Dieser Artikel erläutert das historische kaiserlich-königliche Staatsgebilde (1804–1867). Zu Titel und Krone des Kaisertums sieheKaiser von Österreich.
Das Kaisertum Österreich war seit seiner Gründung mit 698.700 km² flächenmäßig das zweitgrößte politische Gebilde (nach demRussischen Kaiserreich) und mit 21,2 Millionen Menschen (im Jahr 1804) an dritter Stelle der Staaten Europas (nach Russland undFrankreich).
Mit der Annahme deskaiserlichen Titels am 11. August 1804[2] wollte Franz die Ranggleichheit mitNapoleon I. wahren, der sich am 18. Mai zum erblichen Kaiser vonFrankreich ernannt hatte und sich nachfolgend am 2. Dezember 1804 zumKaiser der Franzosenkrönte. Denn Franz war bisher alsFranz II. der Kaiser desHeiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, eines losen, in sich zerstrittenenStaatenbundes, dessen baldiges Ende durch den Druck Napoleons samt Verlust von Franzens Kaisertitel klar voraussehbar war.
Durch die beiden Kaisertitel war Franz zwischenzeitlichDoppelkaiser. Nach zwei Jahren des Doppelkaisertums erklärte Franz am 6. August 1806 das Heilige Römische Reich Deutscher Nation für erloschen und legte dessenReichskrone nieder,[3] da nach der bereits im Juli erfolgten Gründung desRheinbundes die Gefahr einer Übernahme des Reiches durch Napoleon bestand.
Erst mit demWiener Kongress 1814/15 endeten die Kriege gegen Napoleon, die das Land wirtschaftlich schwer belastet hatten. Am 20. Februar 1811 war von Kaiser Franz I. derStaatsbankrott erklärt worden, den er in den Jahren davor mehrmals hinausgeschoben hatte. Der Banknotenumlauf war zu Jahresbeginn auf über eine MilliardeGulden angewachsen, das Zehnfache der Geldmenge des Jahres 1800. Die umlaufendenBancozettel wurden gemäß kaiserlichem Finanzpatent bis zum 31. Jänner 1812 durch neueEinlösungsscheine zu 20 Prozent des alten Nennwertes ersetzt, danach waren Bancozettel wertlos.
Österreich wurde Mitglied des auf dem Wiener Kongress neu gegründetenDeutschen Bundes bis zudessen Auflösung 1866. Es übernahm den Vorsitz imBundestag inFrankfurt und hatte wesentlichen Einfluss auf die Politik und den Werdegang des Bundes. Wie auch im FallePreußens umfasste die Mitgliedschaft nur jene Teile des Kaiserreiches, die zuvor Teil des Heiligen Römischen Reiches waren. 1816 stellte es jedoch im Bund mit 9,29 Millionen (30,5 %) den größten Teil der Gesamtbevölkerung.[4]
Die folgende Ära bis 1848 war von der Regierung desFürsten Metternich geprägt, der innen- wie außenpolitisch versuchte, die alte feudale Ordnung zu bewahren, zumal sich der Ruf nach bürgerlichen Freiheiten verstärkte. In Kunst und Literatur war es die Zeit vonBiedermeier undVormärz; letzterer ist auch ein politischer Begriff für die Jahre vor dem März 1848.
Letztlich konnten sich die Habsburger nur dank massiverrussischer Militärhilfegegen Ungarn und dem Einsatz der Kroaten unterBanus Jellačić halten. Letztere lehnten eine UnterdrückungKroatiens durch die Ungarn stärker ab als die Herrschaft der Habsburger. Der Kampf derNationalitäten gegeneinander, der das Reich fast gesprengt hätte, rettete nun dieDynastie. Auch in Wien wurde die Revolution durchJellačić undWindischgrätz 1849 niedergeschlagen.
Preußen versuchte mit derErfurter Union 1849/50, die deutschen Staaten mit Ausnahme Österreichs zu vereinen. Dem setzte Österreich denGroßösterreich-Plan entgegen, ging aber auch imVierkönigsbündnis vom Februar 1850 auf die WünscheBayerns und anderer Staaten ein, dem Deutschen Bund mehr Rechte einzuräumen. Wegen der verschiedenen Interessen gelang es aber weder Österreich, alle seine Gebiete dem Bund beitreten zu lassen, noch Bayern und den übrigen Staaten, den Bund zu stärken. Daher wurde nach derHerbstkrise 1850, in der es fast zu einem österreichisch-preußischen Krieg gekommen wäre, der Deutsche Bund im Sommer 1851 mehr oder weniger in alter Form wiederhergestellt. Während der Zeit des Neoabsolutismus erlebte das Habsburgerreich zunächst eine innere Konsolidierung und – indem eine effektive Staatsbürokratie geschaffen wurde, dieIndustrialisierung undEisenbahnbau förderte – einen wirtschaftlichen Aufschwung.
Im Jahr 1859 ging nach den Schlachten vonMagenta undSolferino dieLombardei verloren.Napoleon III. unterstützte die italienische Nationalbewegung und der unerfahrene junge Kaiser ließ sich in einen Krieg gegenFrankreich ziehen, in dem er auch noch selbst das Kommando übernahm. Mailand und die Sekundogenituren gingen anSardinien-Piemont verloren, nur Venetien blieb dem Kaisertum noch wenige Jahre. Die Schlacht von Solferino und Magenta war der Anlass für die Gründung desRoten Kreuzes durchHenri Dunant und für dieGenfer Konventionen (1864), denen Österreich 1866 beitrat.
Die Niederlage von Solferino beschädigte das kaiserliche Prestige schwer und machte ein Aufrechterhalten desneoabsolutistischen Regiments unmöglich. Es kam zu zwei Verfassungsentwürfen (Oktoberdiplom 1860 undFebruarpatent 1861, beide per Anordnung des Kaisers erlassen). Schon diese beiden Entwürfe zeigen ein starkes Schwanken zwischenZentralismus undFöderalismus, wobei ersterer von denLiberalen und letzterer von denKonservativen getragen wurde. Beide erwiesen sich als nicht durchführbar. Das Modell des Oktoberdiploms, das Parlament von den Landtagen wählen zu lassen, hatte das liberale Bürgertum gegen sich, und der Versuch des liberalen MinisterpräsidentenAnton von Schmerling, einen allgemeinen Reichstag direkt wählen zu lassen, scheiterte nicht zuletzt am Boykott durch Ungarn.
Auch im Inneren musste das Reich auf eine neue Basis gestellt werden, denn das kaiserliche Prestige war abermals am Boden. Als gangbarster Weg schien es Franz Joseph I., sich mit den gemäßigten ungarischen Liberalen unterGraf Andrássy undFerenc Deák zu einigen und demKönigreich Ungarn einen Sonderstatus anzubieten. 1867 wurde mit demAusgleich, der dem ungarischen Landesteil(Transleithanien) und demKönig von Ungarn Gleichwertigkeit mitCisleithanien und demKaiser von Österreich einräumte, das Kaisertum Österreich in die DoppelmonarchieÖsterreich-Ungarn umgewandelt. Gleichzeitig erhielt der weiterhin kaiserlich beherrschte Teil mit den Staatsgrundgesetzen derDezemberverfassung von 1867 eine bis 1918 gültige Verfassung, die teilweise in die seit 1920 gültigeBundesverfassung derRepublik Österreich übernommen wurde.
Die BezeichnungKaisertum Österreich wurde fortan nicht mehr gebraucht. Offiziell wurde der österreichische Landesteil nun meist alsdie imReichsrat vertretenen Königreiche und Länder bezeichnet, von Politikern und Juristen kurzCisleithanien genannt. Der NameÖsterreich wurde aber in bestimmten Bezeichnungen, wieOesterreichisch-ungarische Bank, nach wie vor verwendet; tschechische Politiker, die eine Regierung in Prag verlangten, lehnten es ab, unter Österreich subsumiert zu werden. 1915, als der Reichsrat vertagt war, wurde „Österreich“ für Cisleithanien wieder offizielle Bezeichnung.
Verwaltungsgliederung des Kaisertums Österreich, hauptsächlich ab dem Wiener Kongress 1815, mit den Gebietsreformen 1848 bis zumOktoberdiplom von 1860 – bei der Gründung 1804 war es teils anders organisiert (vergl. Titel desKaisers Franz I.)
↑Franz Zeilner:Verfassung, Verfassungsrecht und Lehre des Öffentlichen Rechts in Österreich bis 1848: Eine Darstellung der materiellen und formellen Verfassungssituation und der Lehre des öffentlichen Rechts. Peter Lang, Frankfurt am Main 2008,ISBN 978-3-631-57765-3,S.25,45.