtige Funktion der Karde darstellt.
Die Kardierintensität, also das Maß dafür, wie stark die Fasern parallelisiert werden, hängt von folgenden Parametern ab:
- die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Tambour und Deckelstäben oder Walzenpaaren
- die Dichte der Garnituren (die Anzahl Zähne pro cm²)
- der Abstand zwischen Tambour und Deckelstäben oder Walzenpaaren
Diese Parameter sind entsprechend der zu kardierenden Faserart zu wählen, denn manche Fasern werden durch zu hohe Kardierintensität beschädigt.

Wenn die Fasern eine halbe Umdrehung auf dem Tambour zurückgelegt haben, werden sie hinten von einer Abnehmerwalze abgenommen. Die Abnehmerwalze dreht sich in die gleiche Richtung wie der Tambour, aber viel langsamer. Dadurch werden die Fasern aus den Zahngarnituren des Tambours „ausgehängt“. Da die Fasern untereinander verhaken und schlecht auf der Abnehmerwalze haften, kann ein breites Faserband, derFlor oder das Vlies, von der Abnehmerwalze abgezogen werden.
Bei einer Weiterverarbeitung zu einem Garn wird der Flor in einem Trichter zu einem runden Band, dem Kardenband, geformt und in Schlaufen in einer Kanne abgelegt. Das Kardenband wird anschließend zusammen mit weiteren Kardenbändern in der Strecke (früherStreckbank) gestreckt, um Ungleichmäßigkeiten der einzelnen Kardenbänder auszugleichen. Anschließend kann das verstreckte Band über mehrere Schritte zu einem Garn gesponnen werden.
In der Vliesstoffproduktion kann die Weiterverarbeitung auf verschiedene Arten erfolgen. Der Flor kann direkt zu einem Vliesstoff verfestigt werden (chemisch, thermisch oder mechanisch) oder es erfolgt vor der Verfestigung ein Übereinanderschichten mehrerer Florlagen. Dies kann entweder durch das Zusammenführen der Florlagen mehrerer Krempeln oder durch das Übereinanderschichten einer einzelnen Florlage in einemKreuzleger erfolgen. Der fertige Vliesstoff wird aufgerollt oder bei dickeren Vliesstoffen in kürzere Stücke geschnitten und gestapelt.
Geschichte
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- 1748 erhielt der EngländerDaniel Bourn aus Leominster einPatent auf eine Walzenkarde.
- Im selben Jahr erhielten die EngländerLewis Paul undJohn Wyatt aus Birmingham ein Patent auf eine ähnliche Karde mit Handantrieb.
- 1769 wurde dieWaterframe, die mechanische Spinnmaschine, erfunden. Durch deren größere Geschwindigkeit wurde das Kardieren noch stärker zum Engpass beim Spinnen.
- 1775 erhieltRichard Arkwright ein Patent auf eine Karde, bei der die Walzen oberhalb des Tambours durch Stäbe ersetzt wurden.
- Dieses Prinzip beider Systeme ist bis heute erhalten geblieben, lediglich feinere, genauere und stabilere Ausführungen haben höhere Maschinengeschwindigkeit und Arbeitsbreite ermöglicht. Die Produktivität ist so auf ein Vielfaches gestiegen. Eine Deckelkarde kann bei 1,5 Meter Arbeitsbreite bis 200 Kilogramm Kardenband pro Stunde produzieren, eine Walzenkarde mit 3 Meter Breite kann bei der Herstellung vonGeotextilien über 1,5 Tonnen pro Stunde erreichen.

Im Kunsthandwerks- und Hobbybereich werden kleinere Trommelkarden eingesetzt, die mit einem Elektromotor oder einer Handkurbel bedient werden. Bei Handkarden ist ein Häkchenbelag auf zwei etwa 10 × 20 cm großen Brettern mit Handgriffen befestigt. Die Faserflocken werden zwischen die Brettchen gelegt und die Karden auseinandergezogen. Eine Kratz- oder Flickkarde ist eine noch kleinere Handkarde. Sie wird einzeln benutzt zum Auflockern der Wolle, etwa beim Handspinnen.
Anwendungsgebiet
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Baumwolle und chemischeStapelfasern bis 60 Millimeter Länge werden auf Maschinen mit Deckelstäben kardiert.
- Wolle, chemische Stapelfasern ab ca. 25 Millimeter Länge,Vigogne, Abfallfasermischungen,Jute undBastfaserwerg werden auf Krempeln (auch Walzenkarden genannt) verarbeitet.
- Leinen undHanffasern werden oftmals nicht kardiert, sondern nur durch dasHecheln aufgelöst.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Hermann Kirchenberger:Spinnerei 2000. Verlag Bondi, Wien-Perchtoldsdorf 1986,ISBN 3-900008-10-8.
- Hans-Diether Nötzold:Handbuch der Streichgarn- und Vigognespinnerei. VEB Fachbuchverlag, Leipzig 1970.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Wiktionary: dätschen. Abgerufen am 15. März 2023.