Jean Ferrat

Jean Ferrat (eigentlichJean Tenenbaum[1]; *26. Dezember1930 inVaucresson,Seine-et-Oise, heutzutageHauts-de-Seine; † 13. März2010 inAubenas,Ardèche) war ein französischer Sänger und Komponist.
Werdegang
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Jean Ferrat war das jüngste von vier Kindern einesjüdischen Vatersrussischer Abstammung, Mnacha (Manassé) Tenenbaum, und einer französischen Mutter, Antoinette Malon. Tenenbaum war im Jahr 1905 wegen derJudenpogrome von Russland nach Frankreich ausgewandert. Er warGoldschmied und diente in beidenWeltkriegen alsFreiwilliger in der französischen Armee. Jean Ferrat war elf Jahre alt, als sein Vater in einInternierungslager in Frankreich verschleppt wurde. Nach Kriegsende erfuhr die Familie, dass er imKonzentrationslager Auschwitz ermordet worden war. Jean wurde 1941 vonkommunistischenWiderstandskämpfern versteckt, ehe seine Mutter mit ihm und seinen Geschwistern nach Südfrankreich fliehen konnte. Er lebte während des Krieges zwei Jahre inFont Romeu in denPyrenäen, kehrte 1943 nachVersailles zurück, um seine schulische Laufbahn fortzusetzen, und floh schließlich erneut nach Südfrankreich; dort fanden er und seine Familie mit Unterstützung einer Widerstandsgruppe, der der Schwiegervater seines älteren Bruders Pierre angehörte, Unterschlupf imDépartement Ariège. Nach dem Krieg begann er amConservatoire national des arts et métiers inParis eine Ausbildung zum chemischen Assistenten, gab das Fach jedoch um 1954 auf, um sich ganz der Musik, seinem Hobby, zu widmen.
Jean Ferrat, dessen Eltern Musikliebhaber waren, oft die Pariser Opéra Comique besuchten und selbst gern sangen, komponierte anfangsLiebeslieder und vertonte Gedichte vonLouis Aragon, darunter das berühmteLes yeux d'Elsa. Dieses nahm zunächst der SängerAndré Claveau in sein Repertoire auf und verhalf damit Ferrat zu einer gewissen Anerkennung in der PariserCabaret- undChansonszene. Mitte der 1950er Jahre trat Ferrat mit seinen Liedern im CabaretLa Colombe auf und schrieb Lieder für die Sängerin und TänzerinZizi Jeanmaire (darunter der bekannte TitelMon bonhomme). Diese ließ ihn 1961 während sechs Monaten als Vorprogramm (vedette américaine) in ihrer Show in der PariserMusic HallAlhambra auftreten und ermöglichte ihm so seine ersten Konzerte vor einem großen Publikum. Dafür wechselte er von der Gitarren- zur Orchesterbegleitung, an der er fortan festhielt.[2]
Ferrat entwickelte sich zum engagierten Liedermacher. Er war zugleich Weggefährte der damals bedeutendenKommunistischen Partei Frankreichs, der er jedoch nie beitrat. Im Jahr 1967 reiste er nachKuba, um dort zehn Konzerte zu geben, und begeisterte sich für das gesellschaftliche ProjektFidel Castros.[3] Seine Plattenaufnahmen enthalten zahlreichepolitische Lieder, von denen einige vom französischen Rundfunk nicht gesendet wurden, da sie als zu gewagt und kritisch galten. So das LiedPotemkine (1965), das imKalten Krieg als Ode an die Revolution derBolschewiken missverstanden wurde, in Wirklichkeit aber in Anlehnung an den berühmten Film vonSergei Eisenstein,Panzerkreuzer Potemkin, einen Matrosenaufstand 1905 vor Odessa und damit den Kampf gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit feiern wollte. Tatsächlich hielt Ferrat Distanz zur Politik derSowjetunion; in seinem ChansonCamarade (1969) prangerte er die Niederschlagung desPrager Frühlings von 1968 an.
Ferrat behandelte auch weniger kontroverse Themen, etwas dieLandflucht und dieUmweltproblematik inLa Montagne (1964), von dem fünf Millionen Schallplatten verkauft wurden und das nebenAimer à perdre la raison (1971) undLa femme est l'avenir de l'homme (1975) zu seinen größten Erfolgen zählt. Weitere, eher poetische Titel, die heute in Frankreich als Evergreens gelten und für viele zum nationalen Kulturgut zählen, sind unter den Singletiteln unten aufgeführt.
Im Jahr 1972 beendete Ferrat seine Bühnenauftritte, fand aber einen Nachfolger in der Person des Sängers Alain Hivert, der seine Lieder in Frankreich sang. In Deutschland werden Lieder Ferrats von dem deutsch-belgischen Sänger Didier Caesar (in Begleitung des Gitarristen Stéphane Bazire) vorgetragen, darunter die Vertonungen zahlreicher Gedichte von Louis Aragon. Ferrat widmete sich wiederholt dem Werk Aragons; Früchte davon sind dieLangspielplatteFerrat chante Aragon (1971) und dieCDFerrat 95 – 16 nouveaux poèmes d’Aragon (1994). Diese ist zugleich sein letztesStudioalbum.
Von 1961 bis zu ihrem Tod war Ferrat mit der SängerinChristine Sèvres (1931–1981) verheiratet, die eine Tochter aus erster Ehe in die Verbindung einbrachte, für die er offiziell dieVaterschaft übernahm. Sèvres und Ferrat führten eineoffene Beziehung. 1971 lernte er die Sportlehrerin Colette Laffont kennen. Mit ihr ging er ein Liebesverhältnis ein (sie heirateten 1992), ohne mit Sèvres zu brechen, die er auch während ihres langen Krebsleidens treu begleitete. Im Jahr 1964 hatten Ferrat und Sèvres einen Bauernhof inAntraigues-sur-Volane imDépartement Ardèche in denCévennen erworben, wohin sie 1974 ihren Hauptwohnsitz verlegten. Hier lebte Ferrat bis zu seinem Tod im März 2010. Jean Ferrat starb im Krankenhaus vonAubenas an Krebs.
An Ferrats Beerdigung in Antraigues-sur-Volane, die von mehreren französischen Fernsehsendern übertragen wurde, nahmen mehr als 5.000 Menschen teil, die aus allen Teilen Frankreichs anreisten, darunter die SängerinIsabelle Aubret, für die er in den 1960er Jahren Lieder komponiert hatte und mit der ihn eine lebenslange Freundschaft verband. In zahlreichen französischen Ortschaften und Städten wurden Straßen und Plätze nach ihm benannt, so im Jahr 2015 diePlace Jean-Ferrat im Pariser ViertelMénilmontant.
Diskografie (Auswahl)
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Alben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Jahr | Titel | Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[4] (Jahr, Titel, Platzierungen, Wochen, Auszeichnungen, Anmerkungen) | Anmerkungen | ||
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![]() | ![]() | ![]() | |||
1996 | Les années Barclay | FR—![]() ×2 | BEW37 (3 Wo.)BEW | — | |
2001 | Ma France | FR59 (25 Wo.)FR | BEW5 (26 Wo.)BEW | — | Charteinstieg in FR 2011, in BEW 2010 |
2003 | En scène | FR12 (11 Wo.)FR | — | — | |
2007 | La montagne | FR97 (4 Wo.)FR | — | — | Charteinstieg in FR 2015 |
Les 50 plus belles chansons | FR167 (4 Wo.)FR | BEW44 (8 Wo.)BEW | — | Charteinstieg in FR 2015, in BEW 2010 | |
2009 | Best Of - 3 CD | FR4![]() (73 Wo.)FR | BEW2![]() (111 Wo.)BEW | CH12 (11 Wo.)CH | |
2010 | L’intégrale des enregistrements originaux Decca / Barclay 1961–1972 | FR43 (19 Wo.)FR | — | — | |
2011 | Talents vol. 1 | FR130 (2 Wo.)FR | — | — | |
Talents vol. 2 | FR176 (2 Wo.)FR | — | — | ||
2015 | Poèmes Daragon – L’integrale Vol. 1 & 2 | FR81 (5 Wo.)FR | — | — | |
2020 | Ma France (2020) | FR59 (1 Wo.)FR | BEW145 (5 Wo.)BEW | — | |
Je ne chante pas pour passer le temps | FR59 (1 Wo.)FR | — | — |
Singles
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Jahr | Titel Album | Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[4] (Jahr, Titel,Album, Platzierungen, Wochen, Auszeichnungen, Anmerkungen) | Anmerkungen | ||
---|---|---|---|---|---|
![]() | ![]() | ![]() | |||
1963 | C’est beau la vie | FR172 (1 Wo.)FR | — | — | Charteinstieg in FR 2015 |
1964 | Que serais-je sans toi? | FR158 (1 Wo.)FR | — | — | Charteinstieg in FR 2015 |
La montagne | FR124 (1 Wo.)FR | — | CH61 (1 Wo.)CH | Charteinstieg in FR und CH 2015 | |
1969 | Ma France | FR183 (1 Wo.)FR | — | — | Charteinstieg in FR 2015 |
1971 | Aimer à perdre la raison | FR112 (1 Wo.)FR | — | CH65 (1 Wo.)CH | Charteinstieg in FR 2015 |
grau schraffiert: keine Chartdaten aus diesem Jahr verfügbar
Auszeichnungen für Musikverkäufe
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2× Goldene Schallplatte
| Platin-Schallplatte
|
Anmerkung: Auszeichnungen in Ländern aus den Charttabellen bzw. Chartboxen sind in ebendiesen zu finden.
Land/RegionAuszeichnungen für Musikverkäufe (Land/Region, Auszeichnungen, Verkäufe, Quellen) | ![]() | ![]() | ![]() | Verkäufe | Quellen |
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![]() | 0! G— | ![]() | 0! D— | 30.000 | ultratop.be |
![]() | ![]() | ![]() | ![]() | 1.820.000 | snepmusique.com |
![]() | ![]() | 0! P— | 0! D— | 25.000 | hitparade.ch |
Insgesamt | ![]() | ![]() | ![]() |
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Bernard Schmid: In memoriam Jean Ferrat. Kommunist, Künstler und Publikumsliebling. In: Trend Onlinezeitung. April 2010; abgerufen am 17. Februar 2023.
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Jean Ferrat est mort. Nachruf bei Artistik Rezo vom 13. März 2010.
- ↑lemonde.fr/disparitions/article/2010/03/15/jean-ferrat_1319296_3382.html, aufgerufen am 19. März 2023.
- ↑Chanteur engagé et poète discret, Jean Ferrat est décédé en Ardèche. (Memento desOriginals vom 15. März 2010 imInternet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/tageblatt.editpress.luTageblatt. Zeitung fir Lëtzebuerg, 14. März 2010. /Jean Ferrat s'est tuL’Humanité, abgerufen am 14. März 2010.
- ↑abChartquellen:FRBEWCH
Personendaten | |
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NAME | Ferrat, Jean |
ALTERNATIVNAMEN | Tenenbaum, Jean (wirklicher Name) |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Komponist und Sänger |
GEBURTSDATUM | 26. Dezember 1930 |
GEBURTSORT | Vaucresson,Seine-et-Oise |
STERBEDATUM | 13. März 2010 |
STERBEORT | Aubenas,Ardèche |