Jean Castex wurde 1965 imokzitanischen Vic-Fezensac geboren. Sein GroßvaterMarc Castex war Bürgermeister dieser Gemeinde und in den 1980er-Jahren Senator für die liberal-konservativeUDF. Er legte 1982 dasBaccalauréat ab, studierte Geschichte an derUniversität Toulouse (Abschluss mitLicence) und durchlief daraufhin das Programmservice publique (öffentlicher Dienst) amInstitut d’études politiques de Paris (Sciences Po), das er 1986 mit dem Diplom abschloss. Es folgte 1987 dieMaîtrise im öffentlichen Recht sowie ein Studium an der Elitehochschule für VerwaltungÉcole nationale d’administration (ENA), das er 1991 in der nachVictor Hugo benannten Klasse abschloss.[3][4]
Daraufhin wurde er Beamter amCour des Comptes. Er ließ sich 1996 in die Verwaltung desDépartements Var versetzen, wo er die Gesundheits- und Sozialabteilung leitete. Von 1999 bis 2001 war er Generalsekretär derPräfektur desDépartements Vaucluse und Unterpräfekt für Stadtpolitik. Von 2001 bis 2004 war Castex Präsident des regionalen Rechnungshofes desElsass. Parallel lehrte er von 2002 bis 2005 alsMaître de conférences für öffentliche Finanzen an der ENA und als beigeordneter Professor an derUniversité Robert Schuman (Strasbourg III). Castex wechselte 2004 ins französische Gesundheitsministerium, wo er den Bereich Krankenhäuser und Organisation der Pflege leitete. Von 2006 bis 2008 amtierte er als Stabschef vonXavier Bertrand (UMP), der damals Gesundheits- und später Arbeitsminister war. StaatspräsidentNicolas Sarkozy (UMP) ernannte Castex im November 2010 zu seinem Berater für Soziales.[5] Zwischen 2011 und 2012 fungierte er als stellvertretenderGeneralsekretär des Präsidentenamtes.[4]
Ab 2017 war er Beauftragter der Regierung für die Vorbereitung derOlympischen Sommerspiele 2024 in Paris sowie ab August 2019 Vorsitzender der neu gegründeten Nationalen Sportagentur(Agence nationale du sport). Am 2. April 2020 wurde er von PremierministerÉdouard Philippe zum Verantwortlichen der Regierung für die allmähliche Aufhebung der Notstandsmaßnahmen im Rahmen derCOVID-19-Pandemie in Frankreich(déconfinement) ernannt. In dieser Aufgabe wurde er überwiegend positiv beurteilt.[8] Seine Tätigkeit brachte ihm den SpitznamenMonsieur déconfinement („Herr Lockerung“) ein.[9]
Am 3. Juli 2020 wurde der bis dahin selbst in Frankreich weitgehend unbekannte Politiker[8] von StaatspräsidentEmmanuel Macron als Nachfolger vonÉdouard Philippe zum Premierminister ernannt. Am Tag seiner Ernennung trat Castex aus der Partei Les Républicains aus.[10]
Wenige Wochen nach der Wiederwahl von Emmanuel Macron trat er, wie es nach der Wahl eines Staatsoberhaupts in Frankreich üblich ist, im Mai 2022 als Premierminister mitsamtseinem Kabinett zurück.[11] Seine Nachfolgerin wurdeÉlisabeth Borne.[12]
Castex ist mit Sandra Ribelaygue verheiratet und Vater von vier Töchtern.[4] Er istRugby-Fan.[14] Sein Vater Claude war der Präsident eines Rugby-Vereins und Jean begleitete ihn bereits in seiner Jugend zu Spielen. Er sprichtFranzösisch mit südwestlichemAkzent; er und seine Frau, Bürgermeisterin eines Dorfes nahe der spanischen Grenze, sprechen zudemKatalanisch und fühlen sich mit der katalanischen Kultur verbunden.[15]Castex gilt als Bahn-Fan und setzt sich in Frankreich für die Stärkung des Schienenverkehrs ein.[16] 2017 veröffentlichte er ein Buch über dieBahnstrecke Perpignan–Villefranche-de-Conflent.[17]
Jean Castex wurde am 14. Februar 2025 im Rahmen einer Untersuchung wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder in seiner Zeit als Bürgermeister der Stadt Prades in Polizeigewahrsam genommen.[18]
↑Ralf Klingsieck:Frankreichs Premierminister Jean Castex. Einsatz für die Bahn. In:Privatbahn Magazin.Nr.2. Bahn-Media Verlag GmbH & Co. KG, 2022,ISSN1865-0163,S.94–95.