Kami

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unterKami (Begriffsklärung) aufgeführt.
Die KamiAmaterasu verlässt ihre Höhle – eine der seltenen bildlichen Darstellungen von Kami in der japanischen Kunst, hier vonKunisada.

Kami (japanisch) bezeichnet in erster Linie im japanischenShintō (Shintoismus) verehrteGeister oderGötter. Im Japanischen kann der Begriff allerdings auch auf Gottheiten anderer Religionen bezogen werden (siehe unten).

Eine konkrete Übersetzung des Begriffs insDeutsche ist schwierig. Das Konzeptkami kann u. a. auf Naturgeister, Gespenster und die Seelen Verstorbener angewandt werden, die in anderen Kulturen nicht oder selten als „Gottheiten“ bezeichnet werden. Wie auch in anderenpolytheistischen bzw.animistischen Religionen üblich, weisen Kami die ausmonotheistischen bzw. philosophischen Religionen bekannten Eigenschaften des einen bzw. höchstenGottes nicht oder nicht unbedingt auf (z. B. Unendlichkeit, Allwissenheit, Unveränderbarkeit, Allmacht). Überdies kann alles als Kami angesehen werden, was in Menschen eine intensiveemotionale Reaktion hervorruft – sei es Ehrfurcht, Freude, Faszination, Verwunderung, Angst oder andere Gefühle.[1]

Wie der Shintō selbst haben auch die Konzeptionen von Kami im Laufe der Geschichte mehrere wesentliche Änderungen erfahren. Der Begriff „Kami“ ist daher nur unter Bezugnahme auf den Kontext seiner geschichtlichen Entwicklung angemessen zu erklären.

Einer Redewendung nach ist die Zahl der Kamiyaoyorozu (八百万), was wörtlich „acht Millionen“ bedeutet, allerdings eher im Sinne von „Myriaden“ zu verstehen ist. Der Shintō kennt sowohl Kami, die menschliche Wesens- und Charakterzüge zeigen, und daher alsjinkakujin (人格神),menschliche Kami bezeichnet werden, als auch gestaltloseSchutzgottheiten (守護神,shugojin), die den Menschen Gnade und Wohltaten zukommen lassen.

Kami werden vonSchamanen herbeigerufen, überredet oder wiederholt um Hilfe gebeten. Sie können vorübergehend in yorishiro – langen, dünnen Objekten wie Bäumen, Stäben, oder phallus-ähnlichen Objekten – residieren. Ihr traditioneller Wohnsitz ist in den Bergen.[2]

Eine der noch heute populärsten Definitionen ist die mehr auf Psychologie ausgerichtete desKokugaku-GelehrtenMotoori Norinaga (1730–1801):

„[…] Allgemein bezieht sich das Wort ‚Kami‘ in erster Linie auf die verschiedenen Kami des Himmels und der Erde in den japanischen Klassikern und die Geister [mitama], die in ihren Schreinen eingeschreint sind, und unnötig zu sagen, daß es sich auch auf Menschen bezieht, sogar auf Vögel und Tiere, Gras und Bäume, Meere und Berge – und alles sonst, was überragende und außergewöhnliche Macht besitzt und Ehrfurcht auslöst […]“

Motoori Norinaga:Kojiki-den[3]

Inhaltsverzeichnis

Wortbedeutung

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Die Herkunft des Wortes ist umstritten. Allgemein wird ein Ursprung imAltjapanischen vermutet. VerschiedeneEtymologien des Worteskami schlagen eine Erklärung durch Ableitung auf Auslassung mittlerer Silben der Wörterkamugami („dem Blick erstrahlen“) oderkagami („Spiegel“) vor, womit ursprünglich das Wesen der Kami umschrieben worden sein soll.[4] Es wurde nachweislich zum ersten Mal in derYayoi-Zeit verwendet.[5] Die gradlinigste Ableitung ist die vonkami = mit der Bedeutungdie, die über mir sind, so wie in上様, heute noch alsChefin des Hauses in Gebrauch.[6]

In derSprache der Ainu existiert der Begriffkamuy („Bär“, „Gottheit“), der wahrscheinlich als Lehnwort aus dem Altjapanischen in die Ainu-Sprache einfloss. Die Ainu-Linguistin Tresi Nonno hingegen behauptet, dass das Wort während derJōmon-Zeit aus der Ainu-Sprache in das Japanische entlehnt wurde.[7] Auch der MissionarJohn Batchelor nahm an, dass der Begriff seinen Ursprung bei den Ainu hatte.[8]

Andere Herleitungen vermuten hingegen einen sibirischen Ursprung von dem WortKam (mongolisch für Schamane) oder einen Ursprung ausmalayo-polynesischen Sprachen. Diese Herleitungen gelten jedoch heute als unwahrscheinlich.[4]

Japanische Synonyme

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Abgesehen vonkami gibt es auch andere, eher archaische Bezeichnungen für japanische Götter wiemono,tama,chi undmi, die sich nur schwer vonkami abgrenzen lassen und in den ältesten japanischen Schriften, wie demNihonshoki, demKojiki und denFudoki in nahezu identischer Weise gebraucht werden. Es existieren darüber hinaus synonyme chinesische Lehnwörter wiejingi (神祇) oderkishin (鬼神), die jeweils das Zeichen fürkami (sino-japanischshin,jin) enthalten. Der Name Shintō lässt sich auf diese chinesischen Worte zurückführen und bedeutet “Weg der Götter” (shin = “Götter”;do = “Weg”).[9]

Typologien der Kami

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Grob lassen sich die Kami des Shintō in folgende Kategorien einteilen:

  • VergöttlichteNaturwesen undNaturphänomene
  • Zaubertiere (gewöhnlich boshafte Schlangen- oder Fuchsgeister, die vom Menschen Besitz ergreifen)
  • Ahnengottheiten bzw.-geister (mythologische Figuren)
  • Gottheiten indischen, chinesischen oder koreanischen Ursprungs
  • Vergöttlichungen von einflussreichen historischen Personen
    • Sonderfall: Vergöttlichung von rachsüchtigen Totengeistern (goryō)
  • Vergöttlichte Gegenstände

Die älteste und ursprüngliche der Kategorien sind wahrscheinlich die vergöttlichten Naturphänomene, die auf die Wurzeln des Shintō in den verschiedenenethnischen Religionen Südostasiens hinweisen und eine Form desPantheismus sind. Die Japaner des Altertums haben in Bergen, Flüssen, Megalithen, Tieren und Pflanzen sowie in Naturerscheinungen wie Feuer, Regen, Wind und Gewitter etwas Göttliches gesehen.

In den prähistorischen Stammeskulturen Japans entwickelten sich aus der Ahnenverehrung einzelneUjigami mit ihren individuellen Verehrungsriten, von denen sich einige durch Kontakt zwischen den Stämmen weiter verbreiteten.

Von den Ahnengeistern werden zwei Arten unterscheiden. Die einen, die schon das Stadium desBuddhaseins erreicht haben (in der Regel 33 Jahre nach ihrem Tod). Diese erscheinen den Schamanen oft in der Form eines Juwels (tama). In manchen Gegenden Japans werden diese Ahnengeister als kami in den öffentlichen Shinto-Schrein überführt und dienen ihrer Kommune als Schutzgottheiten (ujigami). Ahnengeister, die noch nicht das Stadium des Buddhaseins erreicht haben, erscheinen den Schamanen als unterscheidbare und erkennbare Individuen. Die andere Art der Ahnengeister sind böswilliger Natur. Dazu gehören die Geister von Verstorbenen, die von ihren Nachfahren keine Aufmerksamkeit erhalten, Ahnengeister, die keine Nachfahren haben, die für sie sorgen, und Geister von Menschen, die einen frühen, unnatürlichen Tod gestorben sind. Diese Geister brauchen besondere Beachtung, damit sie den Weg zum Buddha-Dasein finden können. Schamanen können diese Geister befragen und herausfinden, was ihnen fehlt, damit die Nachkommen entsprechende Hilfestellung geben können.[2]

Wesentlich für die Geschichte der Kami ist der shintō-buddhistischeSynkretismus (shinbutsu shūgō). Dieses Phänomen beschreibt die seit der Einführung desBuddhismus aus China nach Japan im ausgehenden 6. Jahrhundert komplexe Interaktion und Verschmelzung buddhistischer Lehren und Vorstellungen mit der ursprünglichen Religion Japans. Die zuerst übliche Vorstellung betrachtete die neuen Götter lediglich als ausländische Kami (蕃神banshin) bzw. Buddha-Kami (busshin). Die spätere buddhistische Lehrmeinung deshonji suijaku (本地垂迹,ursprüngliche Substanz und manifeste Spuren) erklärte die Verehrung buddhistischer Mönche undBodhisattvas zu abgeleiteten Verehrungen transzendentaler Wahrheiten. Innerhalb dieses Systems wurden die Kami alsmyōjin (immanente Gottheit) undgongen (権現,Avatar) bezeichnet.

Auch andere aus dem Ausland importierte Religionen wie derDaoismus und derKonfuzianismus beeinflussten die Auszeichnungen, Beschreibungen und Bezeichnungen wesentlich.

Besondere Kategorien und Konzepte

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  • Amatsukami (天津神) bzw. Tenjin (天神) – Himmelskami
  • Kunitsukami (国津神) bzw. Chigi (地祇) – Erdkami
  • Banshin (蕃神/蛮神) – Ahnengötter von nach Japan eingewanderten Völkern und Stämmen, wörtlich Barbaren-Kami
  • Boshijin (母子神) – Mutter-Kind-Götterpaar, die gemeinsam verehrt werden
  • Gairaishin (外来神) – Kami, die von außen übernommen wurden
  • Gunshin (軍神) – Kami der Kriegskunst
  • Haishishin (配祀神) bzw. Haishin (配神) – „Nebenkami“ eines Schreins im Gegensatz zum Shushin
  • Haraedo no Kami (祓戸の神) – Ortskami, das bei der Reinigungszeremonie angerufen wird
  • Himegami (姫神/比売神) – weibliche Kami, Göttin
  • Hitorigami (一人神) – Einzelkami, im Gegensatz zu denen, die als Mann-Frau-Paare auftreten
  • Kamurogi/Kamuroki (神漏岐) undKamuromi (神漏美) – Sammelbegriffe für männliche bzw. weibliche Ahnen-Kami
  • Kotoamatsukami (別天津神) – die ersten fünf Kami aus dem Kojiki (Die Zōkasanshin + Umashiashikabihikoji-no-Kami und Ame-no-tokotachi-no-Kami)
  • Mikogami (御子神) – Nachkomme eines Kami
  • Mikoto (/) – Ehrentitel, den eine Kami oder eine verehrte Persönlichkeit trägt
  • Myōjin – Archaischer Begriff für Kami mit besonders beeindruckenden Kräften oder Tugenden
  • Saijin (祭神) – Sammelbegriff für alle in einem Schrein verehrten Kami, d. h. Shushin und Haishishin
  • Shingō (神号) – göttlicher Titel eines Kami
  • Shinshi (神使) – göttlicher Diener, Gehilfe eines Kami in Tierform
  • Shinjū (神獣) – göttliche Tiere
  • Shushin (主神) – Haupt-Kami eines Schreins
  • Sumegami (皇神) – noble Kami, vor allem Vorfahren der kaiserlichen Familie
  • Tenjinchigi (天神地祇) kurz: Jingi (神祇) – Sammelbegriff für die Kami von Himmel und Erde
  • Wakamiya (若宮) – Schrein, der ein Ableger eines Hauptschreins ist, oder wo ein Nachkomme der Hauptgottheit verehrt wird
  • Zōkasanshin (造化三神) – Die drei Kami der Schöpfung (Amenominakanushi,Takamimusuhi und Kamimusuhi)

Liste einiger bekannter Götternamen

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Verwendung außerhalb des Shintō

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Götter der Ainu (Ureinwohner Nord-Japans)

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Bedeutende Götter (kamuy) derAinu sind:[10]

Sonstiges

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Derchristliche Gott wurde im Japanischen im16. Jahrhundert direkt aus demPortugiesischen oderLateinischen alsdeus (デウス) transkribiert oder – inneo-konfuzianistischer, chinesischer Terminologie – alstenshu (天主,Himmelsherr) oderjōtei (上帝, „höchste Wesenheit“) bezeichnet. Erstmals in derMeiji-Zeit wurde im Rahmen der Einführung des protestantischen Christentums in Bibelübersetzungen (1859 und 1862) der BegriffKami auch für den christlichen Gott verwendet. Auch für die Götter anderer Religionen wurde ab diesem Zeitpunkt der BegriffKami verwendet.

Ähnlich dem deutschen Wort „Gott“ kann das japanischeKami auch auf eine Person angewandt werden, die auf ihrem Gebiet besonders herausragend ist. DerFußballgottPelé ist im Japanischen einKami des Fußballs. Als zusätzliche Respektsbezeugung wird oft noch dasAnredesuffix-sama angefügt.Wunderkinder werden manchmal ebenfalls alsKami bezeichnet.

Der aus demMilitär bekannte BegriffKamikaze bedeutetGötterwind.

Literatur

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  • Basil H. Chamberlain:The Kojiki, Records of Ancient Matters. Asiatic Society of Japan, 1919 (online).
  • Timothy J. Vance:The Etymology of Kami. In:Journal of Religious Studies, Band 10/4, 1983 (PDF; 3,9 KB).
  • Sokyo Ono:Shinto: The Kami Way. Tuttle Publishing, 2003 (online).
  • Mary P. Fisher:Living Religions. 7. Auflage, 2008.

Siehe auch

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Weblinks

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Commons: Kami – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Sallie B. King:Egalitarian Philosophies in Sexist Institutions: The life of Satomi-san, Shinto Miko and Zen Buddhist Nun. In:Journal of Feminist Studies in Religion, Band 4/1, 1988, S. 14–15. Übersetzung vonJürgen Schuster:Schamanismus und die christliche Kirche in Japan. In:Klaus W. Müller (Hrsg.):Mission in fremden Kulturen. Beiträge zur Missionsethnologie. Festschrift fürLothar Käser zu seinem 65. Geburtstag (=edition afem – mission academics. Band 15). VTR, Nürnberg 2003,ISBN 3-933372-91-7, S. 243–252.
  2. abJürgen Schuster:Schamanismus und die christliche Kirche in Japan. In: Klaus W. Müller (Hrsg.):Mission in fremden Kulturen. Beiträge zur Missionsethnologie. Festschrift für Lothar Käser zu seinem 65. Geburtstag (=edition afem – mission academics. Band 15). VTR, Nürnberg 2003,ISBN 3-933372-91-7. S. 243–252.
  3. Übersetzt und zitiert nach Norman Havens:Immanent Legitimation: Reflections on the 'Kami Concept'. In:Contemporary Papers on Japanese Religion, Band 4, 1998 (online).
  4. abJohn J. Keane:Cultural and Theological Reflections on the Japanese Quest for Divinity. BRILL, 2016,ISBN 978-90-04-32240-0,S. 6–10 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). 
  5. D. C. Holtom:The Meaning of Kami. Chapter I. Japanese Derivations. In:Monumenta Nipponica.Band 3,Nr. 1, 1940,ISSN 0027-0741,S. 1–27,doi:10.2307/2382402,JSTOR:2382402. 
  6. https://nirc.nanzan-u.ac.jp/nfile/2272
  7. Tresi Nonno:Images of androgynous beings of Jōmon epoch. In:Cultural Anthropology and Ethnosemiotics.Band 4,Nr. 4, November 2018,S. 49 (wordpress.com [PDF; abgerufen am 16. Dezember 2019]). 
  8. John Batchelor:The Ainu and Their Folk-Lore, London 1901, S. 580–582.
  9. 神 - Yahoo奇摩字典 搜尋結果. Abgerufen am 14. Dezember 2019. 
  10. Hans A. Dettmer:Die Mythologie der Ainu. In:Egidius Schmalzriedt (Hrsg.):Götter und Mythen in Ostasien (=Wörterbuch der Mythologie. Band 4). Klett-Cotta, Stuttgart 1994,ISBN 3-12-909860-7, S. 198 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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