Karikatur „Wahrhafte Abbildung des Dr. Rauschenplat – Eine Erscheinung die in Welt und Natur historischer Beziehung gleich merkwürdig ist.“ Anonymer Kupferstich von 1831[1]Das DenkmalGöttinger Erhebung (Einweihung 2012) des KünstlersAndreas Welzenbach auf dem Marktplatz Göttingen stellt von Rauschenplat dar
Eine eher kleinere Auseinandersetzung innerhalb der Fakultät führte dann im Januar 1831 zur so genanntenGöttinger Revolution. Der Dekan Gustav Hugo hatte zwei Passagen in der Dissertation des DozentenHeinrich Ahrens beanstandet, woraufhin von Rauschenplat zusammen mit ihm undCarl Wilhelm Theodor Schuster einen Protest in einer bekannten Zeitschrift veröffentlichte und den unzensierten Druck der beanstandeten Dissertation in einer ausländischen Zeitschrift veranlasste. Dies führte zu einer akademischen Untersuchung, was unter den Studenten und Bürgern für Unruhe sorgte. Die Studenten formierten um die drei Dozenten eineLesegesellschaft, Bürger aus Göttingen undOsterode am Harz solidarisierten sich.
Am 8. Januar 1831 brach der Aufstand los. An der Spitze stand dabei von Rauschenplat, unterstützt durch die Studenten der Hildesia. Der Göttinger Magistrat und der Polizeicommissar Westphal wurden ohne Widerstand abgesetzt. Ein Gemeinderat wurde gebildet, Studenten und Bürgerschaft bewaffneten sich.
Von Rauschenplat gehörte dem Gemeinderat an und wurde Chef der bewaffneten Macht, der „Nationalgarde“, der allein 500 Studenten angehörten. Der akademische Senat machte noch den Versuch, Studenten und Bürger auseinanderzudividieren, indem er die Studenten in einer „Sicherheitswache“ unter Führung des Medizinprofessors Langenbeck vereinigen wollte, aber die rhetorischen Fähigkeiten von Rauschenplats verhinderten das.
Die Aufständischen veranstalteten Proklamationen, Reden und Umzüge durch die Stadt, hatten aber offensichtlich Schwierigkeiten bei der Definition der politischen Ziele, die sie erreichen wollten. Der spätere Rechtsanwalt und SchriftstellerHeinrich Albert Oppermann war als junger Student Augenzeuge der Vorgänge, die er in seinem Erstlingswerk beschrieb:
Man schlug vor,Osterode zu befreien, Andere wollten auf geradem Wege nachHannover ziehen und unterwegs Alles revolutionieren; wieder Andere wollten zuerst nachHildesheim. Nirgends Einheit und Uebereinstimmung, nirgends Unterredung und Gehorsam, und so blieb es beim Zank […]. So ernst Viele auch die Sache betrachteten, so hielt sie doch die Mehrzahl nur für einen Carnevalsspaß. Man exercirte und patrouillirte, machte Paradezüge durch die Stadt, und leerte die Rauchkammern derPhilister von überflüssigen Würsten, Alles zu ihrer Befreiung. Schon klagten aber die Frauen über Versäumniß der Männer, der Gesellen und Lehrburschen, über das Verschwinden des schönen Vorraths von Wurst und Schinken; schon war für die Philister selbst der Wachedienst ermüdend und beschwerlich […]
Heinrich Albert Oppermann (Pseudonym: Herman Forsch), Studentenbilder
Bald rückte hannoversches Militär heran. Die Aufständischen unternahmen Anstalten zur Verteidigung, die Stadttore wurden verbarrikadiert. Trotzdem marschierte das Heer am 16. Januar in Göttingen ein.
Die akademischen Anführer, unter ihnen von Rauschenplat, entkamen nach Frankreich, die führenden Köpfe der ansässigen Bürger wurden zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.
Auch in den nächsten Jahren nahm von Rauschenplat kontinuierlich an revolutionären Aktivitäten teil. So kämpfte er mit den Belgiern um ihre Unabhängigkeit gegen die Niederlande. 1832 nahm er amHambacher Fest teil und hatte beimFrankfurter Wachensturm 1833 die militärische Führung inne.[3] Nach deren Scheitern flüchtete er über Frankreich in die Schweiz, wo er in der Nähe vonBasel die GemeindeDiepflingen, die in den Basler Trennungswirren zur Stadt Basel hielt, dazu überredete, sich vom neu gegründeten Kanton Basel-Landschaft loszusagen und eine eigeneRepublik zu gründen. Zu seinem Freundeskreis im Exil gehörte der VormärzpolitikerGeorg Fein.[4] Des Weiteren nahm er 1834 am Aufstand desGiuseppe Mazzini inSavoyen und 1835 amErsten Karlistenkrieg inSpanien teil.
Nachdem er auch aus der Schweiz ausgewiesen worden war, arbeitete er von 1836 bis 1848 als Deutschlehrer inStraßburg.
Rauschenplat starb 1868 „in geistiger Umnachtung“ in seinem Geburtsort Alfeld/Leine[6] und wurde dort auf dem alten Friedhof an der Hildesheimer Straße bestattet. Hundert Jahre später war sein Grabkreuz noch vorhanden, doch sind 1972 alle Gräber eingeebnet und die eisernen Grabkreuze verschrottet worden.[7]
De onere probandi in negatoria actione. Rosenbusch, Göttingen 1830. (Dissertatio Göttingen)MDZ
Briefe über Frankreich und Deutschland. Flugblatt 1. Straßburg 1840.Polona
Briefe über Frankreich und Deutschland. Flugblatt 2. Straßburg 1840.POLONA
Die geheimen Beschlüsse der Wiener Kabinets-Konferenzen vom Jahre 1834 nebst Anhang. Die geheime preußische Denkschrift vom Jahre 1822. Silbermann, Straßburg 1844.
Helmut Bock:Rauschenplat (Rauschenblatt), Johann Ernst Hermann. In:Biographisches Lexikon zur Deutschen Geschichte. Von den Anfängen bis 1917. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1967, S. 385–386.
Siegfried Schmidt:Rauschenplatt (Rauschenblatt), Johann Ernst Hermann. In:Biographisches Lexikon zur Deutschen Geschichte. Von den Anfängen bis 1945. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1970, S. 553–554.
Wolfgang Gresky:Männer der Freiheitsbewegung von 1831 und 1848 in Südhannover. In:Göttinger Jahrbuch, 22, 1974, S. 167–181, hier S. 170–172.
Hans Adler (Hrsg.):Literarische Geheimberichte. Protokolle der Metternich-Agenten. 2 Bände. ilv leske republik, Köln 1981.
Egbert Weiß:Corpsstudenten in der Paulskirche, in:Einst und Jetzt, Sonderheft 1990, München 1990, S. 50.
Jörg H. Lampe:Politische Entwicklungen in Göttingen vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Vormärz. In:Ernst Böhme,Rudolf Vierhaus (Hrsg.):Göttingen, Geschichte einer Universitätsstadt. Band 2:Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Anschluss an Preußen – Der Wiederaufstieg als Universitätsstadt (1648–1866). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002,ISBN 3-525-36197-1, S. 43–102, hier S. 59–81.
↑Jörg H. Lampe:Politische Entwicklungen in Göttingen vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Vormärz. In: Ernst Böhme, Rudolf Vierhaus (Hrsg.):Göttingen, Geschichte einer Universitätsstadt. Band 2:Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Anschluss an Preußen – Der Wiederaufstieg als Universitätsstadt (1648–1866). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002,ISBN 3-525-36197-1, S. 43–102, hier S. 66, Abb. 5a.
↑Johann Ernst Arminius von Rauschenplat:De onere probandi in negatoria actione. 1829. (Volltext in der Google-Buchsuche)
↑Vgl. Dieter Lent:Findbuch zum Bestand Nachlaß des Demokraten Georg Fein (1803–1869) sowie Familie Fein (1737-) ca. 1772–1924. Niedersächsische Archivverwaltung, Wolfenbüttel 1991, S. 82, 347.ISBN 3-927495-02-6
↑Dagmar Drüll:Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932, 2. Auflage, 2018, S. 641.