Kaltwalzen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springenZur Suche springen
Handwalze, die zum Kaltwalzen von z. B. diesemMessingblech verwendet wird

Kaltwalzen ist dasWalzen vonMetallen, demWalzgut, unterhalb ihrerRekristallisationstemperatur zwischen zwei oder mehrrotierendenWerkzeugen, denWalzen. Kaltwalzen findet meist beiRaumtemperatur statt, also ohne vorheriges Anwärmen. Es zählt zurKaltumformung.

Inhaltsverzeichnis

Anwendung

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Kaltwalzen ist weit verbreitet bei der Dickenreduktion vonBlechen, sowohl in der Industrie als auch imKunsthandwerk (s. Bild).

Im Industriemaßstab werden die kalt zuwalzendenMaterialien häufig alsCoils (engl. für „Rolle“ bzw. „Spule“) angeliefert, die zuvor mittelsWarmwalzverfahren zuWarmbreitband oder Mittelband dickenreduziert worden sind.

Aluminium erreicht nach diesem Verfahren Enddicken von 4–0,0065 mm, dazu muss unter Umständenzwischengeglüht werden, um dieKaltverfestigung des Metalls zu beseitigen. AusStahl wirdKaltband mit einer Dicke von 3 bis 0,25 mm hergestellt.Weißblech,Feinst- undElektroblech werden bis zu 0,1 mm dünn gewalzt.

Vorbereitung

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Einlegen des Materials

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Das zu walzende Band (Coil) wird in eine Abspul-Haspel (Payoff-Reel) eingelegt und in das Walzwerk eingeführt. Den Bandanfang nimmt dann am Streckenende eine Spann-Haspel (Tension-Reel) auf. Da häufig im Reversierbetrieb gearbeitet wird (das Band fährt in beiden Richtungen durch die Anlage), ist auf der Seite der Abspul-Haspel häufig eine zweite Spann-Haspel vorhanden.

Beizen, Entzundern

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Das Vormaterial, wie oben dargestellt meist Warmband, muss noch vonZunder undRost befreit werden. Dies geschieht dann beimStreckbiegen undBeizen.

Während beim Streckbiegen das Vormaterial unter großemZug um sehr enge Radien geführt wird, um die grobe Zunderschicht zu brechen, werden feine Verunreinigungen der Bandoberfläche beim Beizen unter Zuhilfenahme vonSäure entfernt und das Material danach der Walzanlage zugeführt. Das Beizen findet in mehreren Becken statt, die das Band durchläuft, danach wird die Säure vom Band gewaschen, um eine weitereKorrosion zu vermeiden.

Walzgerüste

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Blechproduktion im 18. Jahrhundert

Einfache Walzmethode

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Der eigentliche Walzvorgang findet inWalzgerüsten statt. Art und Anzahl der Gerüste können sich von Werk zu Werk unterscheiden, da jedes Walzwerk auf spezielleSollwerte für Enddicke, Produktart und Bearbeitungsartausgelegt wird.

Unterschieden werden vier Gerüstarten:

Gerüst mit zwei Walzen
Das Gerüst verfügt über zwei große Arbeitswalzen, zwischen denen das Band gewalzt wird. Diese Gerüstart wird meist fürNichteisenmetalle verwendet.
Gerüst mit vier Walzen
Das Gerüst verfügt über zwei mittlere Arbeitswalzen, die senkrecht von zwei großen Stützwalzen eingeschlossen werden. Die Stützwalzen stabilisieren die Arbeitswalzen, erlauben eine höhere Abnahme pro Banddurchlauf (Stich) und sorgen somit für eine höhereProduktivität.
Gerüst mit sechs Walzen
Das Gerüst verfügt über zwei kleine Arbeitswalzen, die von zwei mittelgroßen Zwischenwalzen und zwei großen Stützwalzen eingeschlossen werden. Wie beim Vier-Walzen-Gerüst sorgt diese Konstellation für eine höhere Leistung und Stabilität. Mit der Verringerung der Arbeitswalzengröße geht eine Verringerung derBetriebskosten einher, da die Arbeitswalzen schneller verschleißen als Zwischen- oder Stützwalzen und daher häufig gewechselt werden müssen. Die kleineren Walzen sind einfacher zu handhaben, billiger zu ersetzen und schneller nachzuarbeiten.
Vielwalzen-Gerüst
Diese Gerüstart ist eine Besonderheit, da hier viele Walzen unterschiedlicher Größen (meist 18 oder mehr Walzen)symmetrisch in zwei Keilen angeordnet sind. Dabei stellen die zwei Arbeitswalzen die Spitze der Keile dar, die jeweils senkrecht auf das Band gerichtet sind. Solche Vielwalzengerüste sind in der Lage, sehr hohe Abnahmewerte zu erreichen und/oder dabei sehr genaue Bandtoleranzen einzuhalten. Sie werden meistens fürEdelstähle, besondersnichtrostende Stähle, eingesetzt. Die bekannteste Bauart eines Vielwalzen-Gerüstes ist dasSendzimir-Gerüst mit 20 Walzen.

Gekoppelte Walzgerüste

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Häufig wird in großen Anlagen dasGrobblech kontinuierlich, also nicht reversierend, gewalzt. Da ein erneutes Zuführen zur Walze nicht möglich ist, die Dickenabnahme jedoch nicht in einem Stich erfolgen kann, werden gekoppelte Walzgerüste eingesetzt. Diese stehen hintereinander, das Blech wird von Gerüst zu Gerüst dünner, die Walzgeschwindigkeiten nehmen dabei stetig zu (sieheGesetz der Volumenkonstanz).

Geschichte

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Skulptur Kaltwalzer an der Stennertbrücke inHohenlimburg

Kaltgewalzte Feinstbleche gibt es seit Ende des 17. Jahrhunderts. In England wurde seit etwa 1810Weißblech kaltgewalzt. In Deutschland wurde die Kaltwalztechnik, die den Grundstoff für viele Produkte lieferte, um 1830mechanisiert: derDrahtzieherJohann Peter Hüsecken ausLimburg a. d. Lenne produzierte damals mit denwassergetriebenenHammerwerken im HohenlimburgerNahmertal und mitgeschliffenen undgehärteten Stahlwalzen vonAlfred KruppBandstahl z. B. fürReifröcke. Noch heute werden ca. 70 Prozent der deutschen Kaltwalzerzeugnisse im Raum Hohenlimburg hergestellt.

Seit den 1860er Jahren war das Kaltwalzen mit dem System hintereinander angeordneter Walzgerüste mit unterschiedlicher Walzgeschwindigkeit in England verbreitet.[1] Der Wasserantrieb wurde bis zu dieser Zeit durchDampfmaschinen und im 20. Jahrhundert durchelektrische Antriebe ersetzt, die das Umsteuern von Blechtafeln erleichterten.

Seit den 1960er Jahren gewinnt das Kaltwalzen von Aluminium z. B. für dieFlugzeugindustrie immer größere Bedeutung. Im selben Jahrzehnt begann auch dieAutomatisierung des kontinuierlichen Kaltwalzens. Diedigitale Technik erlaubt heute die Optimierung auch extrem dünner Walzprofile.

Das Deutsche Kaltwalzmuseum hatte seinen Standort von 1988 bis 2017 imSchloss Hohenlimburg. Im April 2024 war Neueröffnung des Museums in einem größeren neuerbauten Gebäude imWestfälischen Freilichtmuseum Hagen.

Siehe auch

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Weblinks

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. Ludwig Beck:Die Geschichte des Eisens in technischer und kulturgeschichtlicher Beziehung: Das XIX. Jahrhundert von 1860 an bis zum Schluss. Braunschweig 1903, S. 222.
Normdaten (Sachbegriff):GND:4163138-9(lobid,OGND,AKS)
Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kaltwalzen&oldid=249456394
Kategorien: