Die Nord-Süd-Ausdehnung erstreckt sich von 83,11° nördlicher Breite amKap Columbia auf Ellesmere Island inNunavut bis zur InselMiddle Island imEriesee bei 41,68° (etwa die Breite von Rom) und beträgt somit 41,43° oder 4634 Kilometer. Die größte Ost-West-Entfernung beträgt 5514 Kilometer vonCape Spear auf Neufundland (52,62° W) bis zur Grenze desYukon-Territoriums mitAlaska (141° W). Die Gesamtlänge der Grenze zwischen Kanada und den USA beträgt 8890 Kilometer. Kanada hat mit 243.042 Kilometern zugleich die längste Küstenlinie der Welt. Die größte Insel ist dieBaffininsel im Nordosten, welche mit einer Fläche von 507.451 km² zugleich die fünftgrößte Insel der Welt ist. Die nördlichste Halbinsel istBoothia. 9.093.507 km² Kanadas sind Land- und 891.163 km² Wasserfläche.[2]
Das geologischeGrundgebirge der östlichen Provinzen sind alte, abgetragene Berge neben noch älteren Abschnitten desKanadischen Schildes, die bis zu 4,03 Milliarden Jahre alt sind.[7] Dieser umfasst eine ausgedehnte Region mit einigen der ältesten Gesteine. Um dieHudson Bay gelegen, nimmt er fast die Hälfte des Staatsgebiets ein. Abgesehen von einigen niedrigen Bergen im östlichenQuébec und inLabrador ist die Landschaft flach und hügelig. Das Gewässernetz ist dicht, die Entwässerung der Region erfolgt über eine Vielzahl von Flüssen. Die südliche Hälfte des Schildes ist mitborealen Wäldern bedeckt, während die nördliche Hälfte einschließlich der Inseln desarktischen Archipels jenseits der arktischenBaumgrenze liegt und mit Felsen, Eis undTundrenvegetation bedeckt ist. Die östlichen Inseln des Archipels sind gebirgig, die westlichen dagegen flach.
Die teils vulkanisch aktiven Gebirgszüge derCoast Range und derRocky Mountains, wie derMount Edziza oder dieNorthern Cordilleran Volcanic Province im NordenBritish Columbias, dominieren das westliche Kanada. Sie verlaufen in Nord-Süd-Richtung durch Yukon und British-Columbia, die dortige Küstenlinie wird tief vonFjorden durchschnitten. Vor der Küste liegtVancouver Island, ein Ausläufer des Küstengebirges.
Kanada ist zudem ein überaus seenreiches Land. 7,6 % seiner Landmasse sind mit insgesamt rund zwei Millionen Seen bedeckt. 563 Seen sind größer als 100 km².[8] Zu den größten Seen gehören derGroße Bärensee (31.153 km²), derGroße Sklavensee (27.048 km²), derWinnipegsee (24.420 km²), derAthabascasee (7.850 km²) sowie die Großen Seen (zusammen rund 245.000 km²), durch die mit Ausnahme desMichigansees die Grenze zum südlichen Nachbarland verläuft. Der größte gänzlich in Kanada gelegene See ist der Große Bärensee in den Nordwest-Territorien.
Klima
Klimadiagramm der Hauptstadt Ottawa
Kanada umfasst unterschiedliche Klimazonen (vomPolarklima bis zumgemäßigten Klima). Überwiegend bestimmt dasboreale Klima mit langen, kalten Wintern und kurzen, heißen Sommern den größeren Teil Kanadas. Im Winter 2004/2005 wurden Temperaturen von −58 °C inBurwash Landing des Territoriums Yukon gemessen;[9] die tiefste je gemessene Temperatur wurde mit −63 °C in Snag im selben Territorium am 3. Februar 1947 aufgezeichnet.[10] Die höchste Temperatur wurde inLytton (British Columbia) mit 49,6 °C am 28. Juni 2021 ermittelt.[11]
An der Westküste findet manmaritimes Klima mit hohen Niederschlägen, da sich die feuchte, vom Ozean kommende Luft am Westrand des Küstengebirges abregnet. Den Niederschlagsrekord hältUcluelet in British Columbia mit 489,2 mm an einem einzigen Tag (6. Oktober 1967). Die Jahreszeiten sind in den Provinzen Québec und Ontario am deutlichsten ausgeprägt, mit kalten Wintern, milden Frühjahren und Herbstmonaten und von Juli bis September oft sehr schwül-heißen Sommern mit Durchschnittstemperaturen um 25 °C.
Am häufigsten leiden die Prärieprovinzen Alberta, Saskatchewan und Manitoba unter Trockenheit. Eines der trockensten Jahre war das Jahr 1936, das trockenste jedoch 1961. Regina erhielt 45 % weniger Regen als im Durchschnitt. 1988 war so trocken, dass jeder zehnte Farmer aufgeben musste. Das wärmste Jahr in Kanada war das Jahr 1998.[12]
Große Naturgebiete, vor allem in den Tundra- und Bergregionen, bedecken 70 % Kanadas. Das entspricht 20 % der weltweit verbleibendenWildnisgebiete (ohne Antarktis). Noch ist mehr als die Hälfte der ausgedehnten WälderUrwald.[13] Die nördlicheWaldgrenze verläuft von der OstküsteLabradors über dieUngava-Halbinsel Richtung Süden entlang des Ostufers der Hudson Bay und setzt sich anschließend schlangenlinienförmig Richtung Nordwesten zum Unterlauf desMackenzie und weiter nach Alaska fort. Nördlich der Baumgrenze gibt es kaum oder gar keinen fruchtbaren Boden (Tundra). Die Vegetation der südlichsten Tundragebiete besteht aus niedrigem Buschwerk, Gräsern undRiedgras. Die nördlichsten Gebiete sind zu weniger als einem Zehntel mit den für die Polarregion typischen Moosen bedeckt.
Südlich der Baumgrenze, von Alaska bisNeufundland, schließt sich eines der größten Nadelwaldgebiete der Welt an. Im Osten, von den Großen Seen bis zu den Küsten, wachsen hauptsächlich Mischwälder mitZuckerahorn,Buchen,Birken,Kiefern undHemlocktannen. Die Tiefebenen im äußersten Süden sind mit reinen Laubwäldern bedeckt. Hier gedeihen nebenHickorybäumen,Eichen undUlmen,Kastanien,Ahorn undWalnussbäume. In den westlichen Berggebieten sind dieFichte,Douglasie undLodgepole-Kiefer am weitesten verbreitet, in Hochebenen wachsen außerdemZitterpappel undGelb-Kiefer. Die Vegetation der niederschlagsreichen Pazifikküste wird von Wäldern aus dichten, hohen Douglasfichten, westlichen Rot-Zedern und Hemlocktannen beherrscht. Das Prärieland ist zu trocken, um mehr als vereinzelte Baumgruppen hervorzubringen. Vom ursprünglich weiten, hügeligen Grasland ist heute nur noch wenig übrig; es ist dem heute berühmten Weizengürtel Kanadas gewichen.
Die arktischen Gewässer bieten Nahrung fürWale,Walrosse,Seehunde und fürEisbären. In den Tundren lebenMoschusochsen,Karibus,Polarwölfe,Polarfüchse,Polarhasen undLemminge, vereinzelt auchVielfraße; viele Zugvögel verbringen hier den Sommer, darunterAlke,Enten,Möwen,Seeschwalben und andere Seevögel. Die Wälder im Norden sind ein idealer Lebensraum für Karibus undElche,Luchse,Schwarz- undBraunbären. Doch gehen die Bestände der riesigen Karibuherden aufgrund von Industrialisierung und winterlichen Freizeitaktivitäten, vor allem aufgrund der Störungen durch motorisierte Schlitten, zurück. Die Bedeutung der Jagd ist hierbei rückläufig.[14]
Fünf Milliarden Vögel kommen jeden Sommer in die borealen Wälder. Daher hat Kanada 1917 zusammen mit den USA angefangen, Schutzgebiete für Zugvögel einzurichten. Heute bestehen 92 solcher Gebiete mit einer Gesamtfläche von etwa 110.000 km².[15] Zur artenreichen Vogelwelt zählen derKardinal, derWaldsänger, derWeißkopfseeadler und dieSpottdrossel sowie der selteneMarmelalk, der nur in alten Wäldern überleben kann.
Die einheimische Tier- und Pflanzenwelt steht in 44Nationalparks, weit über tausendProvinzparks und Naturreservaten unter Schutz. Größtes Schutzgebiet ist der 44.802 km² großeWood-Buffalo-Nationalpark im nördlichen Teil vonAlberta und denNordwest-Territorien, in dem zahlreiche vom Aussterben bedrohte Arten vertreten sind. Bemerkenswert ist der dortige, mit etwa 6000 Tieren größte Bestandfrei lebender Bisons der Welt. In vielen Seengebieten braucht der Mensch besonders im Sommer strenge Vorkehrungen gegen Insektenbisse, daStech- undKriebelmücken in sehr hoher Dichte leben.
Von den über 38 Millionen Einwohnern lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in den 30 größten Städten. Geht man von den Ballungsräumen (census metropolitan areas) aus, steigt diese Zahl auf über 70 %.Toronto ist das bedeutendste Produktionszentrum und mit 5.928.040 Einwohnern (Stand: 2016) der größte Ballungsraum.[16] Die HandelsmetropoleMontreal zählte 4.098.927,Vancouver 2.463.431 Einwohner. Weitere Ballungsräume sind die BundeshauptstadtOttawa-Gatineau (1.323.783),Calgary (1.392.609),Edmonton (1.321.426),Québec (800.296),Winnipeg (778.489) undHamilton (747.545).
Der Name Kanada ist mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Wortkanata abgeleitet, das in der Sprache derSankt-Lorenz-Irokesen „Dorf“ oder besser „Siedlung“ bedeutete.[17] 1535 gaben Bewohner der Region um die heutige StadtQuébec dem französischen EntdeckerJacques Cartier eine Wegbeschreibung zum DorfStadacona.[18] Cartier verwendete daraufhin die BezeichnungCanada nicht nur für dieses Dorf, sondern für das ganze Gebiet, das von dem in Stadacona lebenden HäuptlingDonnacona beherrscht wurde. Ab 1545 war auf Karten und in Büchern die BezeichnungCanada für diese Region üblich. Cartier nannte außerdem denSankt-Lorenz-StromRivière de Canada, ein Name, der bis zum frühen 17. Jahrhundert in Gebrauch war. Forscher und Pelzhändler zogen in Richtung Westen und Süden, wodurch das als „Kanada“ bezeichnete Gebiet wuchs. Im frühen 18. Jahrhundert wurde der Name für den gesamten heutigenmittleren Westen bisLouisiana benutzt. Die seit 1763 britischeKolonie Québec wurde 1791 inOberkanada undNiederkanada aufgeteilt, was etwa den späteren ProvinzenOntario und Québec entsprach. Sie wurden 1841 wieder zur neuenProvinz Kanada vereinigt.1867 erhielten die neugegründeten Bundesstaaten der Kolonien inBritisch-Nordamerika den Namen „Kanada“ und den formellen TitelDominion. Bis in die 1950er-Jahre war die amtliche BezeichnungDominion of Canada üblich.[19]
Mit der zunehmenden politischen Autonomie gegenüberGroßbritannien verwendete die Regierung mehr und mehr die BezeichnungCanada in rechtlich bindenden Dokumenten und Verträgen. DasKanada-Gesetz 1982 bezieht sich nur noch aufCanada, die inzwischen einzige amtliche (zweisprachige) Bezeichnung.
Auf denGreat Plains entstanden neue Waffentechnologien und weitläufiger Handel, etwa mitChalzedon ausOregon undObsidian ausWyoming.[24] In einigen Gebieten wurden noch um 8000 v. Chr.Pferde gejagt; sie verschwanden ebenso wie dieMegafauna. Erst später teilte sich der riesige Kulturraum erkennbar in zwei Großräume auf, dieFrühe Shield- und dieFrühe Plains-Kultur, wobei sich Kupferbearbeitung bereits um 4800 v. Chr. zeigen lässt.
Im Westen reichen die Spuren bis vor 8000 v. Chr. zurück, vielfach ohne erkennbaren kulturellen Bruch. So besteht die Kultur derHaida aufHaida Gwaii seit über 9500 Jahren. Der Handel mitObsidian vomMount Edziza reicht über 10.000 Jahre zurück.[25]
Vor 2500 v. Chr. bestanden im WestenSiedlungen, dazu Anzeichen sozialer Differenzierung. Hausverbände bestanden, die sich saisonal zur Jagd in großen Gruppen zusammenfanden. Auch in den Plains lassen sich Dörfer nachweisen.
DieCree,Ojibwa,Algonkin,Innu undBeothuk, die in den frühen europäischen Quellen fassbar sind, gehen wohl auf Gruppen derShield-Kultur zurück. Die Plainskulturen waren durchBisons gekennzeichnet, Hunde wurden als Trage- und Zugtiere eingesetzt, dasTipi setzte sich durch sowie die Herstellung vonPemmikan.
Als wichtigste kulturelle Veränderung der Plateaukultur im westlichen Binnenland gilt der Übergang von der Nichtsesshaftigkeit zur Halbsesshaftigkeit mit Winterdörfern und sommerlichen Wanderzyklen um 2000 v. Chr. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich früher an der Küste, deren Kulturen sich mit denKüsten-Salish in Beziehung bringen lassen. Gegen Ende der Epoche lassen sich erstmalsPlankenhäuser nachweisen. Einige Salish waren bereits vor 1600 v. Chr. Bauern – wie man von denKatzie weiß.[26] DieNuu-chah-nulth aufVancouver Island entwickelten hochseetüchtige Kanus, mit denen sie (als einzige) aufWalfang gingen.
Die Herstellung von Tongefäßen erreichte das Gebiet des heutigen Kanada wohl von Südamerika, Pfeil und Bogen kamen um 3000 v. Chr. aus Asien und wurden wahrscheinlich erstmals vonPaläo-Eskimos eingesetzt. Der Bogen erreichte die Ostküste über die Arktis, kam aber erst rund drei Jahrtausende später in den Westen.[27]
Mit den Keramikgefäßen ab etwa 500 v. Chr. endete an der Ostküste die archaische Phase, die von denWoodland-Perioden abgelöst wurde. Manche Dörfer, meist ausLanghäusern bestehend, waren wohl schon ganzjährig bewohnt. Auf dieFrühe Woodland-Periode an den Großen Seen und dem Sankt-Lorenz-Strom (etwa 1000 v. Chr. bis 500 n. Chr.) gehen wohl dieIrokesen zurück, aber auch einige derAlgonkin-Gruppen.
Bis nach Zentral-Labrador zeigen sich auf dem kanadischen Schild die Einflüsse derAdena-Kultur. Ihre typischenMounds erscheinen auch in der westlichen Schild-Kultur, beispielsweise im südlichen Ontario. Wahrscheinlich kam es infolge der Domestizierung vonWildreis zu einer herausgehobenen Schicht von Landbesitzern (Psinomani-Kultur). Der Süden Ontarios war in die Fernhandels-Beziehungen derHopewell-Kultur eingebunden.Kupfer wurde im ganzen Osten Nordamerikas verbreitet.
Die spätePlains-Kultur lebte in hohem Maße vonBisons. Fernhandel war weit verbreitet und reichte westwärts bis zum Pazifik. Im Norden überwogen kleinere nomadische Gruppen, während sich im Süden ein Zyklus saisonaler Wanderungen durchsetzte, deren Mittelpunkt feste Dörfer waren.
Derspäten Plateau-Kultur lieferten die Laichzüge der Lachse die Nahrung, ähnlich wie an der Pazifikküste. Ab 2500 v. Chr. lässt sich das so genanntePit House („Grubenhaus“) nachweisen, das teilweise in die Erde gegraben wurde und eine bessere Bevorratung ermöglichte.
Die Küstenkultur wurde zwischen 500 v. und 500 n. Chr. als Ranggesellschaft von Süden nach Norden strenger. Eine Schicht führender Familien beherrschte den Handel sowie den Zugang zu Ressourcen und hatte die politische und spirituelle Macht. Auch hier tauchen erstmals Begräbnishügel auf. In einigen Regionen herrschten Steinhaufengräber (cairns) vor, wie etwa umVictoria. Die Dörfer wurden zahlreicher und vielfach größer, bald stärker befestigt. Die Kultur war von Plankenhäusern, oftmals monumentalen Schnitzwerken (Wappen- oder Totempfählen), komplexen Zeremonien undClanstrukturen gekennzeichnet. Nirgendwo war die Bevölkerungsdichte so groß wie an der Westküste.
Im Gegensatz dazu gestatteten die Klimabedingungen und starke vulkanische Aktivität im Nordwesten keine dauerhafte Ansiedlung.[28] Mit denAthabasken verbinden sich Fundstellen im Einzugsgebiet desMackenzie Rivers ab 1000 v. Chr. bis etwa 700 n. Chr.[29]
Gegen 2500 v. Chr. wanderte ein Teil der Paläo-Eskimos von Alaska nachGrönland; es entwickelte sich diePrä-Dorset-Kultur. Um 500 v. Chr. bis 1000 n. Chr. folgte die „Dorset-Kultur“ (nachCape Dorset auf einerBaffin Island vorgelagerten Insel benannt). Um 2000 v. Chr. bis 1000 n. Chr. bestand die Neo-Eskimo-Kultur. Um 1000 setzte sich eine erneute Wanderung von Alaska nach Grönland in Bewegung. Aus der Vermischung der Kulturen ging wohl dieThule-Kultur hervor, die bis etwa 1800 bestand. Ihre Angehörigen sind die Vorfahren der heutigen Inuit.
Europäische Siedler erreichten Nordamerika spätestens um das Jahr 1000, alsWikinger für kurze Zeit inL’Anse aux Meadows am nördlichsten Ende vonNeufundland lebten. Als „Entdecker“ Nordamerikas giltGiovanni Caboto, ein italienischer Seefahrer inenglischen Diensten. Er landete am 24. Juni 1497 auf Neufundland und nahm das Land für England in Besitz.Baskische Walfänger und Fischer kamen ab etwa 1525 regelmäßig an die Küste Labradors und beuteten ein Jahrhundert lang die Ressourcen in der Region zwischen derNeufundlandbank undTadoussac aus.[30] Eine Expedition unter der Leitung vonJacques Cartier erkundete 1534/35 das Gebiet um denSankt-Lorenz-Golf und den Sankt-Lorenz-Strom und erklärte es zu französischem Besitz. Die Westküste Kanadas wurde 1592 durch den griechischen SeefahrerJuan de Fuca erkundet, der in spanischen Diensten segelte.
Samuel de Champlain gründete 1605 mit Port Royal (heuteAnnapolis Royal) und 1608 mitQuébec die ersten dauerhaften Ansiedlungen inNeufrankreich. Die französischen Kolonisten teilten sich in zwei Hauptgruppen: DieCanadiens besiedelten das Tal des Sankt-Lorenz-Stroms, dieAkadier(Acadiens) die heutigenSeeprovinzen. FranzösischePelzhändler und katholischeMissionare erforschten die Großen Seen, die Hudson Bay und denMississippi bis nachLouisiana. Engländer gründeten ab 1610 Siedlungen auf Neufundland und besiedelten die weiter südlich gelegenenDreizehn Kolonien.Cupids Plantation ist damit die zweitälteste angloamerikanische Siedlung in Nordamerika und war erfolgreicher alsJamestown inVirginia.
Zwischen 1689 und 1763 kam es in Nordamerika zuvier bewaffneten Konflikten zwischen Engländern (bzw. Briten) und Franzosen, die jeweils Teil von Erbfolgekriegen in Europa waren. DerKing William’s War (1689–1697) brachte keine territorialen Veränderungen, doch nach Ende desQueen Anne’s War (1702–1713) gelangte Großbritannien durch denFrieden von Utrecht in den Besitz von Akadien, Neufundland und der Hudson-Bay-Region. Die Briten eroberten 1745 imKing George’s War die französischeFestung Louisbourg auf derKap-Breton-Insel, gaben diese aber 1748 gemäß demFrieden von Aachen wieder zurück. DerSiebenjährige Krieg (in Nordamerika von 1754 bis 1760 bzw. 1763) brachte schließlich die Entscheidung: Mit demPariser Frieden musste Frankreich 1763 fast alle seine Besitzungen in Nordamerika abtreten.
Mit derKöniglichen Proklamation von 1763 entstand aus dem ehemaligen Neufrankreich die britischeProvinz Québec, im selben Jahr gelangte die Kap-Breton-Insel zur KolonieNova Scotia. Auch wurden Rechte derfranzösischen Kanadier eingeschränkt. 1769 wurde eine weitere Kolonie namensSt. John’s Island (seit 1798Prince Edward Island) gegründet. Um Konflikte in Québec abzuwenden, verabschiedete das britische Parlament 1774 denQuebec Act. Das Gebiet Québecs wurde zu den Großen Seen und zumOhiotal ausgedehnt. Für die französischsprachige Bevölkerungsmehrheit galt das französische Zivilrecht und Französisch war als Sprache in der Öffentlichkeit anerkannt; durch die Zusicherung der freien Religionsausübung konnte dieRömisch-katholische Kirche in der Kolonie verbleiben.
Das Gesetz verärgerte jedoch die Bewohner der Dreizehn Kolonien, die darin eine unzulässige Beschränkung ihrer nach Westen gerichteten Expansion sahen. Der Quebec Act war eines jener „unerträglichen Gesetze“ (Intolerable Acts), die schließlich zurUnabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten und zumAmerikanischen Unabhängigkeitskrieg führten. DerFrieden von Paris erkannte die amerikanische Unabhängigkeit an und die Gebiete südlich der Großen Seen fielen an dieVereinigten Staaten. Etwa 50.000Loyalisten flohen in das heutige Kanada, dazu kamen mit den Briten verbündete Indianerstämme, wie dieMohawk.[31]New Brunswick wurde 1784 von Nova Scotia abgetrennt, um die Ansiedlung der Loyalisten an der Atlantikküste besser organisieren zu können. Um den nach Québec geflohenen Loyalisten entgegenzukommen, verabschiedete das britische Parlament dasVerfassungsgesetz von 1791, das die Provinz Québec in das französischsprachigeNiederkanada und das englischsprachigeOberkanada teilte und beiden Kolonien ein gewähltes Parlament gewährte.
Sieg der Briten gegen die Amerikaner in derSchlacht bei Queenston Heights (1812), James B. Dennis (1777–1855), Öl auf Leinwand, undatiert
Die Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien entluden sich imBritisch-Amerikanischen Krieg (Juni 1812 bis Februar 1815). DerFriede von Gent stellte weitgehend denstatus quo ante bellum wieder her. In Kanada gilt der Krieg bis heute als erfolgreiche Abwehr amerikanischer Invasionsversuche. Die britisch- und französischstämmige Bevölkerung entwickelte durch den Kampf gegen einen gemeinsamen Feind ein kanadischesNationalgefühl; die Loyalität der britischen Krone gegenüber wurde gestärkt.
Der Wunsch nachSelbstverwaltung und der Widerstand gegen die wirtschaftliche und politische Vorherrschaft einer kleinen Elite führten zu denRebellionen von 1837, die rasch niedergeschlagen wurden.Lord Durham empfahl daraufhin in seinem Untersuchungsbericht die Einsetzung einer selbstverantwortlichen Regierung und die allmähliche Assimilierung der französischen Kanadier in die britische Kultur.[32] DerAct of Union 1840 verschmolz Nieder- und Oberkanada zurProvinz Kanada und erhob das Englische zur alleinigen Amtssprache. Bis 1849 erhielten auch die weiteren Kolonien in Britisch-Nordamerika eine eigene Regierung.
Zwei Handelsgesellschaften, dieHudson’s Bay Company (HBC) und dieNorth West Company (NWC), kontrollierten den Handel in den weiten, nur von wenigen Ureinwohnern besiedelten Gebieten der Prärien und der Subarktis. Die HBC hatte 1670Ruperts Land als Pachtgebiet erhalten und besaß dort das Handelsmonopol mit Pelzen. Da aber auch die NWC dort Fuß zu fassen versuchte, kam es wiederholt zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Nach demPemmikan-Krieg in derRed-River-Kolonie (heuteManitoba) wurde die NWC 1821 zwangsliquidiert, und die HBC dehnte ihr Monopol auf fast den gesamten Nordwesten des Kontinents aus. 1846 schlossen die Vereinigten Staaten und Großbritannien denOregon-Kompromiss, der westlich der Großen Seen den 49. Breitengrad alsgemeinsame Grenze festlegte. Daraufhin folgte die Gründung der an der Pazifikküste gelegenen KolonienVancouver Island (1849) undBritish Columbia (1858).
Kanadische Konföderation
Territoriale Entwicklung Kanadas
Während desSezessionskriegs in den Vereinigten Staaten erkannten führende Politiker die Notwendigkeit, möglichen amerikanischen Expansionsbestrebungen einen starken Bundesstaat entgegenzustellen, und berieten in drei Verfassungskonferenzen über die Schaffung einerKanadischen Konföderation. Daraus resultierte dasVerfassungsgesetz von 1867, das am 1. Juli 1867 in Kraft trat und dasDominion Kanada schuf, das über eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der Kolonialmacht Großbritannien verfügte. DieProvinz Kanada wurde in Ontario und Québec aufgeteilt, hinzu kamenNew Brunswick undNova Scotia.
Das älteste britische Haus im Westen Kanadas war von 1852 bis 1920 der Wohnsitz eines der Gründerväter Kanadas,John Sebastian Helmcken
Um den Westen für die Besiedlung durch Einwanderer zu erschließen, beteiligte sich die Regierung an der Finanzierung von transkontinentalen Eisenbahnen und gründete dieNorth-West Mounted Police (heuteRoyal Canadian Mounted Police), um die staatliche Kontrolle über die Prärien und subarktischen Regionen durchzusetzen. DieNordwest-Rebellion und die darauf folgende Hinrichtung des Métis-FührersLouis Riel 1885 führten zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen den beiden Sprachgruppen. Als direkte Folge desKlondike-Goldrauschs wurde 1898 dasYukon-Territorium geschaffen. Aufgrund der zunehmenden Besiedlung der Prärie entstanden 1905 aus dem südlichen Teil der Nordwest-Territorien die ProvinzenAlberta undSaskatchewan. Mit den Indianern schloss Kanada zwischen 1871 und 1921elf Verträge ab, die ihnen gegen geringe KompensationenReservate zuwiesen, ihnen aber ihre gewohnte Lebensweise garantierten. Bis in die 1960er-Jahre versuchte man sie zwangsweise zuassimilieren undverbot den Schülern den Gebrauch ihrer Muttersprachen. Die Ureinwohner durften bis 1960 nicht an Parlamentswahlen auf nationaler Ebene teilnehmen.
An der Seite Großbritanniens nahm Kanada ab 1914 amErsten Weltkrieg teil und entsandte Freiwillige an dieWestfront. Als die Regierung versuchte, gegen den Widerstand des französischsprachigen Bevölkerungsteils den obligatorischen Wehrdienst einzuführen, kam es zurWehrpflichtkrise von 1917.
Eigenständigkeit und Separatismus
Landung kanadischer Truppen in der Normandie amD-Day, AbschnittNan White Beach bei Bernières-sur-Mer,Département Calvados
Bei den Verhandlungen zumVersailler Vertrag trat Kanada als eigenständiger Staat auf. Es trat 1919 unabhängig von Großbritannien demVölkerbund bei. DasStatut von Westminster von 1931 garantierte die gesetzgeberische Unabhängigkeit; einige verfassungsrechtliche Bindungen blieben bestehen. Das Land war besonders stark von derWeltwirtschaftskrise betroffen; als Reaktion darauf entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten ein gut ausgebauterSozialstaat.
Kanada erklärte 1939 dem Deutschen Reich den Krieg. Trotz einerweiteren Wehrpflichtkrise spielten kanadische Truppen während desZweiten Weltkriegs eine wichtige Rolle, insbesondere in derAtlantikschlacht, derOperation Jubilee, derInvasion Italiens, derOperation Overlord (Landung amJuno Beach) und derSchlacht an der Scheldemündung. Die Regierung vonMackenzie King wagte es nicht, Soldaten gegen deren Willen in einen Kriegseinsatz im Ausland zu schicken. So blieben Männer im Umfang von fünf Divisionen in Kanada, wo sie deutsche Kriegsgefangene bewachten. Unter den kanadischen Freiwilligen, die in Europa gegen Deutschland kämpften, rief das großen Unmut hervor.[33] 1945 wurden kanadische Soldaten maßgeblich während der Kämpfe um dieNiederlande eingesetzt.
Die britischeKolonie Neufundland, die sich 1867 nicht dem Bundesstaat angeschlossen hatte und von 1907 bis 1934 einunabhängiges Dominion gewesen war, trat 1949 nach einer langen politischen und wirtschaftlichen Krise als letzte Provinz der kanadischen Konföderation bei. 1965 wurde dieneue Ahornblattflagge eingeführt und seit dem Inkrafttreten desAmtssprachengesetzes 1969 ist Kanada offiziell ein zweisprachiger Staat. PremierministerPierre Trudeau strebte die vollständige formale Unabhängigkeit von Großbritannien an; diese wurde mit demVerfassungsgesetz von 1982 und derCharta der Rechte und Freiheiten erreicht.
Während der 1960er-Jahre fand in Québec eine tiefgreifende gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwälzung statt, die als „Stille Revolution“ bekannt ist. Québecer Nationalisten begannen, mehr Autonomie oder gar die Unabhängigkeit zu fordern. Nachdem dieFront de libération du Québec Entführungen und Anschläge verübt hatte, wurde während derOktoberkrise 1970 kurzzeitig ein Ausnahmezustand ausgerufen. Moderate Nationalisten stellten ab 1976 die Provinzregierung, 1980 wurde einerstes Unabhängigkeitsreferendum mit 59,6 % der Stimmen abgelehnt. Ein weiteres Kennzeichen dieser Umwälzung ist die Ablösung der frankophonen Bevölkerung von derkatholischen Kirche.
DerConstitution Act / Loi constitutionelle vom 17. April 1982, mit dem auch Verfassungsänderungen nicht mehr vom britischen Parlament abgesegnet werden müssen, gilt als Datum der formalen Unabhängigkeit (vollen Souveränität) Kanadas. 1989 scheiterten Bemühungen der Bundesregierung, Québec mit demMeech Lake Accord als „sich unterscheidende Gesellschaft“ anzuerkennen. Die vom separatistischenParti Québécois geführte Provinzregierung setzte 1995 daszweite Unabhängigkeitsreferendum an, das mit 49,4 % Zustimmung knapp scheiterte. 1999 wurdeNunavut geschaffen, das erste kanadische Territorium mit mehrheitlich indigener Bevölkerung.
Die letzteVolkszählung von 2021 ergab eine Einwohnerzahl von 37,0 Millionen.[34][3] Daraus errechnet sich eineBevölkerungsdichte von etwa 4,2 Einwohner/km², eine der geringsten der Welt. Die Bevölkerung konzentriert sich zu einem großen Teil auf einem bis zu 350 km breiten Streifen entlang der Grenze zu den USA. Weite Teile des Nordens sind nahezu unbesiedelt. Fast vier Fünftel der Kanadier leben in Städten. Die größten Städte sindToronto,Montreal,Calgary,Ottawa,Edmonton undVancouver.
Der Großteil der Bevölkerung lebt in den Provinzen Ontario (14,2 Mio.) und Québec (8,5 Mio.) entlang des St.-Lorenz-Stromes, das heißt rund um Toronto, Montreal, Québec, Ottawa,London undHamilton (Québec-Windsor-Korridor). 5,0 Mio. Menschen leben inBritish Columbia, 4,3 Mio. inAlberta, inManitoba 1,3 Mio. und inSaskatchewan weitere 1,1 Mio. Menschen.[3] Die vier Atlantik-Provinzen haben alle weniger als 1 Million Einwohner. Die bevölkerungsärmsten Territorien Kanadas sindNunavut, dasYukon-Territorium und dasNordwest-Territorien, die zwischen rund 37.000 und 41.000 Einwohner haben.[34]
Demographische Struktur und Entwicklung
Bevölkerungspyramide von Kanada 2016Bevölkerungsentwicklung 1961–2010 (in Millionen)
Kanada ist einEinwanderungsland. 2020 waren rund 21 % der Bevölkerung im Ausland geboren.[35] Große Einwanderergruppen kamen in der Vergangenheit aus demVereinigten Königreich,Frankreich,Deutschland,Italien,Irland, denNiederlanden,Ungarn, derUkraine,Polen,Kroatien und aus denUSA. Heutzutage wächst die Bedeutung der Einwanderer ausOstasien, vor allem aus derVolksrepublik China,Hongkong, ausSüdasien (Indien undPakistan), von denPhilippinen und aus derKaribik (vor allemJamaika undHaiti). Von den etwa sechs Millionen deutschen Auswanderern der Jahre 1820 bis 1914 gingen nur 1,3 % nach Kanada, von den 605.000 der Jahre 1919 bis 1933 gingen 5 %, von den 1,2 Millionen der Jahre 1950 bis 1969 bereits 25 % dorthin. 2006 gaben rund 3,2 Millionen Kanadier an, deutscher Herkunft zu sein. Damit sind dieDeutschkanadier nach den Einwohnern mit Wurzeln im Raum Großbritannien/Irland und denen mit Wurzeln im heutigen Frankreich die drittgrößte Bevölkerungsgruppe des Landes.[36][37]
LautZensus 2021 rechnen sich 26,5 % der Bewohner Kanadas einer ethnischen Minderheit (visible minority) zu, womit sich dieser Anteil in 20 Jahren fast verdoppelt hat. Die größten Gruppen sind Südasiaten (7,1 %), Chinesen (4,7 %) und Schwarze (4,3 %).[38]
Das Bevölkerungswachstum Kanadas von 2016 bis 2021 war mit 5,2 % das höchste unter denG7-Staaten.[39] Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2022 statistisch bei 1,3.[40] DieLebenserwartung der Einwohner Kanadas ab der Geburt lag 2022 bei 81,3 Jahren[41] (Frauen: 83,6[42], Männer: 79,1[43]). DerMedian des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2021 bei 40,2 Jahren.[44] Im Jahr 2023 waren 15,4 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre,[45] während der Anteil der über 64-Jährigen 19,5 Prozent der Bevölkerung betrug.[46] 2021 waren 9.545 Kanadier über 100 Jahre alt.[47]
In Kanada unterscheidet man drei Gruppenindigener oder autochthoner Völker: Die First Nations (auch „Indianer“ genannt), die Inuit und die Métis, Nachfahren von Europäern, die mit indianischen Frauen eine Verbindung eingegangen waren, aber auchNunatuKavummiut, Nachkommen von Inuit und Europäern im Osten Labradors, sowieNunatsiavut im Norden der Provinz. Zahlreiche weitere Kanadier haben indianische Vorfahren. Deren Ehen wurden sehr häufig nach der „Sitte des Landes“ (custom of the country) geschlossen, also ohne kirchliche oder staatliche Mitwirkung – wie es bei Ehen zwischen Männern derHudson’s Bay Company und Indianerinnen üblich war. Ehen dieser Art waren erst ab 1867 vollgültig.
Bei der Volkszählung im Jahr 2006 gaben 1.172.790 Kanadier an, Angehörige einer indigenen Gruppe zu sein. Das entsprach 3,8 % der Bevölkerung, wobei dieser Anteil regional sehr stark schwankt. Die Indigenen verteilten sich auf folgende Gruppen:
698.025 waren Angehörige der First Nations,
389.785 Métis,
50.485 Inuit,
6.665 Indigene gemischter Herkunft (Stand: 2001),
23.415 Indigene ohne eindeutige ethnische Zuordnung (Stand: 2001).
Im Schnitt sind die Ureinwohner erheblich jünger als die übrige Bevölkerung. So sind 50 % der indianischen Bevölkerung unter 23,5 Jahre alt, im übrigen Kanada liegt dieser als Median bezeichnete Wert bei 39,5 Jahren.
185.960 Kanadier sprachen 2001 eine der 50 indigenen Sprachen, diese umfassen die Sprachen der First Nations[48] sowieInuktitut, die Sprache der Inuit.
Die Interessen der indigenen Bevölkerung werden staatlicherseits vom „Department of Indian Affairs and Northern Development“/„Affaires indiennes et du Nord“ vertreten, dem dasIndianergesetz von 1876 zugrunde liegt. Sie selbst sehen sich allerdings eher in eigenen Organisationen, wie derVersammlung der First Nations oder anderen Organisationen vertreten. Sie berufen sich auf die Verträge, die mit Kanada und Großbritannien geschlossen worden sind, wie dieNumbered Treaties, auf allgemeine Menschenrechte und auf Entscheidungen der oberen Gerichtshöfe in Großbritannien und Kanada. Die Indianer besitzen erst seit 1960 das volle Wahlrecht. Ein Teil des besonderen Lebensraumes der Inuit wurde 1999 in ein eigenes Territorium namensNunavut zusammengefasst.
Seit 1996 wird der 21. Juni als „National Aboriginal Day“ bzw. „Journée nationale des Autochtones“ gefeiert. Zugleich kommt es nach wie vor zu Auseinandersetzungen um Landrechte und den Abbau von Bodenschätzen, wie dieGrassy-Narrows-Blockade, der Streit um die Urwälder amClayoquot Sound an der Westküste oder der Widerstand derKitchenuhmaykoosib Inninuwug in Ontario zeigen.
KanadasAmtssprachen sindEnglisch undFranzösisch, wobei 20,1 % der Bevölkerung weder die eine noch die andere als Muttersprache angeben. In derKanadischen Charta der Rechte und Freiheiten, imAmtssprachengesetz und in den Amtssprachenverordnungen ist dieoffizielle Zweisprachigkeit festgeschrieben, die vomAmtssprachenkommissariat durchgesetzt wird. In den Bundesgerichten, im Parlament und in allen Institutionen des Bundes sind Englisch und Französisch gleichberechtigt. Die Bürger haben das Recht, Dienstleistungen des Bundes in englischer oder französischer Sprache wahrzunehmen. In allen Provinzen und Territorien wird den sprachlichen Minderheiten der Schulunterricht in eigenen Schulen garantiert – ein Anrecht, das lange umstritten war.[49] Die Ursachen reichen bis in die französische und britische Kolonialisierungsphase Nordamerikas zurück und standen zugleich mit kulturellen und religiösen Gegensätzen in Zusammenhang.
Englisch und Französisch sind dieMuttersprachen von 56,9 % bzw. 21,3 % der Bevölkerung,[50] bei 68,3 % bzw. 22,3 % sind es die zu Hause am meisten gesprochenen Sprachen (2006).[51] 98,5 % aller Einwohner sprechen Englisch oder Französisch (67,5 % sprechen nur Englisch, 13,3 % nur Französisch und 17,7 % beides).[52]
Zwar leben 85 % aller französischsprachigen Kanadier in Québec, doch gibt es bedeutende frankophone Bevölkerungsgruppen in Ontario und inAlberta, im Süden vonManitoba, im Norden und Südosten vonNew Brunswick (Akadier; insgesamt 35 % der Bevölkerung dieser Provinz) sowie im südwestlichenNova Scotia und auf derKap-Breton-Insel. Ontario hat die zahlenmäßig größte französischsprachige Bevölkerung außerhalb Québecs. DieCharta der französischen Sprache erklärt Französisch zur alleinigen Amtssprache in Québec, und New Brunswick ist die einzige Provinz, deren Verfassung die Zweisprachigkeit garantiert.[53] Andere Provinzen haben keine Amtssprache als solche definiert; jedoch wird Französisch zusätzlich zu Englisch in Schulen, Gerichten und für Dienstleistungen der Regierung verwendet. Manitoba, Ontario und Québec erlauben das gleichberechtigte Sprechen von Englisch und Französisch in den Provinzparlamenten, und Gesetze werden in beiden Sprachen erlassen. In Ontario kennen einzelne Gemeinden Französisch als zweite Amtssprache. Die Wahl der Hauptstadt des seinerzeitigenBritisch-Nordamerika durch KöniginVictoria (1857) fiel möglicherweise deshalb auf Ottawa, weil es etwa an der Grenze zwischen franko- und anglophonem Gebiet lag.
Alle Regionen haben nicht-englisch- oder französischsprachige Minderheiten, hauptsächlich Nachkommen derUreinwohner. Offiziellen Status besitzen mehrere Sprachen derFirst Nations in denNordwest-Territorien. Im hauptsächlich vonInuit bevölkerten TerritoriumNunavut istInuktitut die Mehrheitssprache und eine von drei Amtssprachen. Mehr als 6,1 Millionen Einwohner bezeichnen weder Englisch noch Französisch als ihre Erstsprache. Am weitesten verbreitet sindChinesisch (1,012 Millionen Sprecher),Italienisch (etwa 455.000),Deutsch (etwa 450.000),Panjabi (etwa 367.000) undSpanisch (etwa 345.000).[50] DasKanadisch-Gälische, um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch die dritthäufigste Sprache Kanadas, ist mit etwa 500 bis 1000 vorwiegend älteren Sprechern mittlerweile fast ausgestorben,[54]jedoch bestehen Kontakte zu schottischen Hochschulen, die Kanadiern Sprachkurse anbieten. Mehrere Schulen unterrichten die Sprache, ebenso drei Hochschulen sowie die 2006 gegründeteAtlantic Gaelic Academy.[55] Erst ab 1973 wurden in Ontario deutsche Schulen vom Staat wieder unterstützt. Zwischen 1977 und 1990 erhielten die Schulen Mittel aus dem Multikulturalismusprogramm der Regierung.
Religion
Mit der Kolonialisierung kamen zunächst vor allem französische Katholiken und anglikanische Engländer nach Kanada. Darüber hinaus förderte Großbritannien dieEinwanderung protestantischer Gruppen vom Mittelrhein und aus Württemberg, in geringerem Maße auch aus der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden, sodass der Süden von Nova Scotia bis heute protestantisch ist.
Doch gab die Kolonialmacht 1774 mit demQuebec Act jeden Versuch auf, die Katholiken zur Konversion zu bewegen. Nach der Unabhängigkeit der USA kamen zahlreiche protestantische Loyalisten in das heutige Ontario und bildeten dort die Mehrheit. In späteren Einwanderungswellen kamen wiederum katholische Iren und Italiener, aber auch ukrainischeDuchoborzen hinzu. Die Einwanderung aus Schottland sorgte wiederum für eine Beseitigung des Vorrangs der Anglikanischen Kirche im Osten durch zahlreiche Presbyterianer. In Toronto setzten sich die Methodisten durch.
In Opposition zu den Katholiken, die eher demUltramontanismus zugeneigt waren (les bleus), aber auch zu den dominierenden Anglikanern, die vomOranier-Orden unterstützt wurden, bildeten sich antiklerikale Gruppen (vor allemles rouges). Mit demLord’s Day Act von 1906 wurde ein weitgehendes Arbeitsverbot am Sonntag durchgesetzt, das bis in die 1960er-Jahre Gültigkeit beanspruchte und das der Oberste Gerichtshof erst 1985 endgültig abschaffte.[56] Ähnlich wie in anderen westlichen Industrienationen ist seit den 1960er-Jahren eine Bedeutungsminderung der Religion im Alltag und eine Entkirchlichung der Bevölkerung festzustellen. Im zuvor strikt katholischen Québec wird dieser Prozess alsRévolution tranquille („stille Revolution“) bezeichnet. Dennoch gibt es bedeutende Gruppen strenggläubiger Christen, insbesondere im Süden Manitobas und Ontarios, in Alberta und im Binnenland von British Columbia. Dazu zählen dieMennoniten im Süden Manitobas, die ukrainischen Orthodoxen und Katholiken in Manitoba und Saskatchewan, dieMormonen bilden einen Schwerpunkt in Alberta. Hinzu kommen dieZeugen Jehovas und zahlreiche andere Gruppen.[57]
Die katholischen Missionare waren unter den Ureinwohnern erfolgreicher als die protestantischen, und so überwiegt dort der katholische Anteil. Dazu kommen indigene Glaubensorganisationen, wie dieShaker Church.
Mit den jüngsten Einwanderungswellen verstärkten sich nichtchristliche Religionsgemeinschaften wie Hindus, Muslime, Juden, Sikhs und Buddhisten. Sie konzentrieren sich in Großstädten, insbesondere im Großraum Toronto. Die älteste Synagoge,Congregation Emanu-El, entstand 1863 inVictoria, die erste Moschee 1938 mit derAl Rashid Mosque inEdmonton.
Etwa 67,3 % der kanadischen Bevölkerung gehörten 2011 einerchristlichen Konfession an (39,0 %katholisch, etwa 24,1 %protestantisch). Die beiden größten protestantischenGlaubensgemeinschaften sind mit 6,1 % dieUnited Church of Canada und mit 6,9 % dieAnglikanische Kirche von Kanada, dazu kommen 1,9 % Baptisten, 1,4 % Lutheraner, etwa 1,7 %Orthodoxe sowie etwa 3,0 % andere christliche Glaubensgemeinschaften. Muslime stellen etwa 3,2 % der Bevölkerung, mehr als die Hälfte von ihnen lebt in Ontario. Etwa 1,0 % sindJuden, von denen wiederum knapp 60 % in Ontario leben, und etwa 1,1 % Buddhisten, 1,5 % Hindus sowie 1,4 % Sikhs. Etwa 23,9 % gaben an, keiner Glaubensgemeinschaft anzugehören.[58][59]
Die Volkszählungen von 2011, 2001 und 1991 ergaben:[59][60][61][62][63] Zu beachten bei der Prozentzahl „Veränderung 1991–2011“ (rechte Spalte) ist, dass die Gesamtbevölkerung des Staates in diesen 20 Jahren erheblich zugenommen hat; der „Zuwachs“ etwa bei den Katholiken relativiert sich damit erheblich.
Besonders schnell wachsen durch Zuwanderung die nicht-christlichen Gruppen, aber auch zahlreiche christliche Gruppen, die außerhalb der großen Kirchen stehen. Nach einer Umfrage von 2007 fühlten sich die Muslime in Kanada deutlich stärker integriert als in europäischen Staaten.[64] Insgesamt setzt die kanadische Politik im Rahmen ihrer Integrationspolitik stärker auf Erhalt und Nutzung der ethnischen und religiösen Besonderheiten als auf Anpassung.Seit den 1960er-Jahren begann ein Wandel der Schulpolitik, die bis dahin aufSegregation basierte. Mit demCanadian Multiculturalism Act von 1988 wurde diese formal beendet.[65][66][67]
Einwanderungspolitik/-system
Kanada hat, gemessen an der Bevölkerung, eine der höchsten Einwanderungsraten unter den Flächenstaaten der Welt.[2] Die Einwanderung wird über definierte Ziele gesteuert, die in einem Programm festgelegt worden sind. Hierbei gibt es etwa Programme für Flüchtlinge, zur Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, für Existenzgründer und zumFamiliennachzug.[68] Die Einwanderungskriterien sind öffentlich einsehbar und können bereits vor Antragstellung selbst überprüft werden. Für Menschen mit Berufen, die in Kanada gefragt sind, existiert zum Beispiel dasSkilled Worker-Programm. Je nach Lage des Arbeitsmarkts wird eine Mindestpunktzahl festgelegt, die ein Einwanderungsinteressierter erreichen muss. Die persönliche Punktzahl setzt sich aus Punkten für den aktuellen Bildungsstand und die Berufserfahrung zusammen, aus Punkten für die vorhandenen Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch sowie für das Alter, für Verwandte und frühere Aufenthalte in Kanada. Ein verbindliches Arbeitsangebot eines kanadischen Arbeitgebers erhöht die Punktzahl nochmals maßgeblich. Das Immigrations-Programm wurde am 1. Juli 2011 dahingehend angepasst, dass ohne ein bestehendes Arbeitsangebot nur noch Personen zumSkilled Worker-Programm zugelassen werden, die Erfahrung in einem von 29 festgelegten Berufen nachweisen können.[69] Daneben muss ein Interessent amSkilled Worker-Programm nachweisen, dass er sich für eine gewisse Zeit finanziell selbst versorgen kann. Die notwendige Summe beläuft sich derzeit (September 2011) für eine alleinstehende Person auf 11.115CAD, für eine vierköpfige Familie auf 20.654 CAD.[70] Außerdem werden polizeiliche Führungszeugnisse aus allen Ländern benötigt, in denen der Kandidat nach dem 18. Geburtstag für sechs Monate oder länger gelebt hat.
Bei Fachkräften, die nach Kanada einwandern wollen, wird vor allem auf gute Sprachkenntnisse, eine Jobzusage und ein geringes Alter geachtet.[71] Die Einwanderung erfolgt in zwei Stufen. Zunächst wird eine unbefristete Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung erteilt.[71] Nach drei Jahren als „Permanent Resident“ und entsprechendem Aufenthalt im Land kann der Einbürgerungsantrag gestellt werden. Einwanderer, die noch nicht eingebürgert sind, haben Residenzpflicht. Dies bedeutet, dass man Nachweise für die vorgegebene Zeit in Kanada erbringen, oder mit jemandem verheiratet sein muss, die oder der die kanadische Staatsbürgerschaft besitzt. Bei Verstößen kann der „Permanent Resident“-Status entzogen und der Einwanderer in sein Herkunftsland zurückgeschickt werden.
Neben dem Programm für qualifizierte Einwanderungswillige steht eine gesonderte Regelung für Gastarbeiter, die keine Perspektive für eine Einbürgerung bekommen.[72] Die Zahl der nur zeitweilig in Kanada zugelassenen Arbeitskräfte übersteigt seit etwa 2006 die der Einwanderer. Die Gastarbeiter erhalten Arbeitsgenehmigungen, die in der Regel für einige Monate gelten und nur selten die Dauer eines Jahres übersteigen. Sie gelten nur für den Arbeitgeber, der die Arbeitskräfte ins Land holt, eine Kündigung ist mit dem Verlust der Aufenthaltsgenehmigung verbunden. Während das Programm für Gastarbeiter ursprünglich für Pflegekräfte in Haushalten, Kindermädchen und Arbeiter in der Landwirtschaft eingeführt wurde, wird es inzwischen für alle Tätigkeiten des Niedriglohnbereichs eingesetzt.
Außer den Programmen zur Einwanderung in den Arbeitsmarkt gibt es in Kanada auch humanitäre Aufnahmeprogramme zumResettlement von Menschen, die vomFlüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) alsFlüchtlinge anerkannt wurden.[71][73] Noch vor der Einreise werden diese sogenannten Kontingentflüchtlinge einem Gesundheits- und Sicherheitscheck unterzogen, inklusiveIris-Scan zur eindeutigen Identifizierung. Unbegleitete Minderjährige bekommen keine Plätze, dafür bevorzugt Familien und Frauen.[71] 2018 war Kanada der Staat mit dem weltweit größten Aufnahmeprogramm von Resettlement-Flüchtlingen.[74] Jedes Jahr legt die kanadische Regierung genaue Kontingente für die Resettlement-Programme fest. Rund ein Drittel der gut 30.000 Plätze im Jahr 2019 wurden vom Staat finanziert, die restlichen Kontingentflüchtlinge wurden ganz oder teilweise von Organisationen und Privatleuten unterstützt.[71]
Mehr als 90 Prozent der Arbeitsmigrantinnen- und migranten sprechen bereits vor der Einreise Englisch, Französisch oder beides. Unter den Kontingentflüchtlingen und ihren Familien sind es 54 Prozent, auf die eines der drei Dinge zutrifft. Der weitaus größte der Teil der 341.180 Menschen, die im Jahr 2019 eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis für Kanada erhielten, waren Fachkräfte.[71]
Menschen, die – überGrenze der USA – Kanada betreten und Asyl beantragen und keine Qualifikationen mitbringen, werden meist in die USA abgeschoben. Wird ein Asylbewerber jedoch anerkannt, bekommt er grundsätzlich eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis – bekommt aber keine Wohnung vom Staat zugewiesen. Notfalls erfolgt die Unterbringung in einem Gefängnis. Geflüchtete machen 14 Prozent aller Zuwanderer in Kanada aus.[71]
Häufigste Herkunftsstaaten von Migranten nach Geburtsstaat 2021[75]
Theoretisch liegt dieexekutive Staatsgewalt beim Monarchen, wird aber in der Praxis durch das Kabinett (formal ein Komitee deskanadischen Kronrates) und durch den Vertreter des Monarchen, den Generalgouverneur, ausgeübt. Der Monarch und dessen Vertreter sind unpolitisch und üben überwiegend zeremonielle Funktionen aus, um die Stabilität der Regierung zu garantieren. Gemäß Gewohnheitsrecht übergeben sie alle politischen Geschäfte ihren Ministern im Kabinett, die ihrerseits gegenüber dem gewähltenUnterhaus verantwortlich sind. Die exekutive Staatsgewalt liegt somit de facto beim Kabinett, jedoch können Monarch und Generalgouverneur im Falle einer außergewöhnlichen Verfassungskrise ihreHoheitsrechte wahrnehmen.
DerPremierminister ist üblicherweise der Vorsitzende jener Partei, die im Unterhaus die meisten Sitze hält und das Vertrauen der Mehrheit der Abgeordneten besitzt. Er wird vom Generalgouverneur eingesetzt und führt alsRegierungschef das Kabinett an. Da er über weitgehende Befugnisse verfügt, gilt er als mächtigste Person des Staates. Er ernennt die übrigen Kabinettsmitglieder,Senatoren, Richter desObersten Gerichtshofes, Vorsitzende von Staatsbetrieben und Behörden und kann den Generalgouverneur sowie dieVizegouverneure der Provinzen vorschlagen. Die Bundesregierung ist unter anderem zuständig für Außenpolitik, Verteidigung, Handel, Geldwesen, Verkehr und Post sowie die Aufsicht über die Administration der drei bundesabhängigen Territorien. Aktuell ist der Vorsitzende derLiberalen Partei,Mark Carney, seit dem 14. März 2025 Premierminister und leitet das30. Kanadische Kabinett.
Vom 2. Oktober 2017 bis zum 21. Januar 2021 warJulie Payette die29. Generalgouverneurin von Kanada. Sie trat nach Abschluss einer unabhängigen Untersuchung über das von ihr geschaffene Arbeitsumfeld als Generalgouverneurin zurück.[79] Während der Zeit bis zur Ernennung einer Nachfolgerin wurden die Aufgaben durchRichard Wagner,Vorsitzender des Obersten Gerichtshofes von Kanada, als „Administrator of the Government of Canada“ wahrgenommen.[80] Am 6. Juli 2021 wurde die Ernennung vonMary Simon zur neuen Generalgouverneurin von Kanada bekannt gegeben.[1] Simon ist die ersteInuk, die zum Vertreter des Königs ernannt wurde.[81]
Legislative
Daskanadische Bundesparlament besteht aus dem Monarchen und zwei Kammern, dem demokratisch gewähltenUnterhaus (englischHouse of Commons, frz.Chambre des communes) und dem ernanntenSenat von Kanada(Senate of Canada, Sénat de Canada).
Jedes Mitglied des Unterhauses wird im relativenMehrheitswahlrecht in einem von 338 Wahlkreisen gewählt. Allgemeine Wahlen werden vom Generalgouverneur angesetzt, wenn der Premierminister dies so vorschlägt oder wenn einMisstrauensvotum gegen die Regierung die benötigte Mehrheit erreicht. Gemäß einem 2006 verabschiedeten Gesetz beträgt die Dauer derLegislaturperiode vier Jahre. Zuvor konnte der Premierminister den Wahltermin nach Belieben festsetzen, doch musste eine Neuwahl spätestens nach fünf Jahren erfolgen. Die Regierung stellt zurzeit dieLiberale Partei, während dieKonservative Partei die Rolle der „offiziellen Opposition“ innehat. Weitere im Parlament vertretene Parteien werden als „Drittparteien“ bezeichnet. Es sind dies dieNeue Demokratische Partei, derBloc Québécois und dieGrüne Partei.
ImSenat von Kanada, auch „Oberhaus“ (englischupper house, französischchambre haute) genannt, sitzen 105 Abgeordnete, die der Generalgouverneur auf Empfehlung des Premierministers ernennt. Die Sitze sind nach Regionen aufgeteilt, wobei diese seit 1867 nicht mehr angepasst wurden und deshalb große Disproportionalitäten in der Repräsentation im Verhältnis zur Einwohnerzahl bestehen. Die Senatoren haben keine feste Amtszeit, sondern können ihr Amt bis zum 75. Lebensjahr wahrnehmen. Der Einfluss des Senats ist bedeutend geringer als jener des Unterhauses.
Die Bundesstaaten führten dasFrauenwahlrecht ab 1916 nacheinander und zum Teil früher ein, als dies auf Bundesebene der Fall war.[82][83][84] Schlusslicht warQuébec: Das Gesetz, das auch Indianern das Wahlrecht verschaffte, wurde erst am 9. April 1949 ins Parlament eingebracht und trat am 25. April 1949 in Kraft.[85][86]
1917 wurde das aktive Wahlrecht auf nationaler Ebene vor dem Hintergrund des Krieges durch denWartime Elections Act bestimmten Gruppen von Frauen zugestanden, über deren genaue Zusammensetzung in der Literatur Unterschiedliches zu finden ist: Krankenschwestern, die im Krieg Dienst taten;[87] euroamerikanische Frauen, die in der Armee arbeiteten oder dort nahe Angehörige (Vater, Ehemann oder Sohn) hatten oder deren Väter, Männer oder Söhne im Krieg getötet oder verwundet worden waren;[88] Frauen, deren Ehemänner, Söhne oder Väter im Krieg getötet oder verwundet worden waren;[87] eine weitere Quelle[89] nennt zusätzlich die Anforderung, dass die zugelassenen Frauen auf der Ebene der ihres Bundesstaates wahlrechtlich Männern gleichgestellt waren.
Am 24. Mai 1918 wurde das aktive nationale Wahlrecht auf alle Frauen britischer und französischer Abstammung ab 21 Jahren ausgedehnt, womit gleiche Kriterien für Frauen und Männer galten.[83][87][88] Indianer waren ausgeschlossen.[86]
1919 erhielten Frauen das passive Wahlrecht.[90] Zwar nennen andere Quellen hierfür spätere Daten[88] und sprechen von einem beschränkten Wahlrecht;[91] doch beruht dies vermutlich darauf, dass erst 1929 in einem vonThe Famous Five angestrengten Gerichtsverfahren endgültig geklärt wurde, dass das passive Wahlrecht in der Verfassung auch für den Senat galt, nicht nur für dasHouse of Commons.[92]
1920 wurden die Eigentumsbeschränkungen aufgehoben.[90]
1950 und 1951 wurde durch Änderungen amIndian Act und amCanada Elections Act das aktive Wahlrecht auf nationaler Ebene auf Veteranen aus dem Kreis derIndianer und ihre Ehefrauen sowie Indianer, die normalerweise außerhalb der Reservate lebten, ausgedehnt, wenn sie auf die Steuerbefreiungen verzichteten, die ihnen derIndian Act gewährte.[93] 1950 hatten dieInuit das Wahlrecht erhalten, 1951 alle Bewohner derNordwest-Territorien. Wahlurnen für die Inuit wurden in der östlichen Arktis erst 1962 aufgestellt.[94]
Erst im August 1960 wurde das Wahlrecht mit demAct to Amend the Canada Elections Act auf alle Kanadier ausgedehnt.[95][96]
Kanadas Rechtssystem spielt eine wichtige Rolle bei der Interpretation von Gesetzen. Es berücksichtigt die sich verändernden gesellschaftlichen Gegebenheiten und hat die Macht, Gesetze zu widerrufen, die gegen die Verfassung verstoßen. DerOberste Gerichtshof ist das höchste Gericht und die letzte Instanz. Die neun Mitglieder werden auf Vorschlag des Premierministers und des Justizministers vom Generalgouverneur ernannt.Vorsitzender des Obersten Gerichtshofes(Chief Justice of Canada, Juge en chef du Canada) ist seit 2017Richard Wagner. Die Bundesregierung ernennt auch Richter der Obersten Gerichte der Provinzen und Territorien. Die Besetzung von Richterämtern auf unteren Stufen fällt in die Zuständigkeit der Provinz- und Territorialregierungen.
In den Provinzen sind die obersten Gerichte dieCourts of Appeal. Ihre Urteile sind allerdings, im Gegensatz zu denen des Obersten Gerichtshofs in Ottawa, in den anderen Provinzen nicht bindend, wenn sie auch nicht ohne Einfluss sind. Als weitere Rechtsquelle gelten gelegentlich noch immer der LondonerCourt of Appeal und das britischeHouse of Lords. Deren Entscheidungen aus der Zeit vor 1867 sind immer noch bindend, es sei denn, der kanadische Oberste Gerichtshof hat sie aufgehoben. Das Gleiche gilt für Entscheidungen bis 1949 für den Rechtsprechungsausschuss desPrivy Council. Dies ist für die Rechtsstellung der indigenen und der frankophonen Bevölkerung von erheblicher Bedeutung, da ältere Verträge mit der britischen Krone weiterhin gültig sind.
Die Provinzen verfügen über einen hohen Grad anAutonomie, wogegen in den Territorien die Bundesregierung zahlreiche Verwaltungsaufgaben selbst übernimmt. Alle Provinzen und Territorien besitzen einEinkammerparlament und einen Premierminister als Regierungschef. Der kanadische Monarch wird in allen Provinzen durch einenVizegouverneur[102] vertreten, der gleichrangig mit dem Generalgouverneur ist und überwiegend zeremonielle Aufgaben wahrnimmt. In den Territorien übernimmt ein von der Bundesregierung ernannter Kommissar die Aufgaben eines Vizegouverneurs.
Während in den meisten Bundesverfassungen föderaler Staaten allein die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes explizit aufgezählt werden, führt dasVerfassungsgesetz von 1867 (englischConstitution Act, 1867, französischLoi constitutionnelle de 1867) nicht nur in Art. 91 die ausschließlichen Kompetenzen des Bundes, sondern in den Artikeln 92, 92A und 93 auch die ausschließlichen Kompetenzen der Provinzen auf. Hiernach verfügen die Provinzen über das Gesetzgebungsrecht u. a. in den Bereichen direkte Steuern, Beamtenbesoldung, öffentliche Einrichtungen, Gemeindewesen, Schulwesen, Gast- und sonstiges lokales Gewerbe, Eigentum und bürgerliches Recht, Gerichtsverfassungsrecht, Zivilprozessrecht, Bergbau, Forstwirtschaft und Energie.
Politische Karte Kanadas (Provinzen und Territorien anklickbar)
In den Territorien Nordwest-Territorien und Nunavut haben weitere Sprachen den Status einer Amtssprache.
1974 gab es Bestrebungen im kanadischen Parlament, dasbritische Überseegebiet derTurks- und Caicosinseln in derKaribik als elfte Provinz in den kanadischen Staatsverband aufzunehmen.[104] Der Gesetzesvorschlag fand jedoch keine Mehrheit und wurde somit abgelehnt. Seit 2003 gibt es jedoch erneute Bestrebungen in diese Richtung. Dafür müsste jedoch erstensGroßbritannien die Inseln in die Unabhängigkeit entlassen und zweitens jede einzelne kanadische Provinz zustimmen. Insbesondere Letzteres ist infolge der sehr komplizierten kanadischen Verfassungsprozeduren indes wenig wahrscheinlich.
Zwar ist Kanada ein relativ junger Staat, die Rechtsordnung hat jedoch eine lange Tradition. Das in allen Provinzen mit Ausnahme Québecs geltendeCommon Law basiert auf Grundsätzen, die sich während Jahrhunderten inEngland entwickelten und ein Erbe der britischen Kolonialzeit sind. Der in Québec im Bereich des Privatrechts geltendeCode civil spiegelt Prinzipien des französischen Rechtssystems wider. DasStrafrecht hingegen ist Sache des Bundesstaates und in allen Provinzen einheitlich. Im Laufe der Zeit wurden beide Rechtssysteme den Erfordernissen in Kanada angepasst.
Kanada schaffte 1976 dieTodesstrafe für Verbrechen in Friedenszeiten ab, 1998 auch im Kriegsstrafrecht. Auslöser war die 1959 erfolgte Verurteilung des damals 14-jährigenSteven Truscott zum Tode. Er wurde nach zehn Jahren Haft auf Bewährung entlassen und 2007 freigesprochen.[105]
Die Strafverfolgung fällt in die Verantwortung der Provinzen. DiePolizeibehörden sind mehrstufig aufgebaut. DieRoyal Canadian Mounted Police (AbkürzungRCMP, umgangssprachliche KurzbezeichnungMounties,französischGendarmerie royale du Canada,GRC) ist die nationale Polizei. Die beiden größten Provinzen verfügen mit derOntario Provincial Police (OPP) bzw. derSûreté du Québec über eigene Provinzpolizeien, dort beschränkt sich der Auftrag der RCMP auf den Schutz von Bundeseinrichtungen.Daneben gibt es weitere Polizeibehörden auf Provinzebene (z. B.British Columbia Sheriff Service,Royal Newfoundland Constabulary) und auf regionaler oder örtlicher Ebene (z. B.Toronto Police Service, York Regional Police). Ferner gibt es auf Bundesebene Polizeibehörden mit speziellen Aufgaben (z. B.Parks Canada Warden). Ähnlich den Vereinigten Staaten existieren für die Gebiete von Indianerstämmen und anderen Ureinwohnern eigene Polizeibehörden. Die beiden großen privaten Eisenbahngesellschaften (CP undCN) verfügen über je eine eigene Polizei zur Sicherung ihrer Einrichtungen. Einige Nahverkehrbetreiber sowie manche Universitäten haben eigene Hilfspolizeien (sogenannteSpecial Constables) eingerichtet.
Außenpolitik
DieVereinigten Staaten und Kanada teilen sich die längste nicht verteidigte Staatsgrenze der Welt. Die Kooperation auf militärischem und wirtschaftlichem Gebiet ist eng; so sind beide Länder im Rahmen desNordamerikanischen Freihandelsabkommens jeweils der größte Handelspartner des anderen.
Dennoch betreibt Kanada eine eigenständige Außenpolitik. Es unterhält diplomatische Beziehungen zuKuba und beteiligte sich nicht amVietnam- oder amIrakkrieg. Enge Beziehungen unterhält der Staat traditionell zumVereinigten Königreich und zuFrankreich, über die Mitgliedschaft imCommonwealth of Nations und in der internationalen Organisation derFrankophonie auch zu anderen ehemaligen britischen und französischen Kolonien. Ein weiterer Schwerpunkt der außenpolitischen Beziehungen sind die Staaten derKaribischen Gemeinschaft. Im 2005 veröffentlichtenInternational Policy Statement legte die Regierung die Leitlinien der Außenpolitik fest. Kanada sieht dieEuropäische Union als strategischen Partner in den Bereichen Klimawandel, Energieversorgung, Handel und Umweltschutz sowie bei außen- und sicherheitspolitischen Themen. DieBeziehungen zu Deutschland sind gut und von gemeinsamen Werten und Grundüberzeugungen geprägt.[106] Seit 2022 finden jährliche bilaterale Treffen auf der Regierungsebene in Form derGerman-Canadian High Level Steering Group on Bilateral Cooperation (HLSG) statt.[107]
Einen wichtigen Teil der kanadischen Identität bildet die Unterstützung derMultilateralität.[108] 1945 gehörte Kanada zu den Gründungsmitgliedern derVereinten Nationen. Der spätere PremierministerLester Pearson trug wesentlich zur Beilegung derSueskrise bei und wurde 1957 dafür mit demFriedensnobelpreis ausgezeichnet. Sprach man bis dahin von der „Geburt der kanadischen Nation auf den Schlachtfeldern Europas“,[109] so entwickelte sich unter dem Eindruck zahlreicher UN-Blauhelmeinsätze einPeacekeeping-Mythos, der Kanadas Rolle in Abgrenzung zu den USA begreift.
„Kanadier waren Mittelsmänner, ehrliche Makler, nützliche Helfer in einer Welt, in der diese Eigenschaften rar waren. Die Friedenssicherung veränderte uns, machte uns auf eine gewisse Weise besser.“
Kanadische Soldaten während derOperation Cherokee Sky inAfghanistan (2002)
Die kanadischen Streitkräfte (englischCanadian Forces, frz.Forces canadiennes) entstanden in ihrer jetzigen Form 1968, alsHeer,Marine undLuftwaffe organisatorisch zusammengeführt wurden. Die Truppen umfassten 2020 rund 67.490 freiwillige Berufssoldaten und rund 31.000 Reservisten.[111] Hinzu kamen (Stand 2012) 5000Canadian Rangers, deren Hauptaufgabe es ist, in entlegenen arktischen Gebieten militärische Präsenz zu zeigen.[112] Die Streitkräfte verfügen über rund 1400 gepanzerte Fahrzeuge, 34 Kriegsschiffe und 300 Kampfflugzeuge. Kanada gab 2017 knapp 1,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung oder 20,6 Mrd. US-Dollar für seine Streitkräfte aus und lag damit weltweit auf Platz 14.[113]
Aufgrund der engen Bindungen an das britische Mutterland waren kanadische Truppen amBurenkrieg, amErsten Weltkrieg und amZweiten Weltkrieg beteiligt. Seit 1948 stellt Kanada einen bedeutenden Teil derFriedenstruppen der Vereinten Nationen und war an mehr Friedensmissionen beteiligt als jede andere Nation (seit 1989 ohne Ausnahme).[114] Der Staat beteiligt sich grundsätzlich nur an kriegerischen Handlungen, die von den Vereinten Nationen sanktioniert wurden, wie etwa am Krieg inKorea, amPersischen Golf, inAfghanistan, jedoch ohne UN-Mandat imKosovo. Kanada ist Gründungsmitglied derNATO und Vertragspartner des nordamerikanischen LuftraumverteidigungsbündnissesNORAD.
Im föderalistischen Kanada gibt es kein einheitliches nationalesBildungssystem, jedoch unterliegt dertertiäre Bildungsbereich einer einheitlichen staatlichen Qualitätskontrolle und die meisten kanadischen Universitäten sind Mitglied in derAssociation of Universities and Colleges of Canada (AUCC), weshalb der Standard allgemein als ausgeglichen gilt.[115]
Für das Schulwesen sind ausschließlich die Provinzen und Territorien zuständig; es gibt kein landesweites Bildungsministerium. Daher unterscheiden sich in einigen Provinzen Schuleintrittsalter (fünftes oder sechstes Lebensjahr) und Dauer der Grundschulzeit (bis Klasse 6 oder 7). Die Sekundarstufe (in QuébecÉcole polyvalente genannt) umfasst in Form einer Gesamtschule die dreijährigeJunior Highschool (Sekundarbereich I) und die zwei- bis vierjährigeSenior Highschool (Sekundarbereich II). Da das Bildungssystem Chancengleichheit anstrebt, erfolgt der Übergang von einer Schulstufe in die andere ohne Leistungsprüfung. Erst innerhalb derSenior High School ist der Erwerb des Abschlusszeugnisses (High School Diploma bzw.Diplôme d’Études Secondaire) davon abhängig, ob eine bestimmte Zahl von Bewertungspunkten (Creditpoints) erreicht wird. Zwei Prozent der Schulen liegen in privater, überwiegend kirchlicher Hand. Etwa zehn Prozent der Schüler besuchen eine Privatschule.[116] Das Leistungsniveau der Privatschulen galt 2006 als sehr hoch und Kanada war der einzige OECD-Staat, in dem deren Schüler selbst nach Abgleich des familiären und sozioökonomischen Hintergrundes mehr lernten, als die Schüler an öffentlichen Schulen.[117]
Während der Schulbesuch kostenfrei ist, werden an den Hochschulen Studiengebühren unterschiedlicher Höhe fällig.[118] Von den über 80 Universitäten zählen dieUniversity of Toronto und dieUniversität Montreal zu den größten. Die ältesten sind dieUniversität Laval in Québec von 1663, eine jesuitische Institution, die nachBischof Laval benannt wurde. Dies berührt einen Grundzug der kanadischen Hochschulentwicklung, denn die frühen Institutionen waren fast alle kirchlichen Ursprungs. Erst 1818 entstand die erste säkulare Hochschule und die zweite Kanadas, dieDalhousie University in Halifax. Ihr folgten die beiden englischsprachigen Institute, dieMcGill University in Montreal (1821) und die University of Toronto (1827). Ihnen folgten in den 1840er-Jahren dieQueen’s University inKingston (1841) und dieUniversität Ottawa (1848). Letztere geht wie die Laval-Universität auf einen Missionsorden zurück, in diesem Falle auf dieOblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria. Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1867 folgten die von einem anglikanischen Bischof gegründeteUniversity of Western Ontario inLondon (1878) und die im selben Jahr gegründete Universität Montreal (die zweite von vier Hochschulen in der Stadt) sowie dieMcMaster University inHamilton in Ontario. Letztere wurde ursprünglich in Toronto gegründet und zog erst 1930 nach Hamilton um. Sie geht auf dieBaptist Convention of Ontario zurück.
Colleges verleihen meist nur 3- bis 4-jährigeBachelor-Abschlüsse (z. B. Minors, Majors, Spezialication, Honours), Universitäten auch 1-jährige konsekutive „post-bachelor“ Bachelor mit Honours-/Baccalaureatus Cum Honore-, 1- bis 3-jährigeMaster- und 3- bis 5-jährigePh.D.-Abschlüsse. In diversenHochschulrankings nehmen einige kanadische Universitäten Spitzenpositionen ein: Beispielsweise war in der langjährigen Durchschnittsbewertung des in Nordamerika am weitesten verbreiteten Rankings, derQS World University Rankings, im Jahr 2018 dieMcGill University innerhalb Kanadas auf Platz 1 und weltweit auf Platz 28. Laut demAcademic Ranking of World Universities (Shanghai-Ranking) aus dem Jahr 2018 (Jiaotong-Universität Shanghai) zählen die University of Toronto auf Platz 23 und dieUniversity of British Columbia in Vancouver auf Platz 43 zu den besten Hochschulen. Die First Nations besitzen seit 2003 eine eigene Universität, dieFirst Nations University of Canada inRegina, der Hauptstadt der Provinz Saskatchewan. 1989 begannen die bedeutendsten Universitäten sich zusammenzuschließen, um Forschungsvorhaben zu koordinieren. Seit 2011 besteht die Gruppe alsU15 Group of Canadian Research Universities, zu der ein nunmehr geschlossener Kreis von 15 Universitäten zählt. 2016 studierten über eine halbe Million ausländische Studenten an kanadischen Bildungseinrichtungen. Die größte Gruppe davon kam aus der Volksrepublik China.[119]
ImPISA-Ranking von 2015 erreichen Kanadas Schüler Platz 10 von 72 Ländern in Mathematik, Platz 7 in Naturwissenschaften und den zweiten Platz beim Leseverständnis. Kanadische Schüler gehörten damit zu den besten von allen teilnehmenden Ländern und schnitten deutlich besser ab als die aus den benachbarten Vereinigten Staaten. Die Studie stellte zudem fest, dass Schüler aus Ontario und British Columbia die besten Leistungen erbrachten.[120]
Fairmont Chateau Hotel am Lake Louise im Banff-NationalparkBlick auf von Pine Beetles befallene Wälder am Fraser LakeHolzflößerei bei Vancouver
Die Umweltpolitik Kanadas hat ungewöhnliche naturräumliche Grundlagen, vor allem ist aber die Gemengelage der Interessen eine spezifisch kanadische. Kanadas Natur ist zum bedeutendsten Faktor für den Tourismus geworden. Dazu tragen 43National- und weit über 1500 Provinzparks sowie weitere Schutzgebiete bei, die vor allem riesige Waldgebiete beinhalten. Der älteste von ihnen ist derBanff-Nationalpark von 1885, der inzwischen über autobahnartige Straßen dem Massentourismus erschlossen wird. 1911 entstandParks Canada (gleichberechtigt auch Parcs Canada) als älteste Nationalparkverwaltung der Welt. Doch kollidieren touristische, Erhaltungs-, Erholungs- und wissenschaftliche Interessen mit den Verwertungsinteressen der Rohstoffindustrie und gelegentlich den Interessen der Ureinwohner.
IntakteUrwälder(old growth) existieren in Kanada auch nach drei Jahrhunderten desRaubbaus aufgrund der geringen Besiedlungsdichte noch auf enorm großen Flächen. NachGlobal Forest Watch Canada sind noch 62 % der borealen Wälder und 30 % der gemäßigten Wälder intakt (natürliche Ökosysteme, die im Wesentlichen vom Menschen unbeeinflusst sind).[13] Der Raubbau an der Grenze zu den besiedelten Gebieten ist jedoch immens und hat dort nur noch kleine Urwaldreste zurückgelassen. Ohne den Widerstand von Umweltschutzorganisationen wieGreenpeace, die in Vancouver gegründet wurde, oder demWestern Canada Wilderness Committee sowie den lokalen Indianern würden auch diese Urwälder sicherlich nicht mehr existieren. Die Unternehmen der Holzindustrie sind so eng mit den politischen Eliten der Provinzen verbunden, dass erst internationaler Druck und häufig Zwang der Bundesregierung und der Gerichtshöfe die Bestände in einigen Fällen retten konnten (vgl.Clayoquot Sound). Dagegen haben sich Wissenschaftler und zahlreiche Umweltverbände zusammengeschlossen, und die lange unbedeutendeGreen Party of Canada konnte bei derWahl von 2008 knapp sieben Prozent der Wähler gewinnen.[121]
Nach einer Studie derSimon Fraser University, die auf Betreiben derDavid Suzuki Foundation durchgeführt wurde, liegt Kanada bei dreißig untersuchten Staaten bei der Produktion vonAtommüll undKohlenstoffmonoxid auf dem hintersten Rang. Zudem nimmt es beimWasserverbrauch den 29. Platz ein. Insgesamt rangieren Kanada,Belgien und die USA am unteren Ende der Staatengruppe.Im Oktober 2008 versuchten sich mehrere hundert Wissenschaftler gegen die Diskreditierung ihrer Arbeit durch die Regierung zur Wehr zu setzen. Gleichzeitig fanden in Victoria die größten Demonstrationen der letzten 15 Jahre gegen die Abholzung der letzten Urwälder auf Vancouver Island statt.[122]
Eine weitere Gefahr für die Urwälder, aber ebenso sehr für die riesigen nachgewachsenen Wälder stellte der in KanadaMountain Pine Beetle genannteBergkiefernkäfer dar. Er vernichtete mehrere Millionen Hektar Wald.[123]
Die über 250 Staudämme, die rund 58 % der in Kanada 2007 produzierten Strommenge von 612,6 Milliarden Kilowattstunden produzieren halfen (wovon Kanada über 2016 73 Milliarden Kilowattstunden exportierte)[2], werden inzwischen ebenso kritisch mit Blick auf ihre Umweltbilanz betrachtet wie der Abbau der Bodenschätze. In beiden Fällen kam es nicht nur zu häufigen Zwangsumsiedlungen der Ureinwohner wie derInnu in Labrador, sondern auch zu erheblichen Umwelt- und Gesundheitsbelastungen wie beim Abbau derAthabasca-Ölsande in Alberta. Am 14. Oktober 2008 lehnten dieCree, denen die rechtlich privilegierte Rolle der Provinzen gegenüber der Bundesregierung in Fragen der Bodenschätze und der Stromgewinnung und gegenüber den indianischen Nationen bewusst ist, den „Grünen Plan“ der Quebecer Provinzregierung daher ab.[124] Er hätte zudem Québec erneut die Verwaltung des riesigenJames-Bay-Gebiets zurückgegeben, die die Cree nach langen Verhandlungen erst 2002 errungen hatten. Seit 2009 kämpfen drei lokale Cree-Gruppen mit internationaler Unterstützung um denWald im Broadback-Tal, einen großen zusammenhängenden borealen Urwald am Rand der Holzeinschlagszone.
Im Nordosten British Columbias kam es allein 2005 bis 2008 zu sieben von der Polizei als höchst gefährlich eingeschätzten Anschlägen auf Gasleitungen derEncana Corporation, in denen stark giftigerSchwefelwasserstoff transportiert wird.[125]
Am 29. April 1998 unterzeichnete die Regierung dasKyoto-Protokoll und verpflichtete sich, die Treibhausgas-Emissionen bis 2012 um sechs Prozent zu senken. Stattdessen stiegen die Emissionen von 1990 bis 2004 um mehr als ein Viertel. Beim Klimaschutz-Index 2008 lag Kanada auf Platz 53 von 56 untersuchten Staaten, womit das Land beimKohlenstoffdioxid-Ausstoß nur noch vorSaudi-Arabien, den USA undAustralien rangiert.[126] Im Dezember 2011 erklärte der Staat kurz nach derUN-Klimakonferenz inDurban seinen Rückzug vom Kyoto-Protokoll. Damit sparte Kanada 14 Milliarden Dollar (10,5 Milliarden Euro) an Strafzahlungen für das Nichteinhalten der im Protokoll gesetzten Ziele. Unter anderem trägt dieÖlsandindustrie erheblich zum steigenden Treibhausgasausstoß des Landes bei.[127]
Rechtlich liegt der Umweltpolitik vor allem derCanadian Environmental Protection Act von 1999 zugrunde. Das zuständige Ministerium ist dasDepartment of the Environment unter Leitung von Jim Prentice (seit 2008). Ihm unterstehen neben anderen OrganisationenParks Canada und derCanadian Wildlife Service. Jede Provinz hat zudem ein eigenes Umweltministerium.
Kanada war, laut einer Studie der BankCredit Suisse aus dem Jahre 2017, der Staat mit dem achtgrößtennationalen Gesamtvermögen weltweit. Der Gesamtbesitz der Kanadier an Immobilien, Aktien und Bargeld belief sich auf insgesamt 7.407 Milliarden US-Dollar. Das Vermögen pro erwachsene Person beträgt 259.271 Dollar im Durchschnitt und 91.058 Dollar imMedian (Deutschland: 203.946 bzw. 47.091 Dollar). DerGini-Koeffizient bei der Vermögensverteilung lag 2016 bei 73,0 was auf eine mittlere Vermögensungleichheit hindeutet. Sowohl Einkommen als auch Vermögen sind in Kanada gleichmäßiger verteilt als in den benachbarten USA.[130]
DerMindestlohn unterscheidet sich in jeder Provinz und wird von den einzelnen Provinzen selber festgelegt. Beschäftigte des Staates Kanada erhalten mindestens den Mindestlohn, der in der Provinz gilt, in der sie beschäftigt werden. 2017 lag er zwischen 10,72 (Saskatchewan) und 13,00 Dollar (Nunavut).[131] Von diesem Mindestlohn kann in einigen Bundesstaaten für verschiedene Beschäftigungsgruppen (z. B. für Beschäftigte, die Trinkgelder erhalten, oder für Jugendliche) abgewichen werden. Ebenfalls haben einigen Bundesstaaten jährliche automatische Anpassungen (z. B. Anpassung an Teuerungsraten) eingeführt.
Zahlreiche Stauseen liefern Strom und bilden damit das Rückgrat der Energieproduktion. Allein 360.000 GWh stammten aus Wasserkraft, womit Kanada knapp hinter China der zweitwichtigste Stromproduzent auf diesem Sektor ist.[134] In Kanada werden über elf Prozent des Weltstrombedarfs gedeckt, und es ist eines der wenigen Industrieländer, die Netto-Exporteure von Energie sind.[135] Die Verbindung innerhalb Nordamerikas ist dabei inzwischen so eng, dass sich riesige, grenzüberschreitende Versorgungsverbünde entwickelt haben, wie dieWestern Interconnection, die bis nachMexiko reicht. Weitere Energielieferanten sind Gas, Öl, Uran (18 produzierendeKernkraftwerke) undregenerative Energien. Kernkraftwerke lieferten 2010 genau 85.219,889 von insgesamt 565.519,793 GWh Strom, also rund 15 % des Stroms.[136] Insgesamt waren in Kanada Ende 2020Windkraftanlagen mit einer Leistung von 13,58 GW[137] installiert (2017: 12,24 GW[138], 2018: 12,82 GW[139], 2019: 13,41 GW[137]). Damit lag der Staat weltweit auf Rang 9.[137][138][139] Der größteWindpark mit 364 MW befindet sich in der ProvinzQuébec im GemeindeverbandLa Côte-de-Beaupré.[140]
Getreidefarm bei Kitchener in Ontario
Kanada ist aufgrund seiner hohen Überschüsse einer der größten Lieferanten von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, doch ist das Produktspektrum in denPrärieprovinzen sehr eng; im Mittelpunkt steht dabei ganz überwiegendWeizen, bei dessen Produktion Kanada 2003 mit 50,168 Millionen Tonnen an achter Stelle nach Frankreich stand.[141] Hinzu kommt Viehwirtschaft, vor allem Rinderzucht, in den letzten Jahren auch wieder die kommerzielle Zucht von Bisons. An den Küsten wird Fischzucht betrieben, die jedoch mit dem Fang von Wildfischen in Konflikt steht. Dabei ist British Columbia der größte Exporteur von Lachs und Heilbutt.
Tagebau in den Athabasca-Ölsanden in Alberta
Die Zentren der Industrie liegen im Süden der Provinzen Ontario und Québec, vor allem in den Großräumen von Toronto und Montreal. Dabei spielen die Automobil- und die Luftfahrtindustrie eine bedeutende Rolle, hinzu kommen Metallindustrie, Nahrungsmittelverarbeitung sowie Holz- und Papierindustrie. Ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen die chemische und die elektrotechnische Industrie, vor allem aber der Hightech-Bereich. Dies hängt mit dem Niedergang der großen Automobilkonzerne in den USA zusammen, der vor allem die Zulieferer und Dépendancen im Ballungsraum Toronto trifft. Alle Industrien, die sich dem Sektor der Gas- und Ölförderung anlagern, konzentrieren sich hingegen im Großraum Calgary, doch leidet diese prosperierende Industrie jüngst unter rapidem Preisverfall bei steigendenExplorationskosten. Dies hängt zum Teil mit geologisch bedingten Hemmnissen zusammen, mit dem inzwischen sehr hohen Lohnniveau und dem wachsenden Widerstand gegen die Zerstörungen der Umwelt. Dennoch entwickelte sich Kanada 2018 zum weltweit viertgrößten Förderer von Rohöl.[142]
Die Exporte betrugen 2007 36,7 % und die Importe 32,8 % desBIP. Bei weitem wichtigster Handelspartner waren dabei die USA mit 76,4 % der Exporte und 65,0 % der Importe.[143] Kanada belegt nach derEU, den USA,Japan und derVolksrepublik China den fünften Platz in der Weltaußenhandelsstatistik.[144] Der Außenhandel ist weitgehend frei, nur in wenigen Schlüsselbereichen sind ausländische Investitionen auf Minderheitsbeteiligungen beschränkt.
Mit Abstand am meisten Bedeutung besitzt der Dienstleistungssektor mit 66 % (2008) Anteil am Bruttoinlandsprodukt, gefolgt von der Industrie mit 32 % und der Landwirtschaft mit knapp 2 %.[145] Sieben der zehngrößten kanadischen Unternehmen – wenn man den Umsatz zugrunde legt – sind allein im Banken- und Versicherungsbereich tätig. War die Wirtschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch weitgehend auf den Export nach Europa orientiert, vor allem in dasBritische Empire, so wurden die Handelsbarrieren zum Nachbarstaat USA nach demZweiten Weltkrieg allmählich weitgehend abgebaut. Ein erster wichtiger Schritt war das 1965 vereinbarteCanada-United States Automotive Agreement (auchAuto Pact genannt), das die Grenzen für dieAutomobilindustrie vollständig öffnete. DasKanadisch-Amerikanische Freihandelsabkommen von 1988 schaffte die Zölle zwischen beiden Ländern ab und führte zu einem deutlichen Anstieg des Handelsvolumens und der US-Investitionen in Kanada. Mit demNordamerikanischen Freihandelsabkommen wurde diese Freihandelszone 1994 aufMexiko ausgedehnt. WeitereFreihandelsabkommen bestehen unter anderem mit derEFTA.[146] Kanada ist Mitglied zahlreicher wirtschaftspolitischer Organisationen, wie derWelthandelsorganisation, derOECD, desInternationalen Währungsfonds, derWeltbank und derG7.
Als eine der größten Schwächen der kanadischen Wirtschaft hat die OECD die mangelnde Umsetzung von Erfindungen in verwertbare Patente eingeschätzt.[147] Daher stieß die Regierung 2007 ein Programm namensMobilizing Science and Technology to Canada’s Advantage an. Es soll die geringe Zahl der Patente erhöhen und zu mehr Investitionen im Forschungs- und Entwicklungsbereich anregen. Es soll zugleich die Zusammenarbeit von staatlichen Bildungseinrichtungen und industriellen Komplexen fördern. Zudem wurdenCentres of Excellence in Commercialisation and Research eingerichtet sowie einCollege and Community Innovation Program.
Die größte Arbeitnehmervertretung bildet derCanadian Labour Congress (CLC) oder französisch derCongrès du travail du Canada (CTC) mit seinen rund hundert Einzelgewerkschaften in 136 Distrikten, die nach eigenen Angaben drei Millionen Mitglieder haben.[148] Er ist 1956 aus dem Zusammenschluss vonTrades and Labour Congress of Canada (TLC) undCanadian Congress of Labour (CCL) hervorgegangen. Während die TLC ähnlich wie in Europa nach Branchen organisiert war, war die CCL nach Orten organisiert und umfasste dort alle Gewerbe. Zudem hatte der TLC die Liberalen unterstützt, während bei der CCL Anhänger der sozialistischenCo-operative Commonwealth Federation vertreten waren. Zugleich integrierte sie die kommunistischeWorkers Unity League (WUL), als sie 1939 ein Bündnis gegen denFaschismus bildeten. Auch die in British Columbia ansässigenInternational Woodworkers of America galten als kommunistisch, wurden aber 1948 integriert. Wenig später wurden die Kommunisten ausgeschlossen. Die CLC spielte eine wichtige Rolle bei der 1962 erfolgten Gründung derNew Democratic Party und bekämpfte gemeinsam mit ihr das Freihandelsabkommen mit den USA. Vorsitzender des CLC ist seit 1999Kenneth V. Georgetti.Closed Shops sind rechtlich zulässig und in vielen Branchen üblich.
DieFinanzkrise ab 2007 blieb nicht ohne Wirkungen auf die kanadische Wirtschaft. Betroffen waren zunächst die Finanzdienstleister, die sich in Toronto ballen, wo dieToronto Stock Exchange (TSX) die drittgrößte Börse Amerikas darstellt, aber auch die Immobilienindustrie, und mit der Insolvenz vonNortel im Januar 2009 auch die Ausrüster für Telekommunikationsunternehmen.[149] Unter diesen Unternehmen ist BCE (Bell Canada Enterprises) das älteste und größte. Im 4. Quartal 2008 gingen die Exporte um 17,5 % zurück.[150]Die Arbeitslosigkeit lag im August 2009 jeweils bei 8,7 % (September 2007 5,9 %).[151]Im April 2022 lag sie bei 5,2 %.[152]
Außenhandel
Haupthandelspartner Kanadas (2021), Quelle: GTAI[153]
DerStaatshaushalt umfasste 2016 Ausgaben von umgerechnet 594,0 Mrd.US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 514,5 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich einHaushaltsdefizit in Höhe von 2,4 % desBIP.[154] DieStaatsverschuldung betrug 2016 1.406 Mrd. US-Dollar oder 92 % des BIP.[154] Trotz der hohen Staatsverschuldung werden kanadische Staatsanleihen von der RatingagenturStandard & Poor’s mit der Bestnote AAA bewertet (Stand 2018).[155]
Die erste Zeitung auf dem Gebiet Kanadas war John BushellsHalifax Gazette, die 1752 erschien.[157][158]InNeufrankreich existierten keine Zeitungen, doch gründeten William Brown und Thomas Gilmore ausPhiladelphia die zweisprachigeQuebec Gazette in Québec. 1785 entstand durch Fleury Mesplet, den die Briten wegen seiner Aufforderung zum Anschluss an die USA inhaftiert hatten, das heute älteste Blatt, dieMontreal Gazette. 1793 folgte inNiagara-on-the-Lake die erste Zeitung in Ontario, dieUpper Canada Gazette. Diese frühen Blätter hingen weitgehend von Zuwendungen der Regierung und von Anzeigenerträgen ab, kaum von Käufern und Abonnenten. Dies sollte sich in Kanada als Dauerzustand erweisen.
In Québec entstanden 1805 und 1811 derCity Mercury und in Montreal derHerald als Sprachrohre der dortigen Händlereliten, währendLe Canadien (1806) undLa Minerve (1826) die Frankophonen vertraten. Gegen diese Kolonial- und Händlereliten wandte sich in Ober-Kanada derColonial Advocate, den William Lyon Mackenzie herausbrachte und der die Reform- und Farmergruppen vertrat. Ähnliches galt fürJoseph HowesNovascotian (1824) in Halifax.
Gebäude des Toronto Globe mit Globus auf dem Dach, nach 1860
Die meisten Zeitungen hingen von Parteien ab, insbesondere den Reformern (den heutigen Liberalen) und den Konservativen, und zwar meist als Organe bestimmter politischer Führer. So war derToronto Globe (1844) die Stimme des ReformersGeorge Brown, dieToronto Mail (1872) hingegen wurde bald zur Stimme vonJohn Macdonald, dem ersten Premier Kanadas. Ähnlich organisierten 1899 Geschäftsleute denToronto Star zugunsten vonWilfrid Laurier um. Dagegen kauften wiederum die dortigen Konservativen dieToronto News 1908 als Parteiorgan. Jede größere Stadt hatte folglich ein liberales und ein konservatives Blatt, das die jeweilige Klientel versorgte. Bis in die 1930er-Jahre hinein blieben die Quebecer Blätter dabei von der jeweiligen Regierung abhängig.
Blätter, die nicht einer der Führungsgruppen angehörten, wie die kommunistische Presse, wurden immer wieder verboten. Der von streikenden Druckern 1892 gegründeteToronto Star ging – wie die meisten Arbeiterzeitungen – ein. In Québec erließ die RegierungMaurice Duplessis denPadlock Act, der ihre Zeitungen traf. Noch 1970 übte die Regierung eine ArtZensur aus, als es in derOktoberkrise zu Entführungen kam.
Der erste Versuch einer Tageszeitung, derMontreal Daily Advertiser, ging nach einem Jahr 1834 in den Konkurs. Doch 1873 gab es bereits 47 Tageszeitungen, 1913 gar 138. Im äußersten Westen erschien derBritish Colonist ab 1858, dieManitoba Free Press 1872, derSaskatchewan Herald 1878 und dasEdmonton Bulletin 1880. Die Verbreitung des Radios ab den 30er-Jahren und des Fernsehens ab den 50er-Jahren kostete die Zeitungen viele Werbekunden, so dass 1953 nur noch 89 Tageszeitungen existierten. 1986 erholte sich die Zahl wieder auf 110, doch nur noch acht Städte hatten zwei oder mehr Tageszeitungen.
Heute gehören die meisten Zeitungen zu großenKonglomeraten der Medienindustrie. Die Erlaubnis, in beiden Bereichen der Medien, Fernsehen undPrintmedien, Unternehmen zu erwerben, war lange umstritten, doch seitBrian Mulroney gibt es darin keine Begrenzung mehr. Im englischen Sprachraum istPostmedia Network führend, sie bieten in den meisten Provinzhauptstädten die führende Tageszeitung an. 90 % der frankophonen Zeitungen gehören drei Medienunternehmen:Pierre Karl PéladeausQuebecor Inc., der allein die Hälfte der Gesamtauflage liefert,Paul Desmarais’Gesca undJacques FrancœursUniMédia. Schon 1950 beherrschten die vier größten Medienunternehmen 37,2 % des Gesamtmarktes, 1970 waren dies 52,9 %, 1986 gar 67 %. 80 % der Einnahmen stammen dabei aus Werbung, nur 20 % aus Verkaufserlösen.
Radio
Guglielmo Marconi. Physiknobelpreis 1909CBC-Gebäude in Toronto, 2005
Mit dem Radio experimentierte zunächstGuglielmo Marconi ab 1896, 1901 gelang ihm die erste drahtlose Signalübertragung über den Atlantik vonCornwall nach Neufundland.[159] Weil die Radiotechnik zunächst eher der Kontaktaufnahme zu Schiffen diente, unterstand die Aufsicht über denRadiotelegraph Act von 1913 dem Minister für Marine und Fischerei. Die Überlebenden derTitanic verdankten ihre Rettung den von Marconi gesendeten Radiowellen. Er war auch der erste, der 1919 eine private Sendelizenz in Kanada erhielt. Zeitgleich begann sich in Kanada der kommerzielle Rundfunk zu entwickeln und in Montréal ging die Station XWA auf Sendung.[160] 1928 bestanden bereits 60 Radiostationen. Dieser Entwicklung gedachte die kanadischen Regierung am 26. Juli 2019 und erklärte die Entstehung des kommerziellen Rundfunks zwischen dem Ende der 1910er- und dem Anfang der 1930er-Jahre in Kanada zu einem„nationalen historischen Ereignis“.[161]
Dennoch stellte dieRoyal Commission on Radio Broadcasting unter Leitung von John Aird im Jahr 1929 in einem Bericht fest, dass viele Kanadier US-Stationen lauschten. Erst 1932 entschied das britischeJudicial Committee of the Privy Council, dass der Staat die Oberaufsicht über die Radiokommunikation zu Recht beanspruche. 1936 begann die öffentlicheCanadian Broadcasting Corporation (CBC) ihren Sendebetrieb, der seit 1932 von derRadio Commission begonnen worden war. Bis dahin hatte sich die Zahl der Radioempfänger binnen fünf Jahren auf eine Million verdoppelt.
Die heutige Struktur der CBC ist ein Produkt der Weltwirtschaftskrise: Es entstanden nur fünf zentrale Sender, deren Sendungen von privaten Distributoren weitergeleitet wurden. So entstand ein gemischtes System staatlicher und privater Sender, in dem den privaten Sendern nur eine regionale Ausstrahlung gestattet wurde. Kanada wurde eines der Länder mit den meisten Radiostationen, und eines der ersten mit Satellitensendern. Dennoch ist die US-amerikanische Konkurrenz stark vertreten.
Fernsehen
Seit 1952 gibt es Fernsehen in Kanada, wobei die CBC die Regulierungsaufgaben wahrnahm und zugleich der bedeutendste Sender wurde. Auch hier dienten private Netzwerke als Distributoren fürCBC-TV. Einer Kampagne der Privatsender gegen das CBC-Monopol folgte derBroadcasting Act von 1958 unterJohn Diefenbaker. Es entstand ein 15-köpfigerBoard of Broadcast Governors (BBG), der die Anträge für neue Sender annahm und eher Privatsender förderte. Das TV expandierte schnell, und 1961 entstand ein zweites Netzwerk, CTV. Zwischen BBG und CBC kam es zu heftigen Streitigkeiten, so dass 1968 die Lizenzvergabe an dieCanadian Radio-Television Commission (heuteCanadian Radio-Television and Telecommunications Commission, CRTC) vergeben wurde, die auch das 1968 etablierteKabel-TV an sich zog. Der Anspruch auf „Schutz, Bereicherung und Stärkung der kulturellen, politischen, sozialen und ökonomischen Struktur Kanadas“, wie es im Gesetz heißt, sollte dabei gewahrt werden. Dennoch führten Sparmaßnahmen in den letzten vier Jahrzehnten zu einer zunehmenden Abhängigkeit von Werbeetats undEinschaltquoten.
Dabei sind US-Sender über Kabel praktisch überall zu empfangen. Folglich besetzen sie im englischsprachigen Kanada rund 75 % der besten Sendezeit, während dieser Anteil in Québec nur bei 40 % liegt. Hier spieltTVA die wichtigste Rolle.
Inwiefern dasInternet die entstandene Medienmacht relativieren kann, ist noch offen, zumal alle etablierten Medien in diesem neuen Markt zunehmend engagiert sind. Die Interessen der unabhängigen Medienunternehmen vertritt seit 1948 dieAssoziation der kanadischen Film- und Fernsehproduktion.
Infrastruktur
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Die Hauptverkehrsachse des Ostens verläuft entlang dem Sankt-Lorenz-Strom durch Ontario und Québec und verbindet Toronto, Montreal, Québec und Ottawa miteinander. Der gesamte Norden des Landes ist verkehrsmäßig wenig erschlossen, da hier, außer in den Gebieten der Rohstoffförderung, kaum Bedarf besteht. Die Ballungsräume des Westens sind, wie im Osten, hauptsächlich nahe der amerikanischen Grenze durch Verkehrssysteme verbunden, sieht man einmal von der Anbindung Edmontons ab. Dies ist vor allem dem politischen Willen der kanadischen Regierung zu verdanken, die allein durch drei transkontinentale Eisenbahnlinien und diverse Stichbahnen die weit auseinander liegenden Provinzen miteinander verbinden wollte. Davor war dies durch Kanäle geschehen, nach der Eisenbahnepoche folgten Straßenbauten, schließlich Fluglinien.
Das Straßensystem Kanadas hatte 2011 eine Gesamtlänge von 1.042.300 km und ist damit das siebt-längste der Welt. Asphaltierte Straßen hatten eine Länge von 415.600 km, wovon 17.000 km Autobahnen waren. Nach China und den Vereinigten Staaten hatte Kanada damit das drittlängste Autobahnnetz.
Das dichteste Straßennetz befindet sich im Bereich der höchsten Bevölkerungsdichten in den Atlantikprovinzen, in Süd-Ontario, in Québec entlang des St. Lorenz, in den südlichen Prärieprovinzen und im Bereich der Frasermündung um Vancouver. Als ein alle Provinzen verbindendes Element wurde vonVictoria am Pazifik bisSt. John’s am Atlantik derTrans-Canada-Highway gebaut, mit 8000 km eine der längsten Straßen der Welt. In den Ballungsräumen und als Verbindung zwischen größeren Zentren ist diese Straße alsAutobahn ausgebaut. Durch Ontario führen zwei Routen dieser Straße, eine nördlichere und eine südlichere. Der Trans-Canada-Highway ist die einzige Bundesstraße Kanadas.
Die übrigen Landstraßen, auch die Autobahnen, werden von den Provinzen gebaut und unterhalten. Die verkehrsreichste Autobahn Kanadas bildet das Rückgrat desQuébec-Windsor-Korridors, in Ontario mit der Straßennummer „401“. Mit 16 Spuren durch den Ballungsraum Toronto gehört der 401 zu den breitesten Autobahnen der Welt. Nach Norden führen nur wenige Straßen, von denen die meisten wegen großer Baumaßnahmen (Staudämme, Bergbau etc.) gebaut wurden, oder aus militärischen Gründen entstanden (zum Beispiel derAlaska Highway).
In Kanada von Bedeutung sindÜberlandbusse. Jede Region verfügt über ein ausgedehntes Busnetz; die größte BusgesellschaftGreyhound Canada stellte jedoch im Mai 2021 im Nachgang zu den wirtschaftlichen Folgen derCorona-Krise den nationalen Betrieb ein. Aufrechterhalten wird lediglich der grenzüberschreitende Verkehr in die U.S.A.[162]
In Kanada herrscht Rechtsverkehr und die Geschwindigkeiten sind in km/h angegeben. Das Nationalitätskennzeichen ist CDN (nicht CND fürCanada) und steht fürCanadianDominion. Dieses wird auch als Abkürzung in Herkunftsangaben z. B. bei Spielfilmen verwendet.
Der Straßenverkehr des Landes gilt als weitestgehend sicher. 2013 kamen in Kanada insgesamt 6,1 Verkehrstote auf 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland waren es im selben Jahr 4,3 Tote. Das Land hat eine im weltweiten Vergleich hohe Motorisierungsrate. 2016 kamen im Land 662 Kraftfahrzeuge auf 1000 Einwohner.[163]
1909 flog das erste kanadische Flugzeug 800 m weit (inBaddeck), 1915 entstand mit derCurtiss JN-3 das erste Serienflugzeug. Im Ersten Weltkrieg stellte Kanada bereits 22.000 Mitarbeiter bei den Luftstreitkräften, obwohl die Canadian Air Force erst 1920 entstand. In den 30er-Jahren erfolgte ein massiver Ausbau der Flughäfen, so dass mehr als die Hälfte der gesamten Luftfracht in Kanada bewegt wurde und das Land 1945 587 Flugplätze aufwies. 1937 wurdeTrans-Canada Airlines gegründet, aus der 1964 Air Canada hervorging. 2009 wurde der 23. Februar zumNational Aviation Day erklärt.[164]
Die StadtMontreal ist Sitz der zwei weltweiten Zivilluftfahrtorganisationen, derIATA und derICAO.
DieEisenbahn ist im 19. Jahrhundert vom kanadischen Staat umfassend gefördert worden, um die Besiedlungspolitik zu unterstützen und die nationale Einheit zu sichern. Dazu sollten die Distanzen zwischen den Provinzmetropolen durch transkontinentale Eisenbahnlinien überwunden werden. Doch seit den 1930er-Jahren ging ihre Bedeutung zugunsten des Straßenverkehrs erheblich zurück und besitzt seither nur noch innerhalb desQuébec-Windsor-Korridors große Bedeutung im Personen(nah)- und Güterverkehr.
Außerhalb dieses Gebietes beschränkt sich die Bedeutung auf den Massengüterverkehr und denTourismus, vergleichbar denSchienenkreuzfahrten in Europa. Der überregionale transkontinentale Güterverkehr wird von den beiden BahngesellschaftenCanadian Pacific Railway undCanadian National Railway durchgeführt. Betreiberin des öffentlichen Schienenpersonenverkehrs ist dieVIA Rail Canada, der regionale Güterverkehr wird von vielen privaten Gesellschaften betrieben. Zu diesen Hauptlinien kommen zahlreiche Nebenlinien, die zum Teil in privater Initiative wiederbelebt worden sind, wie dieEsquimalt and Nanaimo Railway auf Vancouver Island.
Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten verfügen kanadische Großstädte über eine Vielfalt sehr gut ausgebauter Nahverkehrssysteme. Während in den Metropolen Toronto und Montreal seit den 1950er-Jahren gebaute, klassischeU-Bahnen das Rückgrat des innerstädtischen Nahverkehrs bilden, werden in kleineren Großstädten wie Calgary und Edmonton seit den 1980er-Jahren Stadtbahnsysteme (Light Rail) aufgebaut. In den übrigen Städten werden vornehmlich Diesel- und teilweiseOberleitungsbusse eingesetzt; in Ottawa gibt es einBus-Rapid-Transit-Netz.
Die beiden größten Nahverkehrsnetze liegen in Toronto mit derToronto Transit Commission und Montreal mit je vier Schnellbahnstrecken und je etwa 150 Buslinien. In Toronto ist außerdem noch ein größeresStraßenbahnnetz mit elf Linien in Betrieb. Der im Zuge der WeltausstellungExpo 86 eröffnete, vollautomatischeSkyTrain in Vancouver war lange das längste automatische Transportsystem der Welt.
Schifffahrt
Wichtige Seehäfen befinden sich in den Städten am Sankt-Lorenz-Strom und inVancouver. Zudem besteht auf den Großen Seen eine bedeutende Binnenschifffahrt. Wo keine natürlichen Wasserwege bestanden, baute man ab Anfang des 19. Jahrhunderts Kanäle. Für die wirtschaftliche Entwicklung Kanadas ab 1821 war derLachine-Kanal von entscheidender Bedeutung. In Zentralkanada war das Kanu schon seit jeher das gegebene Transportmittel, und auch heute noch sind viele Seen mit Fährschiffen ausgestattet und der Warenverkehr folgt dem Wasser.
Manche Orte sind nur über See zu erreichen, wie entlang der Westküste von Vancouver nachPort Hardy auf Vancouver Island oderPrince Rupert gegenüber vonHaida Gwaii.
Die frühe Erschließung des Landes erfolgte durch das Kanu und durch den Kanalbau, der einen weitläufigen Binnenverkehr ermöglichte. Bis in die 1950er-Jahre trugen Schiffe einen erheblichen Teil der Passagiere, vor allem in abgelegenen Gebieten, doch stellten die meisten Linien, ähnlich wie zahlreiche Eisenbahnstrecken, den Verkehr ein, als die großen Überlandstraßen wie derAlaska Highway entstanden.
Telekommunikation
Im Jahr 2022 nutzten 94 Prozent der Einwohner Kanadas das Internet.[165] Die digitale Infrastruktur gilt insbesondere in den Städten als sehr leistungsstark und eine der besten der Welt.[166]
Kultur
DasAhornblatt (maple leaf) ist das Nationalsymbol Kanadas
Das heutige Kanada wird überwiegend durch die europäischen Einflüsse der Pioniere, Forscher, Händler und Fischer aus Großbritannien, Frankreich undIrland, regional auch aus Deutschland und Osteuropa geprägt. In jüngerer Zeit wird das Bild in größeren Städten auch von Asiaten (zum Beispiel Vancouver, Toronto) und von Schwarzen aus der Karibik und aus Afrika ergänzt. Viele ihrer Traditionen bleiben weiterhin Teil von Kanada, etwa ihre Nahrung, Sprache, Erzählungen, Geschichte, Feiertage und Sport. Die kulturellen Feste dieser Einwanderer sind ein fester Bestandteil des kanadischen Lebens, zum Beispiel das chinesische Neujahrsfest in Vancouver oder derCaribana-Umzug in Toronto. Viele Kanadier können noch heute ihre Wurzeln zurück zu diesen Ländern verfolgen und sind stolz auf ihre Herkunft. Der in vielen Städten ursprünglich vorherrschende britische Geist wurde mit der zunehmenden Einwanderung aus anderen Ländern weitgehend verwischt. Am deutlichsten ist er noch in Victoria zu erkennen. Dies gilt auch für das frankophone Kanada, das ebenfalls starken Einflüssen durch die Einwanderung ausgesetzt ist.
Kanada und Großbritannien teilen einen Abschnitt ihrer Geschichte und Kanada ist Mitglied desCommonwealth of Nations. Beide Länder sind in Personalunion verbunden. Großbritannien ist Kanadas drittgrößter Handelspartner, und von dort kommen nach den USA die meisten ausländischen Touristen. Die Verbindungen Kanadas zu anderen frankophonen Ländern sind in derOrganisation internationale de la Francophonie institutionalisiert und es gibt einen regen kulturellen Austausch mit Frankreich. So ist Kanada beispielsweise am französischsprachigen FernsehkanalTV5 Monde beteiligt.
Deutsche Einflüsse sind vor allem in Südontario um die StadtKitchener (ehemals Berlin) präsent. In ganz Südontario, besonders im Gebiet von Kitchener sind Orte mit deutschen Namen verstreut. Kitchener wirbt damit, dass dort das größte Oktoberfest außerhalb Münchens gefeiert wird.
Seit den 1970er-Jahren sind in Kanada viele Asiaten eingewandert, vorwiegend aus Hongkong, China undKorea. Insbesondere in Vancouver (spöttischer Name: Hongcouver)[167] und Toronto bilden sie starkeethnische Minderheiten und dieChinatowns mit ihren chinesischen Straßen- und Werbeschildern gehören zu den Sehenswürdigkeiten.
Inuksuk auf der Flagge von NunavutIndianische Schnitzkunst im Museum of Anthropology in Vancouver
Die Kulturformen der weit über 600First Nations, wie die Indianer sich ganz überwiegend selbst bezeichnen, sind nicht einheitlich. Innerhalb des Landes, zwischen Stadt und Land, zwischen den ethnischen Gruppen sind die Unterschiede denkbar groß. Die verschiedenen Gruppen entwickelten eigene Identitäten und kulturelle Strukturen. Dabei lassen sich große Kulturareale unterscheiden. An der Pazifikküste war die Kultur von Fischfang dominiert, vor allem vomLachs, oder vom Walfang, wie bei denNuu-chah-nulth aufVancouver Island. Dort finden sich auch die gewaltigen Wappenpfähle, deren größter über 50 m hoch ist. Im Binnenland dominierten Jagd, Sammeln und Flussfischerei. In den großen Ebenen, denPlains, war dieBisonjagd von zentraler Bedeutung, in anderen der Elch. Durch die Verbreitung des Pferdes entwickelte sich nach 1700 ein Reiternomadismus. An den Großen Seen hingegen dominierte eine agrarische Kultur mit Großdörfern.
Die nicht mit den Indianern verwandtenInuit im Norden des Landes, von denen man 2006 genau 50.485 zählte,[169] entwickelten eine überwiegend von den arktischen Lebensumständen geprägteKultur, die sich in vielerlei Hinsicht auf das ganze Kanada auswirkt. Ein Beispiel dafür stellt das Emblem derOlympischen Winterspiele 2010 in Vancouver dar, einInuksuk, das aus aufeinander gestapelten Steinen besteht und eine menschliche Gestalt symbolisiert.
Die frühesten kommerziellen Erfolge feierten jedoch die bildendenKünste der Inuit schon seit den späten 1940er-Jahren.Serpentin- und Marmorskulpturen, Arbeiten in Knochen und Karibugeweih, aber auch Kunstgrafik, Wandbehänge und -teppiche, Schmuck, Keramiken und Puppen standen dabei im Mittelpunkt. Ihre Motive und Materialien gingen auf die natürlichen Umgebungen und vorhandene Traditionen zurück, wobei die erzwungene Sesshaftigkeit nun erheblich größere Werke zuließ. Zudem waren die rund 25 Gemeinden, deren Bewohner nicht mehr autark-nomadisch lebten, nun auf Geldeinnahmen angewiesen, zu denen ihnen der Kunsthandel verhalf.
Zu den bekanntesten Inuit-Autoren zählen der ehemalige „Commissioner of Nunavut“ Peter Irniq, der Schriftsteller, Dichter, Cartoonist und Fotograf Alootook Ipellie (1951–2007) und Zebedee Nungak (geb. 1951). Aus der Verbindung von Inuit-Musik und amerikanisch-kanadischer Popmusik formten die Inuit eine eigene Musik. Daneben bestehen weiterhin einfache Gesangsformen und der Kehlgesang (Throat singing). Die in Kanada erfolgreichste Sängerin ist die 1967 inChurchill geboreneSusan Aglukark.
Die Erfolge der Inuit und die der US-amerikanischen Indianer inspirierten die indianischen Künstler Kanadas, eigenständig an eine außerindianische Öffentlichkeit zu treten. Früh bekannt waren dabei die Masken und Wappenpfähle der Pazifikküste, die noch heute eine wichtige Rolle im Selbstverständnis, aber auch auf dem Kunstmarkt spielen. Ähnlich wie die Literatur verfolgt die indianische Kunstszene aber nicht nur traditionelle Elemente, sondern verbindet sie mit euro-kanadischen Mitteln. Andere Indianerkünstler produzieren losgelöst von diesen Traditionen in deren Genres und mit deren Mitteln. Dabei sind dennoch Künstler mit einem spezifisch indianischen Weg, wieNorval Morrisseau, oder der Bildhauer und SchnitzkünstlerBill Reid, der das WerkCharles Edenshaws fortführte, erst seit den 60er-Jahren anerkannt worden. Meist stehen in der Literatur ökologische Probleme, Armut und Gewalt, entmenschte Technik oder Spiritualität im Vordergrund. Dabei lassen sich die meisten ungern als „Indianerkünstler“ etikettieren.
Musik
Orgelbau und Chorgesang haben in Kanada eine lange Tradition (Skule Choir imKnox College, Universität Toronto)Denkmal für Glenn Gould in Toronto
Seit der Kolonisierung ab dem frühen 17. Jahrhundert brachten die Einwanderer, je nach ethnischer Zusammensetzung, verschiedene europäische Musiktraditionen nach Kanada.[170][171]Die Parallelentwicklung zur europäischen Musik ist vom Barock über die Klassik und Romantik bis hin zur Gegenwartsmusik nie abgerissen. Doch fehlten in der Neuen Welt lange die nötigen Ressourcen, um große Aufführungen wie Opern in nennenswertem Umfang durchführen zu können. Erst die Anpassung von Texten, aber auch der Austausch von Elementen zwischen den Einwanderergruppen brachte kanadische Eigenheiten hervor, zu denen Einflüsse aus den USA kamen.
John Braham war einer der ersten Sänger, die im ganzen Land bekannt wurden (ab 1841), ähnlichJenny Lind. Zudem bestanden zahlreiche Kirchenchöre und philharmonische Gesellschaften. Die ersten Gesellschaften dieser Art waren dieNew Union Singing Society aus Halifax (1809) und dieQuébec Harmonic Society (1820). Populär waren Balladen, Tanzmusik und patriotische Hymnen. Deutsche brachten erstmals den Klavierbau nach Kanada (Thomas Heintzman), ihm folgte der Orgelbau (Joseph Casavant). 1903 organisierteCharles A. E. Harriss denCycle of Musical Festivals of the Dominion of Canada, an dem sich landesweit über 4.000 Sänger und Musiker in 15 Städten beteiligten. Mit dem Ersten Weltkrieg und der danach anwachsendenSchallplattenindustrie war der Höhepunkt selbst gemachter Musik, aber auch der Operngesellschaften überschritten. Dennoch entstanden vor und nach derWeltwirtschaftskrise Symphonieorchester, insbesondere in den drei größten Städten Montreal, Toronto und Vancouver. SirErnest MacMillan war der erste und einzige kanadische Musiker, der zum Ritter geschlagen wurde, und weitere Sänger sangen auf den wichtigsten Bühnen.
Erst Feldforscher wieMarius Barbeau,W. Roy Mackenzie,Helen Creighton und zahlreiche andere entdeckten die Volksmusik und die Musik der Indigenen. Wenn man von kanadischer Musik sprach, so war es nun die Gesamtheit derFolkmusik, die man im Land antraf. Doch blieb die Musikausbildung konservativ, d. h. stark angebunden an Großbritannien und Frankreich. Dennoch entstanden in den 1930er-Jahren Musikerverbände, die nach dem Krieg die Suche nach kanadischer Identität auch in der Musik stärkten. Auch wurde diese Musik vom Staat gefördert, Sammlungen traditioneller und indianischer Musik inspirierten die aufgeschlossenere Generation. Publikationen wieThe Canadian Music Journal (1956–1962),Opera Canada (seit 1960) undThe Canada Music Book (1970–1976) untermauerten diese Entwicklung. Die Abkopplung der kanadischen Musik von der ausländischen Avantgarde endete.
Avril Lavigne, Sarah McLachlan,Sloan und weitere Musiker haben sich der InitiativeCanadian Music Creators Coalition (CMCC)[172] angeschlossen und kündigten in einer Grundsatzerklärung[173] an, künftig wieder für sich selbst sprechen zu wollen. Prozesse und dasDigital Rights Management (DRM), vor allem aber die staatliche Förderung seien zu verbessern. Die CMCC forderte die Regierung auf, die Künstler gegen die Vermarktungspolitik meist ausländischer und auf einen ausländischen Markt gerichteter Musikkonzerne zu unterstützen.
Auf dem Gebiet der klassischen Musik ist der bekannteste Kanadier sicherlichGlenn Gould (1932–1982), der einer breiteren Öffentlichkeit als begnadeter Interpret vor allem der WerkeJohann Sebastian Bachs bekannt ist. Berühmtheit erlangte der damals 22-Jährige im Jahr 1955 mit einer aufsehenerregenden Einspielung derGoldberg-Variationen. Seit 1987 vergibt eine nach dem Musiker benannte Stiftung[174] denGlenn-Gould-Preis.
Als erster Filmemacher giltJames Freer (1855–1933), ein Farmer, der ab 1897 Dokumentationen vorführte.[175][176] 1917 richtete die Provinz Ontario dasOntario Motion Picture Bureau ein, um Filme zu Unterrichtszwecken drehen zu lassen. Bereits im folgenden Jahr entstand dasCanadian Government Motion Picture Bureau.
Auf Anraten vonJohn Grierson, der als Vater des britischen und kanadischenDokumentarfilms gilt, wurde 1939 derNational Film Act verabschiedet, ein Gesetz, das es gestattete, Propagandafilme für Kriegszwecke zu drehen. 1950 wurde das Aufgabenspektrum des dazu gegründetenNational Film Board of Canada beauftragt, Kanada den Kanadiern zu erklären, aber auch Nichtkanadiern. Mit derCanadian Film Development Corporation, aus der späterTelefilm Canada hervorging, förderte der Staat Filmproduktionen. Das für das Kulturerbe verantwortlicheDepartment of Canadian Heritage stockte 2001 die Mittel für Telefilm Canada auf. Den gleichen Zielen dient die Auszeichnung mit demGenie Award, die jedes Jahr für die besten kanadischen Filme erfolgt.
Kanada ist auch alsHollywood des Nordens bekannt. Wichtigste Produktionsstätten kanadischer und US-amerikanischer Filme sind heute Vancouver, gefolgt von Montreal und Toronto. Dabei istAlliance Films das einst größte Medienunternehmen, heute nur noch ein Rechtehändler. Der französische Film ist innerhalb von Kanada häufig erfolgreicher als der englische, weil der Quebecer Filmmarkt von US-Produktionen kaum direkt erreicht wird.
Das kanadische Theater, das aus einer starken mündlichen Tradition hervorgeht, hat nicht nur weltweit bekannte Regisseure wieRobert Lepage oderDenis Marleau hervorgebracht, sondern auch eine große Anzahl von Theaterautoren, die in verschiedene Sprachen – unter anderem auch ins Deutsche – übersetzt werden. So sind in jüngster Zeit zum Beispiel Texte vonMichel Marc Bouchard,Daniel Danis,Michel Tremblay,George F. Walker, David Young undColleen Wagner von deutschen Ensembles aufgeführt worden.
Literatur
Alexander MacKenzie, Thomas Lawrence etwa 1800Samuel Hearne
Die kanadische Literatur ist anfangs dadurch gekennzeichnet, dass sie häufig von Autoren stammt, die entsprechend ihrer ethnischen Herkunft bestimmte Erwartungen an das Land herantrugen.[177] Daher erscheint das Land oft als abweisend mit Blick auf seine Natur, als kulturelle Wüste, die von außen belebt wird, und als Rohstoff für Karriere und Investitionen. Dabei spielten auch Erwartungen und Stereotype des Publikums von der Wildnis, unvorstellbarer Weite, von der Einführung der Zivilisation vor allem durch Europäer eine große Rolle. Doch überwiegt inzwischen der Drang, die eigene Kultur, die sich entwickelt hat, in ihrem Reichtum zu erfassen, ohne die Wurzeln abzuschneiden.
Historisch gesehen flossen vor allem französische, englische und irische Stile zusammen, die in ihren Heimatländern en vogue waren. Doch schon in den Reiseberichten entwickelte sich ein kanadisch geprägtes Genre, wie beiSamuel Hearne (1745–1792),Alexander MacKenzie,David Thompson,Catharine Parr Traill (1802–1899) oderAnna Jameson (1794–1860), wobei das Spektrum vom romantisierenden Abenteuerbericht (John R. Jewitt, 1783–1821) bis zur präzisen Analyse reicht (Susanna Moodie:Roughing It in The Bush, oderForest Life in Canada, 1852). Mit der Konföderation (1867) stellte sich die Frage nach der nationalen Kultur. Ab Ende des 19. Jahrhunderts dominierten vier Figuren die literarische Szene:Duncan Campbell Scott (1862–1947),Charles G. D. Roberts (1860–1943),Archibald Lampman (1861–1899) undBliss Carman (1861–1929), die auch alsConfederation Poets (oder auch „Confederation Group“) bekannt waren.
Während des 19. Jahrhunderts drangen indigene (igloo) und lokale Wortschöpfungen (moose) in die Literatur ein, aber auch französische (gopher) in die englische und umgekehrt. Dennoch wird die englische Sprache im ganzen Land verstanden und von übergreifenden Sprachstandards dominiert. In der französischen Literatur kommt als weiteres Element eine starke Anbindung an Frankreich und seinen Lebensstil hinzu, woraus sich eine Skepsis gegenüber dem als britisch aufgefassten Rest-Kanada partiell erklärt.
Ein hervorstechendes Merkmal kanadischer Literatur ist der Humor, der allerdings eher untergründig, zuweilen schwarz, und oft als Understatement eingesetzt wird. Dabei spielen regionale Traditionen des Erzählens und des Anekdotischen eine wichtige Rolle, weniger die Themenwahl – es sei denn, es handelt sich um lokale Besonderheiten oder Unterschiede zwischen den ethnischen Gruppen. Zu den häufig anzutreffenden Motiven zählt die „garrison mentality“ (Bunkermentalität), die Entfremdung von der Heimat, in die man zurückkehrt, die Fremdheit im eigenen Land oder der spezifischen Kultur, aber auch das Zelebrieren der Wildnis, die für spirituelle Gesundung sorgt.
Sara Jeannette Duncan, 1903Nellie McClung, nach 1905
Kanadier sind besonders ausgeprägt an der Geschichte ihrer Vorfahren interessiert, und so existiert eine große Zahl von biographischen Versuchen zu den historisch bedeutsamen Männern und Frauen. Doch auch dort sind Klischees fast unausweichlich. So gilt das katholische Québec als mysteriös, Ontario als zwischen moralischer Klarheit und Lavieren hin- und hergerissen, die Prärien als isolierend und besitzergreifend, die Westküste als Projektionsfläche für Hoffnungen und Erwartungen, die man selbst entlarven muss. Dabei steht das Landleben überproportional im Vordergrund, während die Städte lange beinahe ignoriert wurden. Dagegen waren Autoren wieFrances Brooke (1724–1789),Susanna Moodie (1803–1885),Sara Jeannette Duncan (1861–1922) undNellie McClung (1873–1951) die Analytikerinnen des politischen Lebens, das sich in den Städten ballt.
Ein Gegensatz besteht zwischen der Wahrnehmung Europas und der des Nachbarn USA. Europa gilt als Hort der Verfeinerung, aber auch der extremen Regionalisierung, der Nachbar als Land der sozialen Härte und der Fixierung auf ökonomischen Erfolg.
Anna JamesonDuncan Campbell Scott (1933)
Der Erste Weltkrieg brachte die Außenwelt wieder stärker in den Blick, und zugleich schärfte die Einwanderung die Aufmerksamkeit auf die zahlreichen Kulturen, auch die der Indianer, die nun selbst begannen, sich auszudrücken. Die Malerin und AutorinEmily Carr (1871–1945) war hier für den Westen von größter Bedeutung, wenn sie auch in British Columbia lange auf Ablehnung stieß. DieWeltwirtschaftskrise brachte eine zunehmende Beschäftigung mit sozialen Problemen mit sich, der Zweite Weltkrieg wiederum zwang zur Beschäftigung mit Fragen der Macht, der Not, des Todes und wiederum der Heimkehr. Nach dem Krieg unterwarf Merrill Denison (1893–1975) den übertriebenen Nationalismus einer satirischen Betrachtung, und auch Autoren der Linken kritisierten den politischen und wirtschaftlichen Weg und die zunehmende Dominanz der USA. Zugleich machten sich in Québec antiklerikale Autoren deutlicher bemerkbar. Unter dem öffentlichen Optimismus der 1950er- und 1960er-Jahre entdecktenMalcolm Lowry (1909–1957) (Under the Volcano, 1947) und Ethel Wilson (1888–1980) (Swamp Angel, 1954) Alkoholprobleme und die Enge des Frauenlebens in dieser Zeit.
Materielle Unterstützung und ein größeres Publikum sorgten in den 60er-Jahren für ein Anwachsen des literarischen Marktes, Zeitschriften wieCanadian Literature undJournal of Canadian Studies erschienen, dazu kamen Paperbackausgaben, die erschwinglicher waren. Nischenmärkte entstanden, deren Publikum dennoch Autoren ernähren konnte. Sowohl die einzelnen Kulturen, als auch Frauen meldeten sich verstärkt zu Wort, wie etwaMargaret Atwood.
Nach etwa 1985 wurden staatliche Mittel in einer konservativeren Phase zurückgefahren. Verlage wieCoach House Press,Deneau,Williams-Wallace mussten schließen. Zudem ließ Kanada stärkere ausländische Konkurrenz zu, vor allem aus den USA. Autoren wie Timothy Findley (1930–2002) versuchten sich gegen Restriktionen zu wehren, indianische Literatur fand Vertreter in Eden Robinson (Haisla, geb. 1968),Jeannette C. Armstrong (Okanagan), die das Schulsystem kritisierte, der SatirikerThomas King (Cherokee) oder der DramatikerTomson Highway (Cree). Daneben traten eher poetische Autoren wieRita Joe (Mi’kmaq),Marilyn Dumont (Métis) oderAlootook Ipellie (Inuit).
Die französische Festung Louisbourg auf Breton Island
Wie in den meisten Künsten, so ignorierten die ersten Zuwanderer aus Europa weitgehend die Kunst der Ureinwohner. Sie brachten schon in ihren ersten Wohngebäuden und befestigten Hofanlagen sowie naturgemäß im Festungsbau (zum BeispielLouisbourg) und in Stadtanlagen europäische Traditionen mit. Auch die Dörfer des frankophonen Kanada lagern sich wie in Frankreich um die Kirche, wobei die Missionskirchen und die Kirchen von Québec meist als Vorbilder dienten. Als Material herrschten Stein und Holz vor, Ziegel sind selten. Ähnlich wie in der Bildhauerei kamen die in Frankreich und England vorherrschenden Stile jedoch, bedingt durch die Kommunikationsverhältnisse, mit deutlicher Verspätung an. Das galt auch für die Übernahme derKlassik, nachdem die Briten Kanada erobert hatten.
Assiniboine bei der Büffeljagd, Paul Kane zwischen 1851 und 1856
Dennoch nahm die Malerei zwangsläufig die Ureinwohner auf, denn sie sollten für die Berichterstattung bei Hof dargestellt werden. Sie waren zum Teil von großer Genauigkeit, wie die Indianer- und Inuit-Porträts vonJohn White (etwa 1540 bis etwa 1593), oder die Zeichnungen vonLouis Nicolas (Codex canadiensis). Ende des 18. Jahrhunderts brachten Briten und die aus den USA geflohenenLoyalisten neue Einflüsse, die sich vor allem in den neuen Siedlungen, wie Toronto, dominierend bemerkbar machten. Es kam sogar zu einem Goldenen Zeitalter der Québecer Malerei, wobei der Stil europäisch blieb, doch die Motive wurden kanadischer. Der SchweizerPeter Rindisbacher dokumentierte etwa seine Reise durch die Hudson Bay in dieRed-River-Kolonie,Paul Kane reiste durch den halben Kontinent.
Parlamentsgebäude in Victoria, der Hauptstadt British Columbias
In der Architektur bevorzugte manneo-klassische undneo-gotische Motive, wie in Europa, doch erhielt der britische Einfluss immer mehr Übergewicht. Mit dem repräsentativen Ausbau Ottawas und jeder Provinzhauptstadt versuchte man eine spezifisch kanadische Tradition auszudrücken. Zwischen 1873 und 1914 herrschten historisierende Stile vor, wobei sich die mitgebrachten Stile anderer europäischer Völker, wie der Italiener bemerkbar machten. Mit der Industrialisierung drangen neue Bautypen, wie Stahlbrücken oder Bahnhöfe vor, neue Materialien, vor allem Metalle dominierten. Dazu kamen Glas und schließlich Beton.James Wilson Morrice gilt als Vater des Modernismus in der Malerei. In der Skulptur herrschten historische Monumente auf Plätzen vor, vor allem Kriegsdenkmäler nach dem Ersten Weltkrieg. Doch weiterhin herrschte hierin Europa vor, bis hin zumArt déco.
DieGroup of Seven versuchte eine kanadische Malerei zu entwickeln; sie bezog ihre Inspiration aus der Landschaft. Als eine der ersten nahmEmily Carr dabei nicht nur die spezifische Landschaft des Westens auf, sondern auch die grandiose Kunst der Indianer der Pazifikküste.
John Lyman gründete 1939 dieContemporary Arts Society, und über Quebec kamenkubistische Einflüsse, dort entstand die Gruppe derAutomatistes. Gegen sie und denSurrealismus entstanden diePlasticiens, allen voranGuido Molinari undClaude Tousignant, Struktur- und Farbfragen traten stärker in den Vordergrund. Ähnlich in Toronto, wo sichJack Bush undHarold Town gegen den abstraktenExpressionismus wandten. Dabei versuchten diese Gruppen sich zugleich gegen den Einfluss der USA abzusetzen. Ähnliches galt für Bildhauer wieRobert Murray oderArmand Vaillancourt. Hingegen unterscheidet sich die Architektur kaum von der internationalen. Der FotografYousuf Karsh gehörte zu den bedeutendsten Porträtfotografen des 20. Jahrhunderts.
In der Bildenden Kunst hat sich Kanada in Europa durch innovative Künstler einen Namen gemacht.Jeff Wall,Rodney Graham,Ken Lum undGeneviève Cadieux haben fotografische Techniken auf neuartige Weise für sich genutzt.Jana Sterbak hat außergewöhnliche konzeptuelle Environments geschaffen.
Speisen und Getränke
MännlicherBuckellachs von der Pazifikküste in der Laichzeit. Sie heißen in KanadaPink oderHumpback Salmon.Weinberge amOkanagan LakeTypisches „Tim Hortons“ in Kanada
Die Produktion von Nahrungsmitteln hängt stark von den natürlichen Bedingungen ab. Daher weisen die Regionalküchen, wie etwa die der Küstensäume und der Graslandschaften der Prärieprovinzen, entsprechende Schwerpunkte auf. Während etwa an der Atlantikküste der Fang von Hummern, genauer vonHummerartigen (Lobster) einen wichtigen Wirtschaftszweig darstellt, war es an der Westküste der vonWildlachs; letzter wurde allerdings von Lachszuchten fast vollständig verdrängt, so dass einige Lachsarten, die noch vor wenigen Jahren in riesigenLaichzügen zu bewundern waren, inzwischen zu den bedrohten Tierarten gerechnet werden müssen.
Neben dem Umgang mit den natürlichen Ressourcen spielen aber auch kulturelle Unterschiede eine beträchtliche Rolle. Der französische Einfluss in Québec ist nicht zu übersehen, es gibt zahlreiche Restaurants mit der entsprechenden Küche. Die Prärieprovinzen sind hierin sehr stark vom mittleren Westen der USA beeinflusst, während sich im äußersten Westen ein starker britischer Einfluss bemerkbar macht, wo der englische Tee im Alltag immer noch seinen Platz hat.
Im Süden Kanadas, vor allem auf derNiagara-Halbinsel und imOkanagan-Gebiet sowie im Südosten von Vancouver Island in British Columbia wird Wein angebaut. Der über 200 Jahre alte Weinanbau nahm einen neuen Aufschwung, da ab 1974 erstmals neue Weinbaulizenzen ausgegeben wurden, und weil die Weinbauverbände (Vintners Quality Alliance) auf höhere Qualitäten drängten. Kanadische Weine tragen etwa die Hälfte zum Gesamtkonsum des Landes bei, wobei bis 2006Vincor International undAndres Wines dominierten. Vincor wurde allerdings vom US-WeinproduzentenConstellation Brands aufgekauft.
Spirituosen können nur in besonderen Geschäften oder in Restaurants gekauft werden, die die BezeichnungLicensed Premises tragen. Viele Restaurants gestatten ihren Gästen, eigenen Wein, Bier oderAhornsirup mitzubringen. Das Mindestalter für den Alkoholkauf liegt zwischen 18 und 19 Jahren.
Die vorherrschende Kaffee- undFast-Food-Kette istTim Hortons, kurz Tim’s oder Timmies. Das Unternehmen wurde 1964 inHamilton, Ontario gegründet und 2014 von Burger King Worldwide Inc. übernommen und gehört damit mehrheitlich zur brasilianische Investmentgesellschaft3G Capital. 2016 gab es über 3.800 Niederlassungen in Kanada.[178] Der schärfste Konkurrent beim Fast Food istMcDonald’s[179], im Kaffeesektor das US-UnternehmenStarbucks.
DerSport in Kanada ist vielfältig und umfasst zahlreiche Winter- und Sommersportarten.[180] Als Nationalsportart seit 1859 offiziell anerkannt war bis 1994 nur das auf indianische Wurzeln zurückgehendeLacrosse. Es gilt seit 1994 als nationale Sommersportart. Seit 1994 istEishockey die nationale Wintersportart. Kanada gilt nicht nur als Mutterland des Eishockeys, sondern gehört auch zu den weltweit erfolgreichsten Ländern. Sieben kanadische Mannschaften sind in derNHL, der bedeutendsten Profiliga der Welt, vertreten. Auch im Lacrosse ist Kanada überaus erfolgreich und besiegte beim World Lacrosse Championship von 2006 inLondon die USA.
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