Karankawa

DieKarankawa waren einnordamerikanischerIndianerstamm von derGolfküste inTexas. Sie spielten eine wichtige Rolle in der frühen Geschichte der damaligenmexikanischen Provinz. IhreSprache, von der nur etwa hundert Wörter bekannt sind, heißt ebenfalls Karankawa und weist Ähnlichkeiten mit demCoahuiltec auf, doch die Zugehörigkeit ist nicht gesichert.
Name und zugehörige Stämme
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der NameKarankawa heißt vermutlichHundefreunde oderHundezüchter, denn die Karankawa besaßen demFuchs oderKojoten ähnlicheHunde. Es gab mehrere Stämme mit der gleichen Sprache und Kultur, die man den Karankawa zuordnet.
Diese Völker hießen:
- Coco (auchCoaque, lebten auf Galveston Island und entlang der Mündung des Brazos River)
- Coapite
- Carancaquacas ("wirkliche" Karankawa, lebten entlang der Matagorda Bucht)
- Kohani (lebten in der Nähe der Mündung des Colorado River)
- Kopane (lebten entlang der Copano Bucht)
Bei einigen weiteren Stämmen ist die Zugehörigkeit ungewiss, zum Beispiel denTiopane undTup und vielleicht auch denPataquilla undQuilote, die vonCabeza de Vaca erwähnt wurden.
Bezeichnung durch andere Stämme
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DieTonkawa nannten die KarankawaKéles (auchKilis =Ringer). Oft nannten sie diese auchYákokon-kapá-i (Barfüßige =Leute ohne Schuhe), ein Name, mit dem sie auch dieBidai und andere kleinere Stämme am unteren Rio Grande bezeichneten. DieComanche bezeichneten sie als Estók Karanguás (Karankawa-Volk). DieLipan-Apachen nannten sieNda-kun-dadéhé (Volk, das im Wasser geht), was sich höchstwahrscheinlich auf ihre spezielle Art des Fischens und des Fangens von Schildkröten bezieht.
Wohngebiet
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das Wohngebiet der Karankawa umfasste die Küste von Texas am Golf von Mexiko, etwa von derGalveston Bay beiGalveston nach Südwesten bis zurCorpus Christi Bay. Sie führten ein nomadisches Leben und folgten einem saisonalenZyklus, der sie von den Inseln vor der Küste (engl.Barrier Islands) etwa 40 bis 100 Kilometer ins Binnenland führte. Dabei blieben sie nur wenige Wochen an der gleichen Stelle und benutztenEinbäume für den Transport ihrer Habe, die nicht nur zwischen Inseln und dem Festland, sondern auch auf den zahlreichen Flussläufen, wieGuadelupe River,Colorado River,Brazos River undTrinity River, eingesetzt werden konnten. Das Wohngebiet im Binnenland bestand überwiegend aus Gras- und Sumpfland, das nur an den Flussläufen von Büschen und Bäumen bewachsen war, die Schutz gegen die sengende Sonnenstrahlen boten, denn die Sommertemperatur beträgt dort im Durchschnitt über 34 GradCelsius, während es sich im Winter auf durchschnittlich 10 Grad abkühlt.
Kultur und Lebensweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Äußere Erscheinung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Karankawa beeindruckten die Europäer durch ihre stattliche Erscheinung. Man beschrieb die Männer als etwa 1,80 bis 2,10 Meter groß und muskulös, die einen Lendenschurz aus Hirschleder trugen oder ganz nackt waren. Sie bemalten undtätowierten ihren Körper unddurchbohrten ihre Brustwarzen undUnterlippen mit kleinen Stücken aus Schilfrohr. Oft beschmierten sie ihren Körper mit einer Mixtur aus Schmutz undAlligatorfett oderTran vonHaien, um sich gegen dieMoskitos zu schützen. Die Frauen waren ebenfalls bemalt und tätowiert und trugen Umhänge ausSpanischem Moos (Tillandsia usneoides) oder Tierhaut, die bis zu den Knien reichten.
Lebensweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das wichtigste Transportmittel war der Einbaum, ein einfachesKanu, das durch Aushöhlen eines großen Baumstamms hergestellt wurde. Das Fahrzeug war nicht für tiefe, offene Gewässer geeignet und wurde überwiegend in dem flachen Meer zwischen den vorgelagerten Inseln und dem Festland sowie auf den Flussläufen eingesetzt. Jedes Boot war groß genug, um eine ganze Familie mitsamt ihrem Besitz zu transportieren. Auf dem Land gingen die Karankawa zu Fuß und wurden als kraftvolle Läufer und ausgezeichnete Schwimmer beschrieben. Ein portablerWickiup,Ba-ak genannt, diente als Behausung für das Küstenvolk. Es bestand aus einem Gerüst aus Weidenstangen, das mit Tierfellen und Binsenmatten bedeckt wurde und Platz für sieben bis acht Personen bot. Die Karankawa fertigten Körbe und Tontöpfe, die mit einerAsphalt ähnlichen Masse abgedichtet wurden. Diese natürliche Substanz fand man an der Golfküste.
Die wichtigste Waffe der Krieger warenPfeil undLangbogen, die sowohl für die Jagd als auch im Krieg eingesetzt wurde. Die Bogen bestanden aus dem Holz derRotzeder (Juniperus scopulorum) und reichten vom Kinn bis zu den Füßen des Schützen.Die soziale und politische Organisation der Karankawa wurde durch ihr nomadisches Leben bestimmt. Sie wanderten in kleinen Gruppen von 30 bis 40 Personen, geführt von einemHäuptling. Diese Gruppen waren oft in kleinere Gruppen unterteilt, wahrscheinlich Familien, um die Nahrungssuche zu erleichtern. Die Verbindung untereinander besorgte ein gut entwickeltes System aus Rauchzeichen, mit dem die Gruppen bei besonderen Ereignissen zusammengerufen werden konnten.
Zeremonien und Bräuche
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DieZeremonien konzentrierten sich auf ein Fest, das alsMitote bekannt war, und bestanden aus Tänzen und dem Verzehr eines berauschenden Getränks, das aus zerkleinerten Blättern desYaupon (Ilex cassine oderI. vomitoria) gebraut wurde, einem kleinen, strauchartigen Baum, der im südlichen Texas beheimatet ist. DasSchwarze Getränk war ausschließlich den Männern des Stammes bestimmt. Die Karankawa veranstalteten außerdem Wettkämpfe, bei denen sie ihre Fertigkeit mit den Waffen und ihre körperliche Geschicklichkeit demonstrieren konnten.Ringen war so populär bei den Karankawa, dass sie bei den benachbarten Stämmen auch als dieRinger (engl. Wrestler) bezeichnet wurden.
Der Krieg war Teil des Lebens und es gibt Beweise, dass der Stamm eine Art zeremoniellenKannibalismus betrieb, bei dem sie das Fleisch ihrer traditionellen Feinde aßen. Von einem spanischen Pater stammt ein detaillierter Bericht über diese Zeremonie. Ihm zufolge wurde der Gefangene an einen Pfahl gebunden und es wurde um das Opfer herumgetanzt. Dann schoss man Pfeile in den Körper und schnitt Fleischstücke mit einer scharfen Klinge heraus, die über einem Feuer geröstet wurden. Dann verspeiste man das Fleisch vor den Augen des Unglücklichen. Bei diesem Brauch, der unter den Stämmen in Texas weit verbreitet war, wurden Teile eines Toten oder sterbenden Feindes gegessen, als endgültige Vergeltung oder in dem magischen Glauben, hierdurch Kraft und Mut des getöteten Feindes zu erlangen.
Einige Historiker bezweifeln, dass die Karankawa rituellen Kannibalismus ausgeübt hätten. Sie vermuten vielmehr, dass die Spanier die Karankawa mit den verschiedenen Gruppen derAtakapa verwechselten, deren Gebiet sich entlang der texanischenGolfküste von der Galveston Bay entlang desBayou Teche bis zurVermillion Bay inLouisiana erstreckte. Die Atakapa waren als Kannibalen ihrer Feinde bekannt – zudem tätowierten auch sie sich.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der erste bekannte Kontakt der Karankawa mit Europäern stammt aus dem Jahr 1528. Vier kleine Boote mit Überlebenden der Expedition vonPánfilo de Narváez landeten auf der InselGalveston (im heutigenTexas). Diese Insel namensMalhado (spanisch = Insel des Unglücks) wurde von den Karankawa bewohnt. Die Aufzeichnungen vonÁlvar Núñez Cabeza de Vaca, einem der Schiffbrüchigen, sind die ersten Informationen über das Küstenvolk. Cabeza de Vaca lebte mehrere Jahre lang bei den Indianern und lieferte wertvolle ethnologische Berichte über die Ureinwohner. Nach dem Besuch von Cabeza de Vaca hatten die Karankawa für eineinhalb Jahrhunderte keinerlei Kontakte mehr zu Europäern. Erst 1685 kam die vonRobert Cavelier de La Salle geführte französische Expedition und errichteteFort St. Louis amGarcitas Creek im Herzen des Karankawa-Landes. Nachdem La Salle und einige seiner Männer nachKanada zurückgereist waren, um Hilfe für die schwache Kolonie zu holen, überfielen die Karankawa die verbliebenen Siedler, töteten alle Weißen bis auf sechs Kinder, die sie mitnahmen. Diese Kinder wurden in den frühen 1690er Jahren von einer spanischen Expedition befreit. Zwei der Kinder,Pierre und Jean-Baptiste Talon, kamen 1698 nachFrankreich und wurden von den französischen Behörden befragt. Die Protokolle darüber stellen wertvolle Informationen über die Kultur der Karankawa im späten 17. Jahrhundert dar.
In den frühen Jahren des 18. Jahrhunderts lebten die französischen Interessen an der Texas-Küste wieder auf und das Land der Karankawa war erneut ein Zentrum spanisch-französischer Rivalität. Die Franzosen erkundeten weiterhin das Küstengebiet und 1719 nahmen die Karankawa einen schiffbrüchigen Seemann namensFrancois Simars de Bellisle gefangen. Der Franzose lebte 15 Monate lang bei dem Stamm, bevor er nachLouisiana entkam und den französischen Behörden ausführliche Informationen über Küstenstämme in Texas liefern konnte. Als Gegengewicht zu den französischen Bemühungen errichteten die Spanier dasPresidioNuestra Senora de Loreta und dieMissionEspiritu Santo de Zuniga in der Nähe des früheren Forts St. Louis. Beide Einrichtungen wurden später alsLa Bahia bekannt. Die Mission sollte vor allem dem Zweck dienen, die Karankawa zu zivilisieren und zu christianisieren und aus ihnen loyale spanische Untertanen zu machen. Doch bald kam es zu Feindseligkeiten zwischen Spaniern und Indianern und um 1726 gab es keine frisch Bekehrten mehr in der Mission, die an den Guadelupe River verlegt wurde, wo sie bis 1749 bestehen blieb.
Trotz des Misserfolgs in La Bahia setzten die Spanier ihre Bemühungen fort, die Karankawa zu missionieren. 1754 wurde eine neue Mission,Nuestra Senora Rosario de los Cujanes, am San Antonio River errichtet. Diese Mission hatte mehr Erfolg und 1764 gab es dort 101 bekehrte Indianer. Doch der Erfolg war von kurzer Dauer, denn schon 1781 musste man die Mission wegen der hohen Zahl desertierender Karankawa schließen. Eine dritte Mission,Nuestra Senora del Refugio, wurde 1791 für die Karankawa gebaut. Diese Mission verlegte man drei Mal und sie befand sich zuletzt in der Nähe der heutigen StadtRefugio. 190 Karankawa undCoahuiltec bewohnten 1814 die Mission, doch mehrere Angriffe derComanche in den frühen 1820er Jahren entvölkerten die Einrichtung. Die beiden Missionen setzten trotzdem ihre Arbeit fort, bis sie 1831 und 1832säkularisiert wurden. Mehr als ein Jahrhundert lang hatten die Spanier versucht, die Karankawa zu missionieren – mit wenig Erfolg. Nur einzelne Indianer kamen nach und nach in die Missionen, doch die Mehrheit widerstand allen Bekehrungsversuchen und hielt nichts von der spanischen Lebensweise. Ein Franzose namensAthanase de Meziéres arbeitete als Indianer-Agent bei den Spaniern, doch auch dieser konnte keinen Frieden stiften. In den späten 1770er Jahren betrieb er die Ausrottung des Stammes, konnte sich aber mit seinem Plan nicht durchsetzen. Am Ende der spanischen Herrschaft in Texas war die Bevölkerung der Karankawa allerdings durch eingeschleppte Krankheiten und weitere Folgen der europäischen Invasion stark reduziert. Für die Karankawa war die Konfrontation mitLaffites Piratenkolonie im Jahre 1819 aufGalveston Island besonders tragisch. Das Unglück begann, als Laffites Männer eine Frau der Karankawa entführten. Der Stamm griff das Piratennest mit 300 Kriegern an. Die Piraten waren zwar nur 200 Mann stark, hatten jedoch zwei Kanonen und fügten den Indianern schwere Verluste zu. Diese Niederlage war eine große Tragödie für die einst machtvollen Karankawa.
Mexiko wurde 1821 unabhängig von Spanien und die neue Regierung unterstützte die Einwanderung vonAnglo-Amerikanern in die bis dahin schwach bevölkerte Provinz Texas. Als Siedler in das Karankawa-Land eindrangen, häuften sich die Zwischenfälle. Die mexikanischen Behörden versuchten, die Siedler zu schützen, indem sie mit den Karankawa Frieden schließen wollten – doch ohne allen Erfolg. Die Siedler sammelten sich unter der Führung vonStephen F. Austin, um das Problem selbst zu lösen. Austin war davon überzeugt, dass die Ausrottung der Karankawa die einzig mögliche Lösung war. Im Jahre 1824 führte er eine Truppe von 90 Männern zu den Karankawa, die Zuflucht in der La Bahia Mission suchten. Ein Mönch arrangierte einen Waffenstillstand zwischen den Parteien. Mit ihrem HäuptlingAntonito wurde vereinbart, dass die sich Karankawa hinter denLavaca River im Westen zurückzogen. Die Indianer hielten sich aber nicht an den Vertrag und es kam zu vermehrten Konflikten mit den Siedlern. Die Bevölkerungszahl des Stammes sank kontinuierlich, sowohl durch die Kämpfe gegen die Texaner als auch gegen feindliche Comanche undTonkawa. Als Texas 1836 eine unabhängige Republik wurde, waren die Karankawa so dezimiert, dass man sie nicht mehr als ernsthafte Gefahr ansah.
Um 1840 gab es nur noch versprengte Überreste des Stammes an der texanischen Küste. Eine dieser Gruppen lagerte am Guadelupe River südlich der StadtVictoria und wurde im gleichen Jahr von Texanern als Rache für Überfälle der Karankawa in der Region angegriffen. Viele Indianer wurden getötet und die Überlebenden flohen die Küste entlang und siedelten etwa 80 Kilometer südlich vonCorpus Christi. Andere kleine Gruppen befanden sich zu dieser Zeit an derAransas Bay nahe der Mündung desNueces Rivers. In der Mitte der1840er Jahre zogen die meisten Karankawa südwärts nach Mexiko, um dem Druck der wachsenden Bevölkerung in Texas zu entgehen. Doch südlich desRio Grande trafen sie auf die gleichen Probleme. Man beschuldigte sie, an Plünderungen in der Gegend vonReynosa beteiligt gewesen zu sein, und sie wurden deshalb von Mexikanern wiederholt angegriffen. In den späten 1850er Jahren hatte man die Karankawa nach Texas zurückgedrängt, wo sie in der Nähe vonRio Grande City lagerten. Doch auch hier waren sie nicht willkommen und 1858 setzten bewaffnete Texaner unter der Führung vonJuan Nepomuceno Cortina ihre Vernichtungspolitik fort und töteten alle Mitglieder der kleinen Gruppe. Seit diesem Vorfall galt der Stamm der Karankawa als ausgestorben, bis mit Hilfe von sozialen Medien Nachkommenschaft des Stammes einander gefunden haben[1].
Demografie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]James Mooney schätzte ihre Bevölkerungszahl für das Jahr 1690 auf 2.800 Angehörige. Diese Zahl erscheint den meisten Ethnologen als zu hoch, doch es gibt keine gesicherten Daten für eine genauere Bestimmung. Doch zahlreiche Kriege und Seuchen, insbesondere dieMasern, trugen dazu bei, dass sie im 19. Jahrhundert als eigenständige Ethnie aufhörten zu existieren.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- William C. Sturtevant (Hrsg.):Handbook of North American Indians, Smithsonian Institution Press, Washington D.C.
- Alfonso Ortiz (Hrsg.):Southwest Vol. 9, 1979ISBN 0-16-004577-0
- Alfonso Ortiz (Hrsg.):Southwest Vol. 10, 1983ISBN 0-16-004579-7
- Álvar Núñez Cabeza de Vaca:Schiffbrüche. Bericht über die Unglücksfahrt der Narváez-Expedition nach der Südküste Nordamerikas 1527-1536. Stuttgart 1925.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Erin Douglas: The Karankawa were said to be extinct. Now they’re reviving their culture — and fighting to protect their ancestors’ land. 4. Oktober 2021, abgerufen am 30. März 2022 (englisch).