


DerKapp-Putsch (auchKapp-Lüttwitz-Putsch, seltenLüttwitz-Kapp-Putsch)[1] vom 13. März 1920 war ein nach 100 Stunden (am 17. März) gescheiterter,konterrevolutionärerPutschversuch gegen die infolge derNovemberrevolution geschaffeneWeimarer Republik und ihre demokratische Staatsordnung. Anführer war derReichswehrgeneralWalther von Lüttwitz, der von dem ehemaligenkaiserlichen GeneralErich Ludendorff unterstützt wurde. Der alsReichskanzler vorgesehenepreußischeGenerallandschaftsdirektorWolfgang Kapp und seine „Nationale Vereinigung“ spielten dagegen nur eine Nebenrolle.
Das Vorgehen der Putschisten und die Weigerung der Reichswehrführung, diese zu bekämpfen, zwang diesozialdemokratischen Mitglieder derReichsregierung zur Flucht aus Berlin und brachte dasReich an den Rand eines Bürgerkrieges. Entscheidend für das Scheitern der Aktion war der größteGeneralstreik der deutschen Geschichte, der die Putschregierung jeder Handlungsfähigkeit beraubte. Auch die Verweigerung eines Teils der Regierungsbürokratie und die Uneinigkeit der Militärs über die Ziele des Putschs trugen zu dessen Misslingen bei.
Die gegenDemokratie undRepublik eingestellten Putschisten waren zumeist aktive Reichswehrsoldaten oder ehemalige Angehörige der alten,kaiserlichen Armee undMarine sowie der reaktionärenFreikorps, die sich nach demErsten Weltkrieg gebildet hatten. Insbesondere tat sich dieMarinebrigade Ehrhardt während des Putschversuchs hervor. Zu deren zivilen Unterstützern gehörten vor allemvölkisch-nationalistisch gesinnte Mitglieder derDeutschnationalen Volkspartei (DNVP).
Der Putschversuch richtete sich gegen die vonSPD,Zentrum undDDP getragene Regierung unterGustav Bauer (SPD). Allerdings bestand zwischen den Beteiligten keine Einigkeit über die Ziele, was vor allem auch an dem überstürzten Beginn und den ungenügenden Vorbereitungen lag. So gab es besonders zwischen den Hauptverantwortlichen Kapp und Lüttwitz erhebliche Differenzen.
Als am 10. Januar 1920 derFriedensvertrag von Versailles in Kraft trat, versuchte dieRegierung Bauer, dessen Erfüllung abzuschwächen, musste ihm aber im Wesentlichen entsprechen. Große Teile desOffizierskorps derReichswehr und die Angehörigen dernationalistisch orientiertenFreikorps wollten die Reduzierung der Reichswehr auf 100.000 Mann – und damit ihre Entlassung – nicht hinnehmen.
DerKommandierende General des Reichswehr-Gruppenkommandos 1 in Berlin,Walther Freiherr von Lüttwitz, stellte sich an die Spitze der militärischen Opposition gegen die Regierung. Die politische Führung sollte der preußischeGenerallandschaftsdirektorWolfgang Kapp übernehmen, der im Krieg Gründungsmitglied derDeutschen Vaterlandspartei gewesen war.

Die Reichsregierung selbst bemühte sich, den Abbau der bewaffneten Kräfte hinauszuzögern, da sie sich auf die Truppen angewiesen sah, um der heftigen sozialen Unruhen im Reich Herr zu werden. So kam es unter anderem um dasBetriebsrätegesetz am 13. Januar 1920 zu einemBlutbad vor dem Reichstag. Zudem war die Frage der Grenzen des Reiches im Osten noch nicht geklärt;polnische Nationalisten versuchten, inAufständen in Oberschlesien vorden anstehenden Volksabstimmungen Tatsachen zugunsten Polens zu schaffen.
Als Gründe für den Putsch werden die Republikfeindlichkeit und die Frustration vieler früherer Soldaten angeführt, die nun in etwa 120Freikorps organisiert waren.
Konkreter Auslöser war am 29. Februar die Verfügung von ReichswehrministerGustav Noske, dieMarinebrigade Ehrhardt aufzulösen, da am 10. Januar 1920 der Versailler Friedensvertrag in Kraft getreten war, welcher das deutsche Heer auf 100.000 Mann sowie dieMarine auf 15.000 Mann beschränkte. Dies bedeutete einen massiven Personalabbau der etwa 400.000 Mann starken Reichswehr von 1919, und die meisten der damaligen Freikorps sollten aufgelöst werden. In diesem Punkt spielten aber die Führer der Freikorps nicht mit; die politischen Generäle waren nicht gewillt, auf die Instrumente ihrer politischen Macht zu verzichten,[2] und so kam es zu dem militärischen Staatsstreich vom 13. März 1920.
Insbesondere kämpften die sogenanntenBaltikum-Freikorps (aus denen sich die Marinebrigade Ehrhardt zu einem Teil zusammensetzte) zusammen mit derBaltischen Landeswehr auch nach dem Krieg weiterhin gegen die vorrückendeRote ArmeeSowjetrusslands. Dies wurde von den Alliierten geduldet. Nach der Eroberung der lettischen HauptstadtRiga imlettischen Unabhängigkeitskrieg im Mai 1919 galt der Auftrag als erfolgreich erfüllt. Der folgende Abzugsbefehl wurde von den Freikorps ignoriert. Erst als die Reichsbehörden den Nachschub unterbrachen, gaben die Freikorps auf. Die von ihrer Regierung enttäuschten Soldaten trafen sich mit der 1919 gegründetenNationalen Vereinigung, einer Nachfolgeorganisation derDeutschen Vaterlandspartei aus dem Ersten Weltkrieg, in der Wolfgang Kapp und HauptmannWaldemar Pabst den Ton angaben. Sie diente vor allem der Koordination der bereits bestehenden nationalistischen Oppositionsgruppen.
Die Marinebrigade Ehrhardt war militärisch eine Eliteeinheit und politisch extrem regierungs- und republikfeindlich. Am Tag nach Noskes Auflösungsverfügung hielt die Brigade eine große Parade ab, ohne Einladung des Reichswehrministers, auf der General von Lüttwitz erklärte: „… Ich werde nicht dulden, dass mir eine solche Kerntruppe in einer so gewitterschwülen Zeit zerschlagen wird. …“[3] Damit kündigte er der Regierung öffentlich den Gehorsam auf.

In den nächsten Tagen übertrug Noske den Oberbefehl über die Brigade Ehrhardt an die Marineführung, in der Hoffnung, dass diese seinen Auflösungsbefehl durchführen werde.
Lüttwitz nahm Anfang März Kontakt zu führenden Politikern der rechtskonservativenDNVP und der nationalliberalenDVP,Oskar Hergt undRudolf Heinze, auf. Er setzte sie von seinen Forderungen in Kenntnis (Neuwahlen zumReichstag und Direktwahl des Reichspräsidenten) und wies auf die Möglichkeit eines Putsches hin. Seine Forderungen stimmten weitgehend mit denen der beiden Parteien überein. Hergt und Heinze versprachen, auf eine Lösung in der noch als Parlament fungierendenWeimarer Nationalversammlung hinzuwirken. Gleichzeitig forderten sie Lüttwitz auf, seine Putschpläne vorerst zurückzustellen. Der von beiden Fraktionen am 9. März eingebrachte Entschließungsantrag fand jedoch keine Mehrheit. Die schon länger kursierenden Putschgerüchte waren von Reichswehrminister Gustav Noske ignoriert worden.
Am Mittwoch, dem 10. März sprach General von Lüttwitz beiReichspräsident Ebert vor und forderte ultimativ die Rücknahme des Auflösungsbefehls. Gleichzeitig trug er verschiedene politische Forderungen vor, darunter die sofortige Auflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen zum Reichstag. Ebert wies im Beisein Noskes diese Forderungen ab und verlangte von dem General seinen Rücktritt in den nächsten 24 Stunden. Der Chef des Heerespersonalamtes GeneralRitter und Edler von Braun wurde angewiesen, Lüttwitz unter Beförderung zumGeneraloberst zum Ausscheiden aus dem Dienst zu bewegen.[4] Da der freiwillige Rücktritt ausblieb, wurde Lüttwitz am 11. März durch Noske wegenInsubordination gegenüber den zivilen Reichsbehörden zurDisposition gestellt.




General von Lüttwitz lehnte es ab, seine Entlassung einzureichen, und fuhr stattdessen nachDöberitz zur Brigade Ehrhardt. Dort gab er Ehrhardt den Befehl zum Marsch auf Berlin. Erst danach informierte er die Verschwörergruppe der „Nationalen Einheit“ um Kapp,Waldemar Pabst und Ludendorff. Sie sollten sich dafür bereithalten, Sonnabend früh in Berlin die Regierung zu übernehmen.
Bereits Freitagabend kursierten entsprechende Gerüchte in der Reichshauptstadt; selbst Berliner Abendzeitungen brachten Meldungen über einen bevorstehenden Putsch der Brigade Ehrhardt, sodass Noske zwei Regimenter Sicherheitspolizei und ein Regiment Reichswehr in das Regierungsviertel beorderte, um es gegebenenfalls militärisch zu verteidigen. Doch die verantwortlichen Offiziere dieser drei Regimenter teilten noch in derselben Nacht den anderen in und um Berlin stehenden Truppenteilen mit, dass sie nicht gewillt seien, Noskes Befehl zur Verteidigung der Regierungsgebäude Folge zu leisten.[5]
In der Nacht auf den 13. März setzte sich die Brigade Ehrhardt nach Berlin in Marsch, feldmarschmäßig, wie in Feindesland. Viele Soldaten trugen als Ausdruck ihrervölkischen Gesinnung ein weiß gemaltesHakenkreuz auf dem Helm. Ab 23:00 Uhr wurde die Regierung über den Anmarsch der Brigade Ehrhardt informiert; es brach hektische Betriebsamkeit aus. Noske hielt eine Kommandeurssitzung ab, auf der er erfuhr, dass das Regierungsviertel durch die drei Kompanien nicht verteidigt und sein Schießbefehl nicht befolgt werden würde. Gleichzeitig fand unter Eberts Leitung in der Reichskanzlei eine Kabinettssitzung statt, auf der beschlossen wurde, dass die Regierung aus Berlin fliehen und ein Aufruf zumGeneralstreik erfolgen solle. Beide Beschlüsse wurden mit Mehrheit, nicht einstimmig gefasst. Justizminister und VizekanzlerEugen Schiffer (DDP) schloss sich nicht der Flucht an, während der Aufruf zum Generalstreik nur von den sozialdemokratischen Ministern unterzeichnet wurde. Um 06:15 Uhr wurde die Sitzung unterbrochen, und die Minister flüchteten mit im Hof bereitgestellten Autos. Zehn Minuten später marschierte die Brigade Ehrhardt mit Gesang durch das Brandenburger Tor.[6]
Die sozialdemokratischen Mitglieder der Regierung begaben sich zunächst nach Dresden zu Noskes altem „Städteeroberer“, dem dortigen WehrkreisbefehlshaberGeorg Maercker. Sie nahmen an, dort sicher zu sein. Maercker hatte jedoch schon telegrafisch aus Berlin den Befehl erhalten, die Minister bei ihrer Ankunft in „Schutzhaft“ zu nehmen. Nur die zufällige Anwesenheit des Fraktionsvorsitzenden der DVP,Rudolf Heinze, konnte Maercker von seinem Vorhaben abbringen. Dennoch zogen es Ebert und Noske vor, weiter nach Stuttgart zu fliehen, wo das Militär bisher ruhig geblieben war.[7] In Berlin blieben nur wenige Regierungspolitiker zurück, darunter Justizminister und Vizekanzler Schiffer (DDP) und der ZentrumsvorsitzendeKarl Trimborn, die später die Verhandlungen mit den Putschisten führten.
Die meuternden Truppen proklamierten Kapp zumReichskanzler.[8] Mit am Putsch beteiligt waren der ehemaligeBerliner PolizeipräsidentTraugott von Jagow, OberstMax Bauer, HauptmannWaldemar Pabst und der Pfarrer und DNVP-PolitikerGottfried Traub.
In einer Besprechung zwischen Noske, dem Chef der HeeresleitungWalther Reinhardt und dem Chef desTruppenamtesHans von Seeckt sprach sich nur Reinhardt für den Einsatz regierungstreuer Truppen gegen die Putschisten aus, während Seeckt dies ablehnte. Häufig wird Seeckts Antwort mit den Worten „Truppe schießt nicht auf Truppe“ bzw. „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr“ zitiert. Auch wenn dafür Belege fehlen,[9] äußerte er sich sinngemäß so, da er befürchtete, dass dies die Zerstörung der von ihm aufgebauten Reichswehr bedeuten würde.[10] Seeckt meldete sich zu Beginn des Putsches krank und beteiligte sich von zu Hause aus insgeheim an dessen Liquidierung. Die Truppen des Gruppenkommandos 1 in den östlichen und nördlichen Teilen des Reiches folgten anfangs weitgehend den Befehlen ihres unmittelbaren Vorgesetzten Lüttwitz, während die des Gruppenkommandos 2 in Westdeutschland sich abwartend verhielten. Ähnlich gespalten war die Reichswehrführung in Berlin.

Am Vormittag des 13. März wurde ein Aufruf des Pressechefs der Reichskanzlei,Ulrich Rauscher, zumGeneralstreik im Namen des Reichspräsidenten und der SPD-Minister und -Fraktion verbreitet; dem schlossen sich am Nachmittag derAllgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) und dieArbeitsgemeinschaft freier Angestelltengewerkschaften (AfA) an. DieKommunistische Partei Deutschlands (KPD) sprach sich ebenfalls gegen den Putsch aus, forderte jedoch dieProletarier zunächst auf, mit der Teilnahme an Aktionen noch zu warten. Die SPD hingegen rief zum Generalstreik auf:
„Arbeiter! Genossen! Wir haben die Revolution nicht gemacht, um uns heute wieder einem blutigen Landsknechtsregime zu unterwerfen. Wir paktieren nicht mit denBaltikumsverbrechern! … Es geht um Alles! Darum sind die schärfsten Abwehrmittel geboten. … Legt die Arbeit nieder! Streikt! Schneidet dieser reaktionären Clique die Luft ab! Kämpft mit jedem Mittel für die Erhaltung der Republik! Lasst allen Zwist beiseite. Es gibt nur ein Mittel gegen die Diktatur Wilhelms II: Lahmlegung jedes Wirtschaftslebens! Keine Hand darf sich mehr rühren! Kein Proletarier darf der Militärdiktatur helfen! Generalstreik auf der ganze Linie! Proletarier, vereinigt euch! Nieder mit der Gegenrevolution!“

Die Mitglieder der DNVP solidarisierten sich mit den Putschisten und unterstützten zum Teil aktiv den Umsturzversuch. Auch Teile der DVP sympathisierten mit den Putschisten. Die Parteiführung unterGustav Stresemann fasste den Beschluss, den Putsch nicht zu verurteilen, gleichwohl stellte sie in ihrer Erklärung vom 13. März die Forderung nach einer baldigen Überleitung zu geordneten Verhältnissen auf.
Nach einem Treffen mit Vertretern vonUSPD undSPD inElberfeld korrigierte die KPD am 14. März ihre Haltung vom Vortag und rief zur Beteiligung am Generalstreik auf. Einzelne Bezirke der Partei beteiligten sich zu der Zeit bereits am Streik. Es entstand im Ruhrgebiet derRuhraufstand, der sich alsRote Ruhrarmee zu einer bewaffneten Formation mit 50.000 bis 120.000 Mann entwickelte und, wie auch die gleichzeitigen Bewegungen in Thüringen und Sachsen, durch die USPD in eine zweite Revolution übergeleitet werden sollte.
In Berlin kam es nicht nur zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Putschtruppen und Trupps von Arbeitern, sondern auch zu einem kurzen Wiederaufleben derRätebewegung.[11] Ab dem 17. März wurde eine Neuwahl der Berliner Räte in den Betrieben organisiert, am 23. März traten dann rund 1.000 Delegierte zur Generalversammlung zusammen. Sie gehörten mehrheitlich der USPD und KPD an, es gab aber auch Vertreter der SPD. Sie stimmten gegen eine Fortsetzung des Generalstreiks, auch, weil die Gewerkschaften das bereits beschlossen hatten. Später drohte die Generalversammlung noch mehrfach mit einer Wiederaufnahme des Streiks. Damit sollte der Vormarsch der Regierungstruppen im Ruhrgebiet gestoppt werden.
Es gelang den Kapp-Putschisten in den folgenden Tagen nicht, sich an der Macht zu halten. Sie fanden nicht ausreichend Unterstützung und stießen in der Berliner Ministerialverwaltung auf Widerstand.Theodor Lewald, der dienstälteste Unterstaatssekretär (zumal des Innenministeriums) stellte fest, dass es im Gegensatz zu 1918 keine neue Rechtslage gebe, und verweigerte so die Auszahlung des Soldes an die Putschisten, so dass diese auch finanziell ausgezehrt wurden.[12] So unterstützte derDeutsche Beamtenbund ab dem 15. März den Streik. Zudem fehlte es den Militärs an Einigkeit über ihre eigentlichen Ziele. Die überstürzte Natur des Putsches wird auch daran deutlich, dass die Putschisten keine Ministerlisten vorbereitet hatten.
Unvorbereitet und improvisiert war auch die Kommunikation mit Presse und Bevölkerung sowie die Handhabung von Zeitungsverboten und Zensur. Den Journalisten derBerliner Pressekonferenz standen täglich wechselnde Pressechefs (Sprecher) gegenüber: Kapitänleutnant a. D.Otto Lensch,Paul Bredereck,Gottfried Traub,Hans Humann,Walter Harnisch. Für Presse- und Propagandaaufgaben arbeiteten mit unklaren Aufgaben zugleichAlexander de la Croix, Karl Schnitzler undFriedrich Grabowski,Heino von Heimburg,Friedrich Karmann, Oberleutnant Franz von Knobelsdorff, als Zensor und Betreuer der AuslandspresseIgnatz Trebitsch-Lincoln. Die chaotischen Abläufe in derVereinigten Presseabteilung der Reichsregierung während des Putsches dokumentierte noch 1920 der dortige BeamteKarl Brammer.[13]
Einen großen Anteil am Misslingen des Putsches hatte jedoch zweifelsohne der Generalstreik – der größte in der deutschen Geschichte. Dieser Generalstreik erfasste am Sonntag, dem 14. März, bereits vollständig Berlin und breitete sich am Montag über die ganze Republik aus. Es gab keinen Eisenbahnverkehr, in den Städten keine Straßenbahnen und Busse, keine Post, keine Telefonvermittlung, keine Zeitungen, alle Fabriken und alle Behörden waren geschlossen. In Berlin gab es nicht einmal mehr Wasser, Gas oder elektrisches Licht. Dieser Generalstreik führte zur völligen Lahmlegung der öffentlichen Versorgung und führte den Putschisten schnell die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens vor Augen. Er nahm ihnen jede Möglichkeit zu regieren.
Die Unternehmer begegneten dem Kapp-Putsch zunächst in abwartender Neutralität. Die Industrieverbände verwarfen den Putsch erst als sich sein Scheitern abzeichnete.[14]
Am 17. März schließlich floh Kapp nachSchweden. Von Lüttwitz übernahm nun alsMilitärdiktator die Regierung und wollte als solcher gegen die Aufstände vorgehen. Jedoch kam es bereits am selben Tag zu Verhandlungen im Berliner Justizministerium, bei denen die Parteienvertreter unter Justizminister Eugen Schiffer Lüttwitz die Erfüllung einiger Forderungen als Gegenleistung für die unblutige Beendigung des Putsches anboten. Zudem stellten sie ihren Einsatz für eineAmnestie in Aussicht. Sie handelten dabei ohne Rückendeckung der Reichsregierung in Stuttgart, die Verhandlungen stets abgelehnt hatte. Da Lüttwitz auch den Rückhalt in der Reichswehr weitgehend verloren hatte, willigte er in die Bedingungen ein und trat zurück. Die Vereinbarung wurde am selben Tag in einer Pressemitteilung verbreitet. Der Putschversuch war nach fünf Tagen beendet. Lüttwitz verließ, begleitet von Erich Ludendorff, den die Putschisten mehrfach zur Beratung eingeladen hatten, dieReichskanzlei.
Weil die Lüttwitz-Regierung die Brigade Ehrhardt nach der Flucht Kapps gegen die weiter streikenden Arbeiter zu Hilfe rief, konnte sie noch eine Zeit lang weiter bestehen. Die ebenfalls eingesetzte schwer bewaffneteSicherheitspolizei (Sipo) setzte Bomben aus Flugzeugen und schwere Maschinengewehre gegen Streikende bzw. Aufständische ein.
Die den Generalstreik unterstützenden Gewerkschaften einigten sich am 18. März auf ein gemeinsames Neun-Punkte-Programm mit weitgehenden Forderungen, darunter die Sozialisierung von Betrieben und Enteignung von Großagrariern, zudem eine Regierungsumbildung. Andernfalls wollten sie den Streik fortsetzen. Nach Verhandlungen mit den Regierungsparteien kam es am 20. März zu einem Kompromiss: Wesentliche Forderungen des Neun-Punkte-Programms wurden in abgeschwächter Form akzeptiert. Doch auf Druck der USPD kam es zu weiteren Verhandlungen und zu weiteren Zugeständnissen auf militär- und sicherheitspolitischem Gebiet. Danach wurde die Arbeit am 23. März wieder aufgenommen.[15]
Am 26. März trat dasKabinett Bauer zurück, und eine neue Regierung unterHermann Müller (SPD) wurde gebildet (Kabinett Müller I). Eine Beteiligung der Gewerkschaften an der Regierung kam nicht zustande, so hatte der ADGB-VorsitzendeCarl Legien das ihm von Ebert angebotene Amt des Reichskanzlers abgelehnt. Der neue Reichskanzler Müller ernannte Hans von Seeckt zum neuen Chef der Heeresleitung, nachdem General Reinhardt aus Solidarität mit dem nicht mehr haltbaren und wegen „Begünstigung derKonterrevolution“ zum Rücktritt gezwungenen Reichswehrminister Noske ebenfalls zurückgetreten war.
In Ostpreußen hatten sich alle höheren Verwaltungsbeamten mit Ausnahme desKönigsberger OberbürgermeistersHans Lohmeyer dem Unternehmen von Kapp angeschlossen. Nach dessen Scheitern entließ die Staatsregierung denOberpräsidentenAugust Winnig, drei Regierungspräsidenten und die meisten Landräte. Nicht entlassen wurden Oberbürgermeister Lohmeyer, der RegierungspräsidentMatthias von Oppen (Allenstein) und die LandräteHeinrich von Gottberg (Bartenstein),Dodo Frhr. zu Innhausen und Knyphausen (Rastenburg),Herbert Neumann (Pr. Eylau) undWerner Frhr. v. Mirbach (Neidenburg).[16]
In derReichstagswahl am 6. Juni 1920 verlor dieWeimarer Koalition aus SPD, Zentrum und DDP ihre absolute Mehrheit. Mit demKabinett Fehrenbach wurde eine bürgerlicheMinderheitsregierung gebildet. Als Gewinner gingen aus der Wahl sowohl dieUSPD als auch die DNVP und die DVP hervor. Die am 2. August 1920 verabschiedeteAmnestie stellte alle Putschteilnehmer mit Ausnahme der „Urheber“ und „Führer“ straffrei, sofern sie nicht aus „Rohheit“ oder „Eigennutz“ gehandelt hatten. Gleiche Bestimmungen galten für die linken Aufständischen. In der Reichswehr wurden nachMilitärgerichtsverfahren 48 Offiziere ihres Amtes enthoben, die meisten Verfahren wurden eingestellt oder endeten mit einem Freispruch.
Viele führende Beteiligte des Putsches setzten sich in die – infolge der dortigen RegierungsübernahmeGustav von Kahrs am 16. März gebildete – konservative „Ordnungszelle“ Bayern ab, wo sie sich in rechtsgerichteten Organisationen undWehrverbänden engagierten. Der frühere Kommandeur der Brigade Ehrhardt gründete in München als Quasi-Nachfolgeorganisation dieOrganisation Consul, die in der Folgezeit für zahlreicheFememorde an republikanischen Politikern verantwortlich war.
Am 21. Dezember 1921 verurteilte dasReichsgerichtTraugott von Jagow zur Mindeststrafe von fünf JahrenFestungshaft (die mildeste und ehrenhafteste Form des Freiheitsentzuges bei Vergehen und Verbrechen). In diesem Urteil hieß es einerseits sinngemäß, dass § 81 Abs. I Nr. 2 StGB (Hochverrat) die jeweils gültige Verfassung des Deutschen Reichs und damit auch die neueWeimarer Verfassung schützen solle. Auf der anderen Seite hieß es: „Bei der Strafzumessung sind dem Angeklagten Traugott von Jagow, der unter dem Bann selbstloserVaterlandsliebe und eines verführerischen Augenblicks dem Rufe von Kapp gefolgt ist, mildernde Umstände zugebilligt worden.“
Das Verfahren gegen zwei Mitangeklagte wurde am gleichen Tag eingestellt. Diese drei Verfahren waren die einzigen Strafverfahren gegen die Putschisten. Zwar stellte sich Kapp nach seiner Flucht im April 1922 todkrank dem Reichsgericht, jedoch verstarb er vor seinem Prozess am 12. Juni 1922 in Untersuchungshaft.

Für die bei den Kämpfen an zahlreichen Orten im Deutschen Reich ums Leben gekommenen Aufständischen, Soldaten, Polizisten und Zivilisten, die die Republik verteidigt hatten, wurden bereits in den ersten Jahren danach Gedenkorte und Denkmale eingerichtet. Eine umfangreiche Auswahl:
Ehrengräber und Gedenktafeln imRuhrgebiet/Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet:
„Ehrung“ von Freicorpsangehörigen und weiteren Kämpfern für den Putsch.
DerBayerische Rundfunk rekonstruierte im Jahr 2011 die Ereignisse rund um den Kapp-Putsch für das DokudramaKonterrevolution – Der Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920. Unter der Regie vonBernd Fischerauer spielten u. a.Hans Michael Rehberg (General v. Lüttwitz),Jürgen Tarrach (Friedrich Ebert) undMichael Rotschopf (Waldemar Pabst). Die Erstausstrahlung fand am 20. Mai 2011 im ProgrammBR-alpha statt.[23][24]
DerWestdeutsche Rundfunk Köln, WDR sendete am 9. März 1986 den FilmAugenzeugen berichten: Der Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920 (ca. 45 min) von Claus-Ferdinand Siegfried; wissenschaftliche BeratungWerner Rahn.Die folgenden Zeitzeugen sind im Film zu sehen und zu hören: Hans-Joachim von Stockhausen, Fähnrich; Siegfried Sorge, Leutnant zur See; Herbert Jantzon, Leutnant; Albert Witte, Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend in Kiel;Axel Eggebrecht, damaliger Student; Max Kutzko, MG-Schütze in Kiel; Ernst Bästlein, Metallarbeiter; Paul Debes, Matrose; Karl Marquardt, Schreinerlehrling;Axel von Bleßingh, Seekadett; Hans Möller, Fähnrich; Franz Rubisch, Bergarbeiterkind; Heinrich Köster, Bergarbeiter.