

Kampnagel ist eine ehemalige, 1865 gegründeteMaschinenfabrik inHamburg-Winterhude. Sie war beteiligt am Bau des ersten elektrischenKaikrans der Welt.[1][2]
Seit 1982 werden die ehemaligen Fabrikhallen und das Firmenareal als Veranstaltungsort für zeitgenössischedarstellende Kunst genutzt. Seit 2007 wird die „Kulturfabrik“ von IntendantinAmelie Deuflhard geleitet. Neben internationalen Gastspielen finden hier auch diePerformance-Szene und freie Gruppen wieShe She Pop,Gob Squad,Showcase Beat Le Mot und andere eine Bühne. Seit 1985 gehören verschiedene Festivals zum Kampnagel-Programm, das Internationale Sommertheater-Festival (bis 2001), FrauenfestivalHammoniale (1986–1999), internationalesTanztheater-Festival (1987), Sommerfestival LAOKOON (2001–2006)[3] und das Internationale Sommerfestival Hamburg. Letzteres findet seit 2008 jährlich statt, es wurde bis 2012 vonMatthias von Hartz geleitet, 2013 hatAndrás Siebold die künstlerische Leitung übernommen.[4]
1865 wurdeNagel & Kaemp, Zivilingenieure gegründet. Die Gründer waren August Christian Nagel (1836–1912) undReinhold Hermann Kaemp (1837–1899). Nagel galt als Erfinder, Kaemp als der gewandte Geschäftsmann.[5] 1875 errichtete das Unternehmen eine eigene Maschinenfabrik in Winterhude am schiffbaren Unterlauf derOsterbek. Anfang 1889 wurde das Unternehmen in eineAktiengesellschaft umgewandelt und firmierte unter dem NamenEisenwerk (vorm. Nagel & Kaemp) AG.[6] Gründer der Gesellschaft waren die Ingenieure August Christian Nagel, Reinhold Hermann Kaemp, Adolf Wilhelm Franz Georg Linnenbrügge, George Rudolph Otto Westendarp und der Kaufmann Claas Wessel Brons (1845–1918[7]), die bis auf Linnenbrügge auch den Aufsichtsrat bekleideten.[8]
Nachdem zuerst Reismühlen hergestellt wurden, machte sich das Unternehmen ab 1890 in erster Linie einen Namen als Hersteller vonSchiffs- undHafenkranen. In Konkurrenz zu den bis dahin üblichen ortsfesten Kranen baute die Firma fahrbahre Hebefahrzeuge.[9]
Nagel & Kaemp ist das Vorbild für dieMaschinenfabrik N.&K. inWilli Bredels gleichnamigen Erstlingsroman (dort auch: Negel & Kopp), der 1930 erschien. Bredel, der in den 1920er Jahren bei Nagel & Kaemp als Dreher arbeitete, erzählte aus Sicht des kommunistisch organisierten Arbeiters von den Arbeitskämpfen zwischen den Fabrikanten und den Arbeitern sowie von den Konflikten zwischenSozialdemokraten undKommunisten.

1934 wurde der Firmenname vonEisenwerk AG (vormals Nagel & Kaemp), Hamburg inKampnagel AG (vormals Nagel & Kaemp), Hamburg gewandelt. 1939 wurde Kampnagel zumRüstungsbetrieb[10] umgestellt, mit dem Schwerpunkt „Granaten,Zünder,Kartuschen usw.“[11] Erst nach demZweiten Weltkrieg wurde die ursprüngliche Tätigkeit, Ladetechnik für Schiffe, wieder aufgenommen.[12] Laut derStiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ wurden mehr als 1.000Zwangsarbeiter eingesetzt, die in sechs eigenen Lagern unterbracht waren.[13][10][14] Den Aufsichtsratsvorsitz bildeten der Industrielle,Politiker derDVP und Hamburger Senator a. D.Hermann Carl Vering und sein Stellvertreter derNationalsozialist und von 1937 bis 1945 Präses derHandelskammer Hamburg,Joachim de la Camp (Stand Mai 1943).[15] Der Maschinenfabrik gehörte der UnternehmerMax Mörck bis 1934 als Vorsitzender des Aufsichtsrates den Unternehmen an; er war von 1934 bis 1937 Vorstandsvorsitzender der Kampnagel AG und ab 1958 wieder deren Aufsichtsratsvorsitzender.[16]
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Herstellung der ursprünglichen Produkte, Ladetechnik für Schiffe, wieder aufgenommen. Das Unternehmen war international erfolgreich: Krane mit dem SchriftzugKampnagel an der Rückseite finden sich noch heute in vielen Häfen der Welt. Mit dem Aufkommen derContainerschifffahrt im internationalen Warenverkehr sank in den 1960er Jahren die Nachfrage für die von Kampnagel hergestelltenStückgutkrane drastisch.
1968 wurde das Unternehmen an die später inMannesmann aufgegangeneDemag AG veräußert. Danach wurden bis 1981Gabelstapler produziert.[10] Zur Demag gehörten schon zwei Kranbaufirmen, und die eine hatte ein ganz ähnliches Produktionsprogramm wie Kampnagel. Was zuerst wie eine Abrundung aussah, konnte später den Eindruck einer Ausschaltungstaktik wecken. Die Demag gab beiMcKinsey eine Marktanalyse in Auftrag. Sie ergab, dass bald in einer Reihe weiterer Länder, deren Entwicklung rasche Fortschritte machte, Kräne gebaut würden. Die Absatzchancen für deutsche Kräne würden daher sinken, und die Demag täte besser daran, eine der beiden Fabriken zu schließen. Das Demag-Management folgte dem Rat und verkündete 1981 das Ende für Kampnagel.[17]

Nach der Schließung der Maschinenfabrik 1981 fiel das Gelände an die Stadt Hamburg. Die ursprüngliche Planung sah vor, die Hallen abzureißen und Wohngebäude zu errichten. Der Abriss wurde jedoch zunächst verschoben, da dasDeutsche Schauspielhaus während der Bauarbeiten in seinem Stammhaus ein Ausweichquartier für weite Teile seines Betriebs benötigte. 1981 wurden die Hallen K1 und K2 als Theaterräume eingerichtet und im Oktober mit der Premiere von Jerōme Savarys Antikriegsstück „Weihnachten an der Front“ spektakulär eröffnet. (1983 kam dann für ein Gastspiel von Peter Brooks „Carmen“ die Halle 6 dazu.) Vom 5. Oktober 1982 an fand auf dem Kampnagel-Gelände das fünftägige FestivalBesetzungsprobe statt, organisiert von freien Hamburger Theatergruppen.[18] Vom 1. Mai bis 30. September 1982 wurde die Ausstellung „Arbeiterkultur in Hamburg um 1930 – Vorwärts- und nicht vergessen“ gezeigt.[19]
Nachdem das Schauspielhaus im Sommer 1984 in sein Stammhaus zurückgekehrt war, ging die Stadt mit ihrer Kultursenatorin Helga Schuchardt auf die Forderung der freien Theatergruppen ein, ihnen Kampnagel weiterhin als Spielstätte zur Verfügung zu stellen. Der geplante Abriss blieb jedoch weiterhin nur ausgesetzt, und der Beschluss galt nur für sechs der Hallen und „solange [die Vorstellungen] vom Publikum angenommen werden“. Ab 1985 fand ein regelmäßiger Theaterbetrieb unter der künstlerischen Leitung von Hannah Hurtzig und Mücke Quinckhardt als Intendantinnen statt, die von der Kulturbehörde eingesetzt waren. Dieter Jaenicke veranstaltete ab 1986 das Internationale Sommertheater-Festival.[20]
1990 wurde ein Trägerverein gegründet, der 1993 in dieKampnagel Internationale Kulturfabrik GmbH umgewandelt wurde. Obwohl Kampnagel nun weitestgehend selbständig wurde, behielt dieKulturbehörde der Stadt Hamburg, die von Anbeginn Trägerin des Kulturbetriebs war, weiterhin eine Kontrolle über die Aktivitäten, indem die Kultursenatorin zur Aufsichtsratsvorsitzenden ernannt wurde. 1997 verkaufte die Stadt einen Teil des Grundstücks und ließ die darauf befindlichen Gebäude abreißen.[21] Die Zusage, sechs Hallen der Kunst zur Verfügung zu stellen, wurde jedoch eingehalten. Bis 1998 wurden an diesen sechs Hallen umfangreiche Renovierungsmaßnahmen durchgeführt. Seit dem 21. Oktober 1993 befindet sich in der ehemaligen Werkhalle Helga dasProgrammkinoAlabama.[22]
Im Jahr 2007 wurde der Mietvertrag mit der städtischenSprinkenhof AG bis 2030 verlängert.[23] Im Jahr 2014 fand dort dieTanzplattform Deutschland statt.[24] Kampnagel gehört zumBündnis internationaler Produktionshäuser.[25]

Nach europaweiter Ausschreibung erhielt im Frühjahr 2022 das französische Architekten-DuoAnne Lacaton &Jean-Philippe Vassal den Zuschlag für eine Sanierung und Erweiterung der Kulturfabrik, die ab 2025 in mehreren Bauabschnitten bei weiterlaufendem Spielbetrieb erfolgen soll. Die veranschlagten Kosten in Höhe von 120 Millionen Euro teilen sich die Bundesrepublik und die Stadt Hamburg.[26]
Im Zuge eines Antisemitismus-Skandals wurde die Institution Kampnagel kritisiert und die Intendantin Amelie Deuflhard als „Intendantin ohne Eigenschaften und Standpunkt“ bezeichnet.[27] Es wurde diskutiert, ob Kampnagel mit seinen Programmentscheidungen verschiedene marginalisierte Gruppen gegeneinander ausspielt.[28] Auch wurde im Zuge dieser Debatte der Umgang von Kampnagel mit Kritikern und Journalisten kritisiert und die fehlende Bereitschaft zu Diskussion kritisiert.[29]

Unter dem TitelFreiraum – Bauen mit Lehm[30] fand auf dem offenen Gelände des Kampnagel-Quartiers 1986 die erste ökologische Bauausstellung in Deutschland statt.[31][32] Die Ausstellung wurde gefördert durch die Hansestadt Hamburg, die Architektenkammer Hamburg[33] und dieIKEA-Stiftung.[34]
53.58305555555610.020833333333Koordinaten:53° 34′ 59″ N,10° 1′ 15″ O