Movatterモバイル変換


[0]ホーム

URL:


Zum Inhalt springen
WikipediaDie freie Enzyklopädie
Suche

Jean Jannon

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Originalmatrizen derCaractères de l'université
Karte des protestantischen Fürstentums Sedan

Jean Jannon (alternative NamensschreibweisenIean Iannon, Joannes Jannonus, Jean Janon undJoannes Janonus; geboren1580 inGenf oder allgemein derRomandie[1], gestorben1658 inSedan) war einfranzösischerprotestantischerDrucker,Schriftgestalter,Stempelschneider undSchriftgießer, der in Sedan,Paris undCaen tätig war. Bekannt wurde er durch seine SchriftCaractères de l’Université sowie den Umstand, dass diese Schrift später irrtümlichClaude Garamond zugeschrieben wurde – ein Umstand, der sich erst in den1920er-Jahren aufklärte.

Leben

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Bestimmende Figur der französischen Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: Kardinal Richelieu

Eine Reihe Punkte in der Vita Jannons sind entweder nur bruchstückhaft bekannt oder aber Gegenstand unterschiedlicher Deutungen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit steht fest, dass er seineAusbildung zum Buchdrucker in Genf absolvierte.[2] Ebenso, dass er als Buchdrucker-Geselle inLausanne,Basel,Süddeutschland sowie in der Pariser DruckereiEstienne arbeitete.[3] Sein dortiger Arbeitgeber war vermutlich Robert Estienne III, ein Enkel des Druckdynastie-Mitbegründers Robert Estienne. Aufgrund seiner calvinistischen Gesinnung hatte dieser Paris Mitte der1550er-Jahre verlassen; seine Söhne hatten allerdings – gegen den Willen des Vaters – den Druckereibetrieb in Paris wieder re-etabliert.[4]

Um das Jahr 1610 übersiedelte Jannon in das nordostfranzösische Sedan.[2] Sedan war nicht nur eine der Hochburgen des französischen Protestantismus. AlsFürstentum am Rand des französischen Machtbereichs genoss die Region eine prekäre Form politischer Autonomie. Ob Jannon aus politisch-religiösen Gründen nach Sedan zog, wegen Arbeitsmangel oder aufgrund persönlicher Konflikte, ist nicht zweifelsfrei zu bestimmen.Pierre de L’Estoile, ein damaliger Zeitchronist, hielt in seinem Tagebuch fest, dass Jannon beihugenottischen Behörden auf Ablehnung gestoßen sei, weil er den Druck eineskatholischen Propagandawerks übernommen habe. Laut L’Estoile sei Jannon verärgert gewesen über diese Angelegenheit und habe in dem Zug auch die Äußerung getätigt, die Hugenotten wären – seien sie erst einmal an der Macht – möglicherweise noch schlimmer als dieJesuiten.[5]

In ersterEhe war Jean Jannon mit Anne de Quingé verheiratet, die 1618 starb.[6] Zwei Jahre später heiratete er Marie Demangin, die zuvor ihren Mann verlassen hatte. Der Wiederverheiratung Demangins wurde laut einem Bericht des Rats der reformierten Kirche vonMainz das kirchliche Placet erteilt – wobei der Bericht das Verhalten von Demangins früherem Ehemann als eine nachgewiesene Reihe von „Ehebrüchen, Polygamie und Ausschweifungen“ charakterierte.[7] In Sedan begann Jannon eine Karriere als Drucker für dieprotestantische Akademie. Etwa zur gleichen Zeit startete er dort seine zweite Karriere – als Entwerfer und Produzent vonSchriften. 1615 entwickelte er die erste eigene Schrift-Garnitur. Neben dem ökonomischen Grund, so nicht mehr der Notwendigkeit ausgesetzt zu sein, Schriften ausDeutschland,Holland oder Paris zukaufen zu müssen, gab es auch einen praktischen: Die damals üblichen Stempel waren recht schnell verschlissen – was mehr oder weniger aufwändige Restaurierungsarbeiten zur Folge hatte.[3]

1640 zog Jannon zurück nach Paris, um nach dem Tod seines Sohns Antipas dessen Werkstatt zu übernehmen. In Paris betätigte sich Jannon als Buchdrucker, Schriftschneider sowie Kompagnon des in Caen geborenen Buchdruckers undBuchhändlers Pierre de Cardonell. Alleine oder zusammen mit de Cardonell betrieb neben seiner Pariser Werkstatt eine zusätzlicheOffizin in der Hugenotten-Hochburg Caen.[2] Trotz seiner religiösen Ansichten kaufte die königliche Druckerei Frankreichs 1641 von ihm Matrizen, Formen zum Gießen von Metalltypen, für drei große Schriftgrößen. Die aus dem Auftrag entstandene Schrift – bekannt geworden unter dem NamenCaractères de l'Université – war eine Weiterentwicklung seiner 1615 begonnenenPetite Sedanaise.[2]

Ungeachtet des durchaus als ansehnlich charakterisierbaren Imprimerie-Auftrags geriet Jannon vier Jahre später – 1644 – in den Fokus staatlicher Repression. In deren Zug wurden seineWerkstätten in Paris und Caen durchsucht und möglicherweise auch Inventar-Teile beschlagnahmt. Der Verdacht der Behörden: der Protestant Jannon habe verbotenes Material gedruckt. Möglicher Hintergrund der erfolgten Repressalien war der (kurzzeitige)Kriegszustand, in dem sich Frankreich mit demFürstentum Sedan befand. Jannons Schrift, dieCaractères de l'Université, verblieb im Bestand derImprimerie Royale.[2] Bereits 1642, also noch vor den Repressalien, war ein Text vonKardinal Richelieu in ihr gesetzt worden.[8]

Nach den durchwachsenen bis eher unliebsamen Erfahrungen in der französischen Hauptstadt zog Jannon zurück nach Sedan. Dort übte er bis zu seinem Tod 1658 das Druck- und Schriftgießerei-Handwerk weiter aus. DieDruckerei wurde den Quellen zufolge zunächst weiterbetrieben, dieSchriftgießerei hingegen im Jahr 1664 aufgegeben. Weitere Angaben darüber, wer die Gießerei eventuell übernommen hat oder in welche Hände das Inventar in der Folge geriet, lassen sich nicht eindeutig verifizieren und sind entsprechend vager Natur.

Schriften und Bedeutung

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Jannons Bedeutung als Schriftentwerfer

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Schriftmuster der 1997 begonnenenJannon Pro von František Štorm

Als wesentliche Schrift von Jean Jannon gilt seine 1641 im Auftrag der Imprimerie Royale erstellteCaractères de l’Université. Sie basierte auf Jannons 25 Jahre zuvor begonnener Petite Sedanaise. Prototyp wie Hauptschrift standen in der Tradition der französischen Schriften aus der ersten Hälfte des16. Jahrhunderts – speziell denjenigen von Claude Garamond, die seinerzeit allgemein als die vollkommenste Ausprägung derAntiqua angesehen wurden. Nichtsdestotrotz unterscheidet sich Jannons Schrift in einigen formalen Merkmalen. Einige Zeichen sind großzügiger angelegt; dieStrichkontraste fallen ausgeprägter aus als bei den Garamond-Schriften. Bei derKursiven fällt der unterschiedlich gehalteneNeigungswinkel ins Auge.

Ob Jannons Schriften eindeutig derRenaissance-Antiqua desfranzösischen Typs zuzuordnen sind, wird von einigen Typo-Experten und Fachhistorikern zumindest relativiert. Einige tendieren dazu, sie stilistisch an der Grenze zu denÜbergangsantiquas des 17. und18. Jahrhunderts zu verorten – wahlweise also als späte Renaissanceantiqua oder frühe Barockantiqua anzusehen.František Štorm, eintschechischer Schriftentwerfer, hält Jannon für einen der bedeutendsten Vertreter der französischen Typografie in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.[3] Mit der 1997 begonnenenJannon Pro schuf Storm eine digitale Neuversion der Jannon-Schrift.[9] Darüber hinaus basieren einigeGaramond-Varianten, welche in der ersten Hälfte des20. Jahrhunderts entstanden, auf Jannons Originaltypen. Grund hierfür ist eine falsche Zuschreibung, welche im Endeffekt bewirkte, dass Jannon wegen dieser Verwechslung einen größeren Bekanntheitsgrad in der Fachwelt erlangte als durch seine Schriften.

Verwechslung mit Garamond-Schriften

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Detail der auf Jannons Schrift beruhendenGaramont von Monotype

Trotz seiner bemerkenswerten Karriere als Drucker ist Jannon vielleicht am bekanntesten für eine lang anhaltende historische Falschzuschreibung. Befördert wurde diese durch den Umstand, dass – ähnlich wie bei Claude Garamond – wesentliche Biografie-Parameter entweder unklar sind oder aber in ihrer Bedeutung unterschiedlich gewichtet werden. Unklar ist etwa, ob Jannon als protestantischem Drucker – über die Durchsuchung seiner Werkstätten sowie dieKonfiszierung von Betriebsinterieur hinaus – zusätzliche Repressionen widerfahren sind: beispielsweise eine zeitweiligeInhaftierung. Aktuell verfügbare Biografieangaben sparen den Konflikt mit der französischen Obrigkeit entweder ganz aus oder legen eine zeitweilige, von der katholischenInquisition respektive Kardinal Richelieu initiierte Haft zumindest nahe.[10]

Umstritten ist darüber hinaus, wie weitgehend und wie lange die in Auftrag gegebene und unter der BezeichnungCaractères de l’Université firmierende Schrift von der Imprimerie Royale genutzt wurde. Auch zu dieser Frage gibt es unterschiedliche Ansichten. Derbritische Fachhistoriker James Mosley etwa wies im Zug der anhaltenden Debatte um das Ausmaß dieser Verwechslung auf den Umstand hin, dass dieCaractères kaum genutzt wurde und bereits im späten 17. Jahrhundert durch eine zeitaktuellere „Romain du roi“ ersetzt wurde.[11][12] Die im 19. und 20. Jahrhundert erfolgte Verwechslung von Jannon-Originalen mit Garamond-Originalen resuliere, so Mosley, im Wesentlichen aus dem Umstand, das die in der Imprimerie Royale (beziehungsweise: Nationale) eingelagerten Jannon-Typen zunächst in informeller Weise als „Garamond-Schriften“ bezeichnet und zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt (erstmals: 1845) als Schriften von Claude Garamond ausgewiesen wurden.[13]

Explizit als Garamond-Schriften ausgegeben wurden die Typen Jannons anlässlich eines mehrbändigen Historienreihe-Drucks im Jahr 1911. Vorgenommen wurde diese Bezeichnung von Christian Schwartz, dem damaligen Direktor der Imprimerie Nationale. Auf der Basis dieser Originale fertigten mehrere bedeutendeSchriftgießereien neue Garamond-Schriften – darunter dieUS-amerikanischeATF sowie die britisch-amerikanischeMonotype. Aufgedeckt wurde die fälschlich erfolgte Zuschreibung von der JournalistinBeatrice Warde. Vermittels Recherchen sowie Schriftproben-Vergleiche fand sie heraus, dass die als Garamond-Schriften ausgewiesenen Typen in der Imprimerie Nationale in Wirklichkeit die historisch neuerenCaractères-Typen von Jean Jannon waren.[13]

Warde publizierte das Ergebnis ihrer Recherchen 1926 in einem aufsehenerregenden Fachaufsatz mit dem TitelThe „Garamond“ Types. Vermutlich um die These zu untermauern, dass Jean Jannon ein eigenständiger Schriftenentwerfer war, veröffentlichte sie 1927 eine Schriftprobe derPetite Sedanaise von 1621. Die Auseinandersetzung um die falscheUrheberschafts-Zuschreibung der Imprimerie National hatte unter anderem zur Folge, dass später in Fabrikation gegangene Garamond-Schriften auf authentischeren Vorlagen basierten – etwa solchen imPlantin-Moretus-Museum inAntwerpen oder demEgenolff-Berner Muster inFrankfurt am Main, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckt worden war.[13]

Jean Jannons Bedeutung wird in der Fachwelt heute höher veranschlagt, als es noch vor 100 Jahren der Fall gewesen war. Nieder schlägt sich dies unter anderem in digitalen Remakes. Außer der – mittlerweile zurSchriftsippe ausgebauten –Jannon Pro von Frantisek Storm haben zwischenzeitlich weitereFonts auf den Markt reussiert, die sich an Jannons Schriftentwürfen orientieren. Beispiel: dieJJannon des Schweizer Schriftentwerfers François Rappo.[14] Die beiden Jannon-Digitalneuauflagen von František Štorm und François Rappo sind beide mit mehrerenStrichstärken sowie Kursivschnitten versehen. DieJannon Pro enthält zusätzlich eineDisplay-Variante für größereSchriftgrade.

Weblinks

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Commons: Jean Jannon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Jannon, Jean, Wolfgang Beinert, typolexikon.de, 27. September 2022, aufgerufen am 10. Juni 2024
  • The types of Jean Jannon at the Imprimerie royale, James Mosley, Typefoundry – Documents For The History Of Type And Letterforms, 3. Februar 2012, aufgerufen am 10. Juni 2024 (englisch)
  • Garamond or Garamont?, James Mosley, Typefoundry, 1. April 2011, aufgerufen am 10. Juni 2024 (englisch)
  • Caractères de l’Université, Artikel von James Mosley zurCaractères de l’Université und der Geschichte der Imprimerie Royale, Typefoundry, 29. Juli 2012, aufgerufen am 10. Juni 2024 (englisch)

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. Jean Jannon, luc.devroye.org. undJannon, Jean,Wolfgang Beinert, typolexikon.de, 27. September 2022, aufgerufen jeweils am 10. Juni 2024
  2. abcdeJannon, Jean, Wolfgang Beinert, typolexikon.de, 27. September 2022, aufgerufen am 10. Juni 2024
  3. abcJean Jannon, luc.devroye.org, aufgerufen am 10. Juni 2024 (englisch)
  4. Robert II (1530-1570); Paris 1556-1588 undRobert III Estienne (1560-1630), Paris 1606-30, Estiennes at the Edward Worth Library, aufgerufen am 10. Juni 2024 (englisch)
  5. Forms and methods of religious controversy in Paris: with special reference to Pierre du Moulin and his Catholic opponents, Sally Anne Wagstaffe, 1990, Durham University, S. 66 ff., aufgerufen am 10. Juni 2024 (englisch; PDF)
  6. Revue d'Ardenne et d'Argonne, Societé d’études ardonnaises, Sedan 1901/1902, S. 102, aufgerufen am 10. Juni 2024 (französisch; archivierter Volltext)
  7. Jean Jannon ses fils. Leurs ceuvres,Revue d'Ardenne et d'Argonne, Societé d’études ardonnaises, Sedan 1894, S. 97 ff., aufgerufen am 10. Juni 2024 (französisch; Internet Archive)
  8. The types of Jean Jannon at the Imprimerie royale, James Mosley, Typefoundry – Documents For The History Of Type And Letterforms, 3. Februar 2012, aufgerufen am 4. Juni 2024 (englisch)
  9. Jannon, Fonts in Use, aufgerufen am 10. Juni 2024 (englisch)
  10. Siehe diesbezügliche Angaben in den Jannon-Portraits beiluc.devroye.org,typolexikon.de,Klingspor Museum und beiJames Mosley, aufgerufen jeweils am 10. Juni 2024
  11. Caractères de l’Université, James Mosley, Typefoundry, 29. Juli 2012, aufgerufen am 10. Juni 2024 (englisch)
  12. Romain du Roi, typografie.info, aufgerufen am 10. Juni 2024
  13. abcGaramond or Garamont?, James Mosley, Typefoundry, 1. April 2011, aufgerufen am 10. Juni 2024 (englisch)
  14. JJannon, optimo.ch, aufgerufen am 10. Juni 2024 (englisch)
Personendaten
NAMEJannon, Jean
KURZBESCHREIBUNGfranzösischer Schriftschneider und Drucker
GEBURTSDATUM1580
GEBURTSORTGenf oder allgemein derRomandie
STERBEDATUM1658
STERBEORTSedan
Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Jean_Jannon&oldid=249109670
Kategorien:

[8]ページ先頭

©2009-2025 Movatter.jp