Justus Liebig wurde als Sohn desDrogisten sowie Farbenhändlers Johann Georg Liebig und seiner Frau Maria Caroline Liebig, geb. Fuchs genanntMoeser in Darmstadt geboren. Er gehörte demDarmstädter Zweig desGeschlechts Liebig an. SeinTaufname lauteteJohann Justus.[2]
Schon früh experimentierte er mit den Materialien, die er in der Werkstatt seines Vaters vorfand, und entwickelte dadurch eine starke Neigung zur Chemie. Auch die chemischen Experimente, die von Schaustellern auf Jahrmärkten vorgeführt wurden, weckten sein Interesse, insbesondere die Herstellung von Knallerbsen, bei der er dasKnallquecksilber erstmals kennenlernte.
Den Besuch desPädagogiums in Darmstadt beendete er schon in derSekunda. Sein Lehrer, der Konrektor Johann Justus Storck (1772–1831), bewertete seine intellektuellen Fähigkeiten mit den Worten: „Du bist ein Schafskopf! Liebig, deinLatein reicht gerade aus zumApotheker.“[3] Tatsächlich brach Liebig eine Apothekerlehre bei Gottfried Pirsch (1792–1870) inHeppenheim nach etwa einem Jahr vorzeitig ab, weil er bei seinen privaten Versuchen mitKnallsilber einen Dachstuhlbrand in der Apotheke verursacht hatte.
Er kehrte nach Darmstadt zurück und half seinem Vater in der Werkstatt. Nebenher besuchte er oft die großherzogliche Bibliothek, um sich in der Chemie alsAutodidakt aus Büchern und durch private Untersuchungen fortzubilden.
Justus Liebig als junger Student 1821, Zeichnung von 1843
Durch Vermittlung seines Vaters begann Justus Liebig im Herbst 1819 ein Chemiestudium inBonn beiKarl Wilhelm Gottlob Kastner, den Liebig bereits im Geschäft seines Vaters kennengelernt hatte, der sein Talent schnell erkannte und ihn als Assistenten in seinem Labor beschäftigte. Als Kastner 1821 einenRuf als Professor an dieUniversität Erlangen annahm, folgte ihm Liebig. Hier konnte er bereits drei Arbeiten zu Knallsilber bzw. Salzäther veröffentlichen. Zwei von ihnen wurden, gemeinsam mit der 1822/23 fertig gestellten SchriftÜber das Verhältnis der Mineralchemie zur Pflanzenchemie, als Dissertationsschrift angenommen. Liebig wurde damit am 22. Juni 1823in absentia („in Abwesenheit“, eine damals zwar noch vorhandene, aber bereits auslaufende Möglichkeit,promoviert zu werden ohne mündliche Prüfung/Verteidigung) zum Doktor der Philosophie promoviert, da er sich seit September 1822 in Paris aufhielt.[4] Sein Doktorvater Kastner hatte zuvor beiGroßherzogLudwig I. vonHessen erwirkt, dass Liebig ein sich auf zwei Jahre belaufendesStipendium zum Studium an derPariser UniversitätSorbonne erhielt, damals ein führendes Zentrum der Chemie. Hier analysierte er unter anderem Mineralien und lernte bei den ProfessorenJoseph Louis Gay-Lussac,Louis Jacques Thénard undLouis-Nicolas Vauquelin den damals fortschrittlichsten Chemie-Unterricht kennen. Auch die französischen ChemikerJean-Baptiste Dumas undThéophile-Jules Pelouze trugen zu seiner chemischen Ausbildung bei.
Nachdem Liebig bereits Mitglied einer BonnerBurschenschaft geworden war, schloss er sich in Erlangen demCorps Rhenania I an. Im März 1822 nahm Liebig, der auch Mitglied der Bonner und Erlanger Burschenschaft von 1820/22 war, an Demonstrationen der freiheitlich gesinnten Studenten gegen die Obrigkeit teil. Infolgedessen wurde er von der Polizei gesucht und musste nach Hause fliehen.
Bald trat er mit eigenen Arbeiten überKnallquecksilber hervor, wodurch der auch in Paris wirkende deutsche NaturforscherAlexander von Humboldt auf ihn aufmerksam wurde. Durch dessen Empfehlung an den hessischen Großherzog wurde der erst 21-jährige Liebig am 26. Mai 1824 außerordentlicherProfessor für Chemie an derLudwigs-Universität Gießen; am 7. Dezember 1825 wurde er ordentlicher Professor für Chemie und Pharmazie.[5] Seine Arbeitsbedingungen spiegelten das bis dahin geringe Ansehen der chemischen Fakultät wider: Sein Gehalt war gering, und für Geräte, Chemikalien, Kohle usw. erhielt er nur minimale Zulagen. So musste er viele dringend benötigte Apparate und Materialien aus der eigenen Tasche bezahlen, um überhaupt lehren zu können. Trotzdem fand er bei den Gießener Studenten wegen seiner Lehrmethoden schnell großes Interesse und Zulauf.
Im Jahr 1826 traf Justus LiebigFriedrich Wöhler, mit dem er zusammen forschte und freundschaftlich verbunden war.[6] Im selben Jahr heiratete er Henriette Moldenhauer.
Liebigs Gießener Labor, um 1841, Abbildung nach einem Gemälde vonWilhelm Trautschold
Um seine finanziellen Probleme zu mildern, betrieb er nebenberuflich von 1827 bis 1833 ein privates Institut für Pharmazie und technisches Gewerbe, in dem er zusammen mit den ProfessorenHermann Umpfenbach,Friedrich Christian Gregor Wernekink undGeorg Gottlieb Schmidt Apothekengehilfen und zukünftige Leiter der technischen Gewerbe ausbildete. Er legte damit den Grundstock für seine 1832 gegründete ZeitschriftAnnalen der Pharmacie, später allgemein bekannt alsLiebig’s Annalen und in Großbritannien von derChemical Society hochgeschätzt.
Seine Lehrmethode, seine Entdeckungen und Schriften machten ihn bald weltweit bekannt, mit der Folge, dass neben vielen Deutschen auch zahlreiche Ausländer, darunter 84 Engländer und 18 Amerikaner, nach Gießen kamen, um Liebigs Vorlesungen über Chemie und Pharmazie zu hören. Bedeutende Schüler von ihm warenAugust Wilhelm von Hofmann, der bei Liebig von 1836 bis 1845 studierte, promovierte und sich als dessen Assistent habilitierte, (in Berlin) der Pathologe und InternistWilhelm Olivier von Leube sowie (in Gießen) der Arzt und ChemikerJohann Joseph von Scherer[7][8] 1843 wurde Liebig in dieAmerican Academy of Arts and Sciences gewählt.
Zu Liebigs Studenten an der damaligen Ludwigs-Universität Gießen gehörte 1833 im Übrigen der RevolutionärGeorg Büchner.[9] Er soll den experimentierenden Doktor in seinemDramenfragmentWoyzeck an Justus Liebig angelehnt haben.[10] Ferner studierte der jüngere Bruder des Dramatikers, der spätere Chemiker undPolitikerWilhelm Büchner, bei Liebig.[11]
Berufungen an die UniversitätenDorpat 1827,Göttingen 1835,St. Petersburg 1839,Wien 1841,London 1845 undHeidelberg 1851 lehnte Liebig ab, konnte aber jedes Mal durch Bleibeverhandlungen mit dem zuständigen Ministerium seine finanzielle und berufliche Situation verbessern. Von der Universität Göttingen erhielt Liebig 1847 einen medizinischen Doktortitel.
Im Jahr 1845 wurde er auf eigenen Wunsch von dem GroßherzogLudwig II. von Hessen für seine Verdienste mit dem TitelFreiherr geadelt.
Schließlich sondierte dieUniversität München durch den ProfessorMax von Pettenkofer wegen einer Berufung. KönigMaximilian II. von Bayern lud Liebig persönlich ein, bot ihm in einer Privataudienz den Bau eines neuen Chemischen Instituts mit daneben liegendem Wohnhaus an und sicherte ihm weitgehende Freiheit in Lehre und Forschung zu. Liebig nahm die Berufung zum Professor für Chemie an und lehrte ab 1852 in München. Sein Nachfolger in Gießen wurde sein SchülerHeinrich Will.
In den 1850er Jahren gelang es Justus von Liebig, Glaskörper mit einer Silberlösung zu beschichten und zum spiegelnden Glänzen zu bringen.[12][13] Liebig wollte damit sein naturwissenschaftliches Gerät verbessern.[14][15]
Justus Liebig starb am 18. April 1873 in München an einerLungenentzündung und wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung am 21. April zu Grabe getragen.
Die Grabstätte von Justus Liebig befindet sich auf demAlten Südlichen Friedhof in München (Gräberfeld 40, Reihe 12, Platz 11 –Standort48.12511.563388888889). In dem Grab befinden sich aufgrund der familiären Verflechtungen Mitglieder der Familien Liebig undCarriere. Das Grabmal entwarf der BildhauerAnselm Sickinger. Die Büste Justus von Liebigs schufMichael Wagmüller. Ursprünglich war sie aus Marmor und von einem Glasgehäuse geschützt. Später wurde sie durch eine Bronzekopie ersetzt.[23]
Justus Liebig heiratete 1828 in Darmstadt Henriette Moldenhauer (1807–1881), die Tochter desKriegs-,Hof- undHofkammerrats Michael August Wilhelm Moldenhauer.[24] Mit ihr hatte er fünf Kinder:
Liebig begann seine wissenschaftliche Tätigkeit in Gießen mit der Untersuchung hessischer und bayerischer Heilquellen und deren Nutzbarmachung für dieSalzgewinnung. Dabei stellte er schnell fest, dass die damaligen Analysemethoden sehr langwierig waren und vergleichsweise ungenaue Ergebnisse lieferten.
Liebigs Kali-Apparat
Es gelang ihm in jahrelangen Versuchen, die Analysegeräte zu vervollkommnen, vor allem aber dieElementaranalyse, d. h. die Ermittlung der elementaren Zusammensetzung von tierischen und Pflanzenteilen durch den von ihm 1831 entwickeltenFünf-Kugel-Apparat (ursprünglichKali-Apparat genannt) und weitere Änderungen wesentlich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Er untersuchte zusammen mit seinen Mitarbeitern und Studenten in der Folgezeit Hunderte von Pflanzen und Pflanzenteilen und viele Organe und Produkte von Tieren auf ihre Zusammensetzung und veröffentlichte ihre Ergebnisse. Damit begründete er praktisch dieOrganische Chemie, weil niemand vorher derart viele exakte und jederzeit nachprüfbare Untersuchungen hatte durchführen können.
Er entdeckte im Harn dieHippursäure, in der Fleischflüssigkeit dasKreatinin und im Hundeharn die Kynurensäure. So beförderte er dieNephrologie.[29] Er schrieb: „Als Muttersubstanz des Kreatinins hat zweifellos dasKreatin zu gelten.“[30]
Zusammen mit seinem Freund Friedrich Wöhler, der an der Höheren Gewerbeschule (Polytechnikum) inKassel wirkte (und 1836 einem Ruf auf den Lehrstuhl für Chemie und Pharmazie inGöttingen folgte), entwickelte er 1832 dieRadikaltheorie, welche die Vielzahl von Stoffen erklärt, die nur aus Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff bestehen (siehe hierzu auchGeschichte der Substitutionsreaktion).
Ebenfalls mit Wöhler entdeckte er am Beispiel des Knallsilbers einerseits und des Silbercyanats andererseits dieIsomerie, d. h. den Umstand, dass zwei verschiedene Stoffe die gleiche Zusammensetzung, aber unterschiedliche Struktur und Eigenschaften haben können.
Im Jahre 1831 entdeckte er – zeitgleich mit anderen Forschern – das von ihm als „Chlorkohlenstoff“ bezeichneteChloroform, dessen genaue chemische Zusammensetzung drei Jahre später durch Liebigs Lehrer Dumas, der 1834 die Substanz zudem erstmals als „Chloroform“[31] bezeichnete, aufgeklärt wurde[32] und das zwei Jahrzehnte später als eines der erstenNarkotika in der Medizin eingesetzt wurde.
Sein Hauptinteresse während seiner Gießener Zeit galt der Förderung der Landwirtschaft mit dem Ziel, die zum Teil verheerenden Hungersnöte der damaligen Zeit – er hatte 1816 imJahr ohne Sommer selbst eine erlebt – zu verhindern. Seine Erkenntnisse auf diesem Gebiet fasste er 1840 und 1842 in zwei Werken zusammen:Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie, kurzAgriculturchemie genannt, undDie Thierchemie oder die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Diese beiden Bücher erregten ungeheures Aufsehen, nicht nur bei Wissenschaftlern, sondern bei allen Gebildeten seiner Zeit. DieAgrikulturchemie, in der er die Mineraldüngung propagierte und ihre Bedeutung für Qualität und Ertrag der Pflanzen erklärte, erlebte neun Auflagen und wurde überdies in 34 Sprachen übersetzt.
Fünf-Kugel-Apparat (moderner Nachbau)CO2-Komprimierer in Liebigs Privatlabor
In seinem Privatlabor widmete er sich 1846 bis 1849 u. a. der Entwicklung eines wasserlöslichenPhosphatdüngers, zusammen mit seinen englischen SchülernEdward Frankland undJames Sheridan Muspratt. Das Ergebnis war das so genannte Superphosphat, das auch heute noch der weltweit meistverwendete Phosphatdünger ist. Der Dünger verbesserte die Ernte und dadurch die Nahrungsversorgung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts außerordentlich.
Liebig erlangte durch seine Forschungen im Gießener Institut, durch seine bahnbrechenden Lehrmethoden, insbesondere seine Experimentalvorlesungen, und durch seine Veröffentlichungen auf dem Gebiete der Chemie, der Pharmazie, der Physiologie und der Landwirtschaft weltweite Anerkennung. Sein Gießener Laboratorium wurde zum Mekka für die Chemiker aus aller Herren Ländern.
In München bezog er ein ganz nach seinen Wünschen gebautes Wohnhaus und das daneben liegende Chemische Institut. Er hielt in den Folgejahren auch hier Vorlesungen vor den Studenten, dies aber in stark reduziertem Ausmaß. Den Hauptteil der Vorlesungen und Praktika überließ er nun seinen Assistenten.
Als die Tochter seines FreundesJames Muspratt 1852 in seinem Haus anCholera erkrankte, brachte ihn das auf die Idee, ein „Fleischinfusum“ zu entwickeln, mit dessen Hilfe Personen mit schweren Magen- und Darmerkrankungen vor dem Tod gerettet werden konnten. Aus diesem Infusum hat er später „LiebigsFleischextrakt“ entwickelt.
Kolben mit Silberspiegel
Außerdem arbeitete er an der Entwicklung eines Silberspiegels anstelle der bis dahin üblichen, aber die Gesundheit gefährdenden Quecksilberspiegel. Die von ihm 1858 veranlasste Produktion der Spiegel[33] musste jedoch nach wenigen Jahren eingestellt werden, weil die Bevölkerung die Quecksilberspiegel bevorzugte. Erst als diese 1886 wegen ihrer Giftigkeit verboten wurden, ging man allgemein zur Silberspiegelfabrikation über.
Um Säuglinge aus armen, schlecht ernährten Familien, für die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen keine Muttermilch und auch keineAmme zur Verfügung stand, vor dem Verhungern zu bewahren, entwickelte Liebig nach längeren Untersuchungen eine „Suppe für Säuglinge“, wie er das Produkt nannte und in Zeitungen empfahl. Es handelte sich um einen frühen Vorläufer der heutigen Babynahrung.
Viel Zeit und Arbeit investierte Liebig in die Schaffung eines chemischen Gemisches, mit dessen Hilfe man Brot backen konnte, ohne auf die leicht verderbliche Hefe angewiesen zu sein. Zusammen mit seinem amerikanischen SchülerEben Norton Horsford führten diese Experimente zu einem Produkt, das wir heuteBackpulver nennen. In Amerika hatte Horsford mit dembaking powder großen finanziellen Erfolg. In Deutschland fand das Backpulver ab 1892 weite Verbreitung, weilAugust Oetker das Backpulver nicht den Bäckern zum Brotbacken, sondern den Hausfrauen zum Kuchenbacken empfahl. Der Durchbruch war Justus Liebig verwehrt, da den Hausfrauen in damaliger Zeit keine genauen Waagen zur Verfügung standen. Oetkers Idee, die Abfüllung und Darreichungsgröße für eine bestimmte Menge Mehl anzubieten, die gut abzuwiegen war (1 Pfund), ermöglichte den wirtschaftlichen Erfolg, wenn auch nicht für Liebig.
Die größte Publizität verschaffte Liebig die Entwicklung seines Fleischextraktes. Es war die Weiterentwicklung seines 1852 hergestellten Fleischinfusums und wurde anfangs nur in geringem Umfange in Münchner Apotheken verkauft. Erst als der deutsche Ingenieur Georg Christian Giebert 1862 von Liebig die Lizenz zur Großproduktion inUruguay erhalten hatte, wurde „LiebigsFleischextrakt“ inFray Bentos in riesigen Mengen erzeugt und weltweit verkauft. Nach Liebigs Vorstellungen sollte der Fleischextrakt ein Nährmittel vor allem für die ärmere Bevölkerung sein. Der relativ hohe Preis und seine Zusammensetzung ließen dies jedoch nicht zu. Letztlich bewährte sich der Fleischextrakt als sehr beliebte Würze für Suppen und Speisen. Der Extrakt wurde damit zum Vorläufer der heute verbreiteten Speisewürzen wieMaggi-Würze undKnorr. Der Fleischextrakt wurde in Packungen mit Sammelbildern verkauft. Diese sogenanntenLiebigbilder erfreuten sich jahrzehntelang größter Beliebtheit. Von 1873 bis 1975 erschienen über 7000 Serien dieser Liebigbilder.
In den letzten Jahren seines Lebens beschäftigte Liebig sich mit der Physiologie der Gärung und hatte in seiner chemischen Erklärung den französischen MikrobiologenLouis Pasteur zum erbitterten Gegner. Liebig vertrat die Auffassung, dass eine zellfreie Gärung möglich sei, während Pasteur nur an eine Gärung im Beisein vonMikroorganismen glaubte. Die Forschung hat letzten Endes beiden Recht gegeben: Es gibt eine an Mikroorganismen gebundene Gärung, beispielsweise die Hefegärung von Alkohol, aber auch eine zellfreie Gärung, beispielsweise dieZymase.
Nach Liebig ist dasLiebigsche Minimumgesetz benannt, das ursprünglich vonCarl Philipp Sprengel stammt, jedoch durch Liebig – in erweiterter Form – zielgerichtet verbreitet und bekannt gemacht wurde. In Sprengels Fassung fehlten noch die wichtigen nichtstofflichen Faktoren wie Wärme, Licht etc., die Liebig dann einbezog. Das Minimumgesetz besagt, dass das Pflanzenwachstum durch die knappste Ressource (Nährstoffe wie Kohlenstoffdioxid, Salze, Wasser, Licht etc.) begrenzt wird. Wenn ein solcher Faktor fehlt, bleibt das Wachstum gestört, selbst wenn andere Ressourcen vorhanden sind. Das Minimumgesetz ist eine wichtige Grundlage für die Planung von Düngemaßnahmen.
Auch derLiebigkühler ist nicht, wie angenommen, von Liebig erfunden worden, sondern wurde schon weit früher eingesetzt, er wurde aber durch Liebig populär.
Dankesschreiben Justus Liebigs an Heinrich Emanuel Merck
In die Geschichte eingegangen ist Justus Liebig als einer der bekanntesten und erfolgreichsten Chemiker seines Jahrhunderts sowie als Begründer der Agrochemie. Darüber hinaus waren seine experimentellen und theoretischen Erkenntnisse richtungsweisend für die gesamte Entwicklung derorganischen Chemie.
Durch seine literarische Tätigkeit hatte er großen Einfluss auf die Entwicklung seines Fachgebietes. So war er seit 1832 zusammen mitPhilipp Lorenz Geiger undRudolph Brandes Herausgeber der damals maßgebenden wissenschaftlichen ZeitschriftAnnalen der Pharmacie (späterAnnalen der Chemie und Pharmacie undLiebigs Annalen der Chemie).Alleine oder gemeinsam mit seinen Kollegen Poggendorff, Geiger und Wöhler verlegte er ab 1837 diverse richtungsweisende Lehr- und Nachschlagewerke.
1840 publiziert er sein grundlegendes Werk überAgrikulturchemie. In der ersten Zeit nach Veröffentlichung waren seine Grundaussagen umstritten und wurden von der Wissenschaft und praktischen Landwirtschaft als inkompetent erachtet. Erst ca. 20 Jahre nach Veröffentlichung der Agrikulturchemie erfuhr Liebig breite wissenschaftliche Anerkennung. Die praktische Anwendung seiner Lehre führte seither zur Vervielfachung der Ernteerträge. Die Ernährung industriell und großstädtisch organisierter Gesellschaften wäre ohne Kenntnis der Liebig’schen agrikulturchemischen Grundaussagen nicht möglich.[34] So ist beispielsweise in Deutschland die agrarische Produktion zwischen 1873 und 1913 um 90 % gestiegen. Diese Zunahme basierte neben der Mechanisierung der Landwirtschaft und wissenschaftlich begründeter Tierzucht insbesondere auf der Verwendung von bergbautechnisch gewonnenen bzw. industriell hergestellten Düngemitteln.[35]
Um die Erkenntnisse der Chemie einem breiteren Publikum nahezubringen, schrieb Liebig seit 1841 sogenannteChemische Briefe, populärwissenschaftliche Abhandlungen, die in derAugsburger Allgemeinen Zeitung in unregelmäßigen Abständen erschienen und bei den Lesern großen Anklang fanden.[36]
Justus Liebig hat mit seinen Vorlesungen den experimentellen Unterricht in den naturwissenschaftlichen Fächern eingeführt. Durch seine Forschungen auf dem Gebiete der Analytik wurde die Chemie zur exakten Wissenschaft. Anlässlich seines 200. Geburtstages wurde dasWissenschaftsjahr 2003 als „Jahr der Chemie“ begangen.
Auf den Liebigschen Erkenntnissen und Methoden beruhte die chemische Forschung des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts. Unter den ersten 60Nobelpreisträgern der Chemie waren 42 der Geehrten Nachfolger seiner Schüler.[37]
Der Name Liebig und seine Erfindung wurden weltweit vor allem durch die internationale 1865 in London gegründeteLiebig’s Extract of Meat Company mit Hauptbetriebsstätte inFray Bentos (Uruguay) beziehungsweise durch deren Produkte, Logos und Werbung bekannt. 1964 schlossen sich die Liebig Co. und die Welt-Teefirma Brook Bond & Company (gegründet 1869 in Manchester durch Arthur Brook) zur Brook Bond Liebig Co. zusammen und wurden später vom Unilever-Konzern (gegründet 1874 durch die Brüder Lever, ab 1929 Unilever) übernommen. Die Liebig-Konzentrat-Würfel waren in Frankreich und Belgien noch in den 1950er Jahren unter dem NamenCubes Liebig (Aussprache etwa „Küb Lie-ebig“) ein allgemeines Haushalts-Lebensmittel.
Einige Bemerkungen über die Bereitung und Zusammensetzung des Brugnatellischen und Howardschen Knallsilbers. In: Repertorium für die Pharmacie. Band 12. Nürnberg 1822, S. 412–426 (Digitalisat und Volltext imDeutschen Textarchiv).
Ueber die Verbindungen, welche durch die Einwirkung des Chlors auf Alkohol, Aether, ölbildendes Gas und Essiggeist entstehen. In:Liebigs Annalen. Band 1, 1832, S. 182–230 (freier Volltext in der Google-Buchsuche).
Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig 1842 (Digitalisat).
Die Thierchemie, oder die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie 1842, Verlag Vieweg Braunschweig (Digitalisat und Volltext imDeutschen Textarchiv); 2. Auflage 1843.
Ueber das Studium der Naturwissenschaften und über den Zustand der Chemie in Preußen. Vieweg, Braunschweig 1840 (Digitalisat).
Liebig, Geiger:Handbuch der Organischen Chemie – mit Rücksicht auf Pharmacie 1843,Verlag Winter, Leipzig und Heidelberg (Digitalisat).
Ueber einige Harnstoffverbindungen und eine neue Methode zur Bestimmung von Kochsalz und Harnstoff im Harn. In:Ann. Pharm. Band 85, 1853, S. 289–328 (freier Volltext in der Google-Buchsuche).
Ueber Theorie und Praxis in der Landwirtschaft. Braunschweig 1856.
Über das Verhalten der Ackerkrume zu den in Wasser löslichen Nahrungsstoffen der Pflanzen. München,Cotta, 1858 (freier Volltext in der Google-Buchsuche).
Bereits zu Lebzeiten wurde er durchJohn Laurence Smith geehrt, der ein von ihm 1848 neu entdecktes Mineral, denLiebigit nach ihm benannte.[38]
Auch eine PflanzengattungLiebigiaEndl. aus der Familie derGesneriengewächse (Gesneriaceae) ist nach ihm benannt.[39]
In den Jahren nach Liebigs Tod wurden ihm in einigen Städten DeutschlandsLiebig-Denkmale errichtet, u. a. in München auf demMaximiliansplatz (1883), in Darmstadt auf dem Luisenplatz und in Gießen an der Ostanlage. Das ursprüngliche, vonFritz Schaper 1890 geschaffene große GießenerLiebigdenkmal wurde 1945 zerstört, der Kopf konnte aber 1952 in das neue, schlichtere Denkmal übernommen werden.
UranmineralLiebigit, von John Lawrence Smith 1848 entdeckt
In seiner Heimatstadt Darmstadt sind die Volkshochschule und die Hauptstelle derStadtbibliothek in dem nach ihm benanntenJustus-Liebig-Haus untergebracht; zudem gibt es inDarmstadt-Nord eine Liebigstraße.
DasLiebig-Haus in Namibia trägt seinen Namen. 2009 wurde die Therme inBad Salzhausen, deren Solewasser er einst untersuchte, inJustus von Liebig-Therme umbenannt.[40]
In der Heimatstadt seinerAhnenGroß-Bieberau ist die Justus-von-Liebig-Straße nach dem Chemiker und Professor benannt. Dort siedelte sich sein Urgroßvater im Jahre 1722 an.[43]
In derMaxdorfer BASF-Siedlung wurde eine Straße nach ihm Liebigstraße genannt.
Der Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen (Hrsg.):Justus Liebig: (1803–1873). Ausstellung der Justus-Liebig-Universität zum 200. Geburtstag von Justus Liebig. 3 Bände. Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen 2003,ISBN 3-9808949-0-8.
Gesellschaft Deutscher Chemiker (Frankfurt am Main):Historische Stätten der Chemie: Justus von Liebig – Gießen. 16. Mai 2003.
Barrie Blake Coleman:Brand names and product dynasties – Lessons in retrospect. Westland Books Pvt, Chennai/Indien 2000,ISBN 1-85252-462-6, S. 47f, 40, 183, 102.
William H. Brock:Justus von Liebig: Eine Biographie des großen Naturwissenschaftlers und Europäers. Vieweg, Braunschweig 1999,ISBN 3-528-06995-3.
Antonio Saltini:Storia delle scienze agrarie. Teil III:L'età della machina a vapore e dei concimi industriali. Edagricole, Bologna 1989,ISBN 88-206-2414-1.
S. Schulz, P. Menzel:Justus von Liebig. „Alles ist Chemie“. Stuttgart-Hohenheim 1999, (DNB982652887).
Carlo Paoloni:Justus von Liebig. Eine Bibliographie sämtlicher Veröffentlichungen, mit biographischen Anmerkungen, Universitätsverlag Carl Winter: Heidelberg 1968.
Jacob Volhard:Justus von Liebig – Ein Lebensbild (2 Bände). Leipzig 1909.
Adolph Kohut:Justus von Liebig. Sein Leben und Wirken. Auf Grund der besten und zuverlässigsten Quellen geschildert. Mit ungedruckten Briefen Liebigs, zwei Briefen Liebigs in Faksimile und 34 Original-Illustrationen. Emil Roth, Gießen 1904.
Georg Klemperer:Justus von Liebig und die Medicin. Verlag August Hirschwald, Berlin 1900.
Albert Faulconer, Thomas Edward Keys:Justus von Liebig. In:Foundations of Anesthesiology. 2 Bände, Charles C Thomas, Springfield (Illinois) 1965, Band 1, S. 442 und 454–458.
Video bei ARD-Alpha, 16 Min. (Online bis 27. April 2022)Geschichten Großer Geister: Freude am Experiment Justus von Liebig (1803–1873/Begründer von organischer Chemie), Carl August von Steinheil (1801–1870/Fotopionier) und Luise von Kobell (1828–1901/Schriftstellerin) diskutieren auf dem einer Bühne im alten Südlichen Friedhof.
↑ aufgrund Erhebung in den vererbbaren großherzoglich hessischen Freiherrenstand am 29. Dezember 1845. Bekanntmachung im Großherzoglich-hessischen Regierungsblatt 1846, Nr. 2 vom 13. Januar 1846, S. 23.
↑Adolph Kohut:Justus von Liebig. Sein Leben und Wirken. Auf Grund der besten und zuverlässigsten Quellen geschildert. Mit ungedruckten Briefen Liebigs, zwei Briefen Liebigs in Faksimile und 34 Original-Illustrationen. Emil Roth, Gießen 1904,OCLC458006968,S.9 (Digitalisat).
↑Jacob Volhard:Justus von Liebig. Ein Lebensbild. 2 Bände. Leipzig 1909, S. 41–42. Einer der letzten im deutschsprachigen Raum, derin absentis promoviert wurde, war übrigensHeinrich Schliemann 1869 an einer der letzten Universitäten, die dieses noch ermöglichte.
↑Justus Freiherr von Liebig, Friedrich Wöhler,August Wilhelm von Hofmann:Aus Justus Liebig’s und Friedrich Wöhler’s Briefwechsel in den Jahren 1829–1873. F. Vieweg und Sohn, Braunschweig 1888.
↑Christina Renata Grund:Johann Joseph von Scherers Briefe an Justus von Liebig. Umfang des Korpus und inhaltliche Aspekte. In:Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 11, 1993, S. 101–106.
↑Andreas Mettenleiter:Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg (Druck: Bonitas-Bauer), Würzburg 2001,ISBN 3-933964-04-0, S. 279 und 512–513.
↑Günther Klaus Judel:Die Geschichte von Liebigs Fleischextrakt: Zur populärsten Erfindung des berühmten Chemikers. In:Spiegel der Forschung.Band20,Nr.1, Oktober 2003,S.6–17 (uni-giessen.de).
↑Claudia Denk, John Ziesemer:Kunst und Memoria. Der Alte Südliche Friedhof in München. 2014, Grabstätte 183, S. 490 f.
↑Bernhard Koerner (Hrsg.):Darmstädter Geschlechterbuch.Band7 –Band69 der Gesamtreihe des Genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien. Starke Verlag, 1927,ZDB-ID 2252-4,S.310–311.
↑Otfried Praetorius:Liebig, Freiherr v. Liebig, aus Überau im hessischen Odenwald. In:Hessisches Geschlechterbuch.Band3 –Band52 der Gesamtreihe des Genealogischen Handbuchs bürgerlicher Familien. Starke Verlag, 1927,ZDB-ID 2252-4,S.311–314.
↑Albert Faulconer, Thomas Edward Keys:Justus von Liebig. In:Foundations of Anesthesiology. 2 Bände, Charles C Thomas, Springfield (Illinois) 1965, Band 1, S. 454.
↑Gustav von Bergmann,Walter Frey (Hrsg.):Handbuch der inneren Medizin. 4. Auflage, 8. Band,Nieren und ableitende Harnwege:Die hämatogenen Nierenerkrankungen, die ein- und beidseitig auftretenden Nierenkrankheiten, Erkrankungen der Blase, der Prostata, der Hoden undNebenhoden, derSamenblasen. Funktionelle Sexualstörungen, bearbeitet vonWalter Frey undFriedrich Suter, Springer-Verlag, Berlin / Göttingen / Heidelberg 1951, S. 146. Dortige Quelle:Liebigs Annalen 1847, Band 62, S. 257.
↑Albert Faulconer, Thomas Edward Keys:Chloroform. In:Foundations of Anesthesiology. 2 Bände, Charles C Thomas, Springfield (Illinois) 1965, Band 1, S. 442–481, hier: S. 442 und 454–458.
↑Vgl. dazu Ludwig Hartmann:Faraday an Liebig (1858): Zur Geschichte der Silberspiegelherstellung. In:Sudhoffs Archiv. Band 32, 1939/40, S. 397 f.,JSTOR:20773952.
↑Lotte Burkhardt:Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen. Erweiterte Edition. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin, Berlin 2018.online
↑Sole-Bewegungsbad nun »Justus von Liebig-Therme«. In:Gießener Allgemeine Zeitung. 25. November 2009.
↑Adam Heldmann:1200 Jahre Groß-Bieberau – Beiträge zu seiner Geschichte. Hrsg.: Magistrat der Stadt Groß-Bieberau. Groß-Bieberau 1987,OCLC74938227,Die Familiengründungen im neuen Bieberau,S.69–70.
↑Bernhard Grün: Zwischen Fronteinsatz und Freiheitsklang - Studententum und Kameradschaftswesen im Nationalsozialismus (Historia academica - Schriftenreihe der Studentengeschichtlichen Vereinigung des Coburger Convents Bd. 57), Würzburg 2019, S. 297